[SE] Bohusleden August 2012

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    [SE] Bohusleden August 2012

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    Mitreisende
    Bohusleden 2012



    Prolog:

    Eigentlich wollte ich ja vor einiger Zeit schon mal zu Fuß nach Schweden, damals zerschlug sich das ganze letztendlich wegen Zeit- und Geldmangel. Diesen Sommer war nun beides in ausreichender Menge vorhanden und wurde von absolutem Fernweh begleitet, sodass ich nach 2 Wochen Küstenwachdienst an der Nordsee, Kurztrip zum Aufbau eines großen Mittelaltermarktes in Bückeburg und einer 4-tägigen Main-Rhein-Radtour zu einem solchen in Köln mit allen Mitteln nach einem Mitreisenden für Schweden suchte.

    Und nicht fand. Dann kam die große Phase des Überlegens: „Alleine? Dann wird der Rucksack schwer? Und ich habe niemanden um Freud und Leid zu teilen. Und niemanden, der den Rettungsdienst ruft und so... Aber ich will nach Schweden! Und alleine Fahrradfahren kann ich ja auch.“
    Am Schluss siegte eines langen Abends am PC der Sturrkopf und ich buchte eine Woche vor Abreise die Zugticktes online bei der Bahn. Am nächsten Tag das große Planen: Strecke, Übernachtungsmöglichkeiten, Verpflegung, …

    5 Tage vor Abfahrt packte ich den Rucksack mal zur Probe, lief 5km und musste feststellen, dass ich Entenfüße bekommen habe und meine alten Wanderschuhe zu klein geworden sind. Also habe ich mich am nächsten Tag ins Schuhekaufen gestürzt.
    Passende Schuhe habe ich erst gefunden als die Verkäuferin leicht beleidigt abzog, weil ich fleißig Herrenmodelle anprobierte. Bis dahin hatte ich schon Blasen an den kleinen Fingern. Ich fühlte mich furchtbar schlecht vorbereitet.
    Am nächsten Tag bewährten sich Schuhe und Rucksack im Spessart, sodass ich doch wieder zuversichtlich war, dass ich überleben werde.

    Und dann ging es auch schon los:


    Dienstag, 14.08.2012
    Am späten Vormittag mache ich mich daran, den großen Berg Geraffel zum wiederholten Male in meinen Rucksack zu stopfen. Es klappt. Auch wenn ich ein bisschen Mitleid mit dem ausgestopften Rucksack habe und hoffe, dass die Nähte halten.
    Nachmittags kommt mein Freund von der Arbeit und wir machen uns auf den Weg zu einem kulinarischen Heimatabschied: das Angebot der Lieblingsdöneria („Einmal essen, nicht vergessen.“) und der Stamm-Eisdiele werden ausgiebig genutzt.
    Gut gesättigt (und mit leichter Übelkeit )geht es noch einmal nach Hause.
    Mutter und Freund (und mich, aber das darf keiner merken...) final davon überzeugen, dass ich nichts gefährliches vorhabe und bestens vorbereitet bin:

    „Pass auf, dass dich die Elche nicht fressen!“ - „Ja, Mama.“
    „Und was ist, wenn du dir den Knöchel verknackst?“ - „Da sind Leute. Und ich habe ZWEI Telefone dabei.“
    „Du meldest dich aber zwischendurch, ja?“ - „Ja, ihr bekommt immer abwechselnd SMS mit Schlafplatz und Zustandsbeschreibung.“
    „Hast du genug zu trinken und essen dabei?“ - „Ja, mehr als genug!“
    „Und du willst wirklich das See-Wasser trinken?!“ - „Muss ich wohl. Entkeimung habe ich dabei.“
    „Hast du deine Fahrkarte? Und genug Bargeld?“ - „Ja.“

    Und so weiter. Ich glaube, das kennt jeder, der schon mal alleine losgezogen ist.

    Pünktlich 30min vor geplanter Abfahrt des Zuges komme ich mit meinem Freund um 21.15Uhr am Hanauer Hauptbahnhof an. Schnell noch eine Zeitschrift holen und eine Flasche Cola für den morgen danach. Der Zeitschriftenladen hat zu, aber immerhin habe ich die Koffeinbrause bekommen. Ungeduldig trippel ich am Bahnsteig auf und ab. Irgendwann taucht der Zug auf der Anzeige auf. 5 Minuten Verspätung, 10 Minuten Verspätung, nach 15 Mintuten fährt mein RE nach Fulda ein. Und steht mehrere Minuten am Bahnsteig.
    Nachdem der Zug sich in Bewegung gesetzt hat, dauert es gefühlt keine 5 Minuten bis ich in Fulda auf dem Bahnsteig stehe. Ich drehe eine kleine Runde durch den Bahnhof – alles zu bis auf ein Cafe – und gehe zum Bahnsteig. Dort sehe ich, dass mein CNL nach Kopenhagen, planmäßige Abfahrt 23:43Uhr heute etwa 25min Verspätung hat. Ein Blick auf meine Verbindung sagt mir: Das entspricht ziemlich genau meiner Umsteigezeit in Kopenhagen. Mist. Aber ich vertraue in die Aufholfähigkeiten des Zuges und lenke mich mit Musik ab.
    Um 23:43 fährt der CNL dann doch pünktlich ab. Im Zug selbst herrscht etwas Chaos, denn statt Ruhesitzen im 6er-Abteil ist heute ein Großraumwagen der SBB eingesetzt. „Ist das hier Wagen 194?“ „Sind wir hier richtig im Wagen 194?“ hört man aus allen Ecken. „Ja.“ ist die Antwort.
    Ich finde schnell meinen Sitzplatz, scheitere daran, meinen Rucksack alleine in die Gepäckablage zu räumen und mache es mir mit mp3-Player gemütlich.
    Schon bald wird mir in Shorts und T-Shirt eiskalt. Ich bibber ein bisschen vor mich hin, denn alleine komme ich ja nicht an meine warmen Klamotten im Rucksack und bis auf den Mann mit dem Netbook schräg gegenüber tut der ganze Zug so als könne man bei diesem Gerumpel, Gehuste und ständigen Türenöffnen und -schließen schlafen. Kurz vor Hannover erhebt sich die Person, die unter meinem Rucksack sitzt um die Toilette aufzusuchen. Ich nutze die Gelegenheit und springe mit Socken auf den betreffenden Sitz, riskiere mal was und wuchte meinen Rucksack aus der Gepäckablage. Ich finde meine lange Unterwäsche, stelle den Rucksack vor die Abteiltür und ziehe mich auf der Toilette schön warm an.
    So eingepackt schaffe ich es tatsächlich fast die volle Stunde, die der Zug in Hannover rumsteht, zu schlafen.
    Als der Zug sich wieder in Bewegung setzt bin ich wieder wach. Glockenhellwach. Mist. Zwischenzeitlich betätigt irgendwer den Alarmknopf im Klo, sodass selbiges eine Stunde lang piept, kurz darauf wird zwei mal der Rauchmelder ausgelöst – stihiiille Naaacht.... *summ*
    Immerhin bekomme ich so die Einfahrt in den Hamburger Hauptbahnhof mit. Wirklich schön. :-)


    Mittwoch, 15.08.2012

    Ab Flensburg leert sich der Zug immer mehr und ich kann mit ausgestreckten Beinen die immer sonnigere Aussicht auf Brücken und Meer genießen.


    Um 10:05Uhr erreichen wir Koebenhavn H. Ich stolpere etwas geblendet über den Bahnhof und finde meinen Öresundtåg. Ich wundere mich, dass fast alle in den vorderen Zugteil einsteigen, wo doch hier hinten so viel Platz ist. Der Zug fährt los, unverständliche Durchsagen, irgendwas mit vorderem und hinterem Zugteil. Ein Zugbegleiter klärt mich auf: „Am anderen Ende des Zuges sind Sie richtig.“ Also quetsche ich mich mit offenen Wanderstiefeln und halb aufgesetztem Riesenrucksack durch den Zug und finde ein Plätzchen im Abteil für „Fahrgäste mit Gepäck“. Wie treffend. Die 3,5h bis Göteborg verbringe ich mit „AusdemFenstergucken“, „UnauffälligzuSchwedischemMetalheadbangen“ und „Sabberndwachschlafen“.
    Im Göteborger Hauptbahnhof laufe ich etwas verwirrt hin und her, suche eine Möglichkeit zum Geldwescheln, brauche mehrere Anläufe um der Dame am Västtrafiken-Schalter klar zu machen, wo ich hin will (Angered Kyrka), zeige ihr meine Karte und bekomme die Tram 4, 8 oder 9 nach Angered empfohlen. Doof nur, dass diese Tram dort heute wegen Bauarbeiten nicht hinfährt. Hätte ich nur irgendeinen Bus dorthin genommen... Ich spreche die Spårvagnfahrerin an und höre „Aussteigen, nächste Bahn zwei Stops zurück und dort in einen Bus nach Angered!“. Gesagt, getan. sicherheitshalber habe ich dem Busfahrer nochmal die Karte gezeigt, er nickt und meinte, er sage mir Bescheid, wo ich raus muss. Die Durchsage kommt und ich stehe um 15:30Uhr am Busbahnhof vor einem Einkaufszentrum „Angered C“. Mist.
    Ich frage drei Passanten wo wir sind, zwei von drei zeigen an eine falsche Stelle auf der Karte, der dritte guckt verwirrt und zeigt mir die richtige Stelle und wünscht mir viel Spaß auf dem Bohusleden.
    Ich verlasse mich auf mein Bauchgefühl und laufe los. Bald finde ich einen Hinweis für den Radweg nach Rannebergen und laufe etwa 2,5km entlang der Straße. Unterwegs möchten mir zwei nette Damen einen schwedischen „Wachturm“ andrehen und geben auch dann nicht auf als ich mit gespielt schlechtem Englisch betone, dass ich aus Deutschland komme und dort oft genug von ihresgleichen genervt werde.
    Bald zweigt ein Weg nach links zum Stora Mölnesjön ab. Ich halte mein Füße ins Wasser, mache ein paar Fotos und esse ein Snickers. Endlich im Grünen! Ohne Zeugen Jehovas!

    Die nächsten Kilometer flogen nur so dahin und um 18.00Uhr erreichte ich die nördlichste Hütte am Gäddevatten, wo ich heute Nacht zelten wollte.
    Ich plantschte eine Runde und kochte über einem Zwergfeuerchen Penne mit Brokkoli.

    Und machte mir unnötig viele Gedanken, wie ich wohl die Nacht ganz allein überstehen werde, ob ich mein Taschenmesser offen oder geschlossen neben meinen Schlafsack legen soll und was ich tue, wenn ein Elch über meine Zeltleine stolpert. Ganz normal, oder?



    Donnerstag, 16.08.2012

    Ich wache erstaunlich erholt um 7:30Uhr auf, gehe schwimmen, erhänge mein Zelt und versuche mir aus Eipulver und Milchpulver Rührei zu brauen. Ergebnis: Kaiserschmarrn. Naja, egal. Der Tee ist gut und um 9:00Uhr bin ich wieder unterwegs.

    Bis Bohus laufe ich als bepacktes Honigkuchenpferd über schöne Waldwege, doch schon bald nach dem Ortseingang merke ich, dass Asphalt, der Rucksack und meine Wanderstiefel keine gute Kombination sind. Vor dem Netto in Bohus überlege ich, was ich denn noch unbedingt einkaufen müsste. Mir fällt nichts ein, also mache ich mich auf den Weg über die 7 Brücken von Kungälv (oder so...). Durch den Kreisverkehr vorbei an großen Reifenstapeln und über E45. Wenige Meter nach den Reifenstapeln macht mich ein Bauarbeiter darauf aufmerksam, dass ich dort nicht laufen darf. Es sei noch nicht sicher dort zu laufen. Ich solle wieder zurück zum Kreisverkehr, der Straße parallel zur Autobahn bis zur nächsten Brücke folgen und dann auf der anderen Seite der Autobahn zurück bis ich über eine Treppe wieder auf die Brücke komme, auf der ich gerade stehe. Ich schaute ihn mit großen Augen an, stammelte irgendetwas, „But, but, it's far.“ oder so, und tat wie mir geheißen.

    Nach etwa 30 Minuten war ich etwas verstimmt wieder auf der Brücke, welche sich gerade öffnete um ein Segelboot passieren zu lassen. An der Tankstelle nach dieser Brücke erwerbe ich ein Schälchen Jordgubbar, welche ich über die nächste Klappbrücke zur Bohusfestung mitnahm und dort beim Postkartenschreiben verzehrte. Insgesamt hat mich diese Brückenlandschaft fast eine Stunde gekostet und den Blasen-Zähler von 0 auf 4 gesetzt.

    Nach der Mittagspause machte ich mich auf den Weg zum CoopKonsum um dort Briefmarken zu erwerben. Weit sei es ja nicht. Doch erst nach einer Stunde treffe ich am See Svarte Mosse wieder auf den Bohusleden.
    Der Weg ist kurzweilig und schön. Den Aleklätten, der eine hübsche Aussicht bieten soll finde ich in dem Moment, in dem ich mich unterwegs kurz umdrehe um ein Foto zu machen. Mist, verpasst.

    Ohne weitere Zwischenfälle erreiche ich den Badeplatz am Römesjön. Dort ist ein buntes deutsch-schwedisches Badetreiben. Ich erobere eine Parkbank, gehe schwimmen, fotografiere ein bisschen vor mich hin und mache mir etwas zu essen. Die Russen am Nachbartisch trinken Vodka aus eine Sport-Trinkflasche und scheitern an einem Einweggrill.

    Später kommen weitere vier deutsche Jungs an den See. Sie sind schon eine Weile unterwegs, wollten eigentlich nach Uddevalla, werden es wohl aber wegen einiger Unwägbarkeiten (Aufbruch „morgens“ nicht vor 16.00Uhr, nasse Chucks, …) wohl nicht schaffen und werden deshalb wieder nach Kungälv zurück wandern.
    Eine deutsche Familie, die mit dem Fahrrad unterwegs ist, warnt vor einem Unwetter in der Nacht und Dauerregen am nächsten Tag. Ich inspiziere das Umkleidehäuschen und lege meine Isomatte in die linke Kabine. Trotz Regengetrommel auf dem (dichten)Blechdach und Unterhaltungen über Pickel am Ar*** und Hämorriden schlafe ich schnell tief und fest.


    Freitag, 17.08.2012


    Um 7:00Uhr werde ich wach, springe kurz in den See und lasse dann mein Rührei anbrennen. Leckerlecker. Um 8Uhr laufe ich los und verpasse zum Warmwerden einen (wie ich später feststelle riesigen) Wegweiser nach rechts. Geradeaus ist weiterhin orange markiert, dann biegen die Markierungen nach rechts ab und enden auf Privatgrund. Ich drehe um und versuche weiter geradeaus zu laufen. Nach 50m Brennesseln und Brombeeren beschließe ich, dass das nicht der Bohusleden sein kann und drehe um. Ich schaue auf die Karte und beim Wegpacken der Karte sehe ich den Wegweiser in etwa 150m Entfernung. Nass und voller Grassamen lache ich mich kurz selbst aus und folge dem offensichtlich relativ neu umgelegten Weg. Hier ist auch die gute Nordwanderer.de-Karte ungenau. Ich stapfe entlang eines tieferliegenden Baches durch den Wald. Ein Wanderer, der unten gerade sein Lager abbricht reagiert nicht auf mein „Hej!“. Schade.
    Über schöne Wurzel-Pfade laufe ich am Rastplatz „Dalen“, wo wohl sonst nur Mittsommarfestivitäten abgehalten werden vorbei und tanke dort leckeres Trinkwasser. Kurz nach dem Etappenwechsel geht es steil einen abgeholzten Hang hinauf während die Sonne steil herab brennt. Ich schnaufe ganz ordentlich beim Anstieg und lasse mich oben auf einem Felsen nieder. Und springe nach wenigen Sekunden wieder auf: AMEISEN. ÜBERALL.



    Auf dem nächstem Felsen habe ich mehr Glück und nehme einen kurzen Snack zu mir und studiere die Karte währenddessen denke ich an den prophezeiten Dauerregen und mein (schweiß)nasses T-Shirt. Als Etappenziel lege ich den Nedre Långevatten fest.








    Den Weg dorthin empfinde ich als relativ fordernd (Die Relationen werden sich in den nächsten Tagen noch verschieben, aber dazu später mehr). Dennoch bin ich schon um 13.30h am Rastplatz, der wohl vor Kurzem eine schicke Hütte bekommen hat.
    Ich gehe eine Runde baden, lese ein paar dramatische Szenen aus „A Clash of Kings“ und schlafe ein bisschen auf dem Badefelsen. Um halb drei beschließe ich, doch noch an die Bottenstuga zu laufen. Auch diesen Weg empfinde ich als relativ fordernd.
    Vor der Hütte liegen vier Isomatten, diverse Schlafsäcke und einige Kleidungsstücke verteilt. Ich treffe ein Hamburger Pärchen an und erfahre, dass zwei weitere Personen zu ihrer Reisegruppe gehören und dass diese gerade einkaufen. Etwas erstaunt frage ich „Wo?“ und bekomme „Naja, sie wollten mal schauen, wo sie was finden...“ zur Antwort. (Gegen 21h treffen die beiden wieder ein. 30km Fußmarsch...).
    Ich erkunde das Anwesen mit Brunnen, Grillhütte, Feuerholzlager und Schlafhütte und koche erstmal.



    Später kommt ein Couch-Surfing-Host aus Göteborg vorbei und fragt, ob wir hier wandern, wo wir herkämen, wo wir noch hin wollten und wo man an einem halben Tag hinlaufen könnte. Wir geben bereitwillig Auskunft und sind echt verwundert als er zu seinem Auto zurück läuft und mit 4 Couch-Surfern mit Daypacks, Wasserkanistern und Grillequipment wieder vorbei kommt. Unterwegs fragt er noch kurz, ob wir zwei deutsche Mädchen getroffen hätten, sie hätten bei ihm in Göteborg geschlafen, er vermute sie irgendwo in dieser Gegend und würde sie gerne besuchen.
    Wir sind sehr verwundert.
    Kurz darauf ärgere ich mich, dass ich nicht direkt mein Zeug in der Schlafhütte deponiert habe, denn ein Auto voller Schwedinnen fährt vor und belagert die Hütte. Also doch das Zelt aufbauen. Und das obwohl es schon wieder stark nach nächtlichem Regen aussieht.
    Nach einem unterhaltsamen Abend mit Geschichten von den fremden Bohusleden-Abenteuern krieche ich um 23.00Uhr in meinen Schlafsack und schlafe sofort ein.



    Mitten in der Nacht werde ich wach und vermute, dass ein Igel oder ein Waschbär oder so schnarchend in meiner Apsis liegt. Ich ziehe meine Kopflampe auf und klettere neugierig aus dem Zelt. Der Igel/Waschbär/Wasauchimmer stellt sich als Eike im 30m entfernten Tunnelzelt heraus. Ups. Kichernd krieche ich zurück in den Schlafsack.


    Samstag, 19.08.2012

    Gegen 7Uhr werde ich wach. Draußen regnet es und in meinem schwarzen Decathlon-Metal-Tent ist es ziemlich dunkel. Ich lese ein bisschen, mache Vorräte-Inventur und stelle fest, dass ich mehr Abendessen dabei habe als ich essen kann. Dann packe ich mein Zeug weitgehend im Zelt zusammen und renne in die Grillhütte. Dort mache ich ein Feuerchen und köchel Wirtshaus-Spätzle in Pilzsoße (das Abendessen-Problem ).
    Gut gestärkt starte ich mit Regenjacke und Regenhose um 9:30h. 5 Minute später verfluche ich die Regenjacke und -hose, und halte Ausschau nach einem Umkleideplatz. An einer Aussichtsbank finde ich diesen, ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus, Shorts, T-Shirt und Poncho an und verstaue die nasse Regenkleidung am Rucksack.



    Ich finde den Weg noch ein bisschen mehr relativ anstrengend denn bei dem Nieselregen ist hier alles nass und glitschig. Nach 1,5h beginne ich nach einen Fleckchen für eine kurze Pause zu suchen. Und finde keins. Alles nass. In den Senken knöcheltiefer Morast und weiter oben moosige Steine.





    Gegen 12h hat es aufgehört zu tröpfeln. Ich schmeiße meinen Poncho über einen Baumstumpf, den Rucksack darauf und mich hinter her.
    Schnell trinke ich eine Trinkflasche aus und schiebe zwei Fruchtriegel (davon hatte ich auch noch überplanmäßig viele) hinterher. Ein Blick auf die Karte verrät mir, dass der See zu meiner Linken der Stora Holmevatten sein muss. „Mal schauen, wo ich heute schlafe...“ denke ich, während ich mein Zeug wieder verstaue.
    Nach weiteren Kilometern auf dem „relativ fordernden“ Weg inklusive rückwärts „abseilen“ wie auf dem Klettergerüst am Spielplatz, nur steiler, nasser, unwegsamer und mit übergewichtiger Reisebegleitung auf dem Rücken komme ich über eine Schotterstraße zur Hütte am Stora Klästevatten.



    Zusammen mit mir kommt dort ein bisschen Sonne an. Ich trockne Socken, Schuhe, die Regenklamotten und das nassen Zelt. Und chille. Schließlich ist es ja erst 14Uhr.
    Bald kommen mehrere vollgepackte Volvo an der Hütte an. Schwedische „Deer-Hunter“, welche mir auf Nachfragen erzählen, dass es nur noch am nächsten Morgen kurz regnen soll und sich an den Seen auf den nächsten Kilometern schöne Zeltplätze finden. Mit 50% der Aussagen sollten sie Recht behalten, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht. Ich schaute zu, wie sich die Herren verkleideten und verabschiedete mich recht bald um einen der schönen Zeltplätze zu finden.
    Nach einem kurzen Stück Schotterstraße versank ich mal wieder knietief im Matsch und war langsam echt genervt von dem Zeug. Auch lieblos auf Bäche geschmissene, glitschige Birkenäste als Querungshilfe konnte ich nicht mehr sehen. Und gebrochene Planken auch nicht mehr. Ich hatte schon wieder nasse Füße und war alles andere als gut gelaunt.
    Außerdem zeigte sich den ganzen Weg über kein „schicker Zeltplatz“, den ich ohne Schwimmen hätte erreichen können. „Richtig, da war was...“, dämmerte es mir „die Frau des Jägers war hier mit dem Kanu unterwegs.“. „Mit etwas Geschick hätte sie auch über den Weg paddeln können!“, sagte irgendeine sarkastische Stimme in mir. Noch immer grummelte ich vor mich hin als der Weg nach rechts auf einen bewaldeten Hügel abbog. Schnell hörte der Elch hinter mir auf im Rhythmus meiner Schritte zu schmatzen – trockener Boden unter meinen Stiefeln!!
    Ziemlich verzweifelt schmiss ich meinen Rucksack an der nächstbesten, halbwegs geraden Fläche ab. Ein paar Wurzeln hier und dort, aber schlafen werden ich hier können. Ich setze mich hin und beginne die versprochene SMS nach Hause zu verfassen und habe keinen Empfang. Ich trinke den letzten Schluck aus meiner zweiten Trinkflasche und realisiere erst in diesem Moment, dass ich auf den letzten km kein einziges mal die Chance hatte, Trinkwasser aufzufüllen. Ich habe nur noch 0,5l Reserve im Rucksack.
    Noch verzweifelter schaue ich auf die Karte, futtere ein Snickers und begreife, dass die Hütte am Djupevatten nur noch 1,5km entfernt sein kann. Handy aus, Schuhe wieder gebunden, Rucksack auf den Buckel gehievt und weiter.
    Kurz vor der Hütte höre ich Stimmen und schon läuft in meinem Kopf das nächste Horrorszenario an: Hütte voll, kein Zeltplatz.
    Doch als ich mit lautem „HEJ!“ um die Hüttenecke komme sehe ich einen direkten Zugang zum See, zwei Reisende, etwas Feuerholz und reichlich Platz für mich.



    Vollkommen erledigt startet der Automatismus „Schuhe aus, Kocher raus, Essen machen.“ Nach den letzten Bissen komme ich so langsam wieder in der Realität an und die große Erleichterung macht sich breit.
    Nach diesen 25km Wurzeln, Felsen und tiefen Morast hätte ich echt nicht mehr viel weiter gekonnt und ich sah mich schon mit meinem Poncho als Regenschutz ohne Trinkwasser im Wald nächtigen. Zum Glück kam es aber doch nicht so und ich verbringe noch einen netten Abend mit den beiden Maschinenbau-Studenten aus Köln am Lagerfeuer, quatsche über Ausrüstung, Gore-Tex- und Leder-Schuhe, Autos, Metal und Musik im Allgemeinen.



    Sonntag, 19.08.2012

    Um 7Uhr weckt uns Pascals Telefon mit Schandmaul. Erfreut stelle ich fest, dass sogar meine Schuhe fast trocken geworden sind.
    Zum Frühstück gibt’s heute Champignonsuppe und Tee. Das Rührei kann mich mal.
    Bei Loslaufen stellen wir fest, dass der Weg nicht anders ist wie auf den letzten beiden Etappen, bzw. auf meiner unfreiwilligen Doppeletappe: Nass, matschig, bäh.



    Ich überlege, nach den gestrigen Strapazen einen Ruhetag in Backamo einzulegen, da wir aber schon kurz nach Hasteröd damm beschlossen haben, weiter auf der Straße zu gehen und ich langsam wieder genug Straße gesehen habe, folge ich den Jungs bis zur Schutzhütte am Store Väktor, welche wir schon um 12Uhr erreichen.
    Ich beschließe, dort erstmal große Mittagspause zu machen und meine Füße zu schonen. Dann möchte ich entweder dort großen Bade- und Waschtag machen oder noch bis zur Hütte zwischen Långevattnet und Stora Galten laufen.
    Nach einem Nüsse- und-Fruchtriegel-Snack lege ich mich auf die Bank und höre leicht dösend „The Hunt“ von Grand Magus (persönliche Musikempfehlung ) von vorne bis hinten durch.
    Gegen halb zwei laufe ich weiter, da sich die Hütte nicht für den geplanten Spa- und Housework-Tag eignet. Die Hütte suche ich vergeblich. Dafür grüßte mich ein hölzerner, nackiger Herr ohne Eichel, dafür mit Zapfen. :-X



    Ich stapfe weiter mit dem Ziel Stora Galten, meine Karte zeigt dort open space. Selbiger findet sich dort nur auf Privatgrund, dafür sind dort wieder die beiden Jungs, die ich heute Mittag fortziehen ließ. Wir suchen gemeinsam einen Zeltplatz und finden nur einen viel zu kleinen. Dort stellen wir die Rucksäcke ab und starten eine zwei Personen starke Erkundungstour während Pascal die Rucksäcke hütet. Ein Ehepaar pflegt gerade ihr Wochenendhäuschen und erklärt, dass der Grünstreifen vor ihrem Haus am See geeignet wäre, aber wie der See insgesamt dem Farmer gehöre und selbiger gerne mit dem Boot über den See fährt und nach dem rechten schaut. Der Mann empfiehlt uns noch die 1,5-2h nach Stenshult zu laufen.
    Zurück bei Pascal überlegen wir hin und her. Der Zeltplatz wäre definitiv „premium“, in der Nacht wieder zusammenpacken, weil „the farmer“ sauer ist aber eher nicht. Wir essen an Ort und Stelle zu Abend und wollen nach Stenshult weiter laufen.
    Nachdem wir uns wieder in Bewegung gesetzt haben tun mir echt die Kräten weh, mein Füße schmerzen dauerhaft und Knie, Knöchel und Hüften fahren Wechselschichten im Schmerzenbereiten. Den beiden Jungs geht es auch nicht besser.
    Nach einem kurzen Stop, bei dem wir drei Motocross-Fahrern auf einer Übungsstrecke zugeschaut haben überholt uns auf der Schotterstraße hinter dem Buvattnet ein roter Saab, der zwei von drei erschöpften Wanderern sehr bekannt vorkommt. Der Saab hält an und fährt mit runtergelassener Scheibe zurück. „Hej! Shall I take you to Uddevalla?“
    Nach kurzer Verhandlung sind drei Rucksäcke und drei stinkende Wanderer zusätzlich im Saab und wir auf dem Weg zur Hütte in Stenshult. Während er einhändig quatschend Auto fährt, erzählt sie, dass am Vortag auf dieser Strecke schwedische Ralleymeisterschaften gewesen seien, und einer meiner Mitwanderer meint „This must be a hard race, it must be really difficult to drive here.“. Ich finde, das ist großartige Situationskomik und muss vor mich hin kichern.
    Die Hütte in Stenshult ist gut besucht, sodass wir unsere Zelte auf der schneckenreichen Gras-Laufstrecke mit Laternen aufschlagen und nach kurzen Besprechungen (Ruhetag? Bus nach Uddevalla? Trampen dorthin? Kuststigen weitergehen?) bald in die Zelte verschwinden. Toller Ruhetag war das, denke ich und schlafe sofort ein.


    Montag, 20.08.2012



    6Uhr: Mit einem ohrenbetäubenden „BÄÄÄÄM“ werde ich aus dem Schlaf gerissen. Mit müden Augen öffne ich mein Zelt. Mal schauen, was da los ist. Vielleicht wieder Jäger? Im Nachbarzelt ist reges Treiben die beiden Jungs stellen sich unter dem Dach des Sportlerheimes unter. Verschlafen, wie ich bin flitze ich in langer Unterwäsche hinter her, flitze wieder zurück, mache das Zelt zu, flitze weiter hinterher, flitze auf das Klo (Sehr voll. Ihhh.) und wieder zurück. Dort fängt es dann an zu regnen und ich begreife so langsam, dass das wohl ein eher untypisches Gewitter war.
    Die anderen berichten, dass es wohl vorher schon gegrummelt habe und quasi zeitgleich mit dem Knall auch ein Blitz zu sehen war. Ich kann der Unterhaltung nur beisteuern, dass ich keinen Blitz gesehen habe und es doch normalerweise erst windig und regnerisch wird und dann blitzt und donnert, wir hier aber ja in Schweden seien und da ist schließlich alles anders.
    Nach 10min ist der Spuk vorbei und ich krieche mittlerweile ziemlich wach wieder in meinen Schlafsack und versuche noch eine Runde zu schlafen.
    Leider bleibt es bei dem Versuch. Bis um 7Uhr im Nachbarzelt Schandmaul durch verlassene Städte reitet steht mein Entschluss: Ich schaue mal, ob an der Landstraße (geteert und zweispurig, der Wahnsinn!) ein Bus fährt. Wenn einer kommt und mich nach Uddevalla bringt, schaue ich, was ich von dort aus tun kann, wenn nicht, laufe ich den Bohusleden weiter bis zum Vindskydd am Köperödsjön. An der Landstraße sind Bushaltestellen, aber kein Fahrplan. Daher nehme ich an, dass das wohl nur der Schulbus ist und folge dem Bohusleden weiter.
    Nachdem ich die Landstraße erneut gequert habe, fängt es wieder an zu grummeln und ein heftige schwarze Wolkenfront verfolgt mich. Panisch hetze ich über matschige Pfade an ausrangierten Tiefladern und Treckern vorbei bis ich an der Unterführung der Autobahn ankomme und mich erstmal samt Rucksack in die Böschung knalle.



    Dort warte ich das Gewitter ab und mache mich sobald wieder eitel Sonnenschein herrscht auf dem Weg UM(!), nicht durch, die Motorsportarena Glimminge. Der Weg herum ist lang und geschottert, aber mir ist das jetzt egal, denn ich habe das Gewitter überlebt und freue mich auf den See. An zwei kleineren Seen muss man mehrmals ein Kuhweide queren leider oder zum Glück - so ganz entscheiden konnte ich mich nicht - ist kein Bewohner da, weil gerade Forstarbeiten auf dem Gelände durchgeführt werden.



    Am Köperödsjön angekommen trockne ich mal wieder Zelt und Bett und mache mich dann daran, Körper und Kleidungsstücke geruchlich zu optimieren. Mitten in diesem Prozess kommen Maike und Steffi, die in Stenshult IN der Hütte geschlafen haben, an. Und pupsen abwechselnd (ja, wirklich). Henning und Hauke kämen auch noch nach, die seien aber gerade in Uddevalla um Bier und Würstchen zu kaufen. Hauke hat die beiden Mädels mit seiner Säge und der kleinen Fiskars ausgestattet, damit sie sich wenigstens etwas nützlich machen können.
    Bald ziehen wir zu dritt los und holen diverse kleinere umgekippte Birken und Fichten aus dem umliegenden Wald, sägen sie zurecht und erwarten die beiden Jungs, welche bald schon schwer beladen um die Ecke kommen.
    Die Jungs gehen schwimmen und schnell schmurkelt ein kleines Feuerchen, und die Würstchen sind gegrillt.



    Zu späterer Stunde fällt der Entschluss, sich noch das elchreiche Gebiet Halle-/Hunneberg am Vänern anzuschauen. Morgen soll es zunächst nach Uddevalla zum Bahnhof gehen und dann per Bus nach Vänersborg.
    Wie bisher jede Nacht schlafe ich schnell und tief.


    Dienstag, 21.08.2012

    Um 8Uhr frühstücken wir gemeinsam und lassen eine große Portion Rührei anbrennen. nach einigem Spülaufwand geht es durch das Industriegebiet und vorbei an den Muschelbänken in die Uddevallaer Innenstadt, wo wir uns mit einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensmittel eindeckten und uns über die weiteren Reisemöglichkeiten informierten.




    Wir fassen folgenden Plan: Bus um 14:35h nach Vänersborg, dort eine Karte vom Elchgebiet organisieren, das kleine Stückchen dorthin laufen und am See im Gebiet Halleberg zelten.
    Die Busfahrt war kurz und unkompliziert und eine Karte schnell organisiert. Weniger schnell erreichten wir den erwünschten Zeltplatz, denn die paar Kilometer waren länger als erwartet (googlemaps sagt 12km...) und führten schnurgerade über massiv demotivierende Straßen. Nur Henning, der große Asphalt-Läufer flitzte stets voran und war wenig erschöpft als wir am See ankamen und *trommelwirbel*
    *kunstpause*
    Ein durchgestrichenes Zelt an der Zufahrt zum See sahen.



    Erschöpft warfen wir die Rucksäcke ab und suchten einen Ausweg aus dem Dilemma. Einfach trotzdem dort Zelten? In der Hütte dort schlafen? Noch bis zum Ende der Straße, wo ein weiterer Grillplatz eingezeichnet war, laufen? Verzweifeln und den Kopf in den Asphalt stecken?
    Wir beschlossen, dass eine hübsche Dame, den schwedischen Angler, der gerade mit dem Auto vorfuhr davon überzeugt, dass er unbedingt unsere Rucksäcke und einen von uns bis zum Ende der Straße bringen möchte. Leider war es nicht möglich, diesen Wunsch im Angler zu wecken. Er meinte nur, der Ranger sei alt und faul, wenn wir nicht direkt an der See-Zufahrt zelten passiert schon nichts.
    Doof war nur, dass wirklich viele argwöhnisch schauende Angler dort waren und die Zeltplätze recht rar waren. Wir tankten rostrotes Trinkwasser und gingen zurück an die Straße. Dieses mal sollte Henning versuchen, einen Gepäcktransport zu ergattern. Er fand eine bayerische Familie mit wirklich vollem Auto. Netterweise transportierten sie dennoch unser Geraffel und einen Teil von uns, während Schweden mit Hund und Mountainbikes im Auto den Rest von uns transportierten.
    Wir schlugen an Ort und Stelle die Zelte auf, kochten Abendessen und liefen noch vor an die Abbruchkante des Felsberges um die Aussicht auf den Vänern bei Nacht zu genießen und vielleicht doch noch Elche zu sichten.Bezüglich der Aussicht waren wir sogar erfolgreich. Um 22h fallen wir totmüde in die Penntüten.




    Mittwoch, 22.08.2012

    Heute wache ich gegen 8Uhr das erste mal auf. Tour-Rekord! Wir frühstücken in der Sonne und laufen zu einem anderen Aussichtspunkt über den Vänern. Dort haben wir eine Menge Spaß mit Selbstauslöser-Gruppenfotos und ziehen erst weiter als es anfängt zu tröpfeln.



    In dem Moment, in dem ich unter Ausnutzung des Windes meinen Poncho über mich und den Rucksack wurschtel, fällt meine Entscheidung, dass ich heute Nacht im Vandrarhem in Vargön bleibe, denn meine Füße haben keinen Bock mehr auf viele Kilometer und der Rest von mir keine Lust, nasses Zeug 18h im Zug mit rumzuschleppen. Meine tempräre Reisebegleitung ist sichtlich unentschlossen, wo sie heute nächtigen wollen und wie sie dorthin kommen.
    Mit mehreren Zwischenstops komme ich schließlich am Vandrarhem an. Es ist keiner da, aber an der Tür steht eine Telefonnummer, welche ich sofort anrufe. Er sei gerade nicht da und könne auch nicht vorbei kommen, da er auf den Klempner warte, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung. Aber im Briefkasten seien Umschläge mit Zimmernummern. Ich solle mir 108 rausnehmen und es mir gemütlich machen. Über die Bezahlung sprächen wir später.
    Ich schmeiße mein Zeug ins leere Hostel und flitze zu den anderen, welche ich noch an der Bushaltestelle vermutete. Auf halbem Weg trafen wir uns. Das Vandrarhem hat einen Zeltplatz, dort könnten sie bleiben, berichtete ich.
    Zur diesbezüglichen Entscheidungsfindung folgte mir die Truppe in das Wohnzimmer des Vandrarhems. Erneutes Telefonat: Sie bleiben und dürfen „all facilitys“ des Hostels nutzen. Sehr gut.



    Der Rest geht duschen und ich kümmere mich darum, wie ich es morgen bis 12:43 nach Göteborg schaffe. Am anderen Ende des Ortes finde ich den Hauptbusbahnhof Vargöns, einen Supermarkt und ein Kiosk, das mir eine 100kr-Prepaidkarte für den Bus verkauft. Ich kaufe Chips und Schokolade und beginne den Rückzug.
    Nachdem auch ich geduscht habe, die Zelte stehen und ein bisschen Wäsche gewaschen ist, entern wir die große Küche des Hostels, kochen, essen und spielen FLUXX. Alles begleitet von einer feinen Mischung aus Metal und Rock aus einem alten Röhren-Radio.





    Irgendwann am Abend kommt tatsächlich der Inhaber des Hostels noch vorbei zwecks Zahlung (200kr für mich, 100kr pro Zelt) und kurz darauf trifft noch ein ziemlich nassgeregneter schwedischer Radreisender ein, den ich in den „Telefonieren-Schlüsselnehmen“-Ablauf einweise und danach nicht wieder sehe. Nur höre. Stapfen und Schnarchen.
    Nach einem schönen Abend verabschiede ich mich gegen Mitternacht in meine Kammer. Und schlafe sofort tief ein.



    Donnerstag, 23.08.2012

    Schon um 6Uhr klingelt heute mein Wecker. Zu diesem Zeitpunkt stehe ich aber schon genüsslich unter der Dusche. Die Angst, den Zug zu verpassen ließ mich vom ersten Tageslicht wach werden.




    Nach einem gemütlichen Frühstück packe ich meinen Rucksack so dass wirklich alles IM Rucksack ist. Er beschwert sich kurz über ein Spannungsgefühl, ergibt sich dann aber seinem Schicksal.
    Um 7:36h entere ich den Bus und bin schon um kurz vor 8 in Vänersborg, wo ich das Internet des Bahnhofs nutze um bunte Lebenszeichen zu verschicken. Später erwerbe ich noch in der Touristinfo kleine Mitbringsel für Mutter und Freund und warte dann ungeduldig auf den 9:13h Västtåg nach Göteborg. Bei dem Gedanken, dass mir noch beinahe 24h Reise drohen wünsche ich mir, ich wäre doch mit dem Flugzeug angereist und krame schon mal die Ersatzbatterie für den mp3-Payer raus.



    In Göteborg investiere ich die letzten Metall-Kronen in ein Burgerking-Eis, wechsle meine Papierkronen wieder in Euro und versuche meine Buskarte zurückzugeben. Versuche. Denn seltsamerweise sind da noch 60kr Guthaben drauf, obwohl die fahrt 95kr hätte kosten sollen. Naja, so habe ich nochmal einen Anreiz nach Schweden zu kommen.
    Die Zeit bis mein Öresundtåg nach Kopenhagen abfährt zieht sich wie Kaugummi und ich entscheide mich dafür mit einem früheren Zug zu fahren, auch um in Kopenhagen noch „zu Abend“ zu essen.
    Ich komme problemlos in Kopenhagen an und stelle dort etwas verwundert fest, dass die ja auch Kronen haben. Doof, das. Ich suche mir einen Asia-Imbiss und esse wirklich fades gemischtes Gemüse, welches ich mit EC-Karte bezahle. Danach wandere ich noch ein bisschen durch den Bahnhof bis der relativ volle EC mich nach Hamburg bringt. Ein deutsches Ehepaar neben mir amüsiert sich etwas als ich meinen Rucksack verstaue, ich lächle freundlich und denke daran, wie ich an dieser Aufgabe am Hinweg gescheitert bin. Mann, habe ich viel gegessen...
    Irgendwann kommt die obligatorische Frage nach dem wohin/woher, ich erzähle den beiden, was ich getan habe und ernte sehr große Augen. „Alleine? Als Mädchen? Ohne Schwedisch zu können?“ (Letzteres war neu! Yeha!) Ja, ja und ja. Die beiden sind schwer beeindruckt und ich habe die Gelegenheit selbst noch darüber nachzudenken.
    Die Fährüberfahrt ist klassisch-sentimental. Wie immer auf dem Rückweg...



    An die darauffolgende Fahrt im IC von Hamburg nach Köln habe ich fast keine Erinnerungen mehr. Irgendwann saß ein Pärchen mit in meinem Abteil irgendwann bin ich eingeschlafen und irgendwann bin ich aufgewacht und musste amüsiert feststellen, dass ich geträumt habe, mit einem nassen Bernhardiner in einem Kleinwagen unterwegs zu sein. Ich kann verstehen, warum sonst keiner in meinem Abteil sitzen wollte...
    In Köln habe ich genau 5 Minuten zum Umsteigen und bin ziemlich happy als ich in meinem ICE nach Hanau sitze. Schlafen kann ich jetzt nicht mehr, denn das ständige Auf-und-Ab auf der ICE-Trasse sorgt dafür dass ich ständig schlucken muss.
    In Hanau renne ich zu meinem Bus, der Busfahrer grinst mich bepackt wie ich bin an und fährt los. Etwas grumpig warte ich auf den nächsten Zug der mich pünktlich um 6:14 auf den Heimatbahnhof entlässt.
    Ich wanke nach Hause, bin verwirrt, dass meine Mutter (gefühlt mitten in der Nacht) gerade auf dem Weg auf die Arbeit ist, erzähle, dass ich noch lebe ziehe die Shorts aus und falle in mein Bett.


    Epilog:

    Um 13Uhr weckt mich mein Wecker, denn heute habe ich ja noch großes vor: Subway to Sally und Saltatio Mortis Doppelkonzert.
    Ich beschimpfe den Wecker kurz und dusche mich. Danach gehe ich auf Nahrungssuche und finde ein mittelmäßig zufriedenstellendes Angebot. Wobei: Kekse zum Frühstück sind auch nicht schlecht.

    Ich packe mein Zeug weitgehend aus und diverse frische Band-T-Shirts und Unterwäsche ein.

    Um 17.00 holt mich mein Freund ab und wir fahren zusammen zum Schlosshof Fulda. Freunde, die auch dort sind haben schon gemutmaßt, ob ich während des Konzerts einschlafe, alleine stehen kann usw. Zu meiner eigenen Verwunderung schlage ich mich nicht schlecht. Sogar als der Himmel in der Umbaupause seine Pforten öffnet und uns in etwa 15Sekunden komplett durchweicht. Wie schon Saltatio Mortis spielen auch Subway to Sally ein richtig gutes Konzert und während der ersten Songs hört sogar der Regen wieder auf. Irgendwann fällt mir ein, dass ich lediglich die Hose dabei habe, die ich gerade durchweicht am Leibe trage. Igitt. Außerdem scheine ich mich versprungen zu haben, denn in meiner Leiste zieht irgendetwas sehr unangenehm.
    Nach einem tollen Medley von StS und SaMo laufen wir zurück zum Parkplatz, bauen eine Liegefläche in den Kofferraum und schlafen schnell.

    Am Morgen gibt es ein Frühstück mit richtigem (!) Rührei vor dem mütterlichen Campingbus, einen Umstieg meiner Wenigkeit in selbigen und dann Mittelalterlich Phantasie Spectaculum in Speyer bis Mitternacht. Nachts soll es geregnet und gewittert haben. Halte ich für eine Lüge. Ich habe nichts gehört.

    Jetzt suche ich meinen Biorhythmus. Sollte er irgendwem über den Weg laufen: Er hat einen Adressanhänger und wird sehnlichst erwartet.
    Zuletzt geändert von laber; 30.09.2012, 19:45. Grund: Nacktfotocollage eingefügt. ;-)

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    #2
    AW: Bohusleden August 2012

    Schöner Reisebericht, wirklich toll und kurzweilig geschrieben (über "...Köpfe in den Asphalt stecken" muss ich immernoch grinsen ).

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    • Rattus
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      #3
      AW: [SE] Bohusleden August 2012

      Klasse geschrieben
      Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede.

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      • lina
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        #4
        AW: [SE] Bohusleden August 2012

        Schließe mich an, besten Dank!

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        • laber
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          #5
          AW: [SE] Bohusleden August 2012

          Freut mich sehr, dass es euch gefällt!

          Ich habe hier schon soooo viele tolle Reiseberichte gelesen, dass ich mich quasi gezwungen gefühlt habe, mal etwas mitzuwirken an der schönen Sammlung.

          LG Lara

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          • Chaot
            Gerne im Forum
            • 18.01.2011
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            #6
            AW: [SE] Bohusleden August 2012

            Absolut toller Reisebericht. Mußte aus vielen Gründen schmunzeln.
            War letztes Jahr auf dem Bohusleden unterwegs, aber schon im Juni.
            Sind in Kungälv mitten in der Nacht angekommen mit dem Bus und es hat angefangen zu regnen wie aus Eimern, mußten außerdem noch Spiritus besorgen und haben dann die Nacht vor ner Tanke verbracht.

            Diese Abseilstelle hatte es aber bei uns letztes Jahr noch nicht.

            Dein "zu schwedischem Metal-Kopfgenicke" kenne ich nur zu gut. Geht mir zu Sonic Syndicate oder In Flames immer so. Muß aufpassen das ich nicht immer noch laut mitsumme.

            Wegen MPS in Speyer war ich letztes Jahr kurzfristig auch. Ist aber sonst einfach zu weit weg von Bad Säckingen. Bin sonst immer hier in Säckingen oder Weil, manchmal auch Singen.

            Hat mir echt viel Spaß gemacht deinen Bericht zu lesen.

            Viele Grüße
            Die Straße gleitet fort und fort,
            durch Berg und Schlucht, durch Feld und Tann,....

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            • Grauwolf

              Erfahren
              • 22.05.2009
              • 264
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              #7
              AW: [SE] Bohusleden August 2012

              Toller Reisebericht. Es erinnert mich an meine letzten beiden Bhusledentouren, und es ist toll, das einige Ecken irgendwie von allen vorbeikommenden Fotographiert werden.

              Ausserdem finde ich toll, das ich nicht alleine bin mit dem Schusetier durch die Gegend tragen.
              Mein Freund heisst Rudi, und ist eine Ratte. Und er war mittlerweile schon verdammt oft in Schweden.
              "Wo sind wir eigentlich?"
              "Laut Karte da drüben auf dem Hügel!"

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              • Detti
                Gerne im Forum
                • 16.06.2012
                • 73
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                • Meine Reisen

                #8
                AW: [SE] Bohusleden August 2012

                Absolut spannend und faszinierend dein Bericht mit Klasse Bildern. Danke.
                Gruß Detlev

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                • dooley242

                  Fuchs
                  • 08.02.2008
                  • 2096
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] Bohusleden August 2012

                  Ein schöner Bericht mit schönen Bildern.
                  Da will ich auch noch mal hin.
                  Gruß

                  Thomas

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                  • laber
                    Erfahren
                    • 29.03.2010
                    • 213
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [SE] Bohusleden August 2012

                    Morgen!

                    @all: Danke für die Blumen. *verneig*

                    @Grauwolf: Na klar, habe ich die Kuschel-Elchdame dabei. (Sie wurde zu einer Dame BEVOR mir wirklich klar war, dass die Damen kein Geweih tragen.)


                    Ein paar Details/Anmerkungen sind mir noch zusätzlich eingefallen:

                    1. Der Couchsurfinghost war der Host von den beiden Mädels, die auf meinen letzten Etappen mit von der Partie waren.
                    Die wollte er auch besuchen.
                    Die Truppe hat an dem Abend ein BBQ am nächsten See gemacht, wollte dort auch schlafen, hat aber dann festgestellt, dass keine/zu wenige Zelte vorhanden waren. Das erklärt auch, warum das Couchsurfer-Auto am nächsten morgen weg war.

                    2. In den Reiseberichten, die ich hier gelesen habe, war nie die Rede von solchen Schlammschlachten. Der daraufhin befragte Schwede meinte, das läge an dem "never ending sh**fu***ing rain" dieses Jahr.
                    Weiß hier jemand, ob der Weg nördlich von Uddevalla ähnlich sumpfig angelegt ist?

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                    • DocViper
                      Dauerbesucher
                      • 28.06.2005
                      • 565

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [SE] Bohusleden August 2012

                      Zitat von laber Beitrag anzeigen
                      2. In den Reiseberichten, die ich hier gelesen habe, war nie die Rede von solchen Schlammschlachten. Der daraufhin befragte Schwede meinte, das läge an dem "never ending sh**fu***ing rain" dieses Jahr.
                      Weiß hier jemand, ob der Weg nördlich von Uddevalla ähnlich sumpfig angelegt ist?
                      Danke erstmal für den witzigen und interessanten Bericht.
                      Ich war letzten September in Gegenrichtung unterwegs und bin von Munkedal (also Ettape 15) bis Backamo (also bis zur Mitte der 11'er) in 4 Tagen gekommen.
                      Weg war wegen Regen an den Tagen davor teilweise überflutet. Pegel der Seen war teilweise so hoch dass der Weg ein Teil des Sees wurde

                      Hier haben sich die schottischen Boghole-Jumping Skills bewährt

                      Vom Schwiegigkeitsgrad des Geländes hab ich die Ettape 15 und einen Teil der 14'er am Anstrengensten in Erinnerung. Hier ist durch eine Waldrodung oder Windschaden der Weg komplett verschwunden und nur per Karte und Glück zu finden.

                      Joe

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                      • FunkyJan
                        Neu im Forum
                        • 24.09.2012
                        • 4
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [SE] Bohusleden August 2012

                        Toller Bericht, da komme ich gleich wieder ins Träumen!
                        Ich fühle mich stark an meine Reise knapp einen Monat vorher erinnert!
                        Ich war jetzt zum zweiten Mal auf dem Bohusleden und fahre so schnell es geht wieder hin!

                        Ganz lustig ist, dass wir ähnliche Motive gewählt haben (ich kämpfe hier noch mit der Uploadfunktion).

                        ps. ich habe die gleichen Schuhe und ich war verdammt froh, dass ich sie mit hatte!
                        Zuletzt geändert von FunkyJan; 24.09.2012, 20:52.
                        don't regret anything you do cause in the end it makes you who you are

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