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  • Thomasi
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    • 27.04.2009
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    Wie ich Zelt-Konstrukteur wurde ...

    Für den nachtschweifenden Geistesarbeiter, gewohnt,
    um Mitternacht seine Musen zu empfangen,
    dehnen sich die ersten Nachtstunden im Zelt bis zur Unerträglichkeit.
    Kälte, mangelndem Licht, fehlender Sitzgelegenheiten wegen verkriecht er sich bereits um halb Neun in den Schlafsack
    und liegt dann, noch in der Anspannung des Tages, hellwach, kopfkissenlos und stundenlang herum,
    sich bald links, bald rechts wälzend, ohne je in Schlaf zu finden
    und greift schließlich zur batterieverzehrenden Stirnlampendauerbeleuchtung, um zu lesen, sofern Lektüre dabei, zu schreiben, sofern Papier, zu grübeln, das geht immer,
    bis sich ein Schlummerengel gnädig herabzusenken bereit erklärt.


    So auch ich.
    Zuerst stellte ich eine 20-Punkte-Theorie der Eigenzeltkonstruktion auf.
    Mein letzter Zeltkauf lag 30 Jahre zurück und statt eines teuren Neuerwerbs gedachte ich mir einen 800g Rundumschutz zu entwerfen,
    so innovativ, wie es sich kein Zelthersteller je würde leisten können,
    nicht ohne seine gesamte restliche Modellpalette zu kannibalisieren.

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    Ich muß sagen: Ich habe den Zeltbau revolutioniert.
    Ich habe komplett neue Gestänge-Gewebe-Verbindungen erfunden,
    geniale Steck- und Klemmteile, vereinfachte, unzerstörbare Befestigungen und
    minimierte Abspannleinenanschlagpunkte, die niemals ausreißen können.
    Und erst die Formgebung!
    Ein nahtfreier Eintuchtunnel, der mit zwei Bögen,
    im Notfall zwei Stöcken auskommt und zwei Leinen und zwei Häringen!

    Sofort entwand ich den Kindern ihr Spielzeltgestänge und ging mit Malerfolie daran,
    ein erstes Prüfmuster zu improvisieren.

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    Gleich darauf gab es ernste Schwierigkeiten und schon da verlor ich spürbar an Enthusiasmus.

    Ich würde die Gewebebahnen nicht in der nötigen Breite bekommen und schneiden und nähen und kleben müssen.
    Überhaupt das Beschaffungswesen:
    Wo sollte ich meine Stöpsel, Stecker und Klemmbinder herkriegen?
    Für die Nähmaschine würde ich mir spezielle Nadeln besorgen müssen und Spezialgarn und ich sah mich schon in logistischem Dauerlauf,
    und als ich alles noch mal durchrechnete,
    war der Selbstbau plötzlich gar nicht mehr so billig und gar nicht mehr so leicht.
    Und die Zeit!
    Wieviel davon würde ich wohl damit vertun müssen?

    Ich beschloss, eine Zeltausstellung aufzusuchen und mich erstmal über den Stand der Technik zu informieren und sah dort fast alle meine Erfindungen bereits realisiert.
    Ich war zeltbautechnisch gesehen auf dem Stand vor 30 Jahren stehengeblieben und der Schock der Moderne wäre mir erspart geblieben, hätte ich diesen Besuch vor Beginn meines Eigenzeltbauprojekts unternommen.
    So aber mußte ich erkennen, alles was ich ausgetüftelt, gab es schon.

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    Da hatte ich plötzlich keine Eile mehr.
    Ich sagte mir: Du hast jetzt dreißig Jahre in Deinem Zelt gepennt, das hält auch den Rest Deines Lebens aus.

    Dann geronn mir unvermittelt die Überlegung, wie oft ich wohl alleine und zu Fuß und in wilder Gegend unterwegs sein würde, wo mein Eigenzelt optimal zur Anwendung käme und realistischerweise gestand ich mir ein:
    Eigentlich gar nicht.
    Erstens bist Du nicht mehr allein, dann meist mit dem Radl und dann seltenst in zivilisationslosem Abseits unterwegs,
    schon der Gattin wegen nicht.

    Da legte ich das ganze Zeltbauprojekt ad acta.

    Stattdessen legte ich mich in einem elektronischen Auktionshaus auf die Lauer,
    setzte mir ein finanzielles Limit
    und erwarb schließlich ein Großserienzelt,
    nicht exakt das, was ich im Sinn gehabt hatte,
    aber eines, bei dem ich viel von meinen Ideen verwirklicht fand.

    Für die Zeit, die mich der Zeltselbstbau nicht gekostet hat,
    bin ich dann spazieren gegangen;
    Denn das Weggehen ist schön, das Draußensein ist schön und das Heimkommen ist auch schön.
    Eigentlich ist alles schön, solange man sich bewegt und wenn es nur Gedanken sind,
    die hin und her huschen, nachts, im Schlafsack auf der Matte,
    geschützt nur durch eine dünne Hülle und von Kälte umstrichen und der Schwärze der Nacht,
    die einen blind Tapsen macht, wenn man raus muß zum Bieseln.

    Aber wenn jemand die Pläne haben will: Ich schenk sie her.

  • barleybreeder
    Lebt im Forum
    • 10.07.2005
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    #2
    AW: Wie ich Zelt-Konstrukteur wurde ...

    Tja schade, da waren andere eindeutig ausdauernder als Du..
    Barleybreeders BLOG

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    • hotdog
      Freak

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      • 15.10.2007
      • 16106
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      #3
      AW: Wie ich Zelt-Konstrukteur wurde ...

      Stattdessen legte ich mich in einem elektronischen Auktionshaus auf die Lauer,
      setzte mir ein finanzielles Limit
      und erwarb schließlich ein Großserienzelt,
      nicht exakt das, was ich im Sinn gehabt hatte,
      aber eines, bei dem ich viel von meinen Ideen verwirklicht fand.
      Nun sag schon: welches ist es geworden?
      Arrivederci, farewell, adieu, sayonara WAI! "Ja, wo läuft es denn? Wo läuft es denn hin?"

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