Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Nachfolgend ein Bericht über meine vierte Radreise in Marokko. Sie fand im März 2009 statt, zwei Wochen zusammen mit meinem Kumpel Stefan, für den es die erste Tour in Marokko war. Die Route kann hier eingesehen werden.
Tag 1 (Flug nach Agadir, --> kurz vor Ait Baha, 47 km):
Eine gefühlte Ewigkeit warten wir in Agadir an der Sperrgepäckausgabe auf unsere Räder. Wie ich es hasse, mein Fahrrad in den Händen von Flughafenangestellten zu wissen, jedes Mal wieder das gleiche Bauchgrimmen... Aber schließlich - al hamdulilah - werden uns unsere Esel komplett unversehrt übergeben. Kurz nach 14 Uhr sind wir auf der Straße und glücklich, dass alles so glatt gelaufen ist. Kaum sprechen wir dies aus, da wird unser Elan durch einen Plattfuß bei Stefan auch schon leicht getrübt. Wenig später beim ersten thé à la menthe in Biougra ist unsere Laune jedoch bestens, wir kommen so langsam an in Marokko.
An der Tankstelle wundert sich der Tankwart darüber, dass wir Radfahrer Benzin haben wollen. Was heißt nochmal "kochen" auf französisch? Mir fällt es nicht ein und daher erkläre ich ihm, dass wir es zum Tajine machen benötigen. Mehr will er nicht wissen, nun hält er uns zwar für verrückt, tankt aber artig voll. Bei Rückenwind und wegen des Dunstes milden Temperaturen rollen wir zufrieden Richtung Ait Baha. Kurz vor dem Ort schlagen wir uns ein paar hundert Meter querfeldein von der Straße weg und bauen unser Zelt hinter einem Baum auf. Abends gibt's Zwiebelsuppe mit Nudeln, wir genießen das erste Biwak.
Tag 2 (--> irgendwo hinter Tioulit, 67 km):
Im Laufe der Nacht hat Stefans aufblasbares Kopfkissen, um das ich ihn zunächst noch beneidet hatte, einen Defekt offenbart. Von nun an beneidet er mich um mein im Flugzeug abgestaubtes AirBerlin-Kissen... Gegen halb sieben schälen wir uns aus dem Zelt, mampfen etwas Brot mit Honig und kippen bald darauf in Ait Baha noch einen Tee hinterher. Der Taxistand gegenüber bietet das übliche Spektakel und ich stelle erfreut fest, dass Stefan davon genauso fasziniert ist wie ich.
Als wir uns später bei starkem Gegenwind in den Anti-Atlas hineinarbeiten, staunen wir über das ungewohnt prächtige Grün und die satten Blumenwiesen. Wir passieren einen Stausee, der offenbar starkes Hochwasser führt, dutzende Palmen stehen bis zu ihren Wedeln unter Wasser. Verwunderlich ist es nicht wirklich, dieser Winter war der niederschlagsreichste seit Jahrzehnten! Die Szenerie ist herrlich und Schmetterlinge, quakende Frösche und Eichhörnchen vervollständigen die Idylle. So stören wir uns auch nicht weiter daran, dass wir immernoch nur sehr langsam vorankommen. Gegen Mittag wird der Wind jedoch noch stürmischer, gelegentlich verreißen orkanartige Böen uns die Lenker und zwingen uns zum Absteigen.
Wegen meiner Fehlplanung geht uns irgendwann das Trinken aus, woraufhin ein Wohnmobilfahrer aus Bonn uns drei Liter Wasser schenkt. Überhaupt erstaunen uns die unzähligen freundlichen Gesten der meist französischen Wohnmobilisten, von den Marokkanern bin ich das Hupen, Johlen und Klatschen ja gewöhnt, aber heute stimmen auch fast alle Touristen in diese Anfeuerungen ein, wir haben unseren Spaß.
Am frühen Nachmittag kochen wir uns durch Wildreis ergänzte Hochzeitssuppe - ein königliches Mahl! Der weiterhin starke Gegenwind bleibt uns bis in den Abend hinein erhalten, so dass wir letztendlich bescheidene 66 Kilometer zu Buche stehen haben und dennoch völlig fertig sind. Wir finden einen fantastischen Zeltplatz an einem kleinen Bach - der erste Waschtag steht an. Anschließend machen wir ein Lagerfeuer, spießen Würstchen auf Speichen und grillen sie über der Glut, ein sensationelles Essen.
Tag 3 (--> "Hohle Gasse", 57 km):
Unerfreulicherweise hat der Wind über Nacht nichts von seiner Stärke eingebüßt und bläst weiterhin aus der für uns denkbar ungünstigsten Richtung Südost. So kämpfen wir uns mit meist einstelligen km/h-Werten voran, wenn es nur leicht bergauf geht müssen wir oft sogar schieben. Auf dem Tizi-n-Tarakatine gönnen wir uns die ersten Ölsardinen und bald darauf steigen wir in die Piste Richtung Julius' "Hohler Gasse" ein. Es folgen 400 knüppelharte Höhenmeter bei starker Steigung und anhaltendem stürmischen Gegenwind, während gut eines Drittels des Aufstiegs müssen wir schieben. Die Szenerie entschädigt für die Strapazen, schwarze Felsen und weite gelbe Blütenmeere bilden tolle Kontraste.
Auf einer Art Passhöhe kommen wir in einen Ort (Tazalarite?), Stefan hat hier seinen zweiten Platten. Als er einen neuen Schlauch einsetzt und ich den gelöcherten flicke, werden wir von einer Schulklasse entdeckt. Die Kinderhorde will sich sofort auf uns stürzen, doch - al hamdulilah - ihr Lehrer pfeift sie umgehend zurück. Hätte ich jetzt echt keinen Nerv drauf gehabt. Nach dem Mittagessen (Piratensuppe mit Nudeln) erreichen wir eine Hochebene auf rund 1800 Metern, hier blühen sogar noch einige Mandelbäume. Überraschenderweise hat sich der Sturm etwas gelegt und wir kommen endlich mal in akzeptablem Tempo voran.
Beim Einstieg in die Schlucht verschlechtert sich der Zustand der Piste jedoch beträchtlich, im Schritttempo hoppeln wir nun durch die Gegend, meine Handgelenke schmerzen, blöder Rennlenker... Die gewaltigen Felsformationen um uns herum wechseln nach jeder Kurve auf's Neue ihre Gestalt, wir sind schwer beeindruckt von diesem Grand Canyon im Kleinformat. Langsam wird die Besiedelung dichter und wir werden nun oft von Kindern verfolgt, der steinige Belag der nun im Flussbett verlaufenden Piste erschwert die Flucht. Gelegentlich wird mir das Gekreische, das an den Taschen Gezerre und das im Weg Herumgelaufe zuviel, abruptes Stehenbleiben und lautes Anpatzen sorgt jedoch im Normalfall für Ruhe. Mein Tonfall überwindet in diesen Fällen die Sprachbarriere.
Als die Dämmerung näher rückt, bemerke ich einen schleichenden Plattfuß bei meinem Hinterrad, den ich zunächst durch wiederholtes Pumpen alle paar Kilometer in Schach halte. Zeltplätze sind hier Mangelware und so finden wir erst nach Sonnenuntergang einen ausreichend vor neugierigen Blicken geschützten Platz in einem Palmenhain unter einer steil aufragenden Felswand. Jipie, Urlaub unter Palmen! Beim letzten Tageslicht wechsele ich noch schnell den Schlauch aus (der alte hat einen Defekt am Ventil und ist hinüber), während Stefan schon das Zelt herrichtet. Anschließend gibt's nochmal warmes Essen (Fleischklößchensuppe mit Reis), da wir in der Schlucht kein Brot mehr haben auftreiben können.
Tag 4 (--> südöstlich von Igherm auf der gesperrten Strecke, 63 km):
Am nächsten Morgen sind wir beide etwas groggy und das bescheidene Frühstück - für jeden zwei Schokoriegel der Marke Tiger - ist leider auch nicht der ideale Kraftspender. So setzen wir mit unzufrieden knurrenden Mägen unsere Fahrt im äußerst holprigen Flussbett fort. Nach einigen Kilometern treffen wir auf fünf Marokkaner, die erfolglos versuchen, ihr Auto aus einer Senke zu schieben. Wir lassen uns nicht lange bitten und mit unserer Hilfe gelangt der Wagen kurz darauf einige Meter weiter nach oben, beim Herunterrollen wird anschließend der Motor gestartet. Die Freude ist groß und zum Dank wird ein bis dahin unbeteiligter Mann vom Fahrer dazu aufgefordert, uns einen Kaffee zu servieren. Dies macht er auch sogleich mit Freude, obendrein wird uns frisches Brot und Olivenöl gereicht. Nach dieser netten Begebenheit erreichen wir bestens gelaunt die Asphaltstraße und biegen Richtung Igherm ab.
In einer Werkstatt unterwegs bekommen wir einen Inbus als Ersatz für eine leider zuvor verlorengegangene Multitoolhälfte, der Mann will partout kein Geld dafür annehmen. Der Wind ist inzwischen zu einem lauen Lüftchen abgeklungen und so kommen wir zum ersten Mal überhaupt auf dieser Tour zügig vorwärts. In Issafen essen wir ein Omelett, trinken Tee und füllen unsere Vorräte auf: 13 Liter Wasser, vier Laib Brot, vier Dosen Ölsardinen, eine Wurst und diverse Süßigkeiten geben Sicherheit für alles, was da kommen mag. Die anstehende Pistenerkundung in Richtung Tizi-n-Touzlimt führt ins Ungewisse, noch wissen wir nicht, ob die von uns anvisierte, laut Michelin gesperrte Verbindung nach Tagmoute überhaupt fahrbar ist.
Kurz nach Issafen biegen wir rechts ab auf die Piste, die uns zum Pass bringen soll. Zunächst hat sie den Charakter eines kaum benutzten Muliweges, doch nach einigen Kilometern trifft sie auf eine von links kommende breite Piste und ist von nun an relativ gut befahrbar. Zumindest müssen wir nie schieben, obwohl es ordentlich bergauf geht. Die Gegend ist kahl und die Berge zeigen die in dieser Gegend typischen wellenförmigen Maserungen, dazu haben wir eine tolle Fernsicht nach Westen. Bei brütender Hitze vertilgen wir unter dem einzigen Baum auf 20 Kilometern die vorhin erstandene Wurst - Sie schmeckt scheußlich!
Schließlich erreichen wir eine Hochebene auf etwa 1660 Metern, die von gelbgrün leuchtenden Blüten übersät ist. Im Norden zieht unerwartet Regen auf, in dieser völlig menschenleeren Gegend eine fantastische Endzeitstimmung! Als wir auf der Passhöhe auf die gesperrte Strecke abbiegen, wird die Angelegenheit wieder einmal sehr holprig, die Piste ist schlecht und wird offenbar fast gar nicht benutzt. Die Fahrt geht weiterhin durch völlig abgeschiedene Landschaft, in der zweiten Tageshälfte sehen wir insgesamt nur drei Hirten und sonst niemanden! Als die Dämmerung naht, verläuft die Piste gerade am steilen Hang entlang, so dass wir letztendlich unser Zelt direkt auf dem Weg aufschlagen, wird schon keiner kommen... Zum Abendessen gibt's Ölsardinen, Brot und Kuchen am Lagerfeuer.
Tag 5 (--> Tata, 72 km):
Die gesperrte Piste hatte bis hierhin noch nicht sonderlich Aufregendes zu bieten, einzig die farbenfrohen Gewächse boten Abwechslung. Dies ändert sich schlagartig, als wir heute morgen nach kurzer Fahrt eine Passhöhe (1770 Meter) erreichen: Auf der Südseite wurde die Piste in wahnwitziger Manier und mit unvorstellbarem Arbeitsaufwand in einen Steilhang gebaut. Hier wird auch sofort klar, warum die Strecke laut Michelin gesperrt ist, die ohnehin schon sehr schmale Piste ist bereits an mehreren Stellen den Hang abgegangen, hier kommt kein Gefährt mit vier Rädern mehr durch. Für uns auf zwei Rädern ist es ein irres Spektakel, da kann auch der sehr schlechte Weg unsere Freude kaum trüben.
Einige hundert Höhenmeter weiter unten treffen wir auf zwei (ehemalige) Brücken, die irgendwann einfach weggespült worden sind. Hier wäre nun sogar für Motorräder Schluss, unsereins muss das Gepäck abladen und Räder sowie Taschen getrennt durch's einige Meter tiefer liegende Flussbett tragen. Wenig später gelangen wir auf eine weite Ebene, hier bessert sich langsam der Zustand der Piste. Allerdings sind mehrere, teilweise mehr als hundert Meter breite Oueds zu queren, an schnelles Vorankommen ist wieder einmal nicht zu denken. Aber wir haben ja Zeit und deswegen kochen wir nun auch erstmal, heute gibt's Zahlensuppe, die wir durch Sternchen- und Buchstabennudeln verdickflüssigen.
Angesichts der extrem zermürbenden bisher zurückgelegten Pistenkilometer entscheiden wir uns gegen eine weitere Pistenerstbefahrung und steuern stattdessen direkt Tata an. Die verbliebenen 35 Kilometer auf Asphalt sind in weniger als anderthalb Stunden heruntergerissen. In Tata genehmigen wir uns etwas Komfort und wählen mit dem "Relais des Sables" ein recht schickes Hotel, unser Zimmer hat sogar eine Badewanne. Inklusive Frühstück zahlen wir zusammen 450 Dirham, mehr als wir zuvor in vier Tagen ausgegeben haben. Aber heute ist es uns das wert und auch sonst lassen wir es uns gutgehen: Orangen vom Souk, später Harira, Fleischspieße mit Pommes und zuletzt noch ein Bier am Pool (umringt von einem Dutzend marokkanischer Alkoholiker), wir fühlen uns wie Könige.
Tag 6 (--> nördlich von Tissint, 87 km):
Wir beginnen den Tag gemächlich, nach dem Frühstück (Merke: In besseren Hotels niemals einfach Tee bestellen, sonst bekommt man stinknormalen Beuteltee anstelle des dreimal so guten marokkanischen!) lässt Stefan sich die Haare schneiden, während ich in meinem Lieblingscafé noch einen ordentlichen Tee trinke. Der Besitzer ist einer von drei Leuten in Tata, die mich von 2007 her wiedererkennen und darauf ansprechen. Gegen 10 Uhr verlassen wir schweren Herzens Tata und fahren gegen den Wind in Richtung Foum-Zguid. In Akka-Iguiren kickern wir gegen zwei Marokkaner, kurz vor Ende einer ausgeglichenen Best of Five Serie trennt uns nur ein Tor zum Sieg, doch Marokko gewinnt 3:2 nach Spielen. Anschließend steigen wir in die Piste Richtung Akka-Irhén ein. Der Belag ist von wechselnder Qualität, mal steinig, mal sandig, manchmal sogar recht gut, wir haben Spaß. Mittags jubelt Stefan über eine neue Sorte Sardinen (in Tomatenmatsch mit Lorbeerblättern), während mir noch Stunden später schlecht ist von dem Fraß.
In Akka-Irhén kreuzen wir eine Asphaltstraße, unsere Piste ist hiernach wunderbarerweise in einem Top-Zustand und bei leichtem Rückenwind fliegen wir nun förmlich durch die Steinwüste. Die tiefstehende Sonne und die im Dunst verschwindenden Berge sorgen für eine herrliche Atmosphäre. Wir schlagen unser Zelt auf sandigem, butterweichem Untergrund neben der Piste auf, machen ein Lagerfeuer und futtern Reis. Von einem etwa einen Kilometer entfernten Militärposten auf einem Hügel ertönt jetzt lauter Gesang, der aufziehende Sternenhimmel mit der klar erkennbaren Milchstraße ist wundervoll, eine außergewöhnliche Stimmung.
Tag 7 (--> Foum-Zguid, 73 km):
Der Tag beginnt für uns - langsam überrascht es nicht mehr - mit starkem Gegenwind. Was ist hier eigentlich los, sonst ist die vorherrschende Windrichtung doch Osten, oder?? Ich fange an zu verzweifeln. Auf Höhe von Tissint verbreitert sich die Piste mit einem Mal und ist von nun an akkurat trassiert. Später lese ich auf einem Schild, dass die Verbindung von Allogum nach Akka-Irhén asphaltiert wird. Warum bloß, hier ist doch nix und niemand?! Die Fahrt bei enormer Hitze ist wenig erbaulich und wir freuen uns über jeden absolvierten Kilometer. Die Strecke bietet nunmehr kaum Reize, den Höhepunkt des Tages stellen für uns einige Kamele dar, welche die Piste kreuzen. Insgesamt verbuche ich diese Verbindung von Tata nach Foum-Zguid als leichte Enttäuschung, wenngleich sie uns auf dem ersten Abschnitt einen wirklich tollen Abend bereitet hat.
Mit letzter Energie retten wir uns in mein Lieblingslokal in Foum-Zguid, wo uns ein exzellentes Berberomelett für unschlagbare 15 Dirham serviert wird. Wir palavern noch lange mit den Besitzern, sie zeigen sich sehr interessiert an Martls Befinden und versorgen uns mit Informationen über Tristan, der vor zwei Wochen hier war. Anschließend begeben wir uns in die absolut empfehlenswerte Auberge Iriki, wo ich zwei Jahre zuvor mit Till auch schon logiert hatte. Abends gibt's die erste Tajine (mit Huhn) dieser Tour.
Tag 8 (Ruhetag in Foum-Zguid, 3 km):
Am Ruhetag haben wir einige Sachen zu erledigen, vor allem präparieren wir uns und unsere Räder für die anstehende Wüstenstrecke. Stefan kauft sich einen Turban ("now you look like a real tuareg"), während ein Postangestellter mich abzuzocken versucht, indem er mir meine Euros zum Kurs 1:8,6 wechseln will. Auf meine Empörung hin erwidert er nur, dass er versehentlich von Dollar ausgegangen sei, dann bekomme ich den Kurs 1:11 - Allah akbar! "Unser" Lokal versorgt uns mittags mit einer Riesenportion Fleischspießen und der Chef bringt uns die georderten 24 Liter Wasser sogar mit dem Moped zur Auberge. Abends gibt's sensationell gutes Couscous mit Huhn.
Tag 9 (--> hinter Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi, 83 km):
Unser für 5:30 Uhr bestelltes Frühstück hat nur 15 Minuten Verspätung, dafür kommt das Brot direkt aus dem Ofen. Um 6:20 Uhr verlassen wir Foum-Zguid, unsere wesentlichen Vorräte: 24 Liter Wasser, 7 Brote, 1,5 Kg Nudeln, ca. 2 Kg Kuchen und Kekse, 4 Büchsen Ölsardinen, ein Pfund Nüsse, ein paar Chilis und eine Paprika. Sicher ist sicher, die Wüste kann kommen!
Eher ungewollt landen wir auf der südlichen der beiden Varianten zum Einstieg - Allah akbar, probieren wir es halt hier. Die Pistenführung ist sehr abwechslungsreich, sowohl was den Belag (Sand, Steine, gute Mopedspur) als auch was die Umgebung (tajinetopfförmiger Berg) angeht. Ab und an müssen wir durch Sandverwehungen schieben, insgesamt sind wir aber positiv überrascht, die Erwartungen waren schlimmer. Gegen 8 Uhr setzt wieder starker Gegenwind ein, wir nehmen es inzwischen bereits mit Humor, es soll ja auch nicht zu einfach sein. Nach einem zweiten Frühstück mit Ölsardinen erreichen wir etwa um 13 Uhr den Militärposten, wo wir in dem Buch die Einträge von Bekannten entdecken.
Die Piste verläuft nun über den Lac Iriki und ist wesentlich besser zu befahren als noch zu Beginn, auch der Wind kommt für den Moment mal schräg von hinten, perfekt! Angesichts dieser idealen Bedingungen lassen wir Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi links liegen und brausen direkt weiter über den brettharten Boden des Sees. Mitten auf der grell leuchtenden Ebene treffen wir auf ein Café, wo wir an Tischen unter Sonnenschirmen kalte Cola trinken. Oder war es eine Fata Morgana??
Wenig später kommen wir sehr nahe an das Dünenmeer heran und steuern daraufhin eine kleine Düne direkt an. Nach dem Kraftakt mit dem Schieben durch tiefen Sand haben wir aber auch erstmal genug von Dünen... An einem Brunnen will ich mir das soeben eingehandelte Schweiß-Sand-Gemisch abwaschen, doch eine witzige Horde Nomadenkinder lässt uns keinen ruhigen Moment. So fülle ich einen 5-Liter-Kanister und verschiebe den Waschgang. Als wir gerade von dannen ziehen, klingelt bei einem der doch recht abgewrackten Kids laut das Handy - Ein bizarrer Moment und für Stefan natürlich ein Anlass, mir die Rückständigkeit meiner Handy-Abstinenz vor Augen zu führen.
Noch rund 10 Kilometer rollen wir auf weiterhin guter Piste, dann finden wir einen im Palmenhain versteckten Biwakplatz. Leider viel zu spät bemerken wir den vielen Müll, dessen sich die Touristen hier entledigt haben. Es folgt das übliche Programm, Nudeln (mit Dino-Suppe), Lagerfeuer, Sternenhimmel, die Welt ist schön.
Tag 10 (--> M'hamid, dann Sammeltaxi nach Zagora, 60 km):
Wieder um 6:20 Uhr starten wir auf nun brutal steiniger Piste, während den ersten zwei Stunden im Sattel absolvieren wir gerade einmal 14 Kilometer. In einem Café in der Oasis Sacré (was ist denn hier bitte so toll dran???) trinken wir Tee und Cola, werden daraufhin abgezockt, egal. Eine unglaubliche Nervensäge versucht mit Vehemenz, uns von der Unmöglichkeit der Fahrt nach M'hamid zu überzeugen. Offensichtlich sieht er es als seine Aufgabe an, den ihm zugehörigen Touristen ihren persönlichen Hauch Abenteuer aufrechtzuerhalten - Dafür gibt er alles: Erst können wir die Strecke nicht finden (-> GPS), dann können wir den Sand nicht passieren (-> Schieben), zuletzt können wir die Hitze ohne Klimaanlage nicht verkraften (-> "On va voir"). Über diesen Schreihals machen wir uns noch Tage später lustig...
Die Piste bleibt schlecht, wir profitieren nun aber von fein gezogenen Moped-Spuren und kommen gut voran. Nach und nach mehren sich die Dünen neben der Piste, zunächst sind sie noch vor allem hübsch anzusehen, zuletzt bereiten sie uns jedoch enorme Schwierigkeiten: Die letzten 5 Kilometer bis M'hamid sind ein einziges Dünenmeer, wir müssen unsere schweren Räder fast durchweg durch den tiefen Sand schieben. Dazu fegt ein kleinerer Sandsturm über uns hinweg, aber den hatten wir uns zuvor sogar gewünscht, jetzt also Haltung bewahren...
Doch - al hamdulilah - irgendwann ist M'hamid erreicht (15 Uhr). Schnell 'ne kühle Coke gezogen, schon sitzen wir in einem Sammeltaxi nach Zagora. Nach drei Stunden wie immer äußerst unterhaltsamer Fahrt im völlig überfüllten Sprinter sind wir im schäbigen Hotel des Amis in Zagora gelandet. Einmal durchatmen!
Tage 11-15 (Ruhetag Zagora, dann Bus nach Taroudannt, Ruhetag Taroudannt, dann nochmal 69 km mit dem Rad zum Flughafen):
Im Schnelldurchlauf: Zunächst vegetieren wir in Zagora im Hotel vor uns hin, während draußen ein enormes Gewitter die Stadt lahmlegt und unter Wasser setzt. Den nächsten Tag verbringen wir komplett im CTM-Bus (Zagora-Ouarzazate-Taroudannt). Es folgt ein Genießertag in meiner Lieblingsstadt. Die letzte Etappe vor dem Rückflug ist nochmal richtig nett, wir werden von unterschiedlichen Leuten zu Tee, Orangen und Keksen eingeladen und genießen bei Windstille (!) die letzten Kilometer im Sattel. Nur anderthalb Kilometer vom Flughafen entfernt biwakieren wir zwischen Feldern und machen ein letztes Lagerfeuer: ein runder Abschluss. Marokko, wir sehen uns wieder - Inchallah!
Tag 1 (Flug nach Agadir, --> kurz vor Ait Baha, 47 km):
Eine gefühlte Ewigkeit warten wir in Agadir an der Sperrgepäckausgabe auf unsere Räder. Wie ich es hasse, mein Fahrrad in den Händen von Flughafenangestellten zu wissen, jedes Mal wieder das gleiche Bauchgrimmen... Aber schließlich - al hamdulilah - werden uns unsere Esel komplett unversehrt übergeben. Kurz nach 14 Uhr sind wir auf der Straße und glücklich, dass alles so glatt gelaufen ist. Kaum sprechen wir dies aus, da wird unser Elan durch einen Plattfuß bei Stefan auch schon leicht getrübt. Wenig später beim ersten thé à la menthe in Biougra ist unsere Laune jedoch bestens, wir kommen so langsam an in Marokko.
An der Tankstelle wundert sich der Tankwart darüber, dass wir Radfahrer Benzin haben wollen. Was heißt nochmal "kochen" auf französisch? Mir fällt es nicht ein und daher erkläre ich ihm, dass wir es zum Tajine machen benötigen. Mehr will er nicht wissen, nun hält er uns zwar für verrückt, tankt aber artig voll. Bei Rückenwind und wegen des Dunstes milden Temperaturen rollen wir zufrieden Richtung Ait Baha. Kurz vor dem Ort schlagen wir uns ein paar hundert Meter querfeldein von der Straße weg und bauen unser Zelt hinter einem Baum auf. Abends gibt's Zwiebelsuppe mit Nudeln, wir genießen das erste Biwak.
Tag 2 (--> irgendwo hinter Tioulit, 67 km):
Im Laufe der Nacht hat Stefans aufblasbares Kopfkissen, um das ich ihn zunächst noch beneidet hatte, einen Defekt offenbart. Von nun an beneidet er mich um mein im Flugzeug abgestaubtes AirBerlin-Kissen... Gegen halb sieben schälen wir uns aus dem Zelt, mampfen etwas Brot mit Honig und kippen bald darauf in Ait Baha noch einen Tee hinterher. Der Taxistand gegenüber bietet das übliche Spektakel und ich stelle erfreut fest, dass Stefan davon genauso fasziniert ist wie ich.
Als wir uns später bei starkem Gegenwind in den Anti-Atlas hineinarbeiten, staunen wir über das ungewohnt prächtige Grün und die satten Blumenwiesen. Wir passieren einen Stausee, der offenbar starkes Hochwasser führt, dutzende Palmen stehen bis zu ihren Wedeln unter Wasser. Verwunderlich ist es nicht wirklich, dieser Winter war der niederschlagsreichste seit Jahrzehnten! Die Szenerie ist herrlich und Schmetterlinge, quakende Frösche und Eichhörnchen vervollständigen die Idylle. So stören wir uns auch nicht weiter daran, dass wir immernoch nur sehr langsam vorankommen. Gegen Mittag wird der Wind jedoch noch stürmischer, gelegentlich verreißen orkanartige Böen uns die Lenker und zwingen uns zum Absteigen.
Wegen meiner Fehlplanung geht uns irgendwann das Trinken aus, woraufhin ein Wohnmobilfahrer aus Bonn uns drei Liter Wasser schenkt. Überhaupt erstaunen uns die unzähligen freundlichen Gesten der meist französischen Wohnmobilisten, von den Marokkanern bin ich das Hupen, Johlen und Klatschen ja gewöhnt, aber heute stimmen auch fast alle Touristen in diese Anfeuerungen ein, wir haben unseren Spaß.
Am frühen Nachmittag kochen wir uns durch Wildreis ergänzte Hochzeitssuppe - ein königliches Mahl! Der weiterhin starke Gegenwind bleibt uns bis in den Abend hinein erhalten, so dass wir letztendlich bescheidene 66 Kilometer zu Buche stehen haben und dennoch völlig fertig sind. Wir finden einen fantastischen Zeltplatz an einem kleinen Bach - der erste Waschtag steht an. Anschließend machen wir ein Lagerfeuer, spießen Würstchen auf Speichen und grillen sie über der Glut, ein sensationelles Essen.
Tag 3 (--> "Hohle Gasse", 57 km):
Unerfreulicherweise hat der Wind über Nacht nichts von seiner Stärke eingebüßt und bläst weiterhin aus der für uns denkbar ungünstigsten Richtung Südost. So kämpfen wir uns mit meist einstelligen km/h-Werten voran, wenn es nur leicht bergauf geht müssen wir oft sogar schieben. Auf dem Tizi-n-Tarakatine gönnen wir uns die ersten Ölsardinen und bald darauf steigen wir in die Piste Richtung Julius' "Hohler Gasse" ein. Es folgen 400 knüppelharte Höhenmeter bei starker Steigung und anhaltendem stürmischen Gegenwind, während gut eines Drittels des Aufstiegs müssen wir schieben. Die Szenerie entschädigt für die Strapazen, schwarze Felsen und weite gelbe Blütenmeere bilden tolle Kontraste.
Auf einer Art Passhöhe kommen wir in einen Ort (Tazalarite?), Stefan hat hier seinen zweiten Platten. Als er einen neuen Schlauch einsetzt und ich den gelöcherten flicke, werden wir von einer Schulklasse entdeckt. Die Kinderhorde will sich sofort auf uns stürzen, doch - al hamdulilah - ihr Lehrer pfeift sie umgehend zurück. Hätte ich jetzt echt keinen Nerv drauf gehabt. Nach dem Mittagessen (Piratensuppe mit Nudeln) erreichen wir eine Hochebene auf rund 1800 Metern, hier blühen sogar noch einige Mandelbäume. Überraschenderweise hat sich der Sturm etwas gelegt und wir kommen endlich mal in akzeptablem Tempo voran.
Beim Einstieg in die Schlucht verschlechtert sich der Zustand der Piste jedoch beträchtlich, im Schritttempo hoppeln wir nun durch die Gegend, meine Handgelenke schmerzen, blöder Rennlenker... Die gewaltigen Felsformationen um uns herum wechseln nach jeder Kurve auf's Neue ihre Gestalt, wir sind schwer beeindruckt von diesem Grand Canyon im Kleinformat. Langsam wird die Besiedelung dichter und wir werden nun oft von Kindern verfolgt, der steinige Belag der nun im Flussbett verlaufenden Piste erschwert die Flucht. Gelegentlich wird mir das Gekreische, das an den Taschen Gezerre und das im Weg Herumgelaufe zuviel, abruptes Stehenbleiben und lautes Anpatzen sorgt jedoch im Normalfall für Ruhe. Mein Tonfall überwindet in diesen Fällen die Sprachbarriere.
Als die Dämmerung näher rückt, bemerke ich einen schleichenden Plattfuß bei meinem Hinterrad, den ich zunächst durch wiederholtes Pumpen alle paar Kilometer in Schach halte. Zeltplätze sind hier Mangelware und so finden wir erst nach Sonnenuntergang einen ausreichend vor neugierigen Blicken geschützten Platz in einem Palmenhain unter einer steil aufragenden Felswand. Jipie, Urlaub unter Palmen! Beim letzten Tageslicht wechsele ich noch schnell den Schlauch aus (der alte hat einen Defekt am Ventil und ist hinüber), während Stefan schon das Zelt herrichtet. Anschließend gibt's nochmal warmes Essen (Fleischklößchensuppe mit Reis), da wir in der Schlucht kein Brot mehr haben auftreiben können.
Tag 4 (--> südöstlich von Igherm auf der gesperrten Strecke, 63 km):
Am nächsten Morgen sind wir beide etwas groggy und das bescheidene Frühstück - für jeden zwei Schokoriegel der Marke Tiger - ist leider auch nicht der ideale Kraftspender. So setzen wir mit unzufrieden knurrenden Mägen unsere Fahrt im äußerst holprigen Flussbett fort. Nach einigen Kilometern treffen wir auf fünf Marokkaner, die erfolglos versuchen, ihr Auto aus einer Senke zu schieben. Wir lassen uns nicht lange bitten und mit unserer Hilfe gelangt der Wagen kurz darauf einige Meter weiter nach oben, beim Herunterrollen wird anschließend der Motor gestartet. Die Freude ist groß und zum Dank wird ein bis dahin unbeteiligter Mann vom Fahrer dazu aufgefordert, uns einen Kaffee zu servieren. Dies macht er auch sogleich mit Freude, obendrein wird uns frisches Brot und Olivenöl gereicht. Nach dieser netten Begebenheit erreichen wir bestens gelaunt die Asphaltstraße und biegen Richtung Igherm ab.
In einer Werkstatt unterwegs bekommen wir einen Inbus als Ersatz für eine leider zuvor verlorengegangene Multitoolhälfte, der Mann will partout kein Geld dafür annehmen. Der Wind ist inzwischen zu einem lauen Lüftchen abgeklungen und so kommen wir zum ersten Mal überhaupt auf dieser Tour zügig vorwärts. In Issafen essen wir ein Omelett, trinken Tee und füllen unsere Vorräte auf: 13 Liter Wasser, vier Laib Brot, vier Dosen Ölsardinen, eine Wurst und diverse Süßigkeiten geben Sicherheit für alles, was da kommen mag. Die anstehende Pistenerkundung in Richtung Tizi-n-Touzlimt führt ins Ungewisse, noch wissen wir nicht, ob die von uns anvisierte, laut Michelin gesperrte Verbindung nach Tagmoute überhaupt fahrbar ist.
Kurz nach Issafen biegen wir rechts ab auf die Piste, die uns zum Pass bringen soll. Zunächst hat sie den Charakter eines kaum benutzten Muliweges, doch nach einigen Kilometern trifft sie auf eine von links kommende breite Piste und ist von nun an relativ gut befahrbar. Zumindest müssen wir nie schieben, obwohl es ordentlich bergauf geht. Die Gegend ist kahl und die Berge zeigen die in dieser Gegend typischen wellenförmigen Maserungen, dazu haben wir eine tolle Fernsicht nach Westen. Bei brütender Hitze vertilgen wir unter dem einzigen Baum auf 20 Kilometern die vorhin erstandene Wurst - Sie schmeckt scheußlich!
Schließlich erreichen wir eine Hochebene auf etwa 1660 Metern, die von gelbgrün leuchtenden Blüten übersät ist. Im Norden zieht unerwartet Regen auf, in dieser völlig menschenleeren Gegend eine fantastische Endzeitstimmung! Als wir auf der Passhöhe auf die gesperrte Strecke abbiegen, wird die Angelegenheit wieder einmal sehr holprig, die Piste ist schlecht und wird offenbar fast gar nicht benutzt. Die Fahrt geht weiterhin durch völlig abgeschiedene Landschaft, in der zweiten Tageshälfte sehen wir insgesamt nur drei Hirten und sonst niemanden! Als die Dämmerung naht, verläuft die Piste gerade am steilen Hang entlang, so dass wir letztendlich unser Zelt direkt auf dem Weg aufschlagen, wird schon keiner kommen... Zum Abendessen gibt's Ölsardinen, Brot und Kuchen am Lagerfeuer.
Tag 5 (--> Tata, 72 km):
Die gesperrte Piste hatte bis hierhin noch nicht sonderlich Aufregendes zu bieten, einzig die farbenfrohen Gewächse boten Abwechslung. Dies ändert sich schlagartig, als wir heute morgen nach kurzer Fahrt eine Passhöhe (1770 Meter) erreichen: Auf der Südseite wurde die Piste in wahnwitziger Manier und mit unvorstellbarem Arbeitsaufwand in einen Steilhang gebaut. Hier wird auch sofort klar, warum die Strecke laut Michelin gesperrt ist, die ohnehin schon sehr schmale Piste ist bereits an mehreren Stellen den Hang abgegangen, hier kommt kein Gefährt mit vier Rädern mehr durch. Für uns auf zwei Rädern ist es ein irres Spektakel, da kann auch der sehr schlechte Weg unsere Freude kaum trüben.
Einige hundert Höhenmeter weiter unten treffen wir auf zwei (ehemalige) Brücken, die irgendwann einfach weggespült worden sind. Hier wäre nun sogar für Motorräder Schluss, unsereins muss das Gepäck abladen und Räder sowie Taschen getrennt durch's einige Meter tiefer liegende Flussbett tragen. Wenig später gelangen wir auf eine weite Ebene, hier bessert sich langsam der Zustand der Piste. Allerdings sind mehrere, teilweise mehr als hundert Meter breite Oueds zu queren, an schnelles Vorankommen ist wieder einmal nicht zu denken. Aber wir haben ja Zeit und deswegen kochen wir nun auch erstmal, heute gibt's Zahlensuppe, die wir durch Sternchen- und Buchstabennudeln verdickflüssigen.
Angesichts der extrem zermürbenden bisher zurückgelegten Pistenkilometer entscheiden wir uns gegen eine weitere Pistenerstbefahrung und steuern stattdessen direkt Tata an. Die verbliebenen 35 Kilometer auf Asphalt sind in weniger als anderthalb Stunden heruntergerissen. In Tata genehmigen wir uns etwas Komfort und wählen mit dem "Relais des Sables" ein recht schickes Hotel, unser Zimmer hat sogar eine Badewanne. Inklusive Frühstück zahlen wir zusammen 450 Dirham, mehr als wir zuvor in vier Tagen ausgegeben haben. Aber heute ist es uns das wert und auch sonst lassen wir es uns gutgehen: Orangen vom Souk, später Harira, Fleischspieße mit Pommes und zuletzt noch ein Bier am Pool (umringt von einem Dutzend marokkanischer Alkoholiker), wir fühlen uns wie Könige.
Tag 6 (--> nördlich von Tissint, 87 km):
Wir beginnen den Tag gemächlich, nach dem Frühstück (Merke: In besseren Hotels niemals einfach Tee bestellen, sonst bekommt man stinknormalen Beuteltee anstelle des dreimal so guten marokkanischen!) lässt Stefan sich die Haare schneiden, während ich in meinem Lieblingscafé noch einen ordentlichen Tee trinke. Der Besitzer ist einer von drei Leuten in Tata, die mich von 2007 her wiedererkennen und darauf ansprechen. Gegen 10 Uhr verlassen wir schweren Herzens Tata und fahren gegen den Wind in Richtung Foum-Zguid. In Akka-Iguiren kickern wir gegen zwei Marokkaner, kurz vor Ende einer ausgeglichenen Best of Five Serie trennt uns nur ein Tor zum Sieg, doch Marokko gewinnt 3:2 nach Spielen. Anschließend steigen wir in die Piste Richtung Akka-Irhén ein. Der Belag ist von wechselnder Qualität, mal steinig, mal sandig, manchmal sogar recht gut, wir haben Spaß. Mittags jubelt Stefan über eine neue Sorte Sardinen (in Tomatenmatsch mit Lorbeerblättern), während mir noch Stunden später schlecht ist von dem Fraß.
In Akka-Irhén kreuzen wir eine Asphaltstraße, unsere Piste ist hiernach wunderbarerweise in einem Top-Zustand und bei leichtem Rückenwind fliegen wir nun förmlich durch die Steinwüste. Die tiefstehende Sonne und die im Dunst verschwindenden Berge sorgen für eine herrliche Atmosphäre. Wir schlagen unser Zelt auf sandigem, butterweichem Untergrund neben der Piste auf, machen ein Lagerfeuer und futtern Reis. Von einem etwa einen Kilometer entfernten Militärposten auf einem Hügel ertönt jetzt lauter Gesang, der aufziehende Sternenhimmel mit der klar erkennbaren Milchstraße ist wundervoll, eine außergewöhnliche Stimmung.
Tag 7 (--> Foum-Zguid, 73 km):
Der Tag beginnt für uns - langsam überrascht es nicht mehr - mit starkem Gegenwind. Was ist hier eigentlich los, sonst ist die vorherrschende Windrichtung doch Osten, oder?? Ich fange an zu verzweifeln. Auf Höhe von Tissint verbreitert sich die Piste mit einem Mal und ist von nun an akkurat trassiert. Später lese ich auf einem Schild, dass die Verbindung von Allogum nach Akka-Irhén asphaltiert wird. Warum bloß, hier ist doch nix und niemand?! Die Fahrt bei enormer Hitze ist wenig erbaulich und wir freuen uns über jeden absolvierten Kilometer. Die Strecke bietet nunmehr kaum Reize, den Höhepunkt des Tages stellen für uns einige Kamele dar, welche die Piste kreuzen. Insgesamt verbuche ich diese Verbindung von Tata nach Foum-Zguid als leichte Enttäuschung, wenngleich sie uns auf dem ersten Abschnitt einen wirklich tollen Abend bereitet hat.
Mit letzter Energie retten wir uns in mein Lieblingslokal in Foum-Zguid, wo uns ein exzellentes Berberomelett für unschlagbare 15 Dirham serviert wird. Wir palavern noch lange mit den Besitzern, sie zeigen sich sehr interessiert an Martls Befinden und versorgen uns mit Informationen über Tristan, der vor zwei Wochen hier war. Anschließend begeben wir uns in die absolut empfehlenswerte Auberge Iriki, wo ich zwei Jahre zuvor mit Till auch schon logiert hatte. Abends gibt's die erste Tajine (mit Huhn) dieser Tour.
Tag 8 (Ruhetag in Foum-Zguid, 3 km):
Am Ruhetag haben wir einige Sachen zu erledigen, vor allem präparieren wir uns und unsere Räder für die anstehende Wüstenstrecke. Stefan kauft sich einen Turban ("now you look like a real tuareg"), während ein Postangestellter mich abzuzocken versucht, indem er mir meine Euros zum Kurs 1:8,6 wechseln will. Auf meine Empörung hin erwidert er nur, dass er versehentlich von Dollar ausgegangen sei, dann bekomme ich den Kurs 1:11 - Allah akbar! "Unser" Lokal versorgt uns mittags mit einer Riesenportion Fleischspießen und der Chef bringt uns die georderten 24 Liter Wasser sogar mit dem Moped zur Auberge. Abends gibt's sensationell gutes Couscous mit Huhn.
Tag 9 (--> hinter Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi, 83 km):
Unser für 5:30 Uhr bestelltes Frühstück hat nur 15 Minuten Verspätung, dafür kommt das Brot direkt aus dem Ofen. Um 6:20 Uhr verlassen wir Foum-Zguid, unsere wesentlichen Vorräte: 24 Liter Wasser, 7 Brote, 1,5 Kg Nudeln, ca. 2 Kg Kuchen und Kekse, 4 Büchsen Ölsardinen, ein Pfund Nüsse, ein paar Chilis und eine Paprika. Sicher ist sicher, die Wüste kann kommen!
Eher ungewollt landen wir auf der südlichen der beiden Varianten zum Einstieg - Allah akbar, probieren wir es halt hier. Die Pistenführung ist sehr abwechslungsreich, sowohl was den Belag (Sand, Steine, gute Mopedspur) als auch was die Umgebung (tajinetopfförmiger Berg) angeht. Ab und an müssen wir durch Sandverwehungen schieben, insgesamt sind wir aber positiv überrascht, die Erwartungen waren schlimmer. Gegen 8 Uhr setzt wieder starker Gegenwind ein, wir nehmen es inzwischen bereits mit Humor, es soll ja auch nicht zu einfach sein. Nach einem zweiten Frühstück mit Ölsardinen erreichen wir etwa um 13 Uhr den Militärposten, wo wir in dem Buch die Einträge von Bekannten entdecken.
Die Piste verläuft nun über den Lac Iriki und ist wesentlich besser zu befahren als noch zu Beginn, auch der Wind kommt für den Moment mal schräg von hinten, perfekt! Angesichts dieser idealen Bedingungen lassen wir Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi links liegen und brausen direkt weiter über den brettharten Boden des Sees. Mitten auf der grell leuchtenden Ebene treffen wir auf ein Café, wo wir an Tischen unter Sonnenschirmen kalte Cola trinken. Oder war es eine Fata Morgana??
Wenig später kommen wir sehr nahe an das Dünenmeer heran und steuern daraufhin eine kleine Düne direkt an. Nach dem Kraftakt mit dem Schieben durch tiefen Sand haben wir aber auch erstmal genug von Dünen... An einem Brunnen will ich mir das soeben eingehandelte Schweiß-Sand-Gemisch abwaschen, doch eine witzige Horde Nomadenkinder lässt uns keinen ruhigen Moment. So fülle ich einen 5-Liter-Kanister und verschiebe den Waschgang. Als wir gerade von dannen ziehen, klingelt bei einem der doch recht abgewrackten Kids laut das Handy - Ein bizarrer Moment und für Stefan natürlich ein Anlass, mir die Rückständigkeit meiner Handy-Abstinenz vor Augen zu führen.
Noch rund 10 Kilometer rollen wir auf weiterhin guter Piste, dann finden wir einen im Palmenhain versteckten Biwakplatz. Leider viel zu spät bemerken wir den vielen Müll, dessen sich die Touristen hier entledigt haben. Es folgt das übliche Programm, Nudeln (mit Dino-Suppe), Lagerfeuer, Sternenhimmel, die Welt ist schön.
Tag 10 (--> M'hamid, dann Sammeltaxi nach Zagora, 60 km):
Wieder um 6:20 Uhr starten wir auf nun brutal steiniger Piste, während den ersten zwei Stunden im Sattel absolvieren wir gerade einmal 14 Kilometer. In einem Café in der Oasis Sacré (was ist denn hier bitte so toll dran???) trinken wir Tee und Cola, werden daraufhin abgezockt, egal. Eine unglaubliche Nervensäge versucht mit Vehemenz, uns von der Unmöglichkeit der Fahrt nach M'hamid zu überzeugen. Offensichtlich sieht er es als seine Aufgabe an, den ihm zugehörigen Touristen ihren persönlichen Hauch Abenteuer aufrechtzuerhalten - Dafür gibt er alles: Erst können wir die Strecke nicht finden (-> GPS), dann können wir den Sand nicht passieren (-> Schieben), zuletzt können wir die Hitze ohne Klimaanlage nicht verkraften (-> "On va voir"). Über diesen Schreihals machen wir uns noch Tage später lustig...
Die Piste bleibt schlecht, wir profitieren nun aber von fein gezogenen Moped-Spuren und kommen gut voran. Nach und nach mehren sich die Dünen neben der Piste, zunächst sind sie noch vor allem hübsch anzusehen, zuletzt bereiten sie uns jedoch enorme Schwierigkeiten: Die letzten 5 Kilometer bis M'hamid sind ein einziges Dünenmeer, wir müssen unsere schweren Räder fast durchweg durch den tiefen Sand schieben. Dazu fegt ein kleinerer Sandsturm über uns hinweg, aber den hatten wir uns zuvor sogar gewünscht, jetzt also Haltung bewahren...
Doch - al hamdulilah - irgendwann ist M'hamid erreicht (15 Uhr). Schnell 'ne kühle Coke gezogen, schon sitzen wir in einem Sammeltaxi nach Zagora. Nach drei Stunden wie immer äußerst unterhaltsamer Fahrt im völlig überfüllten Sprinter sind wir im schäbigen Hotel des Amis in Zagora gelandet. Einmal durchatmen!
Tage 11-15 (Ruhetag Zagora, dann Bus nach Taroudannt, Ruhetag Taroudannt, dann nochmal 69 km mit dem Rad zum Flughafen):
Im Schnelldurchlauf: Zunächst vegetieren wir in Zagora im Hotel vor uns hin, während draußen ein enormes Gewitter die Stadt lahmlegt und unter Wasser setzt. Den nächsten Tag verbringen wir komplett im CTM-Bus (Zagora-Ouarzazate-Taroudannt). Es folgt ein Genießertag in meiner Lieblingsstadt. Die letzte Etappe vor dem Rückflug ist nochmal richtig nett, wir werden von unterschiedlichen Leuten zu Tee, Orangen und Keksen eingeladen und genießen bei Windstille (!) die letzten Kilometer im Sattel. Nur anderthalb Kilometer vom Flughafen entfernt biwakieren wir zwischen Feldern und machen ein letztes Lagerfeuer: ein runder Abschluss. Marokko, wir sehen uns wieder - Inchallah!
Kommentar