Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
1. Der Plan
Bernd war mir im Trekkingforum durch seine Beiträge aus der ganzen Welt aufgefallen. Offenbar handelt es sich bei ihm um einen extrem erfahrenen Trekker. Da seine Schilderungen mich extrem neugierig gemacht hatten, nehmen wir schließlich Kontakt auf, und tauschen uns über lange Zeit lediglich per e- mail aus.
Dann im Mai letzten Jahres unternehmen wir endlich die erste Tour gemeinsam. Dabei handelt es sich um eine Harzüberquerung von West nach Ost. Da uns der Hexenstieg aber viel zu viel über Fahrwege führt, suchen wir uns eine eigene Route.
Diese entpuppt sich als sehr schön, mit schmalen, oft kaum noch erkennbaren Pfaden und auch kürzeren weglosen Teilstücken.
Bernd erzählt mir von seinem Plan schon bald für einige Monate nach Südamerika aufzubrechen. Leider kommt eine mehrmonatige Reise zur Zeit für mich nicht in Frage, aber vielleicht können wir uns ja für eine Zeit lang zusammen schließen?
Ab Dezember will Bernd in Patagonien unterwegs sein, dass könnte für eine gemeinsame Tour passen.
Einer seiner dort geplanten Treks scheint mir besonders interessant zu sein. Bernd möchte den Hornopiren Nationalpark und auch einen Teil des angrenzenden, privaten Pumalin Parks durchqueren.
Allerdings gibt es auf der geplanten Route keine Wege, sondern extrem dichte, gemäßigte Regenwälder, steile Berge und große Gletschergebiete. Die Route hat er lediglich mit den Bildern aus Google Earth geplant.
Von Anfang an ist uns klar, dass der geplante Trek, auf dem wir Nahrung für 20 Tage mitnehmen wollen, extrem schwer ist. Wahrscheinlich werden wir die Route je nach den Verhältnissen häufig modifizieren müssen, und vielleicht ist der Plan auch komplett undurchführbar. Kurz gesagt, ein klassisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang möchten wir erleben.
Inzwischen ist Bernd auch hier im Forum als BernieHH aktiv.
2. Die Hornopiren Traverse
Als ich am Frankfurter Flughafen in der Schlange vor dem Abfertigungsschalter stehe, komme ich mit einem anderen Reisenden ins Gespräch. Dabei stellt sich heraus, dass Claas schon einige Male in Patagonien war. Inzwischen hat er dort etliche Bekannte und eigene Pferde mit denen er ausgedehnte Treks unternimmt. Für ihn ist Patagonien ein perfektes Abenteuerland. Meine Vorfreude steigt…
Nachdem wir die eindrucksvollen 6000 er der Anden überflogen haben erreichen wir Santiago de Chile. Am Zoll wird es spannend. Claas hatte mir bereits erzählt, dass die Chilenen bei der Einreise Lebensmittel sehr penibel kontrollieren, um keine Pflanzen- oder Tierkrankheiten einzuschleppen. Ich habe mein gesamtes Essen für die geplante Tour im Rucksack, darunter auch Macadamianüsse und Müsli…
Und klar, ich muss mein Gepäck vollständig offen legen. Allerdings kann ich der netten Beamtin wohl überzeugend versichern, dass mein Nussmüsli völlig harmlos ist, daher entgehe ich einer Beschlagnahme meines Essens, was ansonsten hier wohl recht häufig vorkommt…
Vom Flughafen nehme ich einen Bus ins Stadtzentrum. Im dortigen Busterminal wimmelt es von Menschen. Daher dauert es auch eine ganze Weile bis ich endlich vor einem Schalter stehe und mich nach einer Verbindung nach Puerto Monttt erkundige. Eigentlich hatte ich vor, gleich am nächsten Morgen weiter zu fahren. Dummerweise ist heute aber Silvester, daher scheint ganz Chile unterwegs zu irgendwelchen Verwandtenbesuchen zu sein.
Zu meinem Leidwesen muss ich erfahren, dass alle Buslinien in den Süden auf Tage hinaus ausgebucht scheinen. Natürlich probiere ich es noch an weiteren Schaltern aber immer ohne Erfolg.
Die meisten Busse in den Süden fahren ohnehin über Nacht.
Am Flughafen hatte ich mitbekommen, dass der Reiter, den ich in Frankfurt kennen gelernt hatte, ein Flugticket nach Puerto Montt in der Halle erworben hatte. Daher hoffe ich, dass das auch mir gelingt.
Kurz entschlossen nehme ich einen Bus zurück zum Airport und habe Glück. Tatsächlich gelingt es mir noch einen Flug für den heutigen Tag zu finden.
Das 1100 Kilometer von der Hauptstadt Santiago entfernte Puerto Montt ist mit etwa 200.000 Einwohnern die größte Stadt im chilenischen Patagonien.
Normalerweise regnet es in der Hafenstadt am Pazifik, aber heute begrüßt mich schönes, sonniges Wetter. Die Gegend ist sattgrün und erinnert mit Wäldern und Weiden ein wenig an Bayern.
Nachdem ein Bus mich vom Flughafen ins Stadtzentrum gebracht hat, erreiche ich bald die Unterkunft Hostal Casa Perla, in der ich mich mit Bernd treffen will.
In der Küche treffe ich meinen Reisepartner, der bereits gestern von einem 6- tägigen Trek im Tal des Rio Cochamo zurückgekehrt ist.
Später breiten wir die recht guten Karten im Maßstab 1: 50.000 aus, die Bernd bei IGM, dem geographischen Institut der Hauptstadt gekauft hatte. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass Bernd ansonsten auf seinen Treks meist nur Schwarz- Weiss Kopien von Karten mitführt, die er für Chile beispielsweise in der Nationalbibliothek angefertigt hat.
Auf seinem letzten Trek hatte er bereits die Hänge der Berge in Augenschein nehmen können, die wir zu Anfang unserer geplanten Route in der Nähe des Dorfes Puelo bewältigen müssten.
Bernd ist extrem erfahren, was weglose Treks angeht. Daher glaube ich sofort, dass diese Hänge seiner Einschätzung nach so dicht bewachsen sind, dass ein Durchkommen dort kaum möglich ist.
Bambus kannte ich bisher nur aus den Tropen. Aber auch in den gemäßigten Regenwäldern Patagoniens kommt die Pflanze häufig vor und bildet stellenweise undurchdringliche Dickichte.
Wir beschließen den Startpunkt unseres Treks in das Dorf Hornopiren zu verlegen. Von dort führt ein Weg in den gleichnamigen Nationalpark, der uns zumindest für den Anfang ein gutes Vorankommen gewähren sollte.
Casa Perla, das Hostal der Familie Uribe hat familiären Charakter. Es gibt nur eine Handvoll Zimmer mit maximal 4 Betten, die von einem internationalen Publikum genutzt werden. Sowohl der Computer der Familie als auch die Küche stehen den Gästen zur Verfügung.
Wir lernen die 21- jährige Schweizerin Julia kennen. Sie absolviert derzeit ein dreimonatiges Praktikum im Parque Pumalin von dem sie vollkommen begeistert ist.
Der Amerikaner Douglas Tomkins erwarb dort über 3000 km² Land, die er zum größten privaten Schutzgebiet Chiles machte. Es werden dort nicht nur die Urwälder vor der Abholzung geschützt, sondern auch versucht, vormals gerodete Flächen wieder aufzuforsten.
Nach dem im Preis für die Übernachtung enthaltenem Frühstück aus Brötchen, Honig und selbstgemachter Marmelade erstellt Bernd seine Verpflegungsliste und gehen zu Lider, dem größten Supermarkt der Stadt. Da Frau Uribe, die hervorragend Englisch spricht, mir 2 Gaskartuschen geschenkt hat, die andere Reisende vor ihrem Abflug zurückgelassen hatten, brauche ich nur noch Butter einkaufen. Bernds Liste ist dagegen sehr umfangreich. Da der gelernte Koch auch beim Trekking gerne frische Sachen ist, dürfen Zwiebeln, Salami und Knoblauch bei ihm nicht fehlen.
Die Preise für fast alle Lebensmittel sind allerdings ebenso hoch oder höher als in Deutschland.
Heute am Neujahrstag wirkt die Stadt ziemlich ausgestorben. Immerhin, die Läden in einer Mall haben geöffnet und Bernd gelingt es in einem Geschäft die Bilder von seinen letzten Treks auf CD brennen zu lassen.
Am Morgen können wir es gemütlich angehen, da der Bus erst um 13.30 fährt und wir die Tickets am Terminal schon gekauft haben. Bernd und ich haben das gleiche Rucksackmodell, aber als die beiden Säcke schließlich gepackt nebeneinander stehen, könnte man glauben, meiner ist nur halb voll, so winzig wirkt er neben dem von meinem Partner. So wiegt meiner ca. 30 kg, dagegen ist der von Bernd sicher 10 kg schwerer! Frisches Essen, ein großes Zelt, ein zweites Paar Stiefel und ein gewichtiger Kunstfaserschlafsack treiben das Gewicht halt leicht in die Höhe, was Bernd jedoch nichts ausmacht, wie ich bald lernen sollte…
Der Bus ist brechend voll, so dass unsere Rucksäcke nur gerade so noch reinpassen. Julia, deren Weihnachtsurlaub beendet ist, fährt ebenfalls mit dem Bus.
Da alle Sitzplätze voll sind, sitzen wir vorne auf der Treppe beim Fahrer. Bald haben wir die Stadt hinter uns gelassen und es geht auf einer asphaltierten Straße die Küste entlang. Nach einiger Zeit haben wir La Arena erreicht, wo eine Fähre uns über den Reloncavi Sund setzen soll. Landeinwärts erstrecken sich die steilen Regenwaldberge des Nationalparks Alerce Andino. Das sieht nach einem sehr schweren Gelände für Querfeldeinwanderer aus…
Als sich die Fähre auf ihrer halbstündigen Überfahrt befindet, beginnt es aus einem bleischweren Himmel zu regnen.
Auf der weiteren Fahrt kommen wir nur noch selten an einzelnen Holzhäusern vorbei. Dennoch wurde der Wald entlang der Straße schon mal gerodet. Nur einzelne verbliebene große Bäume ragen aus dem Gestrüpp des dichten Sekundärwaldes.
Gegen 17.30 erreichen wir unser Ziel, den erstaunlich großen Küstenort Hornopiren, auch Rio Negro genannt. Wir verabschieden uns von Julia, die hier bei einer Freundin übernachtet, und verlassen in der Ortsmitte den Bus.
Wieder einmal geht ein heftiger Regenschauer nieder. Ausgerechnet jetzt entdeckt Bernd, dass der Reißverschluss von seiner Gore-Tex Jacke nicht mehr schließt…
Nun, zunächst suchen wir uns ein Zimmer in dem Hospedaje auf der anderen Straßenseite. Dann versuchen wir mit unseren dürftigen Spanischkenntnissen herauszufinden, ob es hier eine Schneiderin gibt, die die Jacke vielleicht irgendwie reparieren kann. Doch heute hat schon alles geschlossen und wir werden morgen früh unser Glück weiter versuchen…
Einstweilen essen wir in einer Kneipe Hähnchen mit Pommes und wälzen später noch einmal die Karten auf unserem Zimmer.
Unser erster Weg führt uns zum Büro der Nationalparkverwaltung. Hier sind nur zwei Angestellte der staatlichen Forstbehörde CONAF anwesend. Zunächst sind sie etwas zurückhaltend, aber keineswegs unfreundlich. Wir möchten versuchen etwas über etwaige Pfade im Park herauszufinden. Leider sprechen die beiden nur spanisch. Aber der eine bemüht immerhin ein Übersetzungsprogramm seines Computers, wenn er merkt, dass die Kommunikation etwas hakt.
Offiziell darf nur der Pfad zum Lago General Pincho Concha von Besuchern genutzt werden. Obwohl die Nationalparkleute natürlich merken, dass wir ein bischen mehr vorhaben, weisen sie uns zwar darauf hin, dass das illegal ist, aber sie sagen uns auch nicht deutlich, dass wir nicht gehen dürfen…
In einer Art Besucherzentrum gibt es einige Läden und ein Restaurant. Hier soll auch eine Schneiderin anzutreffen sein. Na ja, Öffnungszeiten sind flexibel, aber um 11 Uhr erscheint Maria schließlich, und bietet an, ein Klettband das wir in einem Laden gekauft haben, an die Jacke zu nähen.
Gegen 13 Uhr können wir dann endlich starten. Glücklicherweise hat der Regen jetzt auch nachgelassen. Nicht umsonst laufen hier viele Leute in Gummistiefeln und Outdoorjacken herum.
Eigentlich müssten wir etwa fünf Kilometer weit der Straße bis zu einer Abzweigung folgen, aber wir haben Glück, obwohl wir nur halbherzig versuchen per Anhalter weiterzukommen, hält bald ein Wagen und nimmt uns mit.
Für die nächsten fünf Kilometer führt ein Fahrweg stetig bergauf. Weiden und Buschwerk werden immer wieder von einzelnen recht solide gebauten Holzhäusern unterbrochen. Die Berghänge sind noch vom Dunst verhüllt, aber über dem Meer zeigen sich bereits einige blaue Flecken.
Streckenweise begleitet uns ein Mann in Gummistiefeln, der unaufhörlich auf uns einredet. Leider verstehen wir fast nichts!
An einem Infopavillon des Nationalparks endet der Fahrweg und das Abenteuer beginnt!
Infopavillon des Hornopiren Nationalparks
Zunächst folgt der Pfad der hier beginnt dem Tal des Rio Negro. Obwohl es sich hier noch nicht um eine Urlandschaft handelt, ist die Mischung aus offenen Weideflächen und dichten Gebüschen landschaftlich schön. An guten Zeltplätzen gibt es keinen Mangel.
Brücke über den Rio Negro
Bald wendet sich der Pfad ab vom Bach und es geht entlang von Granitfelsen steil nach oben. Die Vegetation ist so dicht, dass ich es mir kaum vorstellen kann, hier ohne Pfad durch die Landschaft zu spazieren.
Aufwärts durch das grüne Labyrinth
Offene Flächen gibt es jetzt kaum noch. Aber das Fehlen der großen Bäume deutet darauf hin, dass wir auch jetzt noch nicht im Urwald sind.
Bei einer Rast können wir ein Pärchen Schopfkarakaras schön beobachten. Diese recht großen Greifvögel wirken mit gelben Schnäbeln und orangen Beinen ziemlich auffällig.
Gegen 18.30 verrät ein Schild, dass wir die Grenze des Nationalparks erreicht haben. Es ist feucht und kühl, dennoch wandern wir im T-Shirt.
Der Wald wird immer schöner, ein echter Märchenwald mit dichten Moospolstern und den gigantischen Stämmen der Alerces. Einer Nadelbaumart, die mich an die Mammutbäume Kaliforniens erinnert. Einzelne Sträucher setzen leuchtende Farbtupfer in das satte Grün.
Märchenwald
Die Säulen der Alerces ragen aus dem Unterholz
Blühende Sträucher setzen farbige Akzente
Es wird zwar erst gegen 22 Uhr dunkel, aber eigentlich wollen wir unser Lager nicht so spät aufschlagen. Daher halten wir immer mal wieder nach einem guten Lagerplatz Ausschau. Diese sind hier aber dünn gesät. Daher laufen wir schließlich doch weiter bis zum Lago General Pincho Concha. Hier gibt es abseits des Pfads eine Holzhütte die von einem hier Guardaparque genanntem Ranger bewohnt wird, und einen Zeltplatz im Wald. Es gibt hier sogar Tische und Bänke, wir sind aber die einzigen Nutzer des Platzes.
Müde und erfüllt von den Eindrucken des ersten Wandertages kochen wir noch und gehen dann bald schlafen.
Kommentar