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Terve Kollegen!
zurück aus Finnland mache ich mich gleich an den Bericht, einfach um das Ganze gleich nochmal zu erleben. Aus 240 eine Handvoll Bilder ausgewählt und kommentiert, jetzt ist's noch frisch. Bitte sehr:
Ort/Zeit:
Finnland / Lappland: Urho Kekkosen NP / Saariselkä wilderness area, ab /bis Kiilopää; 09.09-20.09.2009, Feldzeit 11.09-18.09.2009
Route:
Kiilopää - Suomenruoktu - Tuiskukuru - Luirojärvi - Maantiekuru - Sudenpesä/Sarvioja - Jyyrkevaara - Aittajärvi - Suomujärvi - Porttikoski - Lankojärvi - Rautulampi - Luulampi - Kiilopää
Voller Bericht / mehr Bilder unter https://theoretische-psychologie.uni-bremen.de/travel/finn2009/index.html
Pro Tag wurde dort eine Photostrecke mit Text erstellt, mit Sortierung der Bilder in striktem Verlauf der Route. Pro Seite sind zudem Waypoints, Geländemarkierungen, Laufzeit (netto + Pausen), Tages-Km sowie Gelädenbeschaffenheit in einer Tabelle ausgewiesen. Es finden sich zudem: eine Ausrüstungskritik und GPS-Datensätze in verschiedenen Formaten.
Und los geht's
Tag 1
Es fing ja mal gut an: In Hamburg wurde gleich der Flug nach Helsinki gecancelt, was den Anschluss nach Ivalo auf den nächsten Tag verschob. Dafür gab es eine feudale Nacht im Ramada Helsinki: Gelegenheit die Finnisch-Kenntnisse aus dem VHS-Kurs auszuprobieren, was nur leidlich geklappt hat.
Einen Tag überfällig dann Ankunft im Tunturikesus Kiilpää, wo man gleich mit Wind in Sturmstärke begrüßt wird. Da es nun wesentlich zu spät ist zum Losmarschieren, verbringe ich die Nacht in einem 16er-Dormitory einer Blockhütte, und wundere mich, dass das Tourbook im Fjell-Center nur eine Handvoll Leute als unterwegs ausweist. Für die Ruska in Finnlands größten Nationalpark hatte ich mit mehr Wanderern gerechnet. Andererseits will ich ja solo gehen und allein sein; man sagt mir, dass der "Verkehr" es ab dem Luirojärvi / Sokosti in Richtung Osten ohnehin extrem abnimmt. Fein.
Ich hinterlege meine Tourdaten als Kartenscan mit allen GPS-Positionen elektronisch bei der NP-Aufsicht und laufe dann um 10.00 Uhr los. Die Waage am NP-Eingangstor meldet 31 kg Startgewicht, das Wetter ist klar bei 10 Grad plus, und ich bin guter Dinge. Zumindest an den West-Hängen bis Nilanpää ist, wie man sieht, etwas Ruska. Dann wird das ganze eher grau und grün. Später sagt man mir, der Sommer sei ungewöhnlich heiß gewesen, und die Ruska fiele dieses Jahr im Sinne von großer Farbenpracht aus. In den nächsten drei Tagen habe ich ohnehin eher Nadelwald, so fällt das erstmal nicht weiter auf.
Es gibt bereits viel Totholz. Der Trail ist hier noch gut zu erkennen, das Laufen selbst wird immer schwieriger, weil der Boden ständig von Wurzeln und Steinen überzogen ist, und man nicht so recht in einen Rhythmus kommt: immer musst du aufpassen wo du hintrittst, und bekommst von der Landschaft nur was mit, wenn du dafür stehen bleibst. Allerdings bin ich ziemlich stabil unterwegs mit steigeisenfesten zwiegenähten Hanwag Cima Stiefeln, dunkelblaue Leder-Riesentreter ohne Gummierung und ohne GoreTex, die noch gewisse Aufmerksamkeit erregen werden. Überhaupt scheinen nur Externe so bunt herumzulaufen (blaue Schuhe, rote Jacke, etc.), bei den Finnen sieht man fast ausschließlich das Jäger-Grün von Halti.
Luft und Farbe sind herrlich, ab dem Lavvu S01 ist das Gelände eher flach, und ich komme schnell voran. Bis dann, unmittelbar vor der Suomunruoktu-Hütte, ein erstes nettes Flüsschen auftaucht. Da muss man rüber: erster Einsatz für die Tevas. Es ist kalt, aber ohne wirkliche Strömung. Gut, dass ich keine Stöcke dabei habe. Sehr erfrischend nach dem Lauftag, in späteren Abschnitten werde ich das am gleich zu Anfang des Tages und/oder mehrfach haben, dann wird das für die Füße doch unangenehm. Heute, beim ersten Mal, ist's willkommen, und es kommt nun nach dem teils noch markierten Weg das erste Mal so richtig "Wildnis-Stimmung" auf. Um 14.00 Uhr bin ich erstmal der Einzige an diesem wundervollen Fleck: es hat eine riesige Hütte (ausgestattet mit Ofen und Gaskocher), das übliche Trocken-WC (Luxus: getrennt nach "naiset" [Frauen] und "miehet" [Männer], man merkt dass man noch in der basic zone des UKK-NP und damit nah dran am Massenbetrieb ist), und einen Schuppen mit vorgeschlagenem Holz. Hier also sitze ich an der tulipaikka (Feuerstelle) und nutze den Selbstauslöser. Gegen 18.00 Uhr ist's mit der Ruhe vorbei: zwei Schulklassen mit 14-16 Jährigen fallen ein. Also fange ich mich mein abendliches Programm an:
Tag 2
10.00 Uhr Start, zusammen mit einem Finnen, der einen obszön kleinen Rucksack trägt und gleich vorschlägt, meine zwei Tagesetappen in einem Rutsch heute durchzulaufen. Ich bekomme eine Stunde Vorsprung, und das ist nötig: der Weg wird up/down und sehr felsig. Das wird mir noch Tage aufs Gemüt gehen: die Flüsse mäandern sehr, und du musst jede Kurve laufen. Jede Kurve hat ihre kleinen Zuflüsse nebst zugehörigen Sumpf. Da jedesmal trocken durchzukommen kostet viel Zeit. Mir wird klar, warum Finnen mehrheitlich direkt über Fjell gehen und sich nicht um trails scheren.
Salonlampi (S03): Bilderbuch-See vor dem Einstieg in den Vintilaoja-Canyon. Hier hat mich der Finne wieder, packt seinen Kocher aus und gibt mir nochmal großzügig Vorsprung. Er will jetzt zweites Frühstück. Fein. Ich nehme einen Powerbar, und gehe wieder los. Ein wenig haut das schon aufs Ego, aber ich trage ja auch wesentlich mehr, etc. etc., aber letzlich, na ja, ist er einfach viel fitter als ich. Was solls.
Mittlere Höhe eines Tunturi, eines typischen Hügels dieser Gegend (firmiert hier bereits als Berg, weil bis zu 700 Meter hoch bei Referenzhöhe 280 Meter Suomunjoki). Unten Wald/Sumpf, dann Krüppelbirken und viel Totholz ohne die "Busch-Schicht" (was den offen-weitläufigen Charakter ausmacht), oben nur Flechten auf Fels (daher: Kahlfjell).
Erst gegen 19.30 erreiche den Luirojärvi, den Bilderbuchsee schlechthin. Der Anblick hebt die Stimmung: ich bin fix und alle, der Finne turnt fidel durch die Umgebung. Es gibt nicht nur eine Hütte (ich baue trotzdem das zelt auf), sondern sogar eine Sauna mit Bohlenweg direkt zum See. Die benutze ich aber nur zum Waschen, da ich mir eine Doppelportion Erbseneintopf über die einzige Hose schütten musste.
Fast alle anderen (es gibt 8 Zelte rund um die Hütte) werden am nächsten Tag von hier auf den Sokosti steigen, die höchste Erhebung in der Gegend mit weitem Blick nach Russland hinein. Ich habe durch die Doppeltour heute zwar meinen verlorenen Tag wieder eingeholt, aber bin auch ziemlich am Ende davon. Der Weg nordost nach Sudenpesä / Sarvioja wird nicht ohne: in der Karte hört er nach einem Drittel Strecke bei Pälkkimaoja (Lavvu) schlichtweg auf. Grund: die Kletterei den Mantierkuru hinauf ist wohl zu übel für häufige Begehung. Ich werde niemanden treffen auf diesem Stück, und abends werde ich auch wissen warum :-).
Tag 3
Man sollte nachts seine Stirnlampe nicht suchen müssen. Man sollte nicht über die Abspannleinen des eigenen Zeltes fallen, weil nun ohne Stirnlampe unterwegs. Und man sollte besser sehen, wo man hinpinkelt. Lassen wir das. Keine schöne Nacht. Am Morgen sind schon alle weg, ihren Sokosti besteigen. Nach Müsli, aufgelöst in Wasser und Milchpulver, hole ich die gewaschene Hose aus der Sauna (die outdoor-Seife von Globi: ich nutze sie für Geschirr, für Kleidung, für mich, klappt einfach). Ich bin von oben bis unten in GoreTeX gewandet weil es windig und bedeckt ist, und ich keine Lust auf Wechsel in diesem Canyon habe. Um 09.30 laufe ich tapfer in Gegenrichtung zu den anderen los. Sagte ich schon, das "Suomi" (=Finnland) von suo (=Sumpf) abgeleitet ist?
Noch sieht das gut aus. Nach der Pälkkimaoja gehte zwar stetig aufwärts, aber einfach zu laufen. Man merkt schon, dass sich der Taleinschnitt langsam aber sicher verengt.
Am Ende sieht das dann so aus: Hinter dieser Kuppe ist Schluss mit Weg. Nicht dass Ungewissheit bestünde über die Richtung: nach links geht es praktisch senkrecht in die Tiefe, nach rechts geht es ebenso übel aufwärts. Normalerweise wäre das der beste Plan: einmal richtig anstrengen und gleich ganz hoch auf das Fjell, und dann dort fein auf dem Grat vergleichsweise plan laufen, und an gewünschter Stelle hinab ins Tal (am besten gleich bei der Hütte, oder?). So weit die Theorie. Praktisch ist es oben nicht besser: es bläst abartig, die Einschnitte der Zuflüsse erzwingen querliegend zur Marschrichtung ein up/down, und man hat trotz insgesamt (im Sinne von relativ) ebenen Gang dann und wann Felskanten von 2 und mehr Metern. Sieht man schön hier:
Nach diesem Versuch steige ich sehr schräg wieder ab. Die Verbesserung besteht einzig darin, dass die Sonne heraus gekommen ist, allerdings habe ich gut 2 km gespart, weil der "Weg" im Bogen um die Bergflanke herum gegangen wäre, und ich nun sollkursmäßig hinüber (gekrabbelt) bin.
Ja, und so sehe ich danach aus: fertig. Und nein: es ist nur Schweiss.
Mein Anblick animiert ein Paar in der Hütte (Sudenpesä ist eine Bezahl-Hütte, also laufe ich eh weiter), mir ein Gemisch aus heißem Wasser, Schokoladenpulver und Stroh-Rum ("from Austria!") anzubieten. Danach hat sich der Anblick nicht verbessert. Überhaupt gar nicht. Fehler. Fehler. Ich brauche für die austehenden 1.5 km zur Sarvioja eine gute Stunde. Diesen Abend fällt die zuvor geschilderte Sorgfalt der Abendroutine aus. Zelt, Feuer, Essen, fertig. Leute: trinkt nix, niemals, nach 8 Stunden Laufen, und nur Wasser seit 3 Tagen. Blöd.
Tag 4
So sieht es auch nach 4 Nächten noch im Zelt. Das mit dem Stirnlampe suchen des Nachts hatten wir ja schon :-). Heute, sagt die Karte, soll's gemütlich werden. Hm.
Vor dem Start gönne ich mir ein Art Bad im Fluss. Eine "Art" deshalb, weil es nicht wirklich lang gedauert hat, aber ich war gaaaanz unter Wasser. 8 Sekunden. Ehrlich. Ich meine: die Sonne war da, es war relativ warm, gestern war alles nass und dreckig, ich hatte getrunken. So. Man könnte Leute treffen. Man sollte sich mal waschen. Die Karte hat erstmal nicht gelogen: es geht fast eben den Fluss lang. Ich laufe tatsächlich im Shirt. Dieses Tal läft ost-west-abwärts, daher hat es kaum Wind. Ein Segen. Wo ich doch grad so frisch gewaschen bin.
Das mit dem "eben" geht nie lange gut, denn eben wird unweigerlich sumpfig. Nach dem Ausgang ins Tal des Muorravaaranjoki ist Schluss mit lustig. Die Höhenlinien der Karte hatten es eigentlich angekündigt: die Zähllinien sind weit auseinander am Zusammenfluss von gleich 3 fetten Flüssen. Irgendwann, genauer: mit dem Tagesziel in einer Stunde Aussicht, ist's mir dann egal: ich hab genug vom Balancieren, und laufe mitten durch. Das geht erstaunlich gut, wenn man, in Ermangelung von Gamaschen, die Gore-Hose mit Einmachglas-Dichtgummies gegen den Stiefelschaft abschnürt (aha!). Vor der Hütte ist der Muorravaaranjoki zu queren, und das ist ein ganz anderes Kaliber als die bisherigen Flüsse. Besonders prickelnd: am nächsten Morgen muss ich, 3 km stromaufwärts, wieder hinüber auf diese Seite. Ich nutze das Gränfors Bruks Minibeil und präpariere einen Wat-Stock. Nötig, denn hier ist gewaltig Strömung, und ich bin ja allein.
Danach sind es 30 Minuten zur Jyyrkevaara. Dort sind wieder reichlich Leute, denn nach Raja-Jooseppi, dem Grenz-Ort zu Russland und damit zu einer Straße, sind es gerade noch 12 km. Daher ist hier immer Betrieb. Zelt aufbauen, und Finnisch ausprobieren. Das bringt heute auch was, den einer der Finnen spricht richtig gut deutsch (Tochter verheiratet in Deutschland, er meinte: bis deren Mann jemals halbwegs Finnisch kann, kann er perfekt deutsch, und recht hat er). Diesmal kommt, auch wenn mich das unter den Finnen blamiert, kein Alkohol in die heiße Schololade. En voi. Trotzdem wird es spät. Der Tag war nass, aber einfach zu gehen.
Tag 5
Ich schlafe heute bis gut 11.00 und komme erst um 13.00 los. Der Weg zurück zum Fluss ist genauso nass wie gestern von Süden her. So sieht das aus, wenn in der Karte eine Wat-Stelle eingezeichnet ist, die ist kurz vor dem Einfluss in den großen Suomunjoki. Am anderen Ufer sind schon (oder immer noch) die drei Finnen von gestern abend, und sind so freundlich zu warten bis ich auch drüber bin. Das ist beruhigend, denn diesmal geht es in wirklich starker Strömung bis zur Hüfte ins Wasser. Es lässt sich beim besten Willen nicht vermeiden, dass der Rucksack unten ins Wasser gerät. Das heißt: schneller laufen, um am Lavvu des Suomunjärvi lang genug ein Feuer in Gang zu haben, um die Sachen ggf. trocken zu räuchern.
Der Weg entlang des Suomunjoki ist eher langweilig und langwierig. up/down immer am Ufer, weit auseinanderstehende Kiefern und Lärchen. Der Weg ist breit und gut zu sehen, das ist der Highway zum Aittajärvi, wo man, so man über den Fluss kommt, einen Parkplatz findet zur Straße nach Ivalo. Es ist einfach nur laaang.
Das Lavvu ist perfekt: gebaute Feuerstelle direkt davor, Trockenstange in Windrichtung, geschlagenes Holz. Vor der Nacht ist alles trocken, und riecht herrlich nach Rauch. Ich gönne mir zwei Mahlzeiten Adventure Food, koche einen Tee (zum ersten Mal am 5. Tag :-)), es ist der Luxus-Abend schlechthin. Ich bin alleine, totale Stille, Sonnenuntergang, so soll es sein. Morgen wird sich Weg ändern: bis zum Lankojärvi geht es zwar wieder den Fluss entlang, aber die Höhenlinien weisen auf einen anstrengenden Tag hin. Heute war alles gut, und die Flussquerung war der frühe Höhepunkt.
Tag 6
Am nächsten Morgen sieht es praktisch genau so aus wie am Abend zuvor: eine trübe Sonne zwischen den Bäumen. Gepackt ist schnell, der Rucksack ist nun deutlich leichter. Ich schlage Holz nach, so wie ich das gestern genossen habe. Nach 6 Km wird der Weg schlagartig anders: es wird sehr felsig, die Einschnitte zukm Suomunjoki werden unangenehm, das Gehen ist nicht ungefährlich: ständig Steine und Überwuchende Wurzeln. Mehrmals falle ich, und es geht langsam voran. Ich kann nur auf die Brücke an vor der Porttikoski hoffen: hier kann man definitiv nicht waten. Vor dem Aittajärvi gab es einen Seilzug über den Suomunjärvi, aber kein Boot. Das wäre interessant gewesen: die Leine nur zum Halten gegen den Strom, aber nass wäre man vollends.
Die Brücke ist intakt, das beflügelt für die letzten 5 km zum Lankojärvi. Wieder schlagartig andere Situation: extrem feucht, und keine Umgehung: nach rechts nackter Fels. Man muss durch, und diesmal werden die Füsse nass. Die Hütte lockt. Es ist erst 16.00 Uhr, aber das Licht ist konstant wie früh morgens, eine typische Lappland-Sonne durch den voll bedeckten Himmel. So hatte ich das 2007 das erste Mal erlebt, es war der Anfang meiner Neigung zu Finnisch-Lappland. Allerdings ist es nun sehr viel kälter als vor zwei Tagen. als ich im Shirt gegangen war. Wir haben kurz über null Grad.
Tag 7
Mittlerweile regt es mich nicht mehr auf, der Sumpf, es sind nur 8 km heute, und zwei Tage bis zum Ziel. Also los. Es kommen mir heute gut 20 Leute entgegen: bis zur Rautulampi ist der Weg ab Kiilopää mit Stangen markiert, und viele laufen von dort direkt die 20km zum Lankojärvi. Das will ich gar nicht, denn ich wäre dann zwei Tage zu früh am Fjellcenter, bevor am Sonntag der Flug zurück geht. Was soll ich dort, also mache ich heute mal langsam, schlafe genüsslich aus, brauche das Müsli komplett auf (obwohl ich noch morgen den ganzen Tag laufen werde, aber die Riegel müssen ja auch mal weg, ich hab noch 10 Stück).
Die Hügel im Hintergrund, da liegt die Rautulampi, aus ist's mit dem schönen Wald. Die Sicht wird aber nicht besser, da der Fluss sich extrem windet, nach oben immer enger wird und bald zwischen dem Fels fließt. Dazwichen tauchen immer öfter Sandflächen auf, richtig gelbe Flecken zwischendurch, eine merkwürdige Palette. Zum Fotographieren komme ich gar nicht, die Augen sind ständig auf dem wechselnden Untergrund. Die Hütte sehe ich wirklich erst als ich praktisch davor stehe: sie taucht unvernmittelt hinter einer Felsformation auf, die den Abfluss der Rautuoja aus dem Rautujärvi cachiert. Im Dunkeln könnte man glatt daran vorbei laufen. Was ich aber, i.Ggs. allen anderen Tage geboten bekomme, ist ein perfekter, langsam aufziehender Sonnenuntergang. Es regnet leicht.
Gegen 19.30 kommt ein älterer Finne an, dessen Rucksack noch dicker ist als meiner. Er sei heute morgen von der Tuiskukuru augfgebrochen, und müsse morgen in Kiilopää sein. Ich bin schwer beindruckt, das ist weit von der Tuiskukuru, und kenne die Streckenbeschaffenheit ja. Respekt. Und er läuft in einer Art Gummistiefel (nein: keine Lundhags, Gummistiefel). Ich frage mich nur, was der Mann am Ende der Tour noch in diesem Volumen in seinem Rucksack hat. Da es nun wirklich kalt ist, und das vor zwei Stunden gefilterte Seewasser langsam zu überfrieren beginnt, gönnen wir uns eine Nacht in der Hütte. Die ist als päivätupa ausgewiesen, als Tageshütte, und sie ist wirklich winzig und steht ungeschützt (schon baumlos jetzt) im Wind. Morgen ist der Tag bewusst kurz geplant, das Tal der Rautuoja sieht auf Karte eher simpel aus. Ich war aber gewarnt, dass die Rückkehr in die basic zone des UKK Richtung Kiilopää wiederum eine extreme Änderung der Landschaft bedeuten würde.
Tag 8
So, letzter Tag. Und in der Tat, der zweitschwerste Tag, nach dem Doppelpack mit dem Finnen am zweiten Tag. Ich fange diesmal sehr früh an: um 5 Uhr mal vor der Tür (zuviel Tee), und festgestellt: Der Wassersack ist gefroren, es ist glatt, richtig glatt auf dem flechtenüberzogenen Fels. Verdammt. Der Weg ist mehrheitlich felsig, die Rautuvankanoja entlang. Der Himmel ist grau, es ist kalt, überfroren. Da denke ich, mach mal lieber hin, mach schnell los, dass du langsam laufen kannst. Denn ankommen sollte ich heute abend schon, und zwar in einem Stück. Acht Marschtage lang keine Verletzung, und bitte nicht am letzten Tag. Ich will ankommen, also los. Nach dem steinigen Part wird es flacher und freundlicher, nur der Buschbewuchs hakelt gemein an den Beinen. Ich bin trotzdem froh, das vorherige hinter mir zu haben.
Nur gefrorener Sumpf ist guter Sumpf. Na ja, belastbar ist das noch nicht, aber der Matsch drumherum und auf der nun deutlich ausgearbeiteten Spur (da fahren wohl öfter mal Quads!) ist schön hart, und das laufen wird unbeschwerter.
So stelle ich mir das eigentlich vor, Lappland. So war das auch mehrheitlich im letzten Jahr in der Kaldoaivi (was aber auch nördlicher ist). Mäßig hügelig, verstreute Gruppen von Birken, abwechslungsreiche Färbung. So soll es sein, und nach dem Tagen mit reichlich Wald, und viel Nadelholz genieße ich das richtig. Weite. In den Flusstälern siehst du ja nichts, hier ist Fernblick vom Feinsten. Mist: heute Abend ist es zu Ende. Gestern abend, in der eiskalten Hütte fand ich den Gedanken klasse, jetzt nicht mehr. Save the best for last: erst heute sehe ich freilaufende Rentiere wirklich aus der Nähe.
Endspurt: es wird noch mal anstrengend. Es geht steil den Berg hoch, und zwar gute 30 Minuten lang, frontal zu nehmen. Es ist gerade mal mittag, und mir kommen eine ganze Menge "Nach-dem-Frühstück-gehen-wir-walken" Grüppchen entgegen, nach 50 hör ich auf zu zählen. Einige Personen tragen orangene Jacken mit gelbem Aufnäher "UKK Guide" Es ist Freitag, und der Wochend-Betrieb in Kiilopää ist wohl in vollem Gange. So gut ich die Wanderbegeisterungen finde, es beruhigt mich doch, dass sie alle ab der Rautulampi umkehren werden, und wirklich keiner die basic zone verlassen wird. Das wäre für die Landschaft in der wilderness area wirklich zu viel, so bleibt sie eine wilderness area. Ausgenommen, zugegebenermaßen, die Störung durch solche wie mich selbst. Aber das sind, gerade zu der Zeit, sehr wenige in einem riesigen Gebiet. Und wer hier 8-10 Tage unterwegs ist, unterwegs sein kann, sollte wissen was er tut. Er nimmt z.B. jede leere Packung Real Turmat wieder mit hinaus.
Auf der Höhe bläst es ordentlich. Man sieht es nicht, aber man "weiß" es: hinter der linken Flanke liegt es, das UKK-Tor, durch das man am Anfang ja gegangen war. In großer Vorfreude. Und durch das man jetzt gleich wieder gehen wird: zufrieden und etwas traurig.
zurück aus Finnland mache ich mich gleich an den Bericht, einfach um das Ganze gleich nochmal zu erleben. Aus 240 eine Handvoll Bilder ausgewählt und kommentiert, jetzt ist's noch frisch. Bitte sehr:
Ort/Zeit:
Finnland / Lappland: Urho Kekkosen NP / Saariselkä wilderness area, ab /bis Kiilopää; 09.09-20.09.2009, Feldzeit 11.09-18.09.2009
Route:
Kiilopää - Suomenruoktu - Tuiskukuru - Luirojärvi - Maantiekuru - Sudenpesä/Sarvioja - Jyyrkevaara - Aittajärvi - Suomujärvi - Porttikoski - Lankojärvi - Rautulampi - Luulampi - Kiilopää
Voller Bericht / mehr Bilder unter https://theoretische-psychologie.uni-bremen.de/travel/finn2009/index.html
Pro Tag wurde dort eine Photostrecke mit Text erstellt, mit Sortierung der Bilder in striktem Verlauf der Route. Pro Seite sind zudem Waypoints, Geländemarkierungen, Laufzeit (netto + Pausen), Tages-Km sowie Gelädenbeschaffenheit in einer Tabelle ausgewiesen. Es finden sich zudem: eine Ausrüstungskritik und GPS-Datensätze in verschiedenen Formaten.
Und los geht's
Tag 1
Es fing ja mal gut an: In Hamburg wurde gleich der Flug nach Helsinki gecancelt, was den Anschluss nach Ivalo auf den nächsten Tag verschob. Dafür gab es eine feudale Nacht im Ramada Helsinki: Gelegenheit die Finnisch-Kenntnisse aus dem VHS-Kurs auszuprobieren, was nur leidlich geklappt hat.
Einen Tag überfällig dann Ankunft im Tunturikesus Kiilpää, wo man gleich mit Wind in Sturmstärke begrüßt wird. Da es nun wesentlich zu spät ist zum Losmarschieren, verbringe ich die Nacht in einem 16er-Dormitory einer Blockhütte, und wundere mich, dass das Tourbook im Fjell-Center nur eine Handvoll Leute als unterwegs ausweist. Für die Ruska in Finnlands größten Nationalpark hatte ich mit mehr Wanderern gerechnet. Andererseits will ich ja solo gehen und allein sein; man sagt mir, dass der "Verkehr" es ab dem Luirojärvi / Sokosti in Richtung Osten ohnehin extrem abnimmt. Fein.
Ich hinterlege meine Tourdaten als Kartenscan mit allen GPS-Positionen elektronisch bei der NP-Aufsicht und laufe dann um 10.00 Uhr los. Die Waage am NP-Eingangstor meldet 31 kg Startgewicht, das Wetter ist klar bei 10 Grad plus, und ich bin guter Dinge. Zumindest an den West-Hängen bis Nilanpää ist, wie man sieht, etwas Ruska. Dann wird das ganze eher grau und grün. Später sagt man mir, der Sommer sei ungewöhnlich heiß gewesen, und die Ruska fiele dieses Jahr im Sinne von großer Farbenpracht aus. In den nächsten drei Tagen habe ich ohnehin eher Nadelwald, so fällt das erstmal nicht weiter auf.
Es gibt bereits viel Totholz. Der Trail ist hier noch gut zu erkennen, das Laufen selbst wird immer schwieriger, weil der Boden ständig von Wurzeln und Steinen überzogen ist, und man nicht so recht in einen Rhythmus kommt: immer musst du aufpassen wo du hintrittst, und bekommst von der Landschaft nur was mit, wenn du dafür stehen bleibst. Allerdings bin ich ziemlich stabil unterwegs mit steigeisenfesten zwiegenähten Hanwag Cima Stiefeln, dunkelblaue Leder-Riesentreter ohne Gummierung und ohne GoreTex, die noch gewisse Aufmerksamkeit erregen werden. Überhaupt scheinen nur Externe so bunt herumzulaufen (blaue Schuhe, rote Jacke, etc.), bei den Finnen sieht man fast ausschließlich das Jäger-Grün von Halti.
Luft und Farbe sind herrlich, ab dem Lavvu S01 ist das Gelände eher flach, und ich komme schnell voran. Bis dann, unmittelbar vor der Suomunruoktu-Hütte, ein erstes nettes Flüsschen auftaucht. Da muss man rüber: erster Einsatz für die Tevas. Es ist kalt, aber ohne wirkliche Strömung. Gut, dass ich keine Stöcke dabei habe. Sehr erfrischend nach dem Lauftag, in späteren Abschnitten werde ich das am gleich zu Anfang des Tages und/oder mehrfach haben, dann wird das für die Füße doch unangenehm. Heute, beim ersten Mal, ist's willkommen, und es kommt nun nach dem teils noch markierten Weg das erste Mal so richtig "Wildnis-Stimmung" auf. Um 14.00 Uhr bin ich erstmal der Einzige an diesem wundervollen Fleck: es hat eine riesige Hütte (ausgestattet mit Ofen und Gaskocher), das übliche Trocken-WC (Luxus: getrennt nach "naiset" [Frauen] und "miehet" [Männer], man merkt dass man noch in der basic zone des UKK-NP und damit nah dran am Massenbetrieb ist), und einen Schuppen mit vorgeschlagenem Holz. Hier also sitze ich an der tulipaikka (Feuerstelle) und nutze den Selbstauslöser. Gegen 18.00 Uhr ist's mit der Ruhe vorbei: zwei Schulklassen mit 14-16 Jährigen fallen ein. Also fange ich mich mein abendliches Programm an:
- Zuerst Füße pflegen (denn mit denen darfs für die nächsten 9 Tage nun gar keine Zicken geben),
- trockene Kleidung anziehen und die nasse (man ist immer nass mit diesem Riesenrucksack) trocken kriegen per Aufhängen in der Hütte oder per Räuchern an der Feuerstelle (lecker Geruch),
- dann Schlafstelle richten (schön abseits der Hütte, bitte), wobei in meinem HB UNNA jeder Quadratzentimeter mit klarem Raster genutzt ist (Bild folgt) und alles blind griffbereit zu sein hat,
- Elektronik und Sicherheit checken (Stirnlampe funktional? Bärenspray bolzengesichert? Zeltspanner mit Reflektoren versehen? Klopapier nicht nass?)
- Essen. Endlich. Spülen entfällt dank Real Turmat und Kollegen direkt aus dem Beutel.
- So vorhanden, Leute ansprechen, Schoko anbieten, nach dem Weg fragen, wer kommt woher und geht wohin, etc. Ein bisschen Finnisch, gleich wie radebrechend, öffnet die Herzen.
Tag 2
10.00 Uhr Start, zusammen mit einem Finnen, der einen obszön kleinen Rucksack trägt und gleich vorschlägt, meine zwei Tagesetappen in einem Rutsch heute durchzulaufen. Ich bekomme eine Stunde Vorsprung, und das ist nötig: der Weg wird up/down und sehr felsig. Das wird mir noch Tage aufs Gemüt gehen: die Flüsse mäandern sehr, und du musst jede Kurve laufen. Jede Kurve hat ihre kleinen Zuflüsse nebst zugehörigen Sumpf. Da jedesmal trocken durchzukommen kostet viel Zeit. Mir wird klar, warum Finnen mehrheitlich direkt über Fjell gehen und sich nicht um trails scheren.
Salonlampi (S03): Bilderbuch-See vor dem Einstieg in den Vintilaoja-Canyon. Hier hat mich der Finne wieder, packt seinen Kocher aus und gibt mir nochmal großzügig Vorsprung. Er will jetzt zweites Frühstück. Fein. Ich nehme einen Powerbar, und gehe wieder los. Ein wenig haut das schon aufs Ego, aber ich trage ja auch wesentlich mehr, etc. etc., aber letzlich, na ja, ist er einfach viel fitter als ich. Was solls.
Mittlere Höhe eines Tunturi, eines typischen Hügels dieser Gegend (firmiert hier bereits als Berg, weil bis zu 700 Meter hoch bei Referenzhöhe 280 Meter Suomunjoki). Unten Wald/Sumpf, dann Krüppelbirken und viel Totholz ohne die "Busch-Schicht" (was den offen-weitläufigen Charakter ausmacht), oben nur Flechten auf Fels (daher: Kahlfjell).
Erst gegen 19.30 erreiche den Luirojärvi, den Bilderbuchsee schlechthin. Der Anblick hebt die Stimmung: ich bin fix und alle, der Finne turnt fidel durch die Umgebung. Es gibt nicht nur eine Hütte (ich baue trotzdem das zelt auf), sondern sogar eine Sauna mit Bohlenweg direkt zum See. Die benutze ich aber nur zum Waschen, da ich mir eine Doppelportion Erbseneintopf über die einzige Hose schütten musste.
Fast alle anderen (es gibt 8 Zelte rund um die Hütte) werden am nächsten Tag von hier auf den Sokosti steigen, die höchste Erhebung in der Gegend mit weitem Blick nach Russland hinein. Ich habe durch die Doppeltour heute zwar meinen verlorenen Tag wieder eingeholt, aber bin auch ziemlich am Ende davon. Der Weg nordost nach Sudenpesä / Sarvioja wird nicht ohne: in der Karte hört er nach einem Drittel Strecke bei Pälkkimaoja (Lavvu) schlichtweg auf. Grund: die Kletterei den Mantierkuru hinauf ist wohl zu übel für häufige Begehung. Ich werde niemanden treffen auf diesem Stück, und abends werde ich auch wissen warum :-).
Tag 3
Man sollte nachts seine Stirnlampe nicht suchen müssen. Man sollte nicht über die Abspannleinen des eigenen Zeltes fallen, weil nun ohne Stirnlampe unterwegs. Und man sollte besser sehen, wo man hinpinkelt. Lassen wir das. Keine schöne Nacht. Am Morgen sind schon alle weg, ihren Sokosti besteigen. Nach Müsli, aufgelöst in Wasser und Milchpulver, hole ich die gewaschene Hose aus der Sauna (die outdoor-Seife von Globi: ich nutze sie für Geschirr, für Kleidung, für mich, klappt einfach). Ich bin von oben bis unten in GoreTeX gewandet weil es windig und bedeckt ist, und ich keine Lust auf Wechsel in diesem Canyon habe. Um 09.30 laufe ich tapfer in Gegenrichtung zu den anderen los. Sagte ich schon, das "Suomi" (=Finnland) von suo (=Sumpf) abgeleitet ist?
Noch sieht das gut aus. Nach der Pälkkimaoja gehte zwar stetig aufwärts, aber einfach zu laufen. Man merkt schon, dass sich der Taleinschnitt langsam aber sicher verengt.
Am Ende sieht das dann so aus: Hinter dieser Kuppe ist Schluss mit Weg. Nicht dass Ungewissheit bestünde über die Richtung: nach links geht es praktisch senkrecht in die Tiefe, nach rechts geht es ebenso übel aufwärts. Normalerweise wäre das der beste Plan: einmal richtig anstrengen und gleich ganz hoch auf das Fjell, und dann dort fein auf dem Grat vergleichsweise plan laufen, und an gewünschter Stelle hinab ins Tal (am besten gleich bei der Hütte, oder?). So weit die Theorie. Praktisch ist es oben nicht besser: es bläst abartig, die Einschnitte der Zuflüsse erzwingen querliegend zur Marschrichtung ein up/down, und man hat trotz insgesamt (im Sinne von relativ) ebenen Gang dann und wann Felskanten von 2 und mehr Metern. Sieht man schön hier:
Nach diesem Versuch steige ich sehr schräg wieder ab. Die Verbesserung besteht einzig darin, dass die Sonne heraus gekommen ist, allerdings habe ich gut 2 km gespart, weil der "Weg" im Bogen um die Bergflanke herum gegangen wäre, und ich nun sollkursmäßig hinüber (gekrabbelt) bin.
Ja, und so sehe ich danach aus: fertig. Und nein: es ist nur Schweiss.
Mein Anblick animiert ein Paar in der Hütte (Sudenpesä ist eine Bezahl-Hütte, also laufe ich eh weiter), mir ein Gemisch aus heißem Wasser, Schokoladenpulver und Stroh-Rum ("from Austria!") anzubieten. Danach hat sich der Anblick nicht verbessert. Überhaupt gar nicht. Fehler. Fehler. Ich brauche für die austehenden 1.5 km zur Sarvioja eine gute Stunde. Diesen Abend fällt die zuvor geschilderte Sorgfalt der Abendroutine aus. Zelt, Feuer, Essen, fertig. Leute: trinkt nix, niemals, nach 8 Stunden Laufen, und nur Wasser seit 3 Tagen. Blöd.
Tag 4
So sieht es auch nach 4 Nächten noch im Zelt. Das mit dem Stirnlampe suchen des Nachts hatten wir ja schon :-). Heute, sagt die Karte, soll's gemütlich werden. Hm.
Vor dem Start gönne ich mir ein Art Bad im Fluss. Eine "Art" deshalb, weil es nicht wirklich lang gedauert hat, aber ich war gaaaanz unter Wasser. 8 Sekunden. Ehrlich. Ich meine: die Sonne war da, es war relativ warm, gestern war alles nass und dreckig, ich hatte getrunken. So. Man könnte Leute treffen. Man sollte sich mal waschen. Die Karte hat erstmal nicht gelogen: es geht fast eben den Fluss lang. Ich laufe tatsächlich im Shirt. Dieses Tal läft ost-west-abwärts, daher hat es kaum Wind. Ein Segen. Wo ich doch grad so frisch gewaschen bin.
Das mit dem "eben" geht nie lange gut, denn eben wird unweigerlich sumpfig. Nach dem Ausgang ins Tal des Muorravaaranjoki ist Schluss mit lustig. Die Höhenlinien der Karte hatten es eigentlich angekündigt: die Zähllinien sind weit auseinander am Zusammenfluss von gleich 3 fetten Flüssen. Irgendwann, genauer: mit dem Tagesziel in einer Stunde Aussicht, ist's mir dann egal: ich hab genug vom Balancieren, und laufe mitten durch. Das geht erstaunlich gut, wenn man, in Ermangelung von Gamaschen, die Gore-Hose mit Einmachglas-Dichtgummies gegen den Stiefelschaft abschnürt (aha!). Vor der Hütte ist der Muorravaaranjoki zu queren, und das ist ein ganz anderes Kaliber als die bisherigen Flüsse. Besonders prickelnd: am nächsten Morgen muss ich, 3 km stromaufwärts, wieder hinüber auf diese Seite. Ich nutze das Gränfors Bruks Minibeil und präpariere einen Wat-Stock. Nötig, denn hier ist gewaltig Strömung, und ich bin ja allein.
Danach sind es 30 Minuten zur Jyyrkevaara. Dort sind wieder reichlich Leute, denn nach Raja-Jooseppi, dem Grenz-Ort zu Russland und damit zu einer Straße, sind es gerade noch 12 km. Daher ist hier immer Betrieb. Zelt aufbauen, und Finnisch ausprobieren. Das bringt heute auch was, den einer der Finnen spricht richtig gut deutsch (Tochter verheiratet in Deutschland, er meinte: bis deren Mann jemals halbwegs Finnisch kann, kann er perfekt deutsch, und recht hat er). Diesmal kommt, auch wenn mich das unter den Finnen blamiert, kein Alkohol in die heiße Schololade. En voi. Trotzdem wird es spät. Der Tag war nass, aber einfach zu gehen.
Tag 5
Ich schlafe heute bis gut 11.00 und komme erst um 13.00 los. Der Weg zurück zum Fluss ist genauso nass wie gestern von Süden her. So sieht das aus, wenn in der Karte eine Wat-Stelle eingezeichnet ist, die ist kurz vor dem Einfluss in den großen Suomunjoki. Am anderen Ufer sind schon (oder immer noch) die drei Finnen von gestern abend, und sind so freundlich zu warten bis ich auch drüber bin. Das ist beruhigend, denn diesmal geht es in wirklich starker Strömung bis zur Hüfte ins Wasser. Es lässt sich beim besten Willen nicht vermeiden, dass der Rucksack unten ins Wasser gerät. Das heißt: schneller laufen, um am Lavvu des Suomunjärvi lang genug ein Feuer in Gang zu haben, um die Sachen ggf. trocken zu räuchern.
Der Weg entlang des Suomunjoki ist eher langweilig und langwierig. up/down immer am Ufer, weit auseinanderstehende Kiefern und Lärchen. Der Weg ist breit und gut zu sehen, das ist der Highway zum Aittajärvi, wo man, so man über den Fluss kommt, einen Parkplatz findet zur Straße nach Ivalo. Es ist einfach nur laaang.
Das Lavvu ist perfekt: gebaute Feuerstelle direkt davor, Trockenstange in Windrichtung, geschlagenes Holz. Vor der Nacht ist alles trocken, und riecht herrlich nach Rauch. Ich gönne mir zwei Mahlzeiten Adventure Food, koche einen Tee (zum ersten Mal am 5. Tag :-)), es ist der Luxus-Abend schlechthin. Ich bin alleine, totale Stille, Sonnenuntergang, so soll es sein. Morgen wird sich Weg ändern: bis zum Lankojärvi geht es zwar wieder den Fluss entlang, aber die Höhenlinien weisen auf einen anstrengenden Tag hin. Heute war alles gut, und die Flussquerung war der frühe Höhepunkt.
Tag 6
Am nächsten Morgen sieht es praktisch genau so aus wie am Abend zuvor: eine trübe Sonne zwischen den Bäumen. Gepackt ist schnell, der Rucksack ist nun deutlich leichter. Ich schlage Holz nach, so wie ich das gestern genossen habe. Nach 6 Km wird der Weg schlagartig anders: es wird sehr felsig, die Einschnitte zukm Suomunjoki werden unangenehm, das Gehen ist nicht ungefährlich: ständig Steine und Überwuchende Wurzeln. Mehrmals falle ich, und es geht langsam voran. Ich kann nur auf die Brücke an vor der Porttikoski hoffen: hier kann man definitiv nicht waten. Vor dem Aittajärvi gab es einen Seilzug über den Suomunjärvi, aber kein Boot. Das wäre interessant gewesen: die Leine nur zum Halten gegen den Strom, aber nass wäre man vollends.
Die Brücke ist intakt, das beflügelt für die letzten 5 km zum Lankojärvi. Wieder schlagartig andere Situation: extrem feucht, und keine Umgehung: nach rechts nackter Fels. Man muss durch, und diesmal werden die Füsse nass. Die Hütte lockt. Es ist erst 16.00 Uhr, aber das Licht ist konstant wie früh morgens, eine typische Lappland-Sonne durch den voll bedeckten Himmel. So hatte ich das 2007 das erste Mal erlebt, es war der Anfang meiner Neigung zu Finnisch-Lappland. Allerdings ist es nun sehr viel kälter als vor zwei Tagen. als ich im Shirt gegangen war. Wir haben kurz über null Grad.
Tag 7
Mittlerweile regt es mich nicht mehr auf, der Sumpf, es sind nur 8 km heute, und zwei Tage bis zum Ziel. Also los. Es kommen mir heute gut 20 Leute entgegen: bis zur Rautulampi ist der Weg ab Kiilopää mit Stangen markiert, und viele laufen von dort direkt die 20km zum Lankojärvi. Das will ich gar nicht, denn ich wäre dann zwei Tage zu früh am Fjellcenter, bevor am Sonntag der Flug zurück geht. Was soll ich dort, also mache ich heute mal langsam, schlafe genüsslich aus, brauche das Müsli komplett auf (obwohl ich noch morgen den ganzen Tag laufen werde, aber die Riegel müssen ja auch mal weg, ich hab noch 10 Stück).
Die Hügel im Hintergrund, da liegt die Rautulampi, aus ist's mit dem schönen Wald. Die Sicht wird aber nicht besser, da der Fluss sich extrem windet, nach oben immer enger wird und bald zwischen dem Fels fließt. Dazwichen tauchen immer öfter Sandflächen auf, richtig gelbe Flecken zwischendurch, eine merkwürdige Palette. Zum Fotographieren komme ich gar nicht, die Augen sind ständig auf dem wechselnden Untergrund. Die Hütte sehe ich wirklich erst als ich praktisch davor stehe: sie taucht unvernmittelt hinter einer Felsformation auf, die den Abfluss der Rautuoja aus dem Rautujärvi cachiert. Im Dunkeln könnte man glatt daran vorbei laufen. Was ich aber, i.Ggs. allen anderen Tage geboten bekomme, ist ein perfekter, langsam aufziehender Sonnenuntergang. Es regnet leicht.
Gegen 19.30 kommt ein älterer Finne an, dessen Rucksack noch dicker ist als meiner. Er sei heute morgen von der Tuiskukuru augfgebrochen, und müsse morgen in Kiilopää sein. Ich bin schwer beindruckt, das ist weit von der Tuiskukuru, und kenne die Streckenbeschaffenheit ja. Respekt. Und er läuft in einer Art Gummistiefel (nein: keine Lundhags, Gummistiefel). Ich frage mich nur, was der Mann am Ende der Tour noch in diesem Volumen in seinem Rucksack hat. Da es nun wirklich kalt ist, und das vor zwei Stunden gefilterte Seewasser langsam zu überfrieren beginnt, gönnen wir uns eine Nacht in der Hütte. Die ist als päivätupa ausgewiesen, als Tageshütte, und sie ist wirklich winzig und steht ungeschützt (schon baumlos jetzt) im Wind. Morgen ist der Tag bewusst kurz geplant, das Tal der Rautuoja sieht auf Karte eher simpel aus. Ich war aber gewarnt, dass die Rückkehr in die basic zone des UKK Richtung Kiilopää wiederum eine extreme Änderung der Landschaft bedeuten würde.
Tag 8
So, letzter Tag. Und in der Tat, der zweitschwerste Tag, nach dem Doppelpack mit dem Finnen am zweiten Tag. Ich fange diesmal sehr früh an: um 5 Uhr mal vor der Tür (zuviel Tee), und festgestellt: Der Wassersack ist gefroren, es ist glatt, richtig glatt auf dem flechtenüberzogenen Fels. Verdammt. Der Weg ist mehrheitlich felsig, die Rautuvankanoja entlang. Der Himmel ist grau, es ist kalt, überfroren. Da denke ich, mach mal lieber hin, mach schnell los, dass du langsam laufen kannst. Denn ankommen sollte ich heute abend schon, und zwar in einem Stück. Acht Marschtage lang keine Verletzung, und bitte nicht am letzten Tag. Ich will ankommen, also los. Nach dem steinigen Part wird es flacher und freundlicher, nur der Buschbewuchs hakelt gemein an den Beinen. Ich bin trotzdem froh, das vorherige hinter mir zu haben.
Nur gefrorener Sumpf ist guter Sumpf. Na ja, belastbar ist das noch nicht, aber der Matsch drumherum und auf der nun deutlich ausgearbeiteten Spur (da fahren wohl öfter mal Quads!) ist schön hart, und das laufen wird unbeschwerter.
So stelle ich mir das eigentlich vor, Lappland. So war das auch mehrheitlich im letzten Jahr in der Kaldoaivi (was aber auch nördlicher ist). Mäßig hügelig, verstreute Gruppen von Birken, abwechslungsreiche Färbung. So soll es sein, und nach dem Tagen mit reichlich Wald, und viel Nadelholz genieße ich das richtig. Weite. In den Flusstälern siehst du ja nichts, hier ist Fernblick vom Feinsten. Mist: heute Abend ist es zu Ende. Gestern abend, in der eiskalten Hütte fand ich den Gedanken klasse, jetzt nicht mehr. Save the best for last: erst heute sehe ich freilaufende Rentiere wirklich aus der Nähe.
Endspurt: es wird noch mal anstrengend. Es geht steil den Berg hoch, und zwar gute 30 Minuten lang, frontal zu nehmen. Es ist gerade mal mittag, und mir kommen eine ganze Menge "Nach-dem-Frühstück-gehen-wir-walken" Grüppchen entgegen, nach 50 hör ich auf zu zählen. Einige Personen tragen orangene Jacken mit gelbem Aufnäher "UKK Guide" Es ist Freitag, und der Wochend-Betrieb in Kiilopää ist wohl in vollem Gange. So gut ich die Wanderbegeisterungen finde, es beruhigt mich doch, dass sie alle ab der Rautulampi umkehren werden, und wirklich keiner die basic zone verlassen wird. Das wäre für die Landschaft in der wilderness area wirklich zu viel, so bleibt sie eine wilderness area. Ausgenommen, zugegebenermaßen, die Störung durch solche wie mich selbst. Aber das sind, gerade zu der Zeit, sehr wenige in einem riesigen Gebiet. Und wer hier 8-10 Tage unterwegs ist, unterwegs sein kann, sollte wissen was er tut. Er nimmt z.B. jede leere Packung Real Turmat wieder mit hinaus.
Auf der Höhe bläst es ordentlich. Man sieht es nicht, aber man "weiß" es: hinter der linken Flanke liegt es, das UKK-Tor, durch das man am Anfang ja gegangen war. In großer Vorfreude. Und durch das man jetzt gleich wieder gehen wird: zufrieden und etwas traurig.
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