Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Land: Türkei
Reisezeit: Ende Februar/Anfang März 2011
Region/Kontinent: Asien – Anatolien
Lykischer Weg 2011: Auf den Spuren der Antike
Prolog
Von einer Reise zwischen Antike und Neuzeit, zwischen tiefblauem Meer und schneebedeckten Berggipfeln, von Unwettern und fehlendem Schatten, von furchtbar furchteinflößenden Hunden und furchtbar freundlichen Menschen und nicht zuletzt von schier unglaublichen Geräuschkulissen, aber auch atemberaubender Stille. Und es war kalt in der Türkei...
24 Stunden reichten im Herbst 2010 für die Entscheidung. Morgens noch hatte ich mit meiner Frau überlegt, wo man im Frühling Trekking und Sonne verbinden könnte und (dank Pempis Bericht ) La Gomera ins Auge gefasst. Mittags dann erzählte mir eine Arbeitskollegin von ihrem gerade zu Ende gegangenen Türkei-Urlaub, wo sie mit einer kleinen Reisegruppe einzelne Etappen des Lykischen Weges gewandert war. Und abends, viele Stunden Internetrecherche später, stand fest wo wir unseren Frühjahrsurlaub verballern würden: Ein hochgelobter Weitwanderweg, eine Mischung aus antiken Stätten, abwechslungsreicher Natur, fremder Kultur, das Ganze auch noch alles andere als überlaufen und zudem noch warm: Das mußte einfach gut sein, schien zudem der ideale Gegenpart zur geplanten Norwegentour im Herbst.
Neben den verhältnismäßig wenigen Berichten hier im Forum waren vor allem das Büchlein von Michael Hennemann und die Internetseite von Peter Lill hilfreich. Das Buch von Kate Clow kann vor allem mit den historischen Hintergrund-Infos punkten und der Kauf kann einem das wirklich blöde Gefühl nehmen, ohne Karte in den Urlaub fahren zu müssen, obwohl man letztlich eine erwirbt, die nichts taugt.
Der ca. 500km lange Weg ist auf 4-5 Wochen ausgelegt, insofern war klar, dass wir in den uns zur Verfügung stehenden zwei Wochen nur einen Teil schaffen würden. Die Auswahl der Etappen ergab sich halbwegs natürlich durch unseren frühen Start, weil wir die höchsten Lagen wegen möglichem Schnee meiden mußten. Wandern im Schnee ohne Bergwacht und anständige topografische Karte ist nichts für Outdoorweicheier wie uns. In vielerlei Hinsicht reizvoll schien der Abschnitt von Kinic/Xanthos bis Demre. Nachdem hier mit Hilfe des Forums der letzte Feinschliff erfolgt war, begann der schönste Teil der Reisevorbereitung: die Ausrüstung ergänzen, unter anderem mit der Großanschaffung eines neuen Zeltes. Und so ganz nebenbei mühte sich eine Arbeitskollegin, mir ein paar Brocken Türkisch beizubringen.
Das neue Jahr brach an und in die Vorfreude mischten sich erste Zweifel, ob das Ganze eine gute Wahl sei. Nicht zuletzt die Tatsache, so wirklich gar keine Vorstellung von der dortigen Türkei zu haben und ein gewisser kleinbürgerlicher Schiss vor der großen weiten islamischen Welt. Auch Freunde und Bekannte zeigten sich skeptisch, als sie von unseren Plänen hörten. Trekking in der Türkei ist sicher nicht besonders abenteuerlich, aber naja. Schottland als Alternative blitzte auf, letztlich hielten wir aber an unserem Plan fest und haben es, dass sei vorab verraten, nicht bereut. Es hat uns letztlich so gut gefallen, dass wir schon für nächstes Jahr einen weiteren Abschnitt des Lykischen Weges fest eingeplant haben. Und wir hoffen, dass dieser Bericht ein wenig den Spaß vermitteln kann, den wir hatten.
Packtag
Von zuviel Zeugs und zuwenig Platz, von Hektik und Stress. Und das es immer länger dauert, als man will, weiß man ja vorher, ums nachher dennoch zu verfluchen, aber nächstes Mal nicht ändern zu können. Und nicht zuletzt braucht jede gute Geschichte ihre Monster...
Ich komme mal wieder viel zu spät aus meiner Arbeit raus. Totaler Zusammenbruch der Zeitplanung wird nur verhindert, weil extrem viel Luft eingeplant war. Bin ziemlich gestresst und genervt, die Spannung fällt erstmal nicht ab. Die Dame des Hauses hingegen ist bereits Mittags entspannt aus Hamburg angereist und konnte ihre Arbeit ungewohnt stressfrei verlassen. Wunder passieren immer wieder - leider aber nicht beim Packen, denn trotz Probepackaktion eine Woche zuvor und vorbildlicher Packlisten dauert es wieder viel länger als gewollt.
Letztlich sind aber 18,5 kg Ausrüstung in meinem und 14,5 Kg im Rucksack meiner Frau Anke verstaut. Das ist nicht gerade wenig, obwohl vieles davon ziemlich leicht ist. Aber wir schleppen unter anderem einiges an Futter mit (Real-Turmat und Süßer Moment testweise für Norwegen, war unnötig, aber bequem beim Abendessen - nicht aber auf den Schultern ) und wir leisten uns einigen Luxus, wie ein Kaitum 3 für 2 Personen. Auch die Ladung haben wir nicht bereut, obwohl nicht selten 3-4 Liter Wasser dazu kamen. Alles war gut zu tragen, nie kam das Gefühl der Plackerei auf.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo erstmals die Monster auftreten, die jede gute Geschichte braucht. Monster sind ja zum Kämpfen da und so ist Monster Nummero 1 der WM Antelope meiner Frau und der Kampf besteht darin, Ihn ins nicht allzu geräumige Schlafsackfach ihres Deuters zu stopfen, was die Drachentöterin aber letztlich immer wieder schafft. Monster Nummero zwei ist mein nicht mehr so neuer Gregory Palisade, der problemlos das Kaitum und auch einen voluminösen Trangia schluckt. Das größte Raumwunder seit dem Ford Transit, damit komme ich in der Türkei bestimmt gut an. Geschultert wurde er ja schon eine Woche zuvor testweise und trägt sich noch sehr angenehm. Letztlich ist es 2:00 Uhr, als wir mit dem liebenswerten Gefühl, bestimmt etwas vergessen zu haben, einschlafen. Und in 3 Stunden klingelt ja der Wecker...
Freitag, 25.02
Wie man Ex-presso trinkt, ein Auto mit der Hupe fährt - und nicht zuletzt ist es kalt in der Türkei.
Nun geht’s endlich los. Adrenalin katapultiert uns nach drei Stunden Schlaf aus dem Bett. Die Zweifel des Vortages sind nun komplett der Vorfreude gewichen und der Stress ist weg– warum nicht gleich so. Dank Familientaxi geht’s entspannt und pünktlich zum Flughafen, wo wir erstmal mit unseren Rucksäcken den Check-In suchen.
Ultraleicht sind bei uns nur die Globitüten
Dort angekommen wartet die erste Überraschung. Hatten wir türkische Großfamilien in unserem Billigflieger erwartet, trafen wir stattdessen auf Off-Season-Pauschaltouristen der übelsten Sorte, die bereits 2 Stunden vor Abflug brav mit ihrem Übergepäck am Schalter anstehen.
Gehts nach Side oder Alanya?
Die Truppe ist überaus drollig und erfüllt alle Klischees. Man beobachtet das Verpacken unserer Rucksäcke in die Tatonkaschutzhüllen wie die erste Mondlandung, bestellt später mehrfach einen Ex(!)-presso und irgendwann spricht man uns Zootiere auch an und fragt, ob wir nach Side oder Alanya wollen. Unserer vorsichtigen Andeutung, dass es gerüchteweise westlich von Antalya auch noch eine Türkei geben solle, wird mit müdem Lächeln begegnet. Dann ist Warten angesagt.
Noch sind sie sauber...
Check-In und Flug verlaufen (trotz im Vorfeld zweimaligen Umbuchens des Fluges ) problemlos. Nach der Landung in Antalya ist jedoch die Passkontrolle mit ca. acht langen parallelen Schlangen nervig und erinnert an die gute alte DDR-Grenze. Dann warten wir trotzdem noch bestimmt eine halbe Stunde auf unser Gepäck. Zusammen mit dem Umpacken unserer Rucksäcke sind 1 ½ Stunden ins Land gegangen, bis wir endlich aus der Flughafenhalle rauskommen. Das Wetter in Antalya stellt unseren Reisefrohsinn auf eine erste Probe.
Mediteranes Klima
11 Grad und Dauerregen sind nicht wirklich das, was wir uns erträumt haben, aber wir sind optimistisch und unser Urlaubs-Ruf als Mrs. und Mr. Schlechtwetter hat uns hart gemacht. Besser heute Regen, als morgen, sagen wir uns, kaufen Feuerzeuge und suchen den Bus ins Hotel. Während wir uns durch eine Traube Touristenfänger quälen, die uns alle Wunder dieser Welt versprechen, entdeckt Anke zufällig den Bus 202, der zum Otogar, dem modernen Busbahnhof in Antalya, fährt. Wir steigen ein und stellen bei der Kommunikation mit dem Fahrer mittels Händen und Füßen fest, dass der Bus überhaupt nicht in der Nähe unseres Hotels halten wird ( entgegen unserer Internetrecherche). Zudem gesellt sich ein anderer Deutscher zu uns, der irgendwie unheimlich wirkt, als käme er gerade aus dem Knast. Aber wir haben das selbe Ziel, nämlich die Altstadt Kaleci, schließen uns also zusammen - wir wollten ja Abenteuer.
Es geht quer durch die Stadt und wir bekommen einen ersten Eindruck vom türkischen Verkehrschaos, steigen dann an einer Tram-Haltestelle aus, angeblich möglichst nahe an unserem Hotel. Da es weiterhin wie aus Kübeln schüttet, leisten wir uns unser erstes "Taksi". Die Fahrt ist das eigentliche Tageshighlight und wir bekommen einen Crashkurs in anatolischer Verkehrskultur.
Wer bremst, verliert
Unwichtige Teile eines Autos wie Blinker, Sicherheitsgurt oder Bremse spielen keine bzw. nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dagegen ist der wichtigste Teil die Hupe, mit der alle im Verkehr wichtigen Anliegen von „Hallo, wie gehts“ bis zu „Deine Mutter treibts mit Ziegen“ kommuniziert werden. Und es ist amüsant zu sehen, wie 20 Leute gleichzeitig auf eine verstopfte Kreuzung fahren, und jede noch so kleine Lücke benutzen, um jegliche weitere Bewegung sofort im Keim zu ersticken. Faszinierend...
Durch immer engere Gassen geht es in die Altstadt, schließlich sind wir in unserem Hotel und beziehen ein kleines einfaches, aber sauberes Zimmer. Verschnaufen kurz, es hört auf zu regnen. Wir nutzen dies zu einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt und erleiden eines der beiden Negativerlebnisse dieses Urlaubes. Der Drücker-Tourismus, der einen mit marktschreierischer Potenz in die zur Off-Season leeren Restaunts zerren will, nervt gewaltig und ähnelt in einigen Straßen einem Spießrutenlauf. Es ist noch einiges los in der Stadt. Schließlich essen wir in einem Lokal, vom Hunger geplagt einen ziemlich schlechten Döner-Teller, kaufen noch etwas türkischen Honig und heben noch ein paar türkische Lira an einem Bankautomaten ab. Die Banken- und Geldautomatendichte ist gewaltig und wird uns auch in deutlich kleineren Orten verblüffen. Dann schlendern wir nach Hause in der Hoffnung, uns in den verwinkelten Gassen nicht vollständig zu verlaufen. Langsam wird es ruhiger, nur die Taxis jagen vereinzelt durch die engen Strassen.
Immer rechtzeitig zur Seite springen...
Überwiegend aber ist es ruhig.
Schön, wenn einem mal nichts verkauft werden will
Zurück im Hotel frieren wir erbärmlich, bis ich auf dem Flur den Sicherungskasten finde, um die Klimaanlage im Zimmer anzuschalten und wenigstens kurze Zeit in den Heizmodus zu bringen. Das Thermometer zeigt zwar immer noch 13 Grad, wir fühlen uns aber irgendwie besser, schalten dann die Klima wieder ab und hauen uns todmüde in unsere Schlafsäcke. Vor allem, weil sich meine Frau nicht die dünne Decke mit mir teilen will ( Angeblich bin ich Nachts besitzergreifend... ) Wir hätten jedenfalls nie gedacht, dass die Schlafsäcke uns bereits im Hotel so gute Dienste leisten. Es ist kalt in der Türkei...
Samstag, 25.02
Wie man eine Busfahrt in der Türkei überlebt, warum es nicht immer weise ist, sich von Wegweisern den Weg weisen zu lassen, Zeltplatzsuche im Dunkeln und nicht zuletzt viel Kuh-ltur.
Um 5:30 Uhr ist es vorbei mit der Nachtruhe, als der Muezzin ruft. Das empörte Gefühl des jäh unterbrochenen Schlafes ringt mit der ästhetisch-geistvollen Freude, in einer vollkommen anderen Kultur angekommen zu sein. Damit letztere den Sieg davon trägt, stecke ich die Hand aus dem Schlafsack und schalte die Klimaanlage ein, die 5 Minuten später beginnt, warme Luft in das 12 Grad kühle Zimmer zu pusten. Der Blick nach draußen wärmt noch mehr, die Sonne strahlt auf Antalya.
Sonne...
Der Reiz der Umgebung liegt, wie eigentlich entlang des gesamten lykischen Weges, in der unmittelbaren Nähe tiefblauen Meeres und schneebedeckter Gipfel.
Blick vom Hoteldach
Wir genießen im sonnendurchfluteten romantischen Innenhof unseres Altstadthotels das erste türkische Frühstück. Urlaubsfeeling pur: Tomate, Gurke, Oliven, Schafskäse, dazu Marmelade und Honig und natürlich Çay. Der Tee wird uns ein treuer Begleiter in den nächsten 2 Wochen sein, lediglich nach etwas körnigerem, dunklerem Brot werden sich unsere balaststoffverwöhnten Verdauungsorgane gegen Ende des Urlaubs sehnen. Ein deutsches Ehepaar, die einzigen Gäste sonst im Hotel, wünscht uns viel Spaß auf dem Lykischen Weg, warnt uns aber vor Starkregenfällen, die in den letzten Wochen viele Gegenden in Schlammplätze verwandelt haben. Wir glauben an das Gute...
Der bestellte Taxifahrer fährt uns nicht nur zum Otogar, dem modernen Bussterminal in Antalya, sondern hilft uns auch, „Isspirto“ für unseren Kocher zu finden. Wir fahren, ach was nein, wir hupen uns durch einige kleine Gassen bis zu einem Laden, der alles zu verkaufen scheint, was man in Säcke und Flaschen füllen, aber nicht essen kann – und strahlen, als wir den violetten Saft entdecken. Zwar steht nicht „Isspirto“ drauf, aber „Methil Alkol“ klingt auch brauch- und vor allem brennbar. Dann hupt uns der Fahrer weiter zum Otogar. Wir geben es derweil auf, vermeintliche Vorfahrtsregeln oder gar Einbahnstraßenregelungen nachzuvollziehen...
Am Busbahnhof zeigt uns der (ausnahmsweise echt nette, die meisten sind Verbrecher ) Taxifahrer noch den Schalter nach Kinik und nach Personenkontrolle und etwas Englisch mit Hand- und Fußunterstützung haben wir ein Ticket und finden schließlich sogar das richtige Abfahrterminal. Mit unseren riesigen Rucksäcken sind wir ungefähr so unauffällig, wie ein Eisbär am Karibikstrand und das Ganze ist irgendwie auch mächtig aufregend. Schließlich werden wir und die Rucksäcke ( ich lebte auf den Busfahren in ständiger Angst um den empfindlichen Hüftgurt meines Gregory) in einem erstaunlich modernen Bus geladen und die Reise geht los.
Die Landschaft ist atemberaubend schön, geprägt durch den Kontrast zwischen blauem Meer auf der einen und schneebedeckten Gipfeln des Taurusgebirges auf der anderen Seite.
Wir bekommen einen Eindruck des genialen türkischen Bussystems. Der Fahrer hupt (was sonst...) prinzipiell jede am Straßenrand stehende Person an, die dann signalisieren kann, dass sie mit will und wird mitgenommen. Offizielle Haltestellen scheinen lediglich eingerichtet, um dem EU-Beitritt näher zu kommen. Insgesamt alles sehr flexibel, wir haben davon des öfteren profitiert. Wir genießen die Fahrt entlang der Landschaften, die wir in den nächsten 2 Wochen teilweise durchqueren werden, die Vorfreude steigt, zumal bei strahlendem Sonnenschein. Wir bemerken, dass auf den Dörfern sehr alte Leute gratis kurze Strecken mitgenommen werden, Generationenvertrag, ganz ohne Aufklärung. Die Busse halten auch oft und nehmen Pakete an, sind gleichzeitig Post. Der Nachteil dessen ist die Fahrtdauer. Wir legen uns zwar mit teils erstaunlicher Geschwindigkeit in die Kurven (hinter den nicht selten Ziegen stehen ) und überholen an Stellen, die zwar objektiv Wahnsinn sind, aber von unserem Fahrer offenbar dennoch als geeignet empfunden werden, aber das Ganze dauert. Viel länger, als wir gedacht haben. Schließlich halten wir auch in jedem kleineren Ort.
Die Fahrt zieht sich
Nach fast 6 Stunden steigen wir dann in Kinik aus, der Fahrer ist offenbar nur wegen uns nahe an Xanthos herangefahren. Mein Hüftgurt (Stoßgebet!) ist noch in Ordnung. Wir fahren erstmals, unter genauer Beobachtung einiger Kinder, unsere Trekkingstöcke aus und erklimmen den kleinen Hügel. Vollkommen allein stehen wir da, bis auf einen absolut desinteressiert herumgondelnden türkischen Mitbürger und richtig, er ist der Verkäufer für Eintrittskarten. Nachdem wir 2 x 3 Türkische Lira investiert haben, steigt er dann auch in sein Auto und fährt weg.
Xanthos, Haupstadt des Lykischen Bundes und damit einer der zentralen Orte der Lykischen Geschichte hat Perser, Athener, Römer und das große Erdbeben von 141 n.Chr überdauert und ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Nicht wirklich erwartet haben wir deshalb die alte Bäuerin mit Gipsarm, die ihre 3 Kühe durch die Ruinen treibt und dort weiden lässt. In der Türkei ist doch vieles anders.
Weltkuh-lturerbe
Abgesehen von diesem, uns doch stark erheiterndem Umstand, ist es aber schon ein wirklich erhabenes Gefühl, allein zwischen den über 2000 Jahre alten Ruinen (und den Kufladen dazwischen ) herumzuklettern. So genießen wir im Licht der tiefstehenden Sonne unseren ersten heftigen Kontakt mit der Antike.
So schön das schwächer werdende Licht ist, es deutet ein Problem an: Wir haben nicht mehr viel Zeit, wenn wir noch einen einigermaßen abgelegenen Zeltplatz finden möchten. Da wir nicht auf fließend Wasseranschluß spekulieren können, füllen wir jeder am WC-Häuschen unsere Vorräte voll auf, 4 Kilo pro Person mehr auf dem Buckel. Dank SteriPen (Goiles Teil!) können wir uns erstmal unbesorgt vollsüffeln, bevor wir, aufgrund der Zeitnot sogar GPS-gestützt, unsere ersten Meter auf dem Lykischen Weg recht zügig zurücklegen. Die rot-weißen Markierungen, die uns die nächste Zeit begleiten werden, führen uns zunächst querfeldein über eine Wiese, dann auch teilweise eine Straße entlang.
Wirklich jedes der (wenigen) Autos hupt uns freundlich an, hält oft sogar an und manchmal kann sogar etwas wie ein Gespräch zu Stande kommen. ("Allmand ? Ja, ich auch von Wolfsburg, 10 Jahre VW, Likiya Yolu gehen ?!"...) Wir erreichen das kleine Dorf Cavdir, ernten weitere freundliche Grüße und Aufmunterungen und müssen leider unsere erste Einladung zum Tee ausschlagen, weil wir es eilig haben. Es bleibt aber der Eindruck großer Freundlichkeit und Hilfbereitschaft.
Endlich finden wir mitten im Ort die Abzweigung unseres Weges, gut markiert von einem Wegweiser – der aber in die falsche Richtung zeigt, wie uns einige Frauen unter „Likya Yolu“-Rufen klarmachen. Sie haben tatsächlich recht, wir finden weitere Markierungen, etwas strange, aber Hauptsache wir sind richtig. Die Nummer ist übrigens Programm: Der Likya Yolu ist mal besser, mal schlechter markiert. Wirklich fehleranfällig wird es meist dort, wo er sehr zivilisationsnah, halt mitten durch Siedlungen verläuft. Aber da kann man fragen...
Wir gewinnen langsam an Höhe, als die Sonne untergeht.
Wir beschließen, noch bis 18:30 Uhr weiterzulaufen und dann die nächstbeste Möglichkeit zum Zelten zu nutzen. Leider ist alles mit feinem Geröll übersäht (landschaftstypisch und leider zeltplatzfeindlich...) und oft zu steil. Es wird immer dunkler und schwieriger, die Wegmarkierungen im Dämmerlicht zu finden. Wirklich mit dem allerletzten Restlicht des Tages finden wir in einem Olivenhain ein bisschen steinfreie Stellfläche und bauen, bereits mit Stirnlampe das Zelt auf. Der Muezzin ruft und wir essen unsere erste Portion Real Turmat , leckeres Zeug. Kurze Zeit später liegen wir dann vollkommen fertig aber glücklich in unseren Schlafsäcken und lauschen der skurilen Geräuschkulisse der unter uns liegenden Ebene: Hundegebell, Hundegeheul, zwischen durch schreit ein Esel, dann kräht ein Hahn. Wir schauen uns kurz an: Ja, wir sind nun voll in unserem Urlaub angekommen, dann iss nur noch komatöser Schlaf.
Sonntag, 27.02
Wie man wenig leisten und dennoch viel erleben kann, von ignoranten Schafen und warum Zeus offenbar keine Überheblichkeit mag. Oder auch „Deutschland sucht den Superoutdoorer“...
Die erste Nacht im Zelt schlafen wir noch sehr unruhig. Zwar polstern unsere Matten den Untergrund komfortabel ab, der Körper ist die eingeschränkte Beweglichkeit Nachts aber noch nicht gewohnt. Hinzu kommen stetig bellende und jaulende Hunde, hin und wieder ein Esel und so ca. ab 4:00 Uhr auch der Hahn. Um 5:30 Uhr stimmt der Muezzin ein. Kurz danach werfe ich die Daunenjacke über, krieche aus dem Zelt und blicke, noch im Dunklen, ins Tal. In Kombi mit der ungewohnten Geräuschkulisse ein schöner Start in den Tag.
Anke kann erstmal ganz gut darauf verzichten und kuschelt noch in Ihrem Monster. Später trinken wir erstmal ein Teechen. Da die Sonne nur hinter Wolken aufgeht und es doch ungemütlich kalt ist, verziehen wir uns wieder in die Schlafsäcke und schreiben Tagebuch, gestern waren wir dafür zu müde. Etwas später kommt die Sonne raus und wir können unseren ersten Zeltplatz richtig genießen, haben wir doch zufällig einen recht idyllischen Olivenhain gefunden.
Zufallstreffer
Nachdem mich meine unprofessionellen Knoten immer ankotzten, habe ich vor der Abreise fleissig geübt und schaffe es tatsächlich (im dritten Anlauf ), aus Palstek und Topsegelschotstek eine Wäscheleine aufzuspannen, um meinen Schlafsack und das Monster meiner Frau in die Sonne zu hängen. Ganz im Stillen und stolz auf mein Werk beschließe ich, mich für die erste Staffel von „Deutschland sucht den Superoutdoorer zu bewerben.“. Dies selbstauferlegte Heldentum kann ich gleich nutzen, um unsere Ausrüstung gegen die plötzlich auftauchende bimmelnde Schafherde zu verteidigen.
Übermacht
Die ignoranten Viecher zeigen sich zunächst vom Preis unseres Zeltes wenig beeindruckt, knabbern dann aber doch lieber Gräser als silikoniertes Nylon. Mich erfüllt weiterer Stolz, unser Heim gegen die geballte Übermacht verteidigt zu haben.
Zeus ist offenbar bei soviel Überheblichkeit sauer geworden und lässt das Wetter wieder schlechter werden. Wir bauen das Zelt ab, es fängt an zu regnen. In ziemlicher Hektik werden die letzten Reste zusammengepackt und wir fragen uns kurz, ob wir in der Eile etwas vergessen haben, beschließen aber beruhigt, dass alles verstaut ist. Dann ziehen wir los - und bleiben mit den Rucksäcken in der noch aufgespannten Wäscheleine hängen.
In Gedanken stelle ich meine Bewerbung für „Deutschland sucht den Superoutdoorer“ erstmal zurück.
Der Weg führt zunächst prinzipiell am Rande der treibhausüberzogenen Ebene entlang, was den schönen Vorteil hat, dass man immer mal wieder auf die vorigen Etappen zurückblicken kann. Er ist zunächst nicht ganz einfach zu finden, bald treffen wir aber auf das Aquädukt, welches in den nächsten zwei Tagen unser stetiger Begleiter sein wird. Mal sieht man nur einige Steinspuren auf dem Boden, mal läuft man direkt auf gut erhaltener Bausubstanz.
Trotz mäßigem Wetter ist die Laune super, weil der Weg wunderschön ist. Entlang von Hügeln und Bergen, immer mit Ausblick auf die treibhausgespickte Ebene, über die wir bis zum Meer blicken können.
Es geht abwechslungsreich weiter, mal auf Pfaden, mal auf einer Art Piste.
In einem Olivenhain finden wir eine halbverhungerte Kuh, die sich aber wenig von uns stören lässt.
An einem Friedhof (neben den Moscheen die zuverlässigste Wasserquellen auf dem Weg) füllen wir unsere Wasservorräte auf, nette Leute zeigen uns wieder mal den weiteren Weg.
Nach nur knapp 3 Stunden Wanderung finden wir dann einen idealen Zeltplatz. Ein idyllischer, von Bergen eingefasster Olivenhain mit einem vorbeirauschenden Wasserkanal. Was will man mehr...
Alles was man braucht, nur die Sonne fehlt...
Wir machen Rast und sind unschlüssig, ob wir bleiben oder weiterziehen sollen. Die während der Rast sich zusammenbrauenden schwarzen Wolken nehmen uns die Entscheidung ab und als wir gerade angefangen haben, das Zelt aufzubauen, schüttet es plötzlich aus allen Rohren. Wir verkriechen uns zunächst ins notdürftig aufgebaute Zelt und warten den ersten Schauer ab. Die nächsten Stunden sind ein ständiger Wechsel zwischen Regenschauern und kurzen Regenpausen. In diesen futtern wir ( mit einem süßen Moment Grießbrei zum Abschluß – bombig lecker!) und machen den obligaten Kommunikationsversuch mit einem vorbeikommenden Ziegenhirten. Zu dem älteren, sehr arm ausschauenden Mann gehört auch noch ein kleiner Junge, der neugierig immer wieder mal nahe an unser Zelt heranschleicht. Nebenbei imposant, wie laut die Rufe der Hirten zwischen den Bergen umherhallen...
Als wir uns später am Kanal waschen, fängt es an zu blitzen und rummst kurz danach gewaltig. Wir flüchten ins Zelt. Zeus neidet mir offenbar immer noch meine tolle Wäscheleine und schickt uns Überheblichen Gewitter und Starkregen. Es wird immer heftiger und wir schauen mehrmals nervös in die Apsiden, ob vielleicht schon ein Fluss durch unser Zelt fließt. Das Ganze geht mindestens 5 Stunden und wir lernen unser geräumiges Zelt zu schätzen. Nach und nach machen wir alle Luken dicht, weil es immer stärker regnet. Irgendwann sind wir dann trotzdem eingeschlafen – nicht ohne die Sorge, morgens in einem Sumpf aufzuwachen...
Montag, 28.02
Wie man sich am Tag mehrmals verläuft, nicht von Hunden aufgefressen wird und dennoch im Dunkeln keinen Zeltplatz findet...aber es war warm in der Türkei
Früh krieche ich vorsichtig aus dem Zelt und bin erleichtert, dass wir nicht inmitten eines Sees liegen. Alles wirkt recht unschuldig, der einzige Hinweis auf den stundenlangen Regen ist unser triefend nasses Zelt, über dem der Mond steht.
Ein wirklich schöner Tag kündigt sich an. Wir wollen uns eigentlich nicht viel Zeit lassen, allerdings ist der Zeltplatz zu schön, um einfach loszuhetzen. Und uns fehlt einfach noch die Routine, Zusammenpacken dauert noch ziemlich lange. Gut, und wir sind ziemlich relaxed. Wir wollen ja Spaß haben und keinen Wettlauf gewinnen.
Dann kommt die Sonne raus und hilft, unsere Sachen und die Seele ein wenig zu trocknen.
Dennoch müssen wir vieles Nass einpacken, wollen dann doch los. Der Weg führt anfangs entlang eines Flusses durch einen Canyon, etwas Dschungel-Feeling kommt auf. Durch den starken Regen ist er allerdings an vielen Stellen überschwemmt und das Ganze etwas tricky.
Weg oder Fluss ?
Wir stemmen uns einen rutschigen Hang hinauf, alles etwas mühsam, aber die Gegend ist echt sehenswert.
Mittlerweile brennt die Sonne mehr als uns lieb ist, wir freuen uns aber über das schöne Wetter.
Frühling!
Wir treffen dann auf eine Steile, faktisch unbefahrene Straße, die wir zum kleinen Dorf Üzümlü hinauflaufen. Der Weg zweigt eigentlich wieder von der Straße ab, wir folgen dieser aber dennoch, da die Markierung ziemlich mies ist. In Üzümlü kaufen wir in einem Laden Brot und Kekse ( Es gibt in jedem Laden in der Türkei so viele leckere Keksorten, dass wir uns bis zum Ende des Urlaubs nur durch einen kleinen Teil durchfuttern konnten. ). Etwas später rasten wir, futtern unser Brot und genießen den wunderbaren Blick über die Ebene bis zum Meer und blicken auf den bisherigen Weg zurück.
Beim Aufbrechen fällt uns auf, dass es eine gute Idee gewesen wäre, die Wanderstiefel in die Sonne zu stellen...
Es geht weiter durch eine wunderschöne Landschaft, die vor allem durch den Farbkontrast zwischen roter Erde, weißem Kalkstein und grünem Gestrüpp geprägt ist. Dazu der blaue Himmel, wir sind rundum glücklich.
So langsam wirds richtig schön...
Hier machen wir auch erstmals Bekanntschaft mit der Macchie, ein ziemlich garstiges Dornengetrüpp, was unangenehmes Aua macht und so manche UL-Bekleidung ziemlich schnell in Fetzen zu reißen vermag – denke ich. Das Zeugs ist bei uns noch grün. Wir merken im Verlauf unseres Urlaubs, dass es langsam gelber, trockener und somit härter wird. Ob das gut oder schlecht ist, darf jeder selbst ausprobieren.
Wir kommen dann durch das sehr kleine Dorf Islamlar und steigen steil ab zu einem Fluß. Dann verlaufen wir uns, weil uns ein Bauer einen Weg zeigt, der jedenfalls nicht der Lykische war, weshalb wir uns nach einiger Zeit zum Umkehren entschließen. Rückblickend wusste der Bauer wahrscheinlich, dass die Brücke, über die wir wollten, hier nicht mehr steht und schickte uns deshalb weiter. Wir wollten aber nicht, also gabs nasse Füße.
Es blieb weiter aufregend, hinter einer Wegkurve fauchte uns das erste wilde Tier auf dieser Wanderung an.
Bis dahin wußte ich nicht, dass Schildkröten überhaupt Geräusche machen können. Das Arme Vieh, wir haben uns tüchtig gegenseitig erschreckt.
Der Aufstieg nach Akbel ist wunderschön, dauert aber viel länger als im Buch angegeben. Da alle anderen Zeiten für uns hinhauten und die Beschreibung auch auffällig knapp ist, frage ich mich, ob der Buchautor Hennemann dieses Stück wirklich gegangen ist. Es ist jedenfalls anstrengend und kurz vor Akbel kommt zum Schweiß noch tüchtig Adrenalin, nachdem uns unerwartet drei löwengroße Herdenschutzhunde stellen und vor sich hertreiben.
Die Bellerei ist ohrenbetäubend. Anke hat Todesangst und ich war auch schon entspannter. Stehenbleiben macht sie nur aggressiver, also gehen wir davon aus, dass sie uns nur von der Herde wegtreiben wollten und ich hatte doch ein großes Vertrauen, dass nichts passieren würde, wenn wir sie nur ihren Job machen, uns also verjagen, lassen. Unglücklicherweise lassen wir uns aber in eine Sackgasse treiben. Rufen nach den Hirten bringt kein Ergebnis, dann tut sich aber ein Weg auf. Nach 10 langen Minuten ist der Spuk vorbei und die Tiere lassen ab. Alles gut gegangen. Zum Glück kannten wir zu diesem Zeitpunkt die Geschichte des Libertisten noch nicht, dann wären wir noch unentspannter gewesen. Ich denke jedenfalls, das wir richtig gehandelt haben. Steine aufheben oder auch nur so tun, hätte eher unsere Gesundheit gefährdet bei diesen Kolossen. Das hilft vielleicht bei Straßenkötern, aber nicht bei diesen Tieren, die jahrhundertelang nur zu einem Zweck selektiert wurden.
Wir verlaufen uns kurz in Akbel, um dann sowohl Wasser wie auch Weg zu finden. Können wieder nicht damit rechnen, einen Zeltplatz mit Wasser zu finden, also heists die Säcke volllaufen zu lassen und Gas geben. Am Rande des Ortes finden wir nette Rasenflächen, die aber doch etwas vermüllt und uns zu nahe an der Straße gelegen sind.
Mittlerweile ist es schon 17:00 Uhr, dennoch entscheiden wir uns für Delikkemer als nächstes Ziel, denn bei der berühmten Aquäduktbrücke soll es schöne Zeltmöglichkeiten geben. Laut Buch dauert es mindestens 1 ½ Stunden, aber das Wetter ist gut, die Strecke nicht schwierig und wir haben sowohl GPS-Treck als auch Stirnlampen. Und nach den Hunden kann uns auch nicht mehr wirklich etwas schrecken. Wieder mal hetzen wir also im Dunkeln nach einem Zeltplatz, diesmal entlang des Aquäduktes, dass zur Wasserversorgung des antiken Patara diente. Wir gewinnen langsam an Höhe und die Sonne geht unter. Trotz aller Eile nehmen wir uns Zeit, die Gegend zu genießen. Wir können das ganze Tal überblicken, an dessen Hängen wir den ganzen Tag langgelaufen sind.
Es wird dunkler, wir pesen weiter. Irgendwie läuft es sich erstaunlich leicht, trotz Gewicht,wir haben eine Art Runners High. Ein Olivenhain bietet im Restlicht schöne Ausblicke aufs Meer, aber leider nicht genügend Platz für unser Kaitum. Wir flitzen weiter. Es ist absolut dunkel, als wir etwas erreichen, was die alte Aquäduktbrücke sein könnte, wir können nicht sehr weit sehen mit den Lampen und finden erstmal keinen Weg daran vorbei und mir ist noch erinnerlich, dass man tunlichst nicht drüber laufen sollte, weil man dann irgendwann runterfällt. Wir gehen also den Weg weiter in der Hoffnung, eine Zeltstelle zu finden. Irgendwann fällt meiner Frau dann auf, das wir laut GPS zurückgehen und tatsächlich, eine Stelle kommt uns bekannt vor. Das ist schon ein heftiger Schlag, zumal wir uns zunächst nicht erklären können, wie das passieren konnte. Letztlich ist klar, dass wir offenbar dem Teil der Schleife gefolgt sind, der von Kalkan kommend wieder zurück führt und dann wieder auf unseren ursprünglichen Weg trafen.
Nun hocken wir also in tiefster Dunkelheit, weit und breit kein Zeltplatz. Die Sterne über uns sind zwar ziemlich romantisch, aber es wird auch sehr kalt. Auf Hüttentouren haben wir immer Biwaksäcke mit, jetzt aber leider nicht. Also ist guter Rat teuer....
Wird fortgesetzt...
Reisezeit: Ende Februar/Anfang März 2011
Region/Kontinent: Asien – Anatolien
Lykischer Weg 2011: Auf den Spuren der Antike
Prolog
Von einer Reise zwischen Antike und Neuzeit, zwischen tiefblauem Meer und schneebedeckten Berggipfeln, von Unwettern und fehlendem Schatten, von furchtbar furchteinflößenden Hunden und furchtbar freundlichen Menschen und nicht zuletzt von schier unglaublichen Geräuschkulissen, aber auch atemberaubender Stille. Und es war kalt in der Türkei...
24 Stunden reichten im Herbst 2010 für die Entscheidung. Morgens noch hatte ich mit meiner Frau überlegt, wo man im Frühling Trekking und Sonne verbinden könnte und (dank Pempis Bericht ) La Gomera ins Auge gefasst. Mittags dann erzählte mir eine Arbeitskollegin von ihrem gerade zu Ende gegangenen Türkei-Urlaub, wo sie mit einer kleinen Reisegruppe einzelne Etappen des Lykischen Weges gewandert war. Und abends, viele Stunden Internetrecherche später, stand fest wo wir unseren Frühjahrsurlaub verballern würden: Ein hochgelobter Weitwanderweg, eine Mischung aus antiken Stätten, abwechslungsreicher Natur, fremder Kultur, das Ganze auch noch alles andere als überlaufen und zudem noch warm: Das mußte einfach gut sein, schien zudem der ideale Gegenpart zur geplanten Norwegentour im Herbst.
Neben den verhältnismäßig wenigen Berichten hier im Forum waren vor allem das Büchlein von Michael Hennemann und die Internetseite von Peter Lill hilfreich. Das Buch von Kate Clow kann vor allem mit den historischen Hintergrund-Infos punkten und der Kauf kann einem das wirklich blöde Gefühl nehmen, ohne Karte in den Urlaub fahren zu müssen, obwohl man letztlich eine erwirbt, die nichts taugt.
Der ca. 500km lange Weg ist auf 4-5 Wochen ausgelegt, insofern war klar, dass wir in den uns zur Verfügung stehenden zwei Wochen nur einen Teil schaffen würden. Die Auswahl der Etappen ergab sich halbwegs natürlich durch unseren frühen Start, weil wir die höchsten Lagen wegen möglichem Schnee meiden mußten. Wandern im Schnee ohne Bergwacht und anständige topografische Karte ist nichts für Outdoorweicheier wie uns. In vielerlei Hinsicht reizvoll schien der Abschnitt von Kinic/Xanthos bis Demre. Nachdem hier mit Hilfe des Forums der letzte Feinschliff erfolgt war, begann der schönste Teil der Reisevorbereitung: die Ausrüstung ergänzen, unter anderem mit der Großanschaffung eines neuen Zeltes. Und so ganz nebenbei mühte sich eine Arbeitskollegin, mir ein paar Brocken Türkisch beizubringen.
Das neue Jahr brach an und in die Vorfreude mischten sich erste Zweifel, ob das Ganze eine gute Wahl sei. Nicht zuletzt die Tatsache, so wirklich gar keine Vorstellung von der dortigen Türkei zu haben und ein gewisser kleinbürgerlicher Schiss vor der großen weiten islamischen Welt. Auch Freunde und Bekannte zeigten sich skeptisch, als sie von unseren Plänen hörten. Trekking in der Türkei ist sicher nicht besonders abenteuerlich, aber naja. Schottland als Alternative blitzte auf, letztlich hielten wir aber an unserem Plan fest und haben es, dass sei vorab verraten, nicht bereut. Es hat uns letztlich so gut gefallen, dass wir schon für nächstes Jahr einen weiteren Abschnitt des Lykischen Weges fest eingeplant haben. Und wir hoffen, dass dieser Bericht ein wenig den Spaß vermitteln kann, den wir hatten.
Packtag
Von zuviel Zeugs und zuwenig Platz, von Hektik und Stress. Und das es immer länger dauert, als man will, weiß man ja vorher, ums nachher dennoch zu verfluchen, aber nächstes Mal nicht ändern zu können. Und nicht zuletzt braucht jede gute Geschichte ihre Monster...
Ich komme mal wieder viel zu spät aus meiner Arbeit raus. Totaler Zusammenbruch der Zeitplanung wird nur verhindert, weil extrem viel Luft eingeplant war. Bin ziemlich gestresst und genervt, die Spannung fällt erstmal nicht ab. Die Dame des Hauses hingegen ist bereits Mittags entspannt aus Hamburg angereist und konnte ihre Arbeit ungewohnt stressfrei verlassen. Wunder passieren immer wieder - leider aber nicht beim Packen, denn trotz Probepackaktion eine Woche zuvor und vorbildlicher Packlisten dauert es wieder viel länger als gewollt.
Letztlich sind aber 18,5 kg Ausrüstung in meinem und 14,5 Kg im Rucksack meiner Frau Anke verstaut. Das ist nicht gerade wenig, obwohl vieles davon ziemlich leicht ist. Aber wir schleppen unter anderem einiges an Futter mit (Real-Turmat und Süßer Moment testweise für Norwegen, war unnötig, aber bequem beim Abendessen - nicht aber auf den Schultern ) und wir leisten uns einigen Luxus, wie ein Kaitum 3 für 2 Personen. Auch die Ladung haben wir nicht bereut, obwohl nicht selten 3-4 Liter Wasser dazu kamen. Alles war gut zu tragen, nie kam das Gefühl der Plackerei auf.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo erstmals die Monster auftreten, die jede gute Geschichte braucht. Monster sind ja zum Kämpfen da und so ist Monster Nummero 1 der WM Antelope meiner Frau und der Kampf besteht darin, Ihn ins nicht allzu geräumige Schlafsackfach ihres Deuters zu stopfen, was die Drachentöterin aber letztlich immer wieder schafft. Monster Nummero zwei ist mein nicht mehr so neuer Gregory Palisade, der problemlos das Kaitum und auch einen voluminösen Trangia schluckt. Das größte Raumwunder seit dem Ford Transit, damit komme ich in der Türkei bestimmt gut an. Geschultert wurde er ja schon eine Woche zuvor testweise und trägt sich noch sehr angenehm. Letztlich ist es 2:00 Uhr, als wir mit dem liebenswerten Gefühl, bestimmt etwas vergessen zu haben, einschlafen. Und in 3 Stunden klingelt ja der Wecker...
Freitag, 25.02
Wie man Ex-presso trinkt, ein Auto mit der Hupe fährt - und nicht zuletzt ist es kalt in der Türkei.
Nun geht’s endlich los. Adrenalin katapultiert uns nach drei Stunden Schlaf aus dem Bett. Die Zweifel des Vortages sind nun komplett der Vorfreude gewichen und der Stress ist weg– warum nicht gleich so. Dank Familientaxi geht’s entspannt und pünktlich zum Flughafen, wo wir erstmal mit unseren Rucksäcken den Check-In suchen.
Ultraleicht sind bei uns nur die Globitüten
Dort angekommen wartet die erste Überraschung. Hatten wir türkische Großfamilien in unserem Billigflieger erwartet, trafen wir stattdessen auf Off-Season-Pauschaltouristen der übelsten Sorte, die bereits 2 Stunden vor Abflug brav mit ihrem Übergepäck am Schalter anstehen.
Gehts nach Side oder Alanya?
Die Truppe ist überaus drollig und erfüllt alle Klischees. Man beobachtet das Verpacken unserer Rucksäcke in die Tatonkaschutzhüllen wie die erste Mondlandung, bestellt später mehrfach einen Ex(!)-presso und irgendwann spricht man uns Zootiere auch an und fragt, ob wir nach Side oder Alanya wollen. Unserer vorsichtigen Andeutung, dass es gerüchteweise westlich von Antalya auch noch eine Türkei geben solle, wird mit müdem Lächeln begegnet. Dann ist Warten angesagt.
Noch sind sie sauber...
Check-In und Flug verlaufen (trotz im Vorfeld zweimaligen Umbuchens des Fluges ) problemlos. Nach der Landung in Antalya ist jedoch die Passkontrolle mit ca. acht langen parallelen Schlangen nervig und erinnert an die gute alte DDR-Grenze. Dann warten wir trotzdem noch bestimmt eine halbe Stunde auf unser Gepäck. Zusammen mit dem Umpacken unserer Rucksäcke sind 1 ½ Stunden ins Land gegangen, bis wir endlich aus der Flughafenhalle rauskommen. Das Wetter in Antalya stellt unseren Reisefrohsinn auf eine erste Probe.
Mediteranes Klima
11 Grad und Dauerregen sind nicht wirklich das, was wir uns erträumt haben, aber wir sind optimistisch und unser Urlaubs-Ruf als Mrs. und Mr. Schlechtwetter hat uns hart gemacht. Besser heute Regen, als morgen, sagen wir uns, kaufen Feuerzeuge und suchen den Bus ins Hotel. Während wir uns durch eine Traube Touristenfänger quälen, die uns alle Wunder dieser Welt versprechen, entdeckt Anke zufällig den Bus 202, der zum Otogar, dem modernen Busbahnhof in Antalya, fährt. Wir steigen ein und stellen bei der Kommunikation mit dem Fahrer mittels Händen und Füßen fest, dass der Bus überhaupt nicht in der Nähe unseres Hotels halten wird ( entgegen unserer Internetrecherche). Zudem gesellt sich ein anderer Deutscher zu uns, der irgendwie unheimlich wirkt, als käme er gerade aus dem Knast. Aber wir haben das selbe Ziel, nämlich die Altstadt Kaleci, schließen uns also zusammen - wir wollten ja Abenteuer.
Es geht quer durch die Stadt und wir bekommen einen ersten Eindruck vom türkischen Verkehrschaos, steigen dann an einer Tram-Haltestelle aus, angeblich möglichst nahe an unserem Hotel. Da es weiterhin wie aus Kübeln schüttet, leisten wir uns unser erstes "Taksi". Die Fahrt ist das eigentliche Tageshighlight und wir bekommen einen Crashkurs in anatolischer Verkehrskultur.
Wer bremst, verliert
Unwichtige Teile eines Autos wie Blinker, Sicherheitsgurt oder Bremse spielen keine bzw. nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dagegen ist der wichtigste Teil die Hupe, mit der alle im Verkehr wichtigen Anliegen von „Hallo, wie gehts“ bis zu „Deine Mutter treibts mit Ziegen“ kommuniziert werden. Und es ist amüsant zu sehen, wie 20 Leute gleichzeitig auf eine verstopfte Kreuzung fahren, und jede noch so kleine Lücke benutzen, um jegliche weitere Bewegung sofort im Keim zu ersticken. Faszinierend...
Durch immer engere Gassen geht es in die Altstadt, schließlich sind wir in unserem Hotel und beziehen ein kleines einfaches, aber sauberes Zimmer. Verschnaufen kurz, es hört auf zu regnen. Wir nutzen dies zu einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt und erleiden eines der beiden Negativerlebnisse dieses Urlaubes. Der Drücker-Tourismus, der einen mit marktschreierischer Potenz in die zur Off-Season leeren Restaunts zerren will, nervt gewaltig und ähnelt in einigen Straßen einem Spießrutenlauf. Es ist noch einiges los in der Stadt. Schließlich essen wir in einem Lokal, vom Hunger geplagt einen ziemlich schlechten Döner-Teller, kaufen noch etwas türkischen Honig und heben noch ein paar türkische Lira an einem Bankautomaten ab. Die Banken- und Geldautomatendichte ist gewaltig und wird uns auch in deutlich kleineren Orten verblüffen. Dann schlendern wir nach Hause in der Hoffnung, uns in den verwinkelten Gassen nicht vollständig zu verlaufen. Langsam wird es ruhiger, nur die Taxis jagen vereinzelt durch die engen Strassen.
Immer rechtzeitig zur Seite springen...
Überwiegend aber ist es ruhig.
Schön, wenn einem mal nichts verkauft werden will
Zurück im Hotel frieren wir erbärmlich, bis ich auf dem Flur den Sicherungskasten finde, um die Klimaanlage im Zimmer anzuschalten und wenigstens kurze Zeit in den Heizmodus zu bringen. Das Thermometer zeigt zwar immer noch 13 Grad, wir fühlen uns aber irgendwie besser, schalten dann die Klima wieder ab und hauen uns todmüde in unsere Schlafsäcke. Vor allem, weil sich meine Frau nicht die dünne Decke mit mir teilen will ( Angeblich bin ich Nachts besitzergreifend... ) Wir hätten jedenfalls nie gedacht, dass die Schlafsäcke uns bereits im Hotel so gute Dienste leisten. Es ist kalt in der Türkei...
Samstag, 25.02
Wie man eine Busfahrt in der Türkei überlebt, warum es nicht immer weise ist, sich von Wegweisern den Weg weisen zu lassen, Zeltplatzsuche im Dunkeln und nicht zuletzt viel Kuh-ltur.
Um 5:30 Uhr ist es vorbei mit der Nachtruhe, als der Muezzin ruft. Das empörte Gefühl des jäh unterbrochenen Schlafes ringt mit der ästhetisch-geistvollen Freude, in einer vollkommen anderen Kultur angekommen zu sein. Damit letztere den Sieg davon trägt, stecke ich die Hand aus dem Schlafsack und schalte die Klimaanlage ein, die 5 Minuten später beginnt, warme Luft in das 12 Grad kühle Zimmer zu pusten. Der Blick nach draußen wärmt noch mehr, die Sonne strahlt auf Antalya.
Sonne...
Der Reiz der Umgebung liegt, wie eigentlich entlang des gesamten lykischen Weges, in der unmittelbaren Nähe tiefblauen Meeres und schneebedeckter Gipfel.
Blick vom Hoteldach
Wir genießen im sonnendurchfluteten romantischen Innenhof unseres Altstadthotels das erste türkische Frühstück. Urlaubsfeeling pur: Tomate, Gurke, Oliven, Schafskäse, dazu Marmelade und Honig und natürlich Çay. Der Tee wird uns ein treuer Begleiter in den nächsten 2 Wochen sein, lediglich nach etwas körnigerem, dunklerem Brot werden sich unsere balaststoffverwöhnten Verdauungsorgane gegen Ende des Urlaubs sehnen. Ein deutsches Ehepaar, die einzigen Gäste sonst im Hotel, wünscht uns viel Spaß auf dem Lykischen Weg, warnt uns aber vor Starkregenfällen, die in den letzten Wochen viele Gegenden in Schlammplätze verwandelt haben. Wir glauben an das Gute...
Der bestellte Taxifahrer fährt uns nicht nur zum Otogar, dem modernen Bussterminal in Antalya, sondern hilft uns auch, „Isspirto“ für unseren Kocher zu finden. Wir fahren, ach was nein, wir hupen uns durch einige kleine Gassen bis zu einem Laden, der alles zu verkaufen scheint, was man in Säcke und Flaschen füllen, aber nicht essen kann – und strahlen, als wir den violetten Saft entdecken. Zwar steht nicht „Isspirto“ drauf, aber „Methil Alkol“ klingt auch brauch- und vor allem brennbar. Dann hupt uns der Fahrer weiter zum Otogar. Wir geben es derweil auf, vermeintliche Vorfahrtsregeln oder gar Einbahnstraßenregelungen nachzuvollziehen...
Am Busbahnhof zeigt uns der (ausnahmsweise echt nette, die meisten sind Verbrecher ) Taxifahrer noch den Schalter nach Kinik und nach Personenkontrolle und etwas Englisch mit Hand- und Fußunterstützung haben wir ein Ticket und finden schließlich sogar das richtige Abfahrterminal. Mit unseren riesigen Rucksäcken sind wir ungefähr so unauffällig, wie ein Eisbär am Karibikstrand und das Ganze ist irgendwie auch mächtig aufregend. Schließlich werden wir und die Rucksäcke ( ich lebte auf den Busfahren in ständiger Angst um den empfindlichen Hüftgurt meines Gregory) in einem erstaunlich modernen Bus geladen und die Reise geht los.
Die Landschaft ist atemberaubend schön, geprägt durch den Kontrast zwischen blauem Meer auf der einen und schneebedeckten Gipfeln des Taurusgebirges auf der anderen Seite.
Wir bekommen einen Eindruck des genialen türkischen Bussystems. Der Fahrer hupt (was sonst...) prinzipiell jede am Straßenrand stehende Person an, die dann signalisieren kann, dass sie mit will und wird mitgenommen. Offizielle Haltestellen scheinen lediglich eingerichtet, um dem EU-Beitritt näher zu kommen. Insgesamt alles sehr flexibel, wir haben davon des öfteren profitiert. Wir genießen die Fahrt entlang der Landschaften, die wir in den nächsten 2 Wochen teilweise durchqueren werden, die Vorfreude steigt, zumal bei strahlendem Sonnenschein. Wir bemerken, dass auf den Dörfern sehr alte Leute gratis kurze Strecken mitgenommen werden, Generationenvertrag, ganz ohne Aufklärung. Die Busse halten auch oft und nehmen Pakete an, sind gleichzeitig Post. Der Nachteil dessen ist die Fahrtdauer. Wir legen uns zwar mit teils erstaunlicher Geschwindigkeit in die Kurven (hinter den nicht selten Ziegen stehen ) und überholen an Stellen, die zwar objektiv Wahnsinn sind, aber von unserem Fahrer offenbar dennoch als geeignet empfunden werden, aber das Ganze dauert. Viel länger, als wir gedacht haben. Schließlich halten wir auch in jedem kleineren Ort.
Die Fahrt zieht sich
Nach fast 6 Stunden steigen wir dann in Kinik aus, der Fahrer ist offenbar nur wegen uns nahe an Xanthos herangefahren. Mein Hüftgurt (Stoßgebet!) ist noch in Ordnung. Wir fahren erstmals, unter genauer Beobachtung einiger Kinder, unsere Trekkingstöcke aus und erklimmen den kleinen Hügel. Vollkommen allein stehen wir da, bis auf einen absolut desinteressiert herumgondelnden türkischen Mitbürger und richtig, er ist der Verkäufer für Eintrittskarten. Nachdem wir 2 x 3 Türkische Lira investiert haben, steigt er dann auch in sein Auto und fährt weg.
Xanthos, Haupstadt des Lykischen Bundes und damit einer der zentralen Orte der Lykischen Geschichte hat Perser, Athener, Römer und das große Erdbeben von 141 n.Chr überdauert und ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Nicht wirklich erwartet haben wir deshalb die alte Bäuerin mit Gipsarm, die ihre 3 Kühe durch die Ruinen treibt und dort weiden lässt. In der Türkei ist doch vieles anders.
Weltkuh-lturerbe
Abgesehen von diesem, uns doch stark erheiterndem Umstand, ist es aber schon ein wirklich erhabenes Gefühl, allein zwischen den über 2000 Jahre alten Ruinen (und den Kufladen dazwischen ) herumzuklettern. So genießen wir im Licht der tiefstehenden Sonne unseren ersten heftigen Kontakt mit der Antike.
So schön das schwächer werdende Licht ist, es deutet ein Problem an: Wir haben nicht mehr viel Zeit, wenn wir noch einen einigermaßen abgelegenen Zeltplatz finden möchten. Da wir nicht auf fließend Wasseranschluß spekulieren können, füllen wir jeder am WC-Häuschen unsere Vorräte voll auf, 4 Kilo pro Person mehr auf dem Buckel. Dank SteriPen (Goiles Teil!) können wir uns erstmal unbesorgt vollsüffeln, bevor wir, aufgrund der Zeitnot sogar GPS-gestützt, unsere ersten Meter auf dem Lykischen Weg recht zügig zurücklegen. Die rot-weißen Markierungen, die uns die nächste Zeit begleiten werden, führen uns zunächst querfeldein über eine Wiese, dann auch teilweise eine Straße entlang.
Wirklich jedes der (wenigen) Autos hupt uns freundlich an, hält oft sogar an und manchmal kann sogar etwas wie ein Gespräch zu Stande kommen. ("Allmand ? Ja, ich auch von Wolfsburg, 10 Jahre VW, Likiya Yolu gehen ?!"...) Wir erreichen das kleine Dorf Cavdir, ernten weitere freundliche Grüße und Aufmunterungen und müssen leider unsere erste Einladung zum Tee ausschlagen, weil wir es eilig haben. Es bleibt aber der Eindruck großer Freundlichkeit und Hilfbereitschaft.
Endlich finden wir mitten im Ort die Abzweigung unseres Weges, gut markiert von einem Wegweiser – der aber in die falsche Richtung zeigt, wie uns einige Frauen unter „Likya Yolu“-Rufen klarmachen. Sie haben tatsächlich recht, wir finden weitere Markierungen, etwas strange, aber Hauptsache wir sind richtig. Die Nummer ist übrigens Programm: Der Likya Yolu ist mal besser, mal schlechter markiert. Wirklich fehleranfällig wird es meist dort, wo er sehr zivilisationsnah, halt mitten durch Siedlungen verläuft. Aber da kann man fragen...
Wir gewinnen langsam an Höhe, als die Sonne untergeht.
Wir beschließen, noch bis 18:30 Uhr weiterzulaufen und dann die nächstbeste Möglichkeit zum Zelten zu nutzen. Leider ist alles mit feinem Geröll übersäht (landschaftstypisch und leider zeltplatzfeindlich...) und oft zu steil. Es wird immer dunkler und schwieriger, die Wegmarkierungen im Dämmerlicht zu finden. Wirklich mit dem allerletzten Restlicht des Tages finden wir in einem Olivenhain ein bisschen steinfreie Stellfläche und bauen, bereits mit Stirnlampe das Zelt auf. Der Muezzin ruft und wir essen unsere erste Portion Real Turmat , leckeres Zeug. Kurze Zeit später liegen wir dann vollkommen fertig aber glücklich in unseren Schlafsäcken und lauschen der skurilen Geräuschkulisse der unter uns liegenden Ebene: Hundegebell, Hundegeheul, zwischen durch schreit ein Esel, dann kräht ein Hahn. Wir schauen uns kurz an: Ja, wir sind nun voll in unserem Urlaub angekommen, dann iss nur noch komatöser Schlaf.
Sonntag, 27.02
Wie man wenig leisten und dennoch viel erleben kann, von ignoranten Schafen und warum Zeus offenbar keine Überheblichkeit mag. Oder auch „Deutschland sucht den Superoutdoorer“...
Die erste Nacht im Zelt schlafen wir noch sehr unruhig. Zwar polstern unsere Matten den Untergrund komfortabel ab, der Körper ist die eingeschränkte Beweglichkeit Nachts aber noch nicht gewohnt. Hinzu kommen stetig bellende und jaulende Hunde, hin und wieder ein Esel und so ca. ab 4:00 Uhr auch der Hahn. Um 5:30 Uhr stimmt der Muezzin ein. Kurz danach werfe ich die Daunenjacke über, krieche aus dem Zelt und blicke, noch im Dunklen, ins Tal. In Kombi mit der ungewohnten Geräuschkulisse ein schöner Start in den Tag.
Anke kann erstmal ganz gut darauf verzichten und kuschelt noch in Ihrem Monster. Später trinken wir erstmal ein Teechen. Da die Sonne nur hinter Wolken aufgeht und es doch ungemütlich kalt ist, verziehen wir uns wieder in die Schlafsäcke und schreiben Tagebuch, gestern waren wir dafür zu müde. Etwas später kommt die Sonne raus und wir können unseren ersten Zeltplatz richtig genießen, haben wir doch zufällig einen recht idyllischen Olivenhain gefunden.
Zufallstreffer
Nachdem mich meine unprofessionellen Knoten immer ankotzten, habe ich vor der Abreise fleissig geübt und schaffe es tatsächlich (im dritten Anlauf ), aus Palstek und Topsegelschotstek eine Wäscheleine aufzuspannen, um meinen Schlafsack und das Monster meiner Frau in die Sonne zu hängen. Ganz im Stillen und stolz auf mein Werk beschließe ich, mich für die erste Staffel von „Deutschland sucht den Superoutdoorer zu bewerben.“. Dies selbstauferlegte Heldentum kann ich gleich nutzen, um unsere Ausrüstung gegen die plötzlich auftauchende bimmelnde Schafherde zu verteidigen.
Übermacht
Die ignoranten Viecher zeigen sich zunächst vom Preis unseres Zeltes wenig beeindruckt, knabbern dann aber doch lieber Gräser als silikoniertes Nylon. Mich erfüllt weiterer Stolz, unser Heim gegen die geballte Übermacht verteidigt zu haben.
Zeus ist offenbar bei soviel Überheblichkeit sauer geworden und lässt das Wetter wieder schlechter werden. Wir bauen das Zelt ab, es fängt an zu regnen. In ziemlicher Hektik werden die letzten Reste zusammengepackt und wir fragen uns kurz, ob wir in der Eile etwas vergessen haben, beschließen aber beruhigt, dass alles verstaut ist. Dann ziehen wir los - und bleiben mit den Rucksäcken in der noch aufgespannten Wäscheleine hängen.
In Gedanken stelle ich meine Bewerbung für „Deutschland sucht den Superoutdoorer“ erstmal zurück.
Der Weg führt zunächst prinzipiell am Rande der treibhausüberzogenen Ebene entlang, was den schönen Vorteil hat, dass man immer mal wieder auf die vorigen Etappen zurückblicken kann. Er ist zunächst nicht ganz einfach zu finden, bald treffen wir aber auf das Aquädukt, welches in den nächsten zwei Tagen unser stetiger Begleiter sein wird. Mal sieht man nur einige Steinspuren auf dem Boden, mal läuft man direkt auf gut erhaltener Bausubstanz.
Trotz mäßigem Wetter ist die Laune super, weil der Weg wunderschön ist. Entlang von Hügeln und Bergen, immer mit Ausblick auf die treibhausgespickte Ebene, über die wir bis zum Meer blicken können.
Es geht abwechslungsreich weiter, mal auf Pfaden, mal auf einer Art Piste.
In einem Olivenhain finden wir eine halbverhungerte Kuh, die sich aber wenig von uns stören lässt.
An einem Friedhof (neben den Moscheen die zuverlässigste Wasserquellen auf dem Weg) füllen wir unsere Wasservorräte auf, nette Leute zeigen uns wieder mal den weiteren Weg.
Nach nur knapp 3 Stunden Wanderung finden wir dann einen idealen Zeltplatz. Ein idyllischer, von Bergen eingefasster Olivenhain mit einem vorbeirauschenden Wasserkanal. Was will man mehr...
Alles was man braucht, nur die Sonne fehlt...
Wir machen Rast und sind unschlüssig, ob wir bleiben oder weiterziehen sollen. Die während der Rast sich zusammenbrauenden schwarzen Wolken nehmen uns die Entscheidung ab und als wir gerade angefangen haben, das Zelt aufzubauen, schüttet es plötzlich aus allen Rohren. Wir verkriechen uns zunächst ins notdürftig aufgebaute Zelt und warten den ersten Schauer ab. Die nächsten Stunden sind ein ständiger Wechsel zwischen Regenschauern und kurzen Regenpausen. In diesen futtern wir ( mit einem süßen Moment Grießbrei zum Abschluß – bombig lecker!) und machen den obligaten Kommunikationsversuch mit einem vorbeikommenden Ziegenhirten. Zu dem älteren, sehr arm ausschauenden Mann gehört auch noch ein kleiner Junge, der neugierig immer wieder mal nahe an unser Zelt heranschleicht. Nebenbei imposant, wie laut die Rufe der Hirten zwischen den Bergen umherhallen...
Als wir uns später am Kanal waschen, fängt es an zu blitzen und rummst kurz danach gewaltig. Wir flüchten ins Zelt. Zeus neidet mir offenbar immer noch meine tolle Wäscheleine und schickt uns Überheblichen Gewitter und Starkregen. Es wird immer heftiger und wir schauen mehrmals nervös in die Apsiden, ob vielleicht schon ein Fluss durch unser Zelt fließt. Das Ganze geht mindestens 5 Stunden und wir lernen unser geräumiges Zelt zu schätzen. Nach und nach machen wir alle Luken dicht, weil es immer stärker regnet. Irgendwann sind wir dann trotzdem eingeschlafen – nicht ohne die Sorge, morgens in einem Sumpf aufzuwachen...
Montag, 28.02
Wie man sich am Tag mehrmals verläuft, nicht von Hunden aufgefressen wird und dennoch im Dunkeln keinen Zeltplatz findet...aber es war warm in der Türkei
Früh krieche ich vorsichtig aus dem Zelt und bin erleichtert, dass wir nicht inmitten eines Sees liegen. Alles wirkt recht unschuldig, der einzige Hinweis auf den stundenlangen Regen ist unser triefend nasses Zelt, über dem der Mond steht.
Ein wirklich schöner Tag kündigt sich an. Wir wollen uns eigentlich nicht viel Zeit lassen, allerdings ist der Zeltplatz zu schön, um einfach loszuhetzen. Und uns fehlt einfach noch die Routine, Zusammenpacken dauert noch ziemlich lange. Gut, und wir sind ziemlich relaxed. Wir wollen ja Spaß haben und keinen Wettlauf gewinnen.
Dann kommt die Sonne raus und hilft, unsere Sachen und die Seele ein wenig zu trocknen.
Dennoch müssen wir vieles Nass einpacken, wollen dann doch los. Der Weg führt anfangs entlang eines Flusses durch einen Canyon, etwas Dschungel-Feeling kommt auf. Durch den starken Regen ist er allerdings an vielen Stellen überschwemmt und das Ganze etwas tricky.
Weg oder Fluss ?
Wir stemmen uns einen rutschigen Hang hinauf, alles etwas mühsam, aber die Gegend ist echt sehenswert.
Mittlerweile brennt die Sonne mehr als uns lieb ist, wir freuen uns aber über das schöne Wetter.
Frühling!
Wir treffen dann auf eine Steile, faktisch unbefahrene Straße, die wir zum kleinen Dorf Üzümlü hinauflaufen. Der Weg zweigt eigentlich wieder von der Straße ab, wir folgen dieser aber dennoch, da die Markierung ziemlich mies ist. In Üzümlü kaufen wir in einem Laden Brot und Kekse ( Es gibt in jedem Laden in der Türkei so viele leckere Keksorten, dass wir uns bis zum Ende des Urlaubs nur durch einen kleinen Teil durchfuttern konnten. ). Etwas später rasten wir, futtern unser Brot und genießen den wunderbaren Blick über die Ebene bis zum Meer und blicken auf den bisherigen Weg zurück.
Beim Aufbrechen fällt uns auf, dass es eine gute Idee gewesen wäre, die Wanderstiefel in die Sonne zu stellen...
Es geht weiter durch eine wunderschöne Landschaft, die vor allem durch den Farbkontrast zwischen roter Erde, weißem Kalkstein und grünem Gestrüpp geprägt ist. Dazu der blaue Himmel, wir sind rundum glücklich.
So langsam wirds richtig schön...
Hier machen wir auch erstmals Bekanntschaft mit der Macchie, ein ziemlich garstiges Dornengetrüpp, was unangenehmes Aua macht und so manche UL-Bekleidung ziemlich schnell in Fetzen zu reißen vermag – denke ich. Das Zeugs ist bei uns noch grün. Wir merken im Verlauf unseres Urlaubs, dass es langsam gelber, trockener und somit härter wird. Ob das gut oder schlecht ist, darf jeder selbst ausprobieren.
Wir kommen dann durch das sehr kleine Dorf Islamlar und steigen steil ab zu einem Fluß. Dann verlaufen wir uns, weil uns ein Bauer einen Weg zeigt, der jedenfalls nicht der Lykische war, weshalb wir uns nach einiger Zeit zum Umkehren entschließen. Rückblickend wusste der Bauer wahrscheinlich, dass die Brücke, über die wir wollten, hier nicht mehr steht und schickte uns deshalb weiter. Wir wollten aber nicht, also gabs nasse Füße.
Es blieb weiter aufregend, hinter einer Wegkurve fauchte uns das erste wilde Tier auf dieser Wanderung an.
Bis dahin wußte ich nicht, dass Schildkröten überhaupt Geräusche machen können. Das Arme Vieh, wir haben uns tüchtig gegenseitig erschreckt.
Der Aufstieg nach Akbel ist wunderschön, dauert aber viel länger als im Buch angegeben. Da alle anderen Zeiten für uns hinhauten und die Beschreibung auch auffällig knapp ist, frage ich mich, ob der Buchautor Hennemann dieses Stück wirklich gegangen ist. Es ist jedenfalls anstrengend und kurz vor Akbel kommt zum Schweiß noch tüchtig Adrenalin, nachdem uns unerwartet drei löwengroße Herdenschutzhunde stellen und vor sich hertreiben.
Die Bellerei ist ohrenbetäubend. Anke hat Todesangst und ich war auch schon entspannter. Stehenbleiben macht sie nur aggressiver, also gehen wir davon aus, dass sie uns nur von der Herde wegtreiben wollten und ich hatte doch ein großes Vertrauen, dass nichts passieren würde, wenn wir sie nur ihren Job machen, uns also verjagen, lassen. Unglücklicherweise lassen wir uns aber in eine Sackgasse treiben. Rufen nach den Hirten bringt kein Ergebnis, dann tut sich aber ein Weg auf. Nach 10 langen Minuten ist der Spuk vorbei und die Tiere lassen ab. Alles gut gegangen. Zum Glück kannten wir zu diesem Zeitpunkt die Geschichte des Libertisten noch nicht, dann wären wir noch unentspannter gewesen. Ich denke jedenfalls, das wir richtig gehandelt haben. Steine aufheben oder auch nur so tun, hätte eher unsere Gesundheit gefährdet bei diesen Kolossen. Das hilft vielleicht bei Straßenkötern, aber nicht bei diesen Tieren, die jahrhundertelang nur zu einem Zweck selektiert wurden.
Wir verlaufen uns kurz in Akbel, um dann sowohl Wasser wie auch Weg zu finden. Können wieder nicht damit rechnen, einen Zeltplatz mit Wasser zu finden, also heists die Säcke volllaufen zu lassen und Gas geben. Am Rande des Ortes finden wir nette Rasenflächen, die aber doch etwas vermüllt und uns zu nahe an der Straße gelegen sind.
Mittlerweile ist es schon 17:00 Uhr, dennoch entscheiden wir uns für Delikkemer als nächstes Ziel, denn bei der berühmten Aquäduktbrücke soll es schöne Zeltmöglichkeiten geben. Laut Buch dauert es mindestens 1 ½ Stunden, aber das Wetter ist gut, die Strecke nicht schwierig und wir haben sowohl GPS-Treck als auch Stirnlampen. Und nach den Hunden kann uns auch nicht mehr wirklich etwas schrecken. Wieder mal hetzen wir also im Dunkeln nach einem Zeltplatz, diesmal entlang des Aquäduktes, dass zur Wasserversorgung des antiken Patara diente. Wir gewinnen langsam an Höhe und die Sonne geht unter. Trotz aller Eile nehmen wir uns Zeit, die Gegend zu genießen. Wir können das ganze Tal überblicken, an dessen Hängen wir den ganzen Tag langgelaufen sind.
Es wird dunkler, wir pesen weiter. Irgendwie läuft es sich erstaunlich leicht, trotz Gewicht,wir haben eine Art Runners High. Ein Olivenhain bietet im Restlicht schöne Ausblicke aufs Meer, aber leider nicht genügend Platz für unser Kaitum. Wir flitzen weiter. Es ist absolut dunkel, als wir etwas erreichen, was die alte Aquäduktbrücke sein könnte, wir können nicht sehr weit sehen mit den Lampen und finden erstmal keinen Weg daran vorbei und mir ist noch erinnerlich, dass man tunlichst nicht drüber laufen sollte, weil man dann irgendwann runterfällt. Wir gehen also den Weg weiter in der Hoffnung, eine Zeltstelle zu finden. Irgendwann fällt meiner Frau dann auf, das wir laut GPS zurückgehen und tatsächlich, eine Stelle kommt uns bekannt vor. Das ist schon ein heftiger Schlag, zumal wir uns zunächst nicht erklären können, wie das passieren konnte. Letztlich ist klar, dass wir offenbar dem Teil der Schleife gefolgt sind, der von Kalkan kommend wieder zurück führt und dann wieder auf unseren ursprünglichen Weg trafen.
Nun hocken wir also in tiefster Dunkelheit, weit und breit kein Zeltplatz. Die Sterne über uns sind zwar ziemlich romantisch, aber es wird auch sehr kalt. Auf Hüttentouren haben wir immer Biwaksäcke mit, jetzt aber leider nicht. Also ist guter Rat teuer....
Wird fortgesetzt...
Kommentar