[IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • entenpower
    Dauerbesucher
    • 24.07.2009
    • 519
    • Privat

    • Meine Reisen

    [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Land: Island
    Route: Linuvegur und Laugavegur
    Reisezeit: 29.5. bis 17.6.2011
    Region/Kontinent: Nordeuropa


    oder hier in HD ;) https://vimeo.com/37302909

    Anreise Teil 1/2

    Hurra! Es geht los!

    Heute Abend um 21:35 Uhr geht der Flieger, jetzt ist es allerdings gerade mal 12 Uhr. Ich sitze im Chaos meines Zimmers, es scheint gerade explodiert zu sein. Noch bin ich ruhig, schließlich sind es noch 6 Stunden bis die Bahn zum Flughafen losfährt, allerdings gepackt ist noch garnichts, geschweige denn das Essen rationiert. Der Stress der letzten Tage hat mir diesbezüglich leider keine Wahl gelassen.
    Um 13 Uhr klingelt Sven mit dem es dieses Jahr nach Island gehen soll. Vor mir steht in etwa der Inbegriff von Rucksack, momentan ragt er ihm fast 50cm über den Kopf hinaus. Ich kanns kaum glauben, denn jegliches Essen fehlt bei ihm noch.
    Na gut, erstmal gucken wie sich mein Rucksack im Laufe des Tages entwickeln wird.
    Enden tut unsere gemeinsame Packorgie wieder mit gehörigem Stress. Der geplante Besuch einer lokalen Dönerbude wurde durch eine vorbestellte Abholpizza für die Zugfahrt wegrationalisiert und meine großen Aufräum- und Putzvorhaben werden stillschweigend an meinen Mitbewohner übertragen.

    Auf dem Rücken haben wir beide nun eine komplette Schrankwand mit dem Inhalt, der uns für jegliches Wetter bis -6 °C und Sturm rüsten soll. Das Gewicht sollte lieber verschwiegen werden, aber der Umstand Essen für 13 Tage bereits vollständig dabei zu haben und ein Kameraequipment für leicht gesteigerte Ansprüche rechtfertigen vielleicht doch minimal die 35kg Gewicht jedes einzelnen Rucksacks.

    Da die Batterien unserer beiden Armbanduhren (haha, was ein Zufall) justo momento sich verabschiedet haben, verbringen wir unseren Islandurlaub ohne jegliche Armbanduhr. Das wird spannend.




    ist dieses Chaos kurz vorher normal?


    so voll waren die Rucksäcke noch nie

    Wir fliegen mit Airberlin, 20 kg Freigepäck und 6 kg Handgepäck sind erlaubt. Dass das nicht hinhaut wissen wir auch, wir pokern aber darauf, dass das Handgepäck unkontrolliert bleibt. Am Ende treten wir mit zwei 22kg Rucksäcken an den Check-In Schalter: „Einmal einchecken bitte!“ Der erste Rucksack wird trotz 2kg Übergepäck kommentarlos abgearbeitet. Nun kommt meiner. „Oh, uhh, der ist zu schwer, ich dachte der wäre leichter“, so der Kommentar des Flughafenmitarbeiters, „Das geht so nicht“. Die 40 Euro für Übergepäck wären jetzt echt blöd...
    Sven attackiert den Flughafenmitarbeiter mit einer Menge irrer Sätze, so dass die arme Person hinter dem Schalter nachher als Schuldige für unser Übergepäck dar steht. Jetzt wo die Lage geklärt ist, erlässt er uns auch die Übergepäckgebühr, juhuuu

    Der Landeanflug ist der hellste Wahnsinn! Der Fimmvörðuháls-Pass ist deutlich zu sehen, die Schneesituation auch... viel Schnee, aber bis wir an diesem Pass sein werden, vergehen noch mindestens 12 Tage.
    Ich habe noch nie so viele Passagiere bei einem Landeanflug an den Fensterscheiben kleben und staunen gesehen, es ist der Hammer:


    Eyjafjallajökull und Fimmvörðuháls-Pass (im Hintergrund ist auch die stark gefürchtete Krossa sichtbar)






    Anreise Teil 2/2

    Die letzte Nacht haben wir auf dem Campingplatz in Reykjavik verbracht und heute geht’s los! Das alltägliche Packdrama entpuppt sich als ziemlich aufwendiges und zeitraubendes Akt. Sven's Schlafsack mag zwar Temperaturen bis -7 °C aushalten, ist allerdings ein KuFa-Schlafsack mit dem Packmaß eines großen Kartoffelsacks. Tatsächlich ist es möglich diesen in sein Schlafsackfach zu kriegen... möglich – mehr aber auch nicht, er braucht nämlich 30min nur dafür ;)



    Erster Tagesordnungspunkt: Bonus! (für die nicht ortskundigen, das ist ein Supermarkt) Wir haben dummerweise unseren Käse in Deutschland vergessen, wir brauchen also Ersatz.
    Danach geht es weiter zur Landrettung, Registrierung als Wanderer ist angesagt. Der Herr stellt uns dort ziemlich präzise Fragen nach Erfahrung, Zelt, Nahrung, Kleidung, Schlafsack und Kommunikationsmittel. Ein GPS setzt er als selbstverständlich voraus. Da wir alle Fragen richtig beantwortet haben, scheint er uns auch für überhaupt nicht lebensmüde zu halten. Angeblich sind sogar momentan mehrere Menschen auf unserer Route unterwegs, spätestens in Landmannalaugar soll es richtig voll werden. Das stimmt uns sehr positiv auf unser Vorhaben, scheint ja doch nicht so abgedreht zu sein.
    Er ist sogar so freundlich und bringt uns noch mit seinem Privatpanzer zur Busstation. Dort wollen wir den Bus um 16:30Uhr zum Geysir nehmen.
    Die Mitarbeiter am Busterminal machen uns dann aber schnell klar, dass wir uns vertan haben müssen. Ein Bus würde heute nicht mehr zum Geysir fahren. Unser ganzer schöner Plan eine Nacht direkt am Geysir zu verbringen schwindet gerade ins Jenseits. Was nun? Aufgeben ist nicht! Wir wollen trotzdem so nah kommen wie es nur geht! Uns wird ein Bus nach Selfoss empfohlen, und eh man sich versieht, stehen wir an einer Tankstelle in Selfoss.
    Hier wird klar, wir werden heute den allerersten Trampversuch unseres Lebens starten. Die Touri-Info empfiehlt uns eine Kreuzung wo die Erfolgswahrscheinlichkeit hoch ist. Also schnell hin und Daumen raus... tic...tac...tic...tac... erster Wagen hält, juhuuu Eine Reiterin kann uns ganze 40km mitnehmen! Super nett! An einer Kreuzung mitten im Nix lässt sie uns raus – im Notfall schlafen wir einfach hier, uns kann nix passieren. Wir sind total happy, machen schnell ein Foto und heben wieder unseren Daumen.



    3 Sekunden später hält ein Bauer, spricht kein Wort Englisch, nimmt uns aber weitere 20km mit. Wir können unser Glück kaum fassen – oder ist trampen wirklich immer so einfach?



    Dort werden wir von einer englischen Familie aufgegabelt, die haben uns beim Abendessen von einem Restaurant aus beobachtet. Es ist der Wahnsinn! Wir sind am Geysir!
    Unser Zelt wird auf einer Wiese aufgebaut, die eventuell ein Campingplatz sein könnte. Allerdings gibt es weder Duschen noch eine Toilette. Geld will auch niemand haben (ist eh alles geschlossen).
    Aber das interessiert gerade überhaupt nicht. Wir können unser Glück kaum fassen! Den Geysir, ganz für uns alleine! Bei traumhaften Licht. Eine ganze Stunde streunen wir an den blubbernden Wasserlöchern entlang und immer wieder macht es pffffffffff und der Strokkur bricht aus. Genial! Irgendwann wird es kalt, ca. -5°C. Da hilft nur der Schlafsack. Gute Nacht.



    Zuletzt geändert von entenpower; 24.02.2012, 10:36.
    www.philipp-ennen.de

  • Sabine38

    Lebt im Forum
    • 07.06.2010
    • 5368
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Anfang Juni besuch

    Wie in einer Woche?! So geht das aber nicht, ich will Schnee sehen!

    Sehr schön, freue mich das ganze mal in weiß zu sehen. Vielleicht bekomme ich ja auch mit der Ermunterung auch mal meinen Island Bericht fertig der zu 80% geschrieben auf meinem PC liegt und nur darauf wartet gepostet und um Fotos ergänzt zu werden...
    Uuuups... ;-)

    Kommentar


    • entenpower
      Dauerbesucher
      • 24.07.2009
      • 519
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

      ja, das liegt daran, dass ich momentan immer nur am wochenende an meinen computer komme ;) der steht leider nicht da, wo ich gerade wohne.
      80% Fertigstellungsgrad würde ich als Ausreichend zum Veröffentlichen bezeichnen
      www.philipp-ennen.de

      Kommentar


      • Klappstuhl
        Alter Hase
        • 25.01.2009
        • 4235
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

        Ich freue mich auch schon...und JA...das Chaos ist ganz normal. Aber ich finde, bei dir sah es noch ganz gesittet aus

        Kommentar


        • MonaXY

          Fuchs
          • 30.08.2009
          • 1094
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

          Laugavegur-Bericht mit Bildern - ich freu mich schon auf die Fortsetzung!
          Aber eine Woche ist eine lange Wartezeit...
          "Gehe nicht, wohin der Weg führen mag, sondern dorthin, wo kein Weg ist, und hinterlasse eine Spur."
          Jean Paul

          Kommentar


          • Mika Hautamaeki
            Alter Hase
            • 30.05.2007
            • 3979
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

            Genau! Eine Woche ist viel zu lang...aber laß Dir ruhig Zeit. Es tut uns allen hier gut sich in Demut und Geduld vor dem Bericht zu üben.
            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
            A. v. Humboldt.

            Kommentar


            • tjelrik
              Fuchs
              • 16.08.2009
              • 1244
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

              Toller kleiner Einstiegsbericht.
              P.S. Ich liebe es einfach, wenn das ganze Zeugs im Zimmer liegt.
              bear shit - sounds like bells & smells like pepper

              Kommentar


              • ThorstenSchneider80
                Erfahren
                • 04.10.2011
                • 142
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                Toll, da habe ich es mir gerade gemütlich gemacht und was ist? Aus und vorbei. Warte aber gerne auf die Fortsetzung. Müsste jetzt nur noch Werbung schalten!
                Der Weg ist das Ziel!

                Kommentar


                • entenpower
                  Dauerbesucher
                  • 24.07.2009
                  • 519
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                  Tag 1

                  Ein neuer Tag, heut geht’s los! Die Vorfreude ist auf ein Maximum angelangt, obwohl das Wetter gerade ziemlich beschissen ist. Bei uns macht sich eine leichte Unsicherheit breit, werden wirklich unsere 2 Liter Benzin ausreichen? Vorsichtshalber kaufen wir im Touricenter am Geysir noch eine völlig überteuerte Gaskartusche. Mitten während der Tour kein Brennstoff mehr zu haben wäre eine riesen Katastrophe.
                  Um 13 Uhr geht der Bus zum Gullfoss, kurze Zeit später stehen wir an diesem riesigen Wasserfall. Wir Positionieren uns direkt vor der Mila-Webcam (http://live.mila.is/gullfoss/ ) um nochmal meiner Mutter kurz zuzuwinken. Ab jetzt sind wir für mindestens 10 Tage auf uns gestellt.

                  Die Tour die wir vorhaben hat vorher für viel Diskussionsstoff gesorgt. Von lebensmüde bis „machbar“ war alles dabei. Diese lang andauernde Diskussion (http://www.outdoorseiten.net/forum/s...Cr-Anfang-Juni) hat bei mir ein großes Fragezeichen bezüglich der Machbarkeit und auch der Selbstüberschätzung aufkommen lassen. Was uns beiden klar ist, ist dass diese Tour sich nicht „mal eben“ bewältigen lässt. Informationen wurden im Vorfeld von überall herangekart, 4 Monate intensives Planen stecken in diesen 10 Tagen. Und das was am Ende bleibt ist trotzdem eine gehörige Portion Unsicherheit. Kurz vor dem Abflug wird klar, dieser Juni ist kälter, vermutlich einer der kältesten der letzten Jahre. Dann bricht auch noch der Grimsvötn aus, in den Medien werden Spekulationen über eine mögliche Heklaeruption breit gemacht, was haben wir eigentlich auf Island verloren? Nicht nur, dass wir kurze Zeit auch mal eine Heklabesteigung im Hinterkopf hatten (die sofort gestorben ist, als wir die Hekla das erste Mal real gesehen haben), sondern auch der Gedanke des „verloren-seins“ wird uns für die nächsten Tage stärker verfolgen als wir es beide je erlebt und geahnt haben.

                  Zunächst laufen wir einige Zeit auf einem unbefestigtem Weg Richtung Süden, treffen denn wieder auf eine Straße und folgen dieser für wenige Kilometer. An einem Bauernhof direkt neben einem Wasserfall geht es dann über in wegloses Gelände Richtung Hochland. Es ist schön, richtig schön, allerdings alles andere als ein einfaches Gelände. Die Wege sind längst verschwunden und wir navigieren hauptsächlich nur noch nach Intuition. Bei Vorbereitungen zu dieser Tour hatte ich mir einen schönen Schlafplatz direkt an einem Fluß ausgeguckt, allerdings ist davon noch weit und breit nichts zu erahnen. Erschwert wird das ganze dadurch, dass die komplette Umgebung kaum Konturen hat und es somit in jeder Richtung relativ ähnlich aussieht.
                  Aber wie durch ein Wunder stehen wir dann plötzlich mitten vor einer kleinen Schlucht, unten plätschert der Fluss und weiter Flussaufwärts befindet sich ein wunderschöner Wasserfall. Es bereitet keine großen Schwierigkeiten die Schlucht herunterzuklettern und schon haben wir unseren ersten Lagerplatz erreicht.
                  Es ist traumhaft schön!










                  Tag 2

                  Der Verlauf der nächsten Etappe klang in der Vorbereitung doch noch so simpel: zuerst lange Zeit den Fluss folgen, dann rechts an einem kleinen Hügel vorbei, etwas weiter geradeaus über einen anderen Hügel und dann sollte dort auch schon der nächste Fluss sichtbar werden. Jetzt stehen wir aber in der Realität und trauern wehmütig unseren damaligen Illusionen nach.
                  Dieses enorm trockene weglose, dick vermooste und einödige Gelände bietet viel Spielraum für . Wirklich klar ist uns nicht wo wir uns befinden. Wir haben zwar ein GPS dabei, aber die Karte auf dem GPS ist für eine präzise Orientierung viel zu grob. Glücklicherweise haben wir noch eine supertolle Papierkarte, aber was bringt uns eine Papierkarte, wenn die Umgebung nahezu keine Konturen aufweist? Es sieht einfach in jeder Himmelsrichtung gleich aus.
                  In einem windstillen Moment hören wir dann allerdings einen Fluss, und dieser Fluss kann nur die Stora-Laxa östlich von uns sein! Im Vorheinein hatten wir uns gedacht, dass wir die hier einfach furten, aber ein Fluss der so aussieht, überfordert doch etwas unsere bis dato quasi nicht vorhandenen Furtkenntnisse.




                  Stora-Laxa...

                  Also folgen wir dem Flussufer bis wir an eine Art Feldweg aus Asche kommen. Dieser Weg ist der Linuvegur und gibt dem ersten Abschnitt unserer Tour ihren Namen. Laut Karte haben wir somit die Stora-Laxa vorerst umgangen und müssen nur noch die kleine Leira furten.
                  Allerdings entpuppt sich die kleine Leira als riesiger reißender Fluss. Wir gehen den Fluss auf und ab, immer auf der Suche nach einer geeigneten Stelle. Nach über einer Stunde Suchen kapitulieren wir: eine Flussüberquerung ist heute an keiner Stelle möglich!
                  Die Stimmung verschlechtert sich. Kann es sein, dass die Tour schon am zweiten Tag abgebrochen werden muss? Wir bauen erstmal unser Zelt direkt am Flussufer auf und kochen eine Portion Nudeln. Ein Blick auf die Karte verrät uns, dass es keinen kürzeren Weg gibt, als ein Zwei-Tagesmarsch zurück in die Zivilistation. Da uns keine Alternativpläne spontan einfallen legen wir uns schlafen.



                  Die Leira in Action:


                  Tag 3

                  Am nächsten Tag spring ich mit dem Wachwerden direkt vom Schlafsack in meine Schlappen, renne runter zum Fluss und gehe rein. Ich will noch nicht aufgeben, nicht hier nach gerade mal 2 Tagen. Mein Ziel ist zumindest Landmannalaugar, die heißen Quellen dort!
                  Und ja, mich packt der Mut und die Angst verschwindet, bis zu den Knien finde ich in dem Fluss gut halt. Also renne ich zurück zum Zelt, rüttel Sven aus dem Bett und trag ihm vor, dass wir, bevor wir umkehren, aufjedenfall eine Flussquerung probieren sollten. Er ist leicht zu überzeugen, also packen wir unsere Sachen so schnell es geht in den Rucksack, machen uns Furtfertig (das heißt: Neoprensocken, Regenhose, Regenjacke, Crocs, Seil) und rennen wieder runter zum Fluss. Wir haben 15m Seil dabei, aber 15m sind bei einem Fluss mit 50m Breite nicht viel. Trotzdem nutzen wir es um den Vorgänger wenigstens die ersten 15m zu sichern. Da ich heute morgen schon ein paar Meter im Fluss war, entscheiden wir, dass ich es zu erst probieren werde.
                  Ich steige also ein in das tobende Wasser. Breitbeinig, Kopf und Körper Richtung Strömung gelehnt und langsam voran tastend. Der Boden des Flusses besteht aus vielen sehr unterschiedlich großen Steinen, allerdings ist von denen von oberhalb der Wasseroberfläche nichts zu sehen gewesen. Es ist also wirklich nur ein langsames voran tasten. Die Wanderstöcke spielen dabei eine elementare Rolle, denn mit ihnen lässt sich der vorausgehende Untergrund abtasten. Irgendwann stehe ich bis zur Mitte meiner Oberschenkel im Fluss, die 15m Sicherungsseil sind aufgebraucht und das Wasser peitscht vor mir bis über die Hüfte nach oben. Ich hätte mir nie im Leben eine solche Kraft, diese enorme Wucht erträumen lassen können. Trotzdem bin ich voller Adrenalin und Zuversicht, also hab ich das Seil gelöst und gehe nun ohne Sicherung weiter. Es sind noch etwa 10m zu überwinden, bis ich nur noch Knietief im Wasser stehe. Da ist klar, ich hab es geschafft! Freu, Freu



                  Aber Sven steht nun noch auf der anderen Seite, er muss jetzt auch noch rüber. Der Versuch ihm ein paar Tipps rüberzuschreien scheitert total, eine Kommunikation ist bei diesem Krach des Flusses unmöglich. Er ist voll und ganz auf sich gestellt. Das was er bei der Flussquerung fühlte sollte er besser selber schreiben ;).
                  Eine Analyse des Flusses von der anderen Seite hat uns aber nochmal verdeutlicht, dass der Flusspegel über Nacht deutlich abgenommen haben muss. Andernfalls hätten wir keine Chance gehabt.
                  Laut Karte sind heute noch ein paar weitere Flüsse zu furten und da wir nun wissen, was es bedeutet einen richtigen Fluss zu furten, beeilen wir uns bevor die Mittagssonne die Schneeschmelze wieder in Gang setzt.

                  Nach gerade mal 7km(!!!) stehen wir vor der Stora-Laxa. Mir ist kalt und ich bin erschöpft. Jede Flussquerung ist ein Akt der immer 20min Vorbereitung benötigt und auch mindestens 20min Nachbereitung. Wir sind also meistens eine ganze Stunde mit der Flussquerung beschäftigt. Das ist der Grund, weswegen wir um 16 Uhr gerade mal 7km Strecke zurückgelegt haben. Ich gebe zu, ich habe jetzt etwas Hochmut. Da die bisherigen Flussquerungen (heute 2 Stück) alle so gut liefen, dachte ich mir, kann die nächste Flussquerung eigentlich auch nicht so wild sein (auch wenn sie enorm wild aussieht). Allerdings ist die Stora-Laxa ein ziemlich breiter Fluss . Bis zum anderen Ufer sind es über 200m, glücklicherweise gibt es zwischendurch ein paar Sandinseln zum Ausruhen.
                  Mit Sicherungsseil steig ich also wieder ein. Die 15m bis zum Seilende sind schnell erreicht, ich lasse es wieder los. Bisher ist der Wasserstand ähnlich wie bei der Leira: Mitte Oberschenkel mit einer Welle die sich vor mir bis zur Hüfte auftürmt. Wieder bekomme ich die enorme Kraft des Wassers zu spüren, allerdings sage ich mir immer, dass die Hauptwasserrinne auch irgendwo ein Ende haben muss! Vielleicht sind es nur noch ein paar Zentimeter, vielleicht sind es aber auch noch ein paar Meter... und vielleicht vertiefert sich die Hauptrinne auch noch weiter. Das sind alles Punkte, die sich im Vorhinein nicht beurteilen lassen, also taste ich mich vorsichtig weiter voran. Immer mit dem Gedanken „Gleich hast du es geschafft“ setzte ich einen Schritt vor den Nächsten.
                  Irgendwann ruckelt allerdings ein Stein unter mir, ich rutsche ab und stehe plötzlich bis zur Hüfte im Wasser! Das geht nicht, ich muss umkehren!!! Die Wasserkraft ist widerwertig hoch! Ich möchte nicht darüber nachdenken was passieren mag, wenn ich in diesem 3 Grad warmen reißenden Fluss den Halt verliere und mich den Wassermaßen geschlagen geben muss. Das Rucksackgewicht von 35 kg ist hier wirklich ein Dorn im Auge! Ich bekomme es jetzt mit der Angst zu tun! Es macht einfach keinen Sinn weiter zu gehen. Somit verlagere ich mein Standbein, also dieses Bein welches im Wasser den Großteil meines Gewichtes trägt, auf das rechte Bein und mein Tastbein auf das Linke. Doch dieser Aufgabenwechsel ist so ungewohnt, dass ich in meinen Beinen das Gleichgewicht verliere. Meine Hände und Stöcke peitschen aus dem Wasser, ich versuche mich irgendwie wieder auszubalancieren. Diese Situation schockiert mich vollkommen.
                  Eine von mir bekannte vergleichbare Situation aus dem Alltag ist das Balancieren auf einem Baumstamm. Wenn ich dort das Gleichgewicht verliere, fangen meine Arme auch an wie wild in der Luft rumzurudern. Und in den meisten Fällen falle ich trotzdem vom Baumstamm.
                  Ich habe Glück, vermutlich soviel Glück wie noch nie. Ich kann mich wieder ausbalancieren und stehe wieder fest im Wasser. Mit größter Vorsicht arbeite ich mich weiter an das Flussufer zurück. Ich bin schockiert! Schockiert über meine Dummheit und schockiert über die Kraft des Wassers. Das kann doch nicht wahr sein, verflixt! Ich sage zu Sven, dass ich heute keinen Meter mehr wandern werde, ich brauche meine Ruhe! Also wird das Zelt mal wieder direkt am Flussufer aufgebaut und erstmal ein heißer Kakao zum Auftauen zubereitet. Wir verbringen den Rest des Tages mit ausruhen und kochen.
                  Gegen Abend sehe ich auf einmal auf der anderen Flussseite etwas weißes durch die Gegend rennen. Es sieht sehr wuschelig und weich aus, in etwa die Größe eines Koalabären: Es ist ein Polarfuchs!! Juhuuu, diese wunderschöne Tierbegegnung entschädigt für einiges.


                  Wir wissen, dass wir momentan in einer Situation sind, wo der einzig mögliche Weg zurück in die Zivilisation entweder nochmal eine Überquerung der Leira bedeutet, oder eine Überquerung der Stora-Laxa. Es sind beides Flüsse, die man nicht zweimal furten will. Wir müssen da also durch!
                  Am Abend legen wir einen Stein an das Flussufer um am nächsten morgen sehr objektiv den Wasserstand beurteilen zu können. Auf diese ganzen subjektiven Schätzungen habe ich ab jetzt keine Lust mehr. Außerdem habe ich mir eine Wasserstandsgrenze an meinem Trekkingstock festgelegt, ab der ich in dem Fluss nicht weiter vorwärtsgehen werde. Und diese Grenze ist in anbetracht der Umstände die Mitte meines Oberschenkels. Und kein Zentimeter mehr!


                  Endlich mal die andere Flussseite kennenlernen!


                  Leira


                  Friert da wer?


                  Was man so alles auf dem Linuvegur findet Der muss da schon etwas länger stehen.


                  Stora-Laxa






                  Tag 4

                  Aus der Erfahrung von gestern stehe ich heute morgen super zuversichtlich auf, springe wieder in meine Schlappen, renne runter zum Fluss und messe an unserem Stein nach: 15cm! Um 15cm ist der Wasserpegel über Nacht gesunken! Wahnsinn! Es kann also weiter gehen
                  Schnell wird unser ganzes Equipment notdürftig in die Rucksäcke gestopft und schon stehe ich in der Stora-Laxa. Dort begrüßt mich ich erstmal ein entgegenkommenden Eisbrocken... meine Herrn muss das hier kalt sein... Ich bedanke mich nochmal für die glorreiche Erfindung des Adrenalins und gehe weiter. Diesmal auf einer anderen Route, denn ich hatte mir überlegt, dass ich kurz vor der Hauptrinne etwa 50m flussabwärts gehen sollte, da sie nach hinten hin an dieser Stelle breiter wird. Und es klappt! Ich stehe nachher nur noch Knietief in der Stora-Laxa, wir können tatsächlich fast durchrennen! Herrlich!
                  Aufgrund der enormen Breite der Stora-Laxa benötigen wir für diese Flussquerung fast 1 ½ h, was mit nachlassendem Adrenalinpegel mein Körper auch ziemlich deutlich zu spüren bekommt. Bei der Querung des letzten Flussabschnittes fühle ich vor lauter Kälte eigentlich nichts mehr abwärts meiner Knie.


                  Das letzte zu überquerende Teilstück der Stora-Laxa


                  ebenfalls die Stora-Laxa

                  Jetzt steht nur noch ein einziger großer Fluss an. Es ist die Fossa! Die Fossa macht aber schon auf der Karte einen so enorm großen und wilden Eindruck, dass wir uns nicht viel Zeit zum Ausruhen geben. Wir müssen schnell weiter.

                  Als wir schließlich an der Fossa stehen, kriegen wir von ihrem gigantischem Ausmaß erstmal einen gehörigen Schock. An der Autofurtstelle ist ein Einstieg undenkbar. Viel zu starke Strömung und eine Wassertiefe bei der wir Schwimmen müssten.
                  Etwas flussaufwärts gibt es aber einen breiten Auslauf der Fossa. Gut 300m schätzen wir, diesmal aber ohne Sandinsel in der Mitte. Die Strömung an dieser Stelle ist quasi nicht vorhanden, das sieht gut aus.
                  Aber bevor wir jetzt 45min lang in der Fossa stehen, wollen wir erstmal noch das Frühstück und das Mittagessen nachholen.



                  Nach 30 minütiger Pause erschreckt uns der Wasserpegel. Dieser muss in den letzten Minuten bestimmt 10 cm angestiegen sein. Devise: Jetzt oder nie!
                  Also schnell rein in die Fossa. Und sie ist tief und matschig. Mit jedem Schritt versinken wir einige Zentimeter im Schlamm des Flußbodens... bis Sven auf einmal kurz aufschreit.
                  Er es ist mitten im Fluss knietief im Boden versunken. Er kriegt seinen Fuß nicht mehr raus!
                  Ich stehe neben ihm und reiße an seinem Bein, aber da tut sich nicht viel. Er steckt! Scheiße! Und uns wird kalt!
                  Die einzige Chance die noch da ist, würde vermutlich den Verlust seines nagelneuren (teuren) Schuhes bedeuten. Ohne groß darüber nachzudenken, rüttelt er sich irgendwie aus diesem Schuh los und mit vereinten Kräften kriegen wir ihn nach 10 Minuten reißen tatsächlich wieder raus. Versuche seinen Schuh noch irgendwie aus dem Boden rauszufischen scheitern, ehe wir uns versehen wurde dieser von der Strömung mitgerissen.
                  Uns ist beiden mittlerweile richtig kalt.

                  Der Wasserpegel steigt stetig weiter. Mittlerweile stehe ich bis zu meiner Hüfte im Wasser und diese Flußquerung verdient langsam die Bezeichnung „Pseudoschwimmen“. Wie gut nur, dass hier so gut wie keine Strömung vorhanden ist.
                  Am Ende verlassen wir nach fast einer ganzen Stunde die Fossa. Oberglücklich, denn dass war der letzte große Fluss! Ab hier sind es nur noch ein paar Kilometer Wanderweg bis zur nächsten asphaltierten Straße. Teil 1 ist geschafft! Juhuu! Landmannalaugar kann kommen!


                  Hinter dieser Kurve haben wir die Fossa gefurtet.


                  Wir werfen noch kurz einen Blick auf den Haifoss, wirklich ein gigantischer Wasserfall! Wir treffen dort ein paar Touristen, die allerdings leicht irritiert von meinem „Hello“ sind. Okay, wir stinken zwar was das Zeug hält, unsere Kleidung ist auch nicht mehr die Sauberste, aber ansonsten?

                  Geschlafen wird am Ufer der Þjórsá, bzw. auf den Aschefeldern der Hekla direkt daneben.


                  Haifoss




                  Das Wetter in Island ist echt speziell. Es kommt und geht, und das innerhalb von Sekunden!


                  Im Hintergrund der herrliche Ausblick auf die Hekla ;)


                  Das Schlimmste scheint überstanden


                  Tag 5

                  Was für eine blöde Idee mitten auf einem Aschefeld zu schlafen! Nicht nur, dass die Heringe alles andere als fest sitzen (gehalten werden sie eigentlich nur von den Steinen, mit denen wir die Heringe beschwert haben), sondern die Asche kriecht auch noch in jede noch so kleine Spalte. Ab heute knirscht alles: meine Kamera, das GPS, der Kocher und auch meine Zähne. Und das mit den Zähnen ist echt widerlich!
                  Geduscht haben wir seit 2 Tagen nicht mehr, es macht einfach keinen Spaß seinen Kopf in eiskaltes Gletscherwasser zu stecken: Die erste Sekunde schmerzt, und ab der zweiten Sekunde glaubt man, dass der Kopf jeden Moment explodiert. Auch heute wird nicht geduscht.

                  Ab jetzt befinden wir uns für gut 22km in einer Aschewüste. Wasser werden wir während dessen nicht nachfüllen können. Es gibt zwar zwischendurch einen kleinen Fluss, aber dieses Wasser will man nicht trinken. Es sieht nicht nur so aus wie Öl, welches schon seit drei Jahrzehnten in Opas Traktor fließt, sondern es riecht auch noch so. Ihh, nur im absoluten Notfall!

                  Selbst ein Platz für eine kleine Pause findet sich in dieser schroffen, rauen, lebensfeindlichen Gegend eigentlich gar nicht! Überall weht die Asche durch die Luft, windgeschützte Stellen gibt es nicht. So kommen wir nicht drumherum jeden Biss in unser Brot immer zusammen mit einer gehörigen Portion Asche zu genießen.



                  Nach gut 15km verändert sich die Landschaft, es geht bergauf, der Boden bekommt langsam wieder Leben.
                  Als wir am Scheitelpunkt des ersten Berges ankamen, hat sich eine unbegreifliche Landschaft aufgetan. Wir stehen zwischen den kantigsten und rundesten Berggipfeln die man sich vorstellen kann. Vielleicht laufen wir gerade durch einen Vulkankrater, vielleicht ist es ein ausgetrockneter See? Aufjedenfall ist es fantastisch!

                  Mit zunehmender Höhe nimmt die Temperatur rapide ab. Hier oben liegt nicht nur viel Schnee, sondern der Boden ist stellenweise zusätzlich total vereist. Die Seen lassen sich nicht mehr unbedingt als solches erkennen, sie sind zum Großteil zugefroren.



                  Die Etappe ist heute sehr lang. Gut 30 km werden es am Ende. Über 13h waren wir auf den Beinen, motiviert von der Hoffnung, dass wir in Landmannaheli – unserem heutigen Tagesziel – vielleicht eine offene warme Hütte finden. Vielleicht sogar einen Menschen, jemanden mit dem wir unsere Erlebnisse austauschen können? Nichts lieber wünschen wir uns als diese beiden Dinge!

                  Um 11 Uhr abends kommen wir in Landmannaheli an. Wir sind beide sehr überrascht über die zahlreichen Häuser. Irgendeine Hütte muss davon doch offen haben!

                  ...aber nichts, alles verschlossen, verbarrikadiert. Selbst das Dixi-Klo ist mit diversen Holzbrettern zugeschraubt... bis ich auf einmal an einer Art Scheune rüttele. Nach vier gelösten Verriegelungen und zwei Türen stehen wir in dieser Scheune! Es ist windstill! - Welch fantastisches Gefühl.
                  Wir sind kurz davor hier unser Lager aufzuschlagen, aber es muffelt „etwas“, um nicht zu sagen: Es stinkt gewaltig! Der gesamte Boden ist kein schönes frisch herbeigeholtes Heu, sondern vergammeltes, mit reichlich Kot übersätes Stroh. Also gehen wir zurück, vorbei an den liebevoll eingerichteten Hütten mit Gasheizung, frisch gemachten Betten und sauberem Geschirr.
                  Es hilft nix – wir bauen mal wieder unser Zelt auf, im Windschutz zweier Hütten.

                  Was ist das nur für eine gottverlassene Gegend?












                  Die Scheune




                  Tag 6

                  Die 30 km vom Vortag und die kräftezerrenden Flussfurten sieht man uns langsam an. Psychisch sind wir nicht mehr ganz in der Welt, getrieben ausschließlich von den warmen Quellen in Landmannalaugar.

                  Wir sind Automaten geworden, auf Autopilot laufende Roboter, die nichts anderes können als einen Schritt vor den nächsten zu setzen. Ein Wunder, dass von dem heutigen Tag überhaupt Fotos entstanden sind.


                  Morgääähn! Das sieht ja aus, als hätte ich Tollwut und alle möglichen anderen Krankheiten zugleich

                  15 km sollte die Etappe lang sein, wir nennen sie die „Wellnessetappe“ da sie so kurz ist und wir heute Landmannalaugar, die heißen Quellen, erreichen werden.
                  Was wir allerdings vorher nicht wussten, ist die Tatsache, dass die Seen einiges größer geworden sind. Und dass die Wanderwege nicht mehr an den Seen vorbeiführen, sondern mittlerweile mitten durch. Das macht ein aufwändiges und kräftezerrendes Umgehen des Frostastaðavatn notwendig. Auch der Domadalsvatn ist nicht mehr das, was er eigentlich sein sollte.


                  Domadalsvatn

                  Unser Plan heute möglichst früh in Landmannalaugar anzukommen scheitert zu tiefst!
                  Aus den 15 km sind 23 km geworden, und die Brücke kurz vor Landmannalaugar können wir auch nur noch in Einzelteilen wiederfinden.



                  Es ist kalt, es regnet, deswegen renne ich nach der Furt direkt vom Flussufer zu den heißen Quellen, springe samt Kleidung rein und gammel mich erstmal zur Ruhe.
                  Als Sven 20min später von seiner Furt kommt und ausreichend Überzeugungsarbeit leisten kann um mich aus dem Wasser wieder rauszulocken, wollen wir zuerst einen geeigneten Zeltplatz suchen. Mit der Erfahrung aus Landmannaheli gehen wir nicht davon aus, dass auch nur ansatzweise irgendeine dieser zahlreichen Hütten eine offene Tür aufweist.
                  Da der zum Zelten gedachte Boden eher einem Sumpf mit knöcheltiefem Wasserstand gleicht, wollen wir uns auf einer kleinen Holzterrasse vor einer Hütte breit machen.
                  Ich verlasse die Holzterasse nochmal um kurz mein kleines Geschäft zu erledigen, während Sven bereits anfängt das Zelt aufzubauen...

                  Plötzlich stehe ich mitten in einem Vorraum zu einer Hütte, ausgestattet mit Gästebuch, Notfalltelefon und 1 kg Nüsse! Aloa! Ultra! Hier ist es so dermaßen geil, hier bleiben wir!
                  Endlich besteht die Chance darauf, dass unsere Sachen wieder trocken werden!


                  Ein kleiner Teil des Frostastaðavatn






                  Am Tag darauf: der letzte Blick zu unserem Schlafplatz, die Landmannalaugarhütte



                  Tag 7

                  Heut ist Wellness! Wellness pur! Endlich! Aufstehen, ausziehen und rein ins heiße Wasser! Den Hinweisen an der Hüttentür auf Entenlarven die sich unter die Haut fressen, dort Eier legen und sich dann fleißig verbreiten werden, schenken wir keine Beachtung. Unser Bedürfnis nach Erholung und einem Bad ist dafür einfach zu groß.



                  Definitiv der beste Morgen seit langem! Frisch geduscht, gut gelaunt, viel gegessen und die Sonne scheint.

                  Jetzt aber stellt sich die alles entscheidende Frage: Wer ist Fred?
                  Im Gästebuch hat sich Fred aus Holland eingetragen und zwar genau ein Tag bevor wir angekommen sind. Also vorgestern... ! Wir haben ihn nur knapp verpasst (naja... um 35 Stunden). Von ihm stammen die Nüsse und er ist jetzt auch auf dem Laugavegur. Mit anderen Worten: Wir sind nicht mehr alleine!

                  Als wir losgehen, sind sofort Freds Fußspuren im Schnee zu finden (perfekt!). Wir folgen stumpf seinen Spuren, verfehlen diese aber immer mal wieder und rennen plötzlich im Kreis. Nachher stehen wir an einer Stelle, die viel zu weit weg von der eigentlichen Route ist. Wie gut, dass wir uns irgendwann mal bemüht haben, die Karte rauszuholen. Freds Fußspuren und die teilweise vollständig eingeschneiten Wegmarkierungen waren definitiv ein Schuss in den Ofen...

                  Alles in Allem: etwas über eine Stunde Umweg.

                  Der Schnee wandelt sich, ab 1200 Höhenmeter liegt viel Neuschnee, zumindest ist es Schnee, der nicht mit grässlich, grauer Asche vom Grímsvötn übersät ist und somit tatsächlich als „weiß“ zu bezeichnen ist. Hübsch!
                  Gegen spätem Mittag erreichen wir Hraftinnusker, aber hier sehen wir keine Chance in die Hütte reinzukommen: zugeschneit bis weit über die Türen und die Fenster sind vereist. Wir setzen uns in den Windschatten der Hütte und Essen gut 500g von Freds Nüssen.



                  Ab hier sind auch Freds Fußspuren wieder bedeutend besser zu sehen, warum auch immer.
                  Seine großen Fußabdrücke und der riesige Schrittabstand lässt schnell ein Bild von ihm entstehen: ein großer Mensch mit sehr langen Beinen.

                  Völlig in den Gedanken versunken schlendere ich über die gewaltigen Schneemassen.
                  Plötzlich macht es krachwumms und ich sitze ein Stockwerk tiefer. Der Schnee hat unter mir nachgegeben und mich in die Tiefe gerissen. In Hüfthöhe bleibe ich stecken... WAS zum Geier ist hier passiert? Der anfängliche Todesschock wandelt sich zu einem Lachkrampf.
                  Mit meinen Füßen kann ich unter mir Geröll spüren, ich stehe also fest auf dem Boden. Es ist warmer Boden, wie so vieles hier. Die vulkanische Aktivität hat den Schnee von unten wegschmelzen lassen. Wie gut, dass wir jetzt wissen, dass auch darauf geachtet werden muss.

                  Als irgendwann mal weit und breit kein dampfender Boden mehr in Sichtweite ist, wagt Sven erneut den Sprung auf den Schnee. Er nimmt seine Surferhaltung ein und slidet den Abhang runter. Ich habe jetzt zuviel Respekt vor dem Schnee, deswegen sprinte ich den Geröllweg herunter!
                  Unten angekommen geht es noch ein paar Kilometer durch flaches hügeliges Gelände zum Álftavatn (ein See). Aber auch dieser ist völlig vereist...



                  Die Hütte am Álftavatn soll unser heutiger Schlafplatz sein. Und tatsächlich öffnet sich die Tür zu einer kleinen Nebenhütte. Ich stehe in einer Küche und ein extrem langer Mensch mit gigantischen Füßen grinst mich an. „Are you Fred from the netherlands?“ - „Hehe, lol, yes I'am!“

                  Die Hütte hat einiges zu bieten. Neben einer Küche gibt es hier Betten mit Matratzen und einen funktionierenden Gasofen... Heiligkeit von Welt: ein GasOFEN! Nicht -5°C oder 0°C, sondern positive 20 °C!!! Meine Herrn, da hat Fred mit dem Vorheizen ganze Arbeit geleistet. Super Typ!


                  Unser Schlafplatz und der Fred-Meetingpoint

                  Ein wirklich schöner magischer Ort! Und aus dem warmen, beheizten Schlafzimmer macht es uns allen richtig Spaß durch das Fenster nach draußen zu schauen.



                  Das war noch akzeptabel wenig Schnee ;) Aber zum Verlaufen hat es trotzdem gereicht


                  Sven am dampfenden Etwas


                  Mein Rucksack an einem anderen dampfenden Etwas


                  Die Wegmarkierungen sind echt der Hammer! "Wir müssen da über den Hügel und dann mal gucken"


                  Endlich mal ein Troll gefunden


                  Der Álftavatn-Komplex


                  Der Ausblick aus dem Fenster: Ein außerordentlich schönes Plumpsklo vor gigantischer Kulisse - der See.


                  Tag 8

                  Die Überwindung in einer warmen Hütte den Schlafsack zu verlassen fällt einem doch leichter als in einem mit eiskaltem Wind durchflutetem Zelt. So schaffen wir es tatsächlich mal kurz nach dem Wachwerden schon unsere Schlafsäcke zu verlassen.
                  Wir frühstücken zusammen mit Fred, aber da wir mit unserer morgendlichen Packroutine noch so unglaublich langsam sind, verlässt Fred fast eine ganze Stunde vor uns die Alftavatn-Hütte.



                  Wir holen Fred aber wieder ein.
                  Freds Planungen zu dieser Tour haben bereits vor einem ganzen Jahr angefangen. Im August(! - also vor fast 10 Monaten) letzten Jahres hat er sich Lebensmittelpakete an die Hütten schicken lassen. Er legt immer nur jeden zweiten Tag eine Etappe des Laugavegurs zurück, die restlichen Tage füllt er mit kleineren Tagestouren. Auch er ist bei der Landrettung registriert und geht diese Tour sehr gewissenhaft an.

                  Der heutige Tag führt uns für 9 km durch eine Flachebene. Sie sieht zugeschneit aus, aber das ist nur Schein. In Wirklichkeit ist es ein See, auf dem sich eine 1 mm dicke Eisfläche gebildet hat, wo sich dann nochmal eine dünne Schneeschicht drauf abgesetzt hat. Wie laufen also momentan durch eine riesige Pfütze und erfreuen uns unserer nassen Schuhe... ja ernsthaft, es macht Spaß!


                  Zusammen mit Fred im Matsch

                  Während dieser unendlich lang erscheinenden Strecke durch diesen Schneematsch müssen wir genau einen Fluss furten. Es ist ein harmlos anmutender Fluss, sieht fast so aus, als könne man da so ohne große Vorbereitungen durchhüpfen. Aber wie wir bereits den letzten Tagen entnehmen können, ist in Island alles anders als es scheint. So auch mit diesem Fluss, denn der Flussboden besteht aus einer einzigen riesigen spiegelglatten Eisfläche. Und direkt über der Eisfläche macht sich die Strömung breit. Fred war der erste von uns, der den Schritt wagte, und er war auch derjenige, der diese ernüchternde Erkenntnis entdecken durfte. Obwohl Fred mit dem Furten auf jahrzehntelanger Island-Erfahrung zurückgreifen kann, war er mit diese Situation doch arg überfordert. Mit viel Schlenderm und vorsichtigem Festschlagen der Wanderstöcke hat er diese Furt aber trotzdem geschafft. Er musste, denn sobald er im Wasser war, konnte er aufgrund einer Abbruchkante am Einstieg nicht mehr zurück.
                  Für uns wurde dann eine neue Furtstelle gesucht, und wir wurden auch schon bald fündig. Aber auch dort durfte ich Bekanntschaft mit einem vereistem und mit viel Wasser geschmierten Flussboden machen. Ich hätte nicht gedacht, dass Steigeisen mal beim Furten sinnvoll wären, aber genau hier wären sie es gewesen.


                  Unscheinbares Geplätscher...

                  Am Ende das Tages erreichen wir die Emstrurhütte. Es ist unfassbar, aber wir sind hier nicht die Einzigen. Auch diese Hütte hat geöffnet und wir finden dort im Schlafraum zwei polnische Wanderkollegen, die vor sich hin dösen.

                  Einer von den beiden spricht ziemlich bröckliges Englisch, aber es reicht um uns klar zu machen, dass sie den Laugavegur in umgekehrter Richtung gehen wollen. Eine Nachfrage nach ihren Plänen am Ende des Laugavegurs ergibt, dass sie vorhaben ab Landmannlaugar den Bus zurück in die Zivilisation zu nehmen. Ihre Lebensmittelvorräte reichen für etwa vier weitere Tage und sie besitzen ein Zelt, welches mit Klebeband geflickt ist. Ihre restliche Ausrüstung stammt aus Bundeswehrüberbleibsel des letzten Jahrhunderts. Karten, Kompass oder GPS haben sie nicht dabei, sie beharren auf die Wegmarkierungen.
                  Hinweise auf völlig zugeschneite und somit nicht sichtbare Wegmarkierungen, nicht vorhandener Busverbindung ab Landmannalaugar und nicht vorhandenem Kiosk scheinen die beiden tatsächlich komplett zu ignorieren.
                  Es ist echt unglaublich was diese beiden Menschen mit ihrer Sturheit bisher erreicht haben. Wie sich im Laufe des Abends herausstellt, sind wir drei nicht die Einzigen gewesen, die versucht haben die beiden von dieser Idee abzubringen. Denn es erreichen noch zwei weitere Deutsche die Emstrurhütte, um dort eine Nacht zu verbringen und am nächsten Tag wieder zurück in die Thorsmörk zu wandern. Und das, was wir von den beiden hören erschüttert und ernüchtert. Es ist nicht nur ein Hüttenwart, es war nicht nur eine Person, sondern es ist nahezu die komplette Thorsmörk gewesen, die versucht haben die beiden davon zu überzeugen, dass sie spätestens in Landmannalaugar kein Essen mehr haben werden und der Weg dorthin ohne Orientierungsmöglichkeiten und einer Top-Ausrüstung ein reines Selbstmordkommando ist.

                  Wir kriegen noch mit, dass sie am morgigen Tage sehr früh aufbrechen wollen, aber keiner von uns kann raushören, ob sie umkehren oder weitergehen wollen.




                  Die Emstrurhütte


                  Tag 9

                  Als ich wach werde, sind die beiden polnischen Kollegen schon lange weg. Von uns Fünfen hat sie heute morgen niemand mehr gesprochen. Wir können nur hoffen, dass sie umgekehrt sind.

                  Wir wollen heute bis in die Thorsmörk kommen, am liebsten würden wir die nächste Nacht sogar auf der anderen Seite der Krossa verbringen.

                  Die Krossa ist der Fluss, der nach bisherigem Kenntnisstand der größte und schwungvollste aller Flüsse auf dieser Tour sein soll. Und über genau diese Stelle wurde auch während der Vorbereitungen am meisten diskutiert. Stichwörter wie „unglaublich anspruchsvoll“, „sehr ambitioniert“, „zwei Franzosen haben es gerade eben geschafft“ haben sich bei uns tief in den Kopf eingebrannt.

                  Nur jetzt sind wir mitten in Island und stehen dieser Stelle kurz bevor. Von den beiden anderen Deutschen erfahren wir, dass in der Thorsmörk bereits reger Betrieb herrscht. Die Hütten haben alle geöffnet und Geländewagen durchqueren momentan schon fleißig diese Gegend. Es soll sogar in einer der Hütten einen Süßigkeitenautomaten mit Resten aus der letzten Saison geben! Nach deren Informationen scheint es überhaupt kein Problem die Krossa zu überqueren. Sowohl Brücke, als auch Wasserstand sind genau so, wie es optimaler nicht hätte sein können.

                  Zusammen mit Fred verlassen wir die Hütte, gehen noch ein paar Meter und dann heißt es Abschied nehmen. Fred war uns wirklich eine riesige Hilfe und ein sehr netter Geselle! Jetzt im Nachhinein ärgert es mich sehr, dass keiner von uns auf die Idee kam, nach seiner Emailadresse zu fragen. Wirklich schade... Mich hätte ein nachträglicher Erfahrungsaustausch mit ihm nur zu sehr interessiert.

                  Wir sind alle etwas verblüfft über die braune, diesige Luft. Tagelang haben wir jetzt nichts von der Außenwelt mitgekriegt. Es hätte sonst was passiert sein können, sogar direkt auf Island. Zumindest spekulieren wir kurz über einen weiteren Vulkanausbruch, der diese braune Luft erklären würde. Unsere Befürchtungen wurden allerdings am Ende des Tages glücklicherweise widerlegt.



                  Ein paar Wetterüberraschungen sind natürlich heute auch dabei:





                  Die gesamte Tagesetappe verläuft völlig unproblematisch. In der Thorsmörk finden wir den berüchtigten Süßigkeitenautomaten und verfallen in den ersten Zivilisationfresssuchtanfall.



                  Fast gelangweilt überqueren wir die Krossa und bauen unser Zelt in Básar auf. In späteren Gesprächen haben wir erfahren, dass die Schneeschmelze in dieser Region wohl noch nichtmal begonnen hatte. Das macht es umso interessanter, wie die ersten regulären in-der-Saison-Wanderer den Laugavegur empfinden werden (war zufällig jemand Anfang Juli da?)




                  Tag 10

                  Hier in Básar ist viel los. Schulgruppen und Rentnerclubs teilen sich diesen Ort, wobei nur die Wenigsten momentan am Zelten sind (… wir sind die Einzigen). Dass wir keine Pauschaltouristen sind, wissen wir zwar, aber etwas mehr Abenteuerlustige hatten wir nach den Aussagen der Landrettung hier irgendwie doch erwartet.

                  Unsere Tour hat großes Staunen in der Thorsmörk hervorgerufen. Wir sind wohl die ersten, die dieses Jahr den Laugavegur gegangen sind. Das Staunen bestand aus vielerlei unterschiedlicher Dinge. Zum einen natürlich Respekt, aber auch viel Kritik. „We are happy, that you are here“ konnten wir uns mehrmals anhören. Leugnen konnten wir diese Aussage aber nicht, denn wir sind auch sehr froh nun hier zu sein! Es hätte vieles schief gehen können, aber wir sind uns beide einig, dass es das größte Abenteuer unseres Lebens war. Gerade gegen Ende haben wir lange darüber diskutiert, ob sich die letzten Tage noch als Trekkingtour bezeichnen lässt. „Expedition“ trifft es eigentlich besser.
                  Die Hüttenwarte in der Thorsmörk hatten alle viele Fragen zur allgemeinen Situation im Hochland. Sie haben dieses Jahr schon viele schlecht vorbereitete Menschen davon abgeraten weiterzugehen. Wenn wir die Tour andersherum angegangen wären, hätten wir vermutlich auch an dieser Stelle abgebrochen.

                  Doch nach zahlreichen Gesprächen mussten wir irgendwann aufbrechen zu unserer letzten Etappe. Es geht heute noch nach Skógá, allerdings soll diese Etappe kein größeres Problem sein. Die Hütte dort oben ist besetzt und die Strecke wird auch jetzt schon von vielen Menschen begangen.
                  Wir beide freuen uns richtig auf Skógá, einer warmen Dusche und frischem Essen. Unsere Gesichter sind so unglaublich dreckig, überall in den Poren sitzen kleine Aschepartikel. Einmal duschen wird am Ende nicht reichen...

                  Es geht hoch auf den Pass zwischen Eyjafjallajökull und Mýrdalsjökull. Der Weg besteht aus verwehtem, zugefrorenen Schnee. Nicht gerade schön zu gehen, aber trotzdem gut machbar. Oben rennen tatsächlich viele Leute rum, die alle den immer noch qualmenden Eyjafjallajökull bzw. seine beiden Nebenkrater besuchen wollen. Wir beide sind allerdings ziemlich erschöpft, zu sehr um das hier oben noch einmal zu genießen. Jeder von uns hat seine individuellen Probleme.
                  Bei mir ist es der Hunger, die geplanten täglichen 3000 kcal reichen schon seit Tagen nicht mehr aus. Momentan habe ich einen Verbrauch von über 5000 kcal, den ich glücklicherweise halbwegs von den Vorräten unserer nicht in Anspruch genommen drei Reservetage ausgleichen konnte.
                  Sven kämpft mit seinem Knie. Auch bei ihm haben sich diese Probleme angekündigt, aber bisher konnte er sich trotzdem gut durchschlagen. Am Ende der heutigen Etappe merken wir aber, dass Sven nun wirklich an seiner Grenze angekommen ist. Die letzten Kilometer werden für ihn zu einer großen Qual, für den allerletzten Kilometer haben wir eine ganze Stunde gebraucht.






                  die noch qualmende Lava des Eyjafjallajökull


                  noch ein paar Meter...

                  Die Tour ist nun vorbei und wir sind so auf Erholung fixiert, dass wir noch nicht mal ein Foto vom atemberaubenden Skógafoss machen. Es ist schade, aber ich persönlich habe viel aus dieser Tour gelernt.
                  Für mich ist ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen. Ich war auf Island! Die ersten Bilder von diesem großartigen Stückchen Erde habe ich mit etwa 12 Jahren gesehen und damals habe ich mir schon gedacht „da musst du unbedingt mal hin“. Nun war ich da!
                  Die vielen Schmerzen, die psychischen auf und ab's während der Tour sind schnell vergessen, aber trotzdem sage ich jetzt, dass ich so etwas nie wieder machen werde.
                  Die Flussfurten waren einfach dämlich, bzw. leichtsinnig. Über die Folgen von auch nur einem kleinen Fehler bei so einer Furt mag ich garnicht nachdenken. Wie schnell solche kleinen Fehler eintreten hat Dieter aus diesem Forum in unserem Planungsthema einmal gut und unglaublich passend formuliert:
                  „Und wenn oben in den Bergen Schneeschmelze ist dann kann schon der 2. Tag der Tour zur Prüfung werden. Das mit dem "schau ma mal ob's geht" ist beim Furten so ne Sache. Wenn man merkt, dass es nicht geht, ist man schon mitten in der Furt kurz vor dem Freischwimmer und darf sich zurückschummeln."
                  Es passte exakt, der zweite Tag unserer Tour wurde zu einer großen Prüfung. Als ich merkte, dass ich in der Stora-Laxa nicht mehr weiterkomme, war ich erschreckend kurz vor dem Freischwimmer und das Zurückschummeln hat viel Konzentration gefordert, die ich in dieser Situation nur schwer aufbringen konnte.

                  Abschließend bleibt zu sagen, dass diese Tour zu dieser Reisezeit hoffentlich keine Nachahmer finden wird.


                  Ein paar Eindrücke der restlichen Tage:



















                  Abschließend müssen wir noch Thorsteen danken für die unglaublich große Unterstützung bei der Planung dieser Tour! Ohne ihn wären wir vermutlich ins totale Verderben gerannt.
                  Zuletzt geändert von entenpower; 24.02.2012, 00:59.
                  www.philipp-ennen.de

                  Kommentar


                  • entenpower
                    Dauerbesucher
                    • 24.07.2009
                    • 519
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                    -
                    Zuletzt geändert von entenpower; 17.02.2012, 22:32.
                    www.philipp-ennen.de

                    Kommentar


                    • entenpower
                      Dauerbesucher
                      • 24.07.2009
                      • 519
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                      -
                      Zuletzt geändert von entenpower; 17.02.2012, 22:32.
                      www.philipp-ennen.de

                      Kommentar


                      • Yaphi
                        Dauerbesucher
                        • 12.07.2010
                        • 519
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                        Genau jetzt wo es spannend wird ...
                        aber mal wieder ein sehr schöner Bericht, liest sich wunderbar ;)

                        Kommentar


                        • Williboyd
                          Erfahren
                          • 05.02.2008
                          • 341
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                          Dabei ist es jetzt doch am spannendsten

                          Ansonsten...feine Bilder einer schönen kargen Landschaft.
                          Ich freue mich schon auf die Fortsetzung

                          Kommentar


                          • Mika Hautamaeki
                            Alter Hase
                            • 30.05.2007
                            • 3979
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                            Juhu! Vielen Dank, daß du dich nochmal an den Bericht gesetzt hast. Du hast mir gerade den Sonntagmorgen versüßt!
                            Zum Geysir: Ich kann jedem nur emüfehlen, dort Abends nach den Busladungen hinzufahren. Wir haben auch dort vor Ort übernachtet und haben am Nachmittag die Bus-Touris bobachtet (wie im Zoo...) und unsere FOtos haben wir dann gegen 21 Uhr gemacht.
                            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                            A. v. Humboldt.

                            Kommentar


                            • entenpower
                              Dauerbesucher
                              • 24.07.2009
                              • 519
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                              danke!

                              @Yaphi und Williboyd: den cut hab ich schließlich aus genau diesem grund dahin gesetzt

                              @Mika: ja genau, am nächsten Tag konnten wir die Touribusladungen auch beobachten, das war echt nicht mehr schön. Die Nacht dort direkt am Geysir ist wirklich lohnenswert!

                              Hier noch ein kleines Video der Leira:

                              http://www.youtube.com/watch?v=w4icOjmQDxw
                              Zuletzt geändert von entenpower; 13.11.2011, 13:25.
                              www.philipp-ennen.de

                              Kommentar


                              • Mika Hautamaeki
                                Alter Hase
                                • 30.05.2007
                                • 3979
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                                Zitat von entenpower Beitrag anzeigen
                                danke!

                                Hier noch ein kleines Video der Leira:

                                http://www.youtube.com/watch?v=w4icOjmQDxw
                                Puh, das sieht nicht gut aus, gar nicht gut... Bei dem Schmelzwassermengen merkt man schon, warum man eigentlich erst zum Juli/August unterwegs sein sollte. Meine Ricke war auch in dem Zeitraum in Island, die hatten im Norden nochmal ordentlich Schnee (20 cm glaub ich). Meinen Respekt, daß ihr die Tour doch gewagt habt. Gab es einen bestimmten Grund warum ihr so früh unterwegs wart?
                                So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                A. v. Humboldt.

                                Kommentar


                                • entenpower
                                  Dauerbesucher
                                  • 24.07.2009
                                  • 519
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                                  Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                                  Puh, das sieht nicht gut aus, gar nicht gut... Bei dem Schmelzwassermengen merkt man schon, warum man eigentlich erst zum Juli/August unterwegs sein sollte. Meine Ricke war auch in dem Zeitraum in Island, die hatten im Norden nochmal ordentlich Schnee (20 cm glaub ich). Meinen Respekt, daß ihr die Tour doch gewagt habt. Gab es einen bestimmten Grund warum ihr so früh unterwegs wart?
                                  Ja den gab es. Wir sind beide Studenten und dazu verpflichtet uns von Juli bis Oktober in einem dunklen Keller zum Lernen einzuschließen ;) leider...
                                  www.philipp-ennen.de

                                  Kommentar


                                  • Mika Hautamaeki
                                    Alter Hase
                                    • 30.05.2007
                                    • 3979
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                                    Zitat von entenpower Beitrag anzeigen
                                    Ja den gab es. Wir sind beide Studenten und dazu verpflichtet uns von Juli bis Oktober in einem dunklen Keller zum Lernen einzuschließen ;) leider...
                                    Ahaa, na meinen Dank an das Bachelor/Master-System. Bin ich froh, daß ich noch n´Dipl. machen durfte. Da hatte man zumindest ansatzweise die Chance im Sommer rauszukommen
                                    So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                    A. v. Humboldt.

                                    Kommentar


                                    • entenpower
                                      Dauerbesucher
                                      • 24.07.2009
                                      • 519
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                                      Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                                      Ahaa, na meinen Dank an das Bachelor/Master-System. Bin ich froh, daß ich noch n´Dipl. machen durfte. Da hatte man zumindest ansatzweise die Chance im Sommer rauszukommen
                                      OT: Fairerweise muss man sagen, dass es in unserem Fall nicht an dem Bachelor/Master-System liegt, sondern an dem Studiengang. Zu Diplomzeiten war es bereits genauso.
                                      www.philipp-ennen.de

                                      Kommentar


                                      • scr
                                        Anfänger im Forum
                                        • 20.01.2011
                                        • 17
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [IS] Deswegen sollte man Island nicht (oder doch?) im Mai/Juni besuchen

                                        Moin zusammen,

                                        ich sag mal Hallo in die Runde hier... freu mich, jetzt auch mal bei euch im Forum was zu schreiben. Wir haben ja von vielen Ideen, die Philipp mit euch diskutiert hat, profitieren können. Danke dafür!

                                        Ich bin der ominöse Begleiter in der roten Jacke – und in den einen oder anderen Gedanken, der auch mir auf unserer Tour durch den Kopf schoss, möchte ich euch an dieser Stelle Einblicke geben. Denn auf einer solchen Tour fallen viele Gedanken an. Dafür ist viel Zeit – und unser Reisegebiet ist voller Eindrücke, voller Wucht, geradezu explosiv: Erde, Wasser, Feuer und Luft – nirgendwo treffen diese vier Elemente so beeindruckend aufeinander, wie in diesem nordwestlichen Vorposten Kontinentaleuropas – einem pulsierenden Wellenbrecher zwischen Atlantik und Europäischem Nordmeer: Wir sind in Island!





                                        Und nirgendwo werden diese Elemente das Potential haben uns so intensive Erfahrungen zu bescheren, uns so zu zermürben, an unsere Grenzen zu bringen und uns aber auch daran wachsen zu lassen und Freude zu bescheren, wie inmitten der entrückten Weite des isländischen Hochlands: Das Hochland zur Schneeschmelze! Das nicht etwa, weil wir Idioten sind, oder leichtsinnig – nein, wir sind Pragmatiker: Wir finden nur jetzt ein offenes gemeinsames Zeitfenster und nutzen es.
                                        Lange haben wir darüber gegrübelt, ob wir dadurch nicht einfach nur Idioten und Pragmatiker zugleich sind. Dieses Grübeln und die zahlreichen Iterationen des Infrage-stellens aber sind letztlich verantwortlich für die hochgradig intensive Vorbereitung, die wir schon Monate vor der Tour begonnen haben. Zunächst ganz unterbewusst; denn mit allen Szenarien die wir durchspielten und an denen wir uns gegenseitig rückkoppelten, wuchs die Erkenntnis, dass unbequeme Entscheidungen anfallen könnten. Als wir beide das Vertrauen in den jeweils anderen – vor allem aber in uns selber - hatten, im Falle einer solchen unbequemen Entscheidung die kluge und vorsichtige Option zu wählen, fühlte ich mich gewappnet für das Unbekannte dort vor uns. Die Ausrüstung war danach schnell zusammen gestellt. Und auch das Fitness-Programm lief rund (bis ich mir sechs Wochen vor Beginn der Tour die Gelenkkapsel im linken Fußgelenk zerriss).



                                        Nachdem die Sonne erst unterging, wird es mit zunehmender nördlicher Breite auf einmal wieder taghell.


                                        Nachdem die Insel pünktlich eine Woche vor Abflug ein Ausrufezeichen setzte und eine gehörige Salve Grímsvötn-Dreck in die Atmosphäre schleuderte, empfängt uns Island malerisch: Plötzlich die aus Karten und aus Google-Earth in unsere Hirne eingebrannten Formationen, Gletscher und Ströme aus dem sich lichtenden Wolkendickicht sehen zu können, ist gigantisch! Unsere Route von oben schon jetzt in diesem surrealen Abendlicht nachmalen zu können, lässt eine Spur Gänsehaut den Rücken herunter fahren. Was für ein Motivationsschub. Endlich sind wir hier!



                                        Im Anflug ist die Halbinsel Reykjanes gut zu sehen.


                                        Auch bei mir gilt: Fortsetzung folgt... Vielleicht hol ich Philipp ein und vielleicht find ich auch noch neue Bilder, die hier noch nicht verbaut sind. Bin gespannt, wie der Zweiperspektivische Reisebericht funktionert.
                                        Zuletzt geändert von scr; 03.07.2016, 19:04.

                                        Kommentar

                                        Lädt...
                                        X