[DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

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    [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

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    Nachtrag 2016: Aus unbekannten Gründen hat es die Bilder aus dem Text gerissen. Bitte ggf. auf die Bildsymbole klicken, dann werden sie einzeln angezeigt.

    Durch den Hunsrück nach Schengenland
    April 2009

    Tag 1

    Türkismühle, erster Bahnhof im Saarland. Kein Bus. Das hatte ich schon vorher gewusst. Aber auch kein Taxi. Das hatte ich befürchtet. Nun, hinterherlaufen werde ich dem Taxi nicht. Schon allein deshalb, weil ich ja nicht wusste, in welche Richtung es gefahren war.
    Damit war mein Plan A gestorben, nämlich wieder in Eisen einzusetzen, wo ich bei meiner Hunsrücktour im Oktober aufgehört hatte. So hatte ich bis zum Tirolerstein, dem Startpunkt der zweiten Hälfte meines ganz persönlichen Hunsrücksteiges, mal eben 13 statt 7 Kilometer vor mir. Dazu noch rund 17 Kilometer bis Hermeskeil, wo ich übernachten wollte. Das wäre alles nicht so ehrgeizig gewesen, wenn die Uhr nicht schon 13.30 gezeigt hätte.

    Zum Glück kannte ich ja den Weg noch aus meiner Frankfurter Zeit und lief munter los. Hauptstraße nach Osten, am DRK-Depot vorbei in den Wald und – hoppala! Dieser Weg führte ja zu einem ganz anderen Ziel! Fiel mir gerade noch rechtzeitig ein. Doch die wunderbare alte Wanderkarte des Landesvermessungsamtes half mir beim Zickzacken durch den Wald perfekt auf den richtigen Weg weiter. Es muss an dieser Stelle einmal erwähnt werden: Die Topo-Karten 1:50.000 des Landesvermessungsamtes Rheinland-Pfalz aus den neunziger Jahren sind ein Vorbild an Perfektion. Selbst der Hauch einer Wegbiegung ist zu erkennen. Da ist gut so, denn die Nutzungsdauer mancher örtlicher Wegweiser im Hunsrück ist abgelaufen, genauso wie ihre Farbe.



    Der Tirolerstein war noch so vorhanden, wie ich ihn im Herbst hinterlassen hatte. Hier stieß ich auch wieder auf den Saar-Hunsrück-Steig. Der neue „Premiumwanderweg“ sollte mich bis Hermeskeil fast ununterbrochen begleiten. Ohne das Bild vom Gras zu bemühen, das über den Weg wächst, muss ich aber feststellen, dass die Nutzung „offenbar noch Potenzial hat“.



    Während der gesamten vier Tage ist mir nur ein einziger Wanderer begegnet, der nach Saar-Hunsrück-Steiger aussah. Woran mag es liegen? Die Wegequalität, gemessen in „Naturnähe“, ist es nicht. Da hat man offenbar aus den Anfangsfehlern beim Rothaarsteig gelernt. Anders als beim Rothaarsteig ist aber kein landschaftliches Ereigniskonzept erkennbar. Der Rothaarsteig folgt den Bergkämmen und nimmt die Flussquellen am Wegesrand mit. Der Saar-Hunsrück-Steig zeichnet sich durch Beliebigkeit aus. Bei Allenbach mäandert er durch die Talwannen, zwischen Tirolerstein und Nonnweiler balanciert er über den Kamm, kriecht durch ein Tal nach Hermeskeil hoch und macht zum Schluss wunderliche Dinge am Südrand des Hochwaldes: „Kilometerschinden“ ist das eine Wort, dass sich dafür aufdrängt, „Höhenmeterschinden“ das andere. Einziges erkennbares Ziel: Jeden Ort am Fuß des Hochwaldes berühren. Unterstellung meinerseits ist, dass nur auf diese Weise die Unterstützung der örtlichen Tourismusverantwortlichen für den SHS gesichert werden konnte.

    Als ich diese Zeilen zu Ende gedacht hatte, näherte sich der Kammweg auch schon seinem vorläufigen Ende am „Hunnenring“.



    Die vom Namen geweckte Vermutung, es handle sich um ein pseudokeltisches Arschgeweih in Form von Fingerschmuck, ist nicht ganz abwegig. Nur ist es nicht pseudokeltisch, sondern echt keltisch, und als Fliehburg aus römischer Zeit sind natürlich die Abmessungen auch andere. Wäre das tragende Holzgerippe der Steinmauern nicht verrottet, könnte der Hunnenring mit den Bauwerken der Inkas und Mayas mithalten. So ist „nur“ ein monströser Steinwall übriggeblieben.



    Die strategisch günstige Lage auf einem Felsvorsprung machen vielleicht die beiden folgenden Bilder deutlich – wobei der Stausee zur Keltenzeit natürlich noch nicht existierte.





    Die Talsperre ist im ansonsten seenarmen Hunsrück eine willkommene Abwechslung. Vor allem meine speziellen Freunde, die „Stockenten“ (oder Nordic Walker) können dort ohne nennenswerte körperliche Anstrengungen ihre Hakenpflüge über den Seerundweg schleifen.

    Inzwischen war es halb sechs, und von Hermeskeil trennten mich noch satte acht Kilometer. Unterkunft hatte ich noch noch nicht gebucht, wäre ja auch spießig. Wobei es dort als Rückfallebene noch die Jugendherberge gab. Da ich um kurz vor fünf Uhr morgens aufgestanden war, wollte ich mich allerdings nicht auf die akustischen Unwägbarkeiten einer Jugendgruppenunterkunft einlassen.

    Also legte ich einen Zahn zu und eilte über den Kamm – nicht wie der SHS oder „mein“ Hunsrücksteig – nach Hermeskeil. Dieser Weg ist schneller als der durch das Tal, aber landschaftlich reizvoller ist doch das Tal, wie ich feststellen musste. Der Kammweg leidet unter dem Fehlen an Aussichtspunkten. Kein Problem, das eine Kettensäge nicht beheben könnte, sagte ich mir, fand aber keine. Nicht einmal im Deckelfach meiner „Grünen Schrankwand“. Muss mal die Packliste aktualisieren.

    In Hermeskeil gönnte ich mir das Hotel Jakobshof, eine gute Wahl für 41 Euro. Salzverkrustete Wanderer ernten dort keine verwunderten Blicke, sondern erhalten ein ordentliches Frühstück. Mein Abendessen hingegen führte mich zur Pizzeria „Bella Mia“. Achtung: Die große Pizza ist wirklich „groß“. Den Salat hätte ich weglassen können.




    Technische Daten: 29,9 km in 7 Stunden
    Tiere gesehen: 2 Rehe, 1 Maulwurf, 1 Eidechse, mehrere Kormorane, 1 Mäusebussard


    Tag 2

    An diesem Montag lernte ich, warum sich der hintere Hunsrück so zurückhaltend als „Region der Stille“ bewirbt: F-16 und Tornados wirbeln werktags munter durch die Lüfte, dazwischen mal eine C-17 oder KC-135. Für die Laien: Alles Flugzeuge, die sich den zivilen Fluglärm-Schutzvorschriften durch das Einschalten des Nachbrenners entziehen. [Klugscheißervorbeugemodus an] C-17 und KC-135 haben natürlich keine Nachbrenner. [Klugscheißervorbeugemodus aus]

    Als Technikfreak konnte ich natürlich nicht der Versuchung wiederstehen, einen Blick auf das Gelände des Dampflokmuseums Hermeskeil zu werfen. Erfolgreich redete ich mir ein, dass dieses Museum am Montag geschlossen hat – denn sonst wäre ich hier sicherlich hängengeblieben, obwohl mich Dampfloks nicht besonders faszinieren. Wobei: Woher das Museum die verrostete 42 erworben hat, hätte mich schon interessiert.



    Ein richtig schön desolates Fotomotiv gab eine halb zerlegte V60 Ost auf einem Abstellgleis ab. Ob da irgendeine Kunsthochschule ihre Finger im Spiel hatte?



    Auf dem SHS, der hier weitgehend deckungsgleich mit „meinem“ Hunsrücksteig ist, glitt ich unter der A1 und über den Buckel nördlich von Gusenburg hinüber ins Wadrill-Tal. Am Anfang ist es sehr finster, dann weitet es sich und entwickelt eine Auenlandschaft ähnlich wie das nördliche Hahnenbach-Tal bei Kirn.

    Am Montagmittag war ich einziger Besucher der Grimburg. Wie auch die Schmidtburg ist es keine überkandidelte Rekonstruktion, sondern hat durchaus noch Ruinen-Aroma.



    Hier legte ich mich für eine kleine Mittagspause zur Ruhe, stellte dann aber fest, dass kleine „Raup-Tiere“ vom Baum über mich herfielen.



    Es folgte ein nicht ganz unanstrengender Anstieg durch das Lautenbach-Tal in den Hochwald. Achtung: Der alte SH-Weg und der E3 folgen jetzt den Umwegen des SHS, der gerade Weg zur Straße durch den Wald ist mit Totholz blockiert. Ich folgte jetzt dem E3 zum Stephany-Kreuz, das aus unerfindlichen Gründen auch in der neuen Naturpark-Karte wieder als „Stephaniekreuz“ eingetragen ist.



    Vom Kreuz führte mich ein „Rumpelpfad“ – ein Mountainbike-Trail – auf den Kammweg. Aussicht ließen sich dort leider nur sporadisch erhaschen. Hinter dem Teufelskopf bekam der Weg wieder Premiumqualität: Leicht federnder Waldboden. Das hat wohl auch die Gemeinde Weiskirchen veranlasst, dort ihren „Höhenweg“ anzulegen. Leider zickzackt er völlig sinnlos hin und her. Hier hat jemand versucht, Strecke zu schinden. Für zielorientiertes Wandern ist der „Höhenweg“ denkbar ungeeignet. Dafür war der Pfad zum Iltisfels, der vor fünf Jahren nur eine Schöpfung des Gewohnheitsrechts gewesen war, jetzt offiziell markiert. Der Iltisfels selbst ist wenig beeindruckend, wenn man nicht gerade zwischen Seelze und Fallersleben sozialisiert worden ist.

    An diesem Abend übernachtete ich in der überaus freundlichen Jugendherberge von Weiskirchen – als einziger Wanderer. Nach Auskunft des Herbergsvaters hatte das in der Woche zuvor allerdings anders ausgesehen. Wieviele davon auf dem SHS unterwegs gewesen waren, konnte er mir allerdings nicht sagen.

    Zum Abendessen kehrte ich in das „Schnitzelhaus“ ein. Ich wählte ein „normal“ großes Schnitzel, was allerdings ein Fehler war. „Normal“ heißt dort nämlich „etwas kleiner als riesengroß“. Obwohl es fantastisch schmeckte, musste ich etwas zurückgehen lassen, was mir schon lange nicht mehr passiert war. Der Wirt bot mir wie allen anderen zwar eine Styroporbox für die Reste an, aber ohne Kühlschrank war mir das nicht geheuer.

    Technische Daten: 33,5 km in 9h 50’


    Tag 3

    Am nächsten Morgen arbeitete ich mich auf dem SHS zur Turmschneise hoch. Weiß der Teufel, warum sie so heißt – einen Turm gibt es dort (heute) jedenfalls nicht. Ich folgte dem Kammweg und passierte dabei ein paar Lichtungen, die sehr wildcampingfreundlich aussahen. Bis auf die Jägerhochsitze, die sie umstellten.



    Auch ansonsten gab es unübersehbare Hinweise auf intensiven Schusswaffengebrauch.



    Am Vermessungspunkt Höhe 587 m - zwischen Eselsbrücke und Ferdinandshaus – stieß ich auf die Grundmauern einer größeren Hauses. Nach meiner bisherigen Erfahrung mit verlassenen Objekten aus finsteren Zeiten dürfte dort mal eine Holzbaracke von ca. 20 Meter Länge und 5-7 Metern Breite gestanden habe. Ungewöhnlich war nur der Ansatz zu einem Keller. Das passt eigentlich nicht zu Baracken.



    Oberhalb von Greimerath setzte ich zur Querung der B268 an. Der Panzwald ist leider tatsächlich so eingezäunt wie in der Karte eingezeichnet. Der scheinbar einfache Weg durch das NSG südlich davon verlor sich in Morast und Wildwuchs. Schließlich fand ich einen Weg, der aber wohl nur außerhalb der Weidezeit gangbar sein dürfte. Nachahmer sollten also Geduld bei der Wegsuche mitbringen oder gleich durch Greimerath gehen.

    Das Dumme daran ist allerdings, dass sie dann einen Umweg gehen müssen, um die Bunkerruinen zu sehen, die sich bei der Höhe 505 im Wald verstecken. Wer sie gebaut hat, ist nicht mehr erkennbar. Mein Tipp geht in Richtung Westwall oder Vorläufer aus Reichswehr-Zeiten. Die Grenze zum lange genug französisch besetzten Saarland verläuft nur wenige hundert Meter südlich.



    Über öde Forststraßen lief ich zur „Schönen Aussicht“ auf die Saarschleife von Hamm. Hier war eine Siesta am Picknickplatz fällig. Nicht einmal der Lärm von der nahen Straße störte mich. Hätte er es getan und wäre ich nicht so faul gewesen, hätte ich auch noch 200 Meter weiter „flussaufwärts“ zu einer weiteren Picknickstelle ohne Lärm laufen können.



    Frisch erholt setzte ich zum Endspurt nach Taben-Rodt an. Am Wegesrand fotografierte ich noch einen verholzten (nicht versteinerten) Gollum und futterte – upps! - meine letzten Kekse.



    Die Größe von Taben ließ es nicht unbedingt realistisch erscheinen, dass es dort einen Laden für Schokoladenkekse gibt. Als den Bahnhof überquerte, studierte ich also den Fahrplan. Ach, wie passend: Ein Zug nach Mettlach sollte in zwei Minuten kommen. Und in Mettlach würde ich eine halbe Stunde Zeit haben, um einzukaufen und dann mit dem nächsten Zug wieder nach Taben zurückzufahren. Gesamtdauer der Aktion weniger als eine Stunde!

    Doch es kam anders als gedacht. In Mettlach kann man nämlich alles kaufen – sofern es sich für Factory Outlets eignet. Porzellan, Bequemschuhe, Heimtextilien, Mode und Mode vergangener Jahre, Druckkochtöpfe und Pfannen. Aber keine Kekse. Erst an einer schmürmeligen Tankstelle, die man eigentlich schon jetzt komplett ins Bonner „Haus der Geschichte“ verfrachten könnte, wurde ich fündig. Da hatte sich die Rückfahrt aber schon durch Zeitablauf fürs erste erledigt. Na gut, ich hatte ohnehin schon 28 km auf dem Tacho, da konnte ich auch in Mettlach übernachten. Das Hotel „Saarblick“ bot zwar nur bei Hochwasser Blick auf die Wasseroberfläche. Von meinem Hinterzimmer wahrscheinlich auch dann nicht, aber dafür blieb mir der Lärm von der Hauptstraße erspart.

    Technische Daten: 26,5 km in 8h 30’
    Tiere: 1 Fuchs, 1 Mäusebussard


    Tag 4

    Es bestätigte sich die alte Wanderführer-Weisheit, dass man eine Tour mit einer ordentlichen Steigung beginnen soll, wenn die Leute auf Touren gebracht werden sollen. Von Steigung gab es reichlich auf dem Weg vom Bahnhof Taben nach Taben-City. In Mettlach war die Temperatur gefühlt einstellig, oben in Taben an der Kapelle St. Martin zweistellig mit einer „2“ vorne dran.



    Von hier ging es dann aber erst einmal auf konstanter Höhe weiter. Der „Kaiserweg“ führt am Hang durch eines der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands, den Urwald. Die Entscheidung dürfte aus wirtschaftlicher Sicht nicht schwergefallen sein, denn es ist kaum vorstellbar, wie man dort ohne Hubschrauber das Holz aus dem Wald ziehen will. Für Fahrzeuge aller Art ist es einfach zu steil. Auf den Blockschutthalden gedeihen die Bäume ohnehin nicht.



    Damit auch ja niemand am biotopischen Wert der Landschaft zweifelt, haben Förster und Naturschützer nicht an Beschilderung gespart.



    Enttäuschend war der „Teufelsschornstein“. Die Aussicht auf Saarhölzbach ist ungefähr so idyllisch wie die auf Oer-Erkenschwick oder Wuppertal-Oberbarmen. Diesen Umweg kann man sich also sparen. Wenigstens traf ich noch eine sehr geduldige Blindschleiche.



    Dafür empfiehlt es sich, dem vermeintlichen Umweg des E3 zu folgen. Ich folgte hingegen dem Kaiserweg bis zu seinem Ende an der Landstraße zwischen Mettlach und Orscholz und stolperte als „Pfad-Sucher“ durch das Unterholz auf der anderen Straßenseite. Der E3 kreuzt die Straße etwas weiter oberhalb, ohne derartige Komplikationen zu verursachen.

    Bald stieß ich auf den SHS, der hier zu Top-Form aufläuft, diese Top-Form aber auch vom Wanderer verlangt: Rauf und runter ging es, immer nah an der Abbruchkante zum Saartal hin. Die Mühen werden durch einige schöne Aussichten entschädigt, die der E3 und andere klassische Wege ignoriert hatten.

    Schließlich erreichte ich wieder eine Forststraße, auf der Mountainbiker wie Geisteskranke zwischen Kinderwagen und adipösen Transferleistungsempfängern hindurchrasten. Da wusste ich: Der Aussichtspunkt über die Saarschleife kann nicht mehr weit sein.



    Hier wirkte ich mit meinem Rucksack wie ein Exot und fühlte mich auch nicht sonderlich wohl. Ich schickte einen hämischen MMS-Gruß „aus dem Beitrittsgebiet“ an einen saarländischen Ex-Kollegen und machte mich auf den Weg nach Orscholz. Jetzt hätte ich eigentlich das Ende meines Hunsrücksteiges ausrufen und und in einen Bus einsteigen können.

    Sofern da nicht die Mosel in gefühlter Sichtweite gewesen wäre. In einem Supermarkt frischte ich meine Vorräte auf und machte mich auf den Weg in Richtung Schengen. Ich wollte diesen Ort sehen, der inzwischen allen grünen Grenzen rund um Deutschland ihren Schrecken genommen hat. Da es inzwischen schon früher Nachmittag war, hielt ich mich nicht mit Streckenplanung auf, sondern beschloss, einfach dem E3 zu folgen.

    Die ersten drei oder vier Kilometer ging es gut. Dann tauchte ein erstes Schild auf, auf dem mir ein Kasernenkommandant den Gebrauch des Fotoapparats verbot. „Das geht vorüber“, dachte ich mir, „in der Karte ist ja nichts Militärisches eingezeichnet.“ Doch weit gefehlt. Die Karte ist für den Bereich Staatsforst Mettlach/Schwarzbruch massiv verfälscht. Einige hundert Meter später wurde der Weg „straightforward“, wie der Lateiner sagt. Extrem straightforward: Rund zweieinhalb Kilometer ging es schnurgerade auf einer Asphaltstraße weiter. Links ein Zaun, hinter dem sich ein riesiges Munitionslager der Bundeswehr breit macht und ein fotofeindlicher Kasernenkommandant residiert, rechts ein undurchdringliches Jungwald-Dickicht. Erst beim Blick auf Gugel Earth wurde mir klar, wie groß das Lager ist. Na ja, ich kann es verstehen, der Franzose sitzt praktisch um die Ecke.

    Nicht ganz so öde, aber ähnlich fußfeindlich verlief der E3 dann weiter über Hellendorf und Eft. Ich möchte wirklich wissen, von welchen Grundsätzen sich die Wegeplaner des E3 haben leiten lassen. Oder ist die Wegeführung zu einer Zeit festgelegt worden, als es zwischen den Dörfern noch Sand- und Kopfsteinpflasterstraßen gab und die Zahl der täglich passierenden Autos im zweistelligen Bereich lag? Noch ein Tipp für alle, die aufgrund der Karte glauben, sie könnten kurz vor dem Pillingerhof eine Abkürzung durch den Wald nehmen: Geht nicht. Ist abgesperrtes Weideland.



    Erst kurz vor Perl bog ich wieder in fußfreundliches Gelände ein, nur um es gut zwei Kilometer später wieder zu verlassen. Es war kurz vor 19 Uhr, ich hatte noch kein Bett für die Nacht und der Hunger ließ sich auch nicht mehr mit Keksen bekämpfen – nicht zuletzt deshalb, weil ich alle aufgegessen hatte.

    Drei Unterkünfte fand ich in Perl. Das erste war ein Hotel der Etepetete-Klasse, also nichts für einen verkrusteten Wanderer. Das zweite war ein klassisches westdeutsches Kleinstadthotel aus den fünfziger Jahren mit einer Einrichtung aus den siebziger Jahren und vermutlich einem Eigentümer in den Achtzigern, das aber sowieso gerade Ruhetag hatte. Und schließlich noch ein Restaurant mit Fleischerei und Fremdenzimmern – oder war es umgekehrt? -, das nicht nur Viel-versprechend aussah, sondern es auch hielt. Das inzwischen schon zum Standard gewordene Schnitzel sorgte für die notwendige Bettschwere.

    Technische Daten: 32,4 km in 9h 10’
    Tiere: Schon wieder ein Mäusebussard. Und eine Weide voller Jungbullen.


    Tag 5

    Eigentlich wollte ich ja nur noch kurz nach Schengen reinschauen und dann mit dem nächstbesten Zug den Rückweg nach Berlin antreten – schließlich sollte ja am übernächsten Tag der Hexenstieg-Gegenschlag starten.
    Doch über Nacht war mir ein Floh ins Ohr gekrochen und hatte mir geflüstert, ich könnte ja bis Berchem südlich von Luxemburg-Stadt laufen und so einen Brückenschluss zu einer früheren Wanderung herstellen: 2003, noch in meiner Frankfurter Zeit, war ich für ein Wochenende zwecks Sightseeing nach Luxemburg gefahren, musste aber vor Ort feststellen, dass die Stadt ausgerechnet an diesem Wochenende fest im Griff des Tour de France-Wahnsinns war. Ich parkte also in besagtem Berchem, wanderte zu Fuß in die Stadt und fuhr abends mit dem Zug zurück nach Berchem. Schnell das GPS befragt: Von Perl nach Berchem waren es ... fast 19 Kilometer Luftlinie. Nach der „Pfad-Finder-Luft-Boden-Formel“ werden daraus auf dem Boden 25-30 km (Luftlinie * Faktor 4/3 bis Luftlinie * Faktor 3/2. Es wurden übrigens 28,0 km. Was soll man dazu sagen?

    Da ich spätestens um 15:03 in Berchem in den Zug steigen musste, um noch am gleichen Tag Berlin erreichen zu können, legte ich morgens in Perl recht sportlich gegen kurz vor neun Uhr ab. Es war gefühlt sehr kalt, vor allem weil es zur Mosel zunächst nur bergab ging. Schon bereute ich es, keine Handschuhe mitgenommen zu haben. Unten am Fluss wurde es aber schon merklich wärmer. In Schengen erinnern ein Denkmal und einige Schautafeln an die Unterzeichnung des Abkommens.



    Nach kurzer Lektüre ging es den Uferhang hoch und dann kreuz und quer durch die Weinberge. Hier bereute ich es, nicht die GPS-Konfigurationsdaten für das exotische luxemburgische Gitternetz mitgenommen zu haben. Die Wegmarkierungen im Gelände folgten nämlich nicht dem, was aus aus der Karte ersichtlich war. Und so richtig übersichtlich sind Weinberge ja nicht.

    Oberhalb von Remerschen erreicht ich schließlich den Ausgangspunkt für meinen Sprint nach Berchem.
    Das erste Stück deckte er sich mit dem GR5. Aber dann wollte ich eine etwas geradlinigere Route verfolgen, um mein ambitioniertes Zeitziel nicht zu reißen: Elvange-Ellange-Dalheim-Filsdorf-Aspelt. Dann ein Stück „Feldweg“, bezeichnenderweise (?) bis zu einer Siedlung namens „Schlammesté“. Wobei man beim Letzeburgischen ja nie weiß, ob sich da hinter vielleicht etwas ganz Anmutiges verbirgt. Es fällt mir auch schwer, etwas Sinnvolles in einen Gemarkungsnamen wie „Oudefiertzchen“ hineinzuinterpretieren. Und schließlich weiter über Roeser und Crauthem nach Berchem. Fertig!-- Der Tag würde eine massive Asphaltschlacht werden, das war klar. Aber welcher Art? Gab es straßenbegleitende Rad- und Fußwege? Falls nicht, wie dicht ist der Autoverkehr? Und vor allem: Wie sieht der „Feldweg“ in der Realität aus? Von Land zu Land gibt es da ja durchaus unterschiedliche Interpretationen.

    Aber zunächst erlebte ich eine Überraschung, als ich auf Ellange Gare stieß. Ein Bahnhof! Aber seit einigen Jahrzehnten ohne Bahn. Dafür wenigstens mit Denkmal.



    Der Autoverkehr entpuppte sich als erträglich, teilweise gab es Seitenstreifen. Überrascht war ich von der Dichte des Busnetzes und der Verbindungen. Auch wenn nur selten viele Leute drinsaßen. Außerhalb der Schülerverkehrszeiten ist der Bus eben Randgruppenverkehrsmittel, vor allem in einem Land, dessen Bürger keinen Grund haben, über irgendwelche Abgabenlasten zu stöhnen.

    Der Feldweg hatte es dann in sich. Es war ein Feldrand, in den ein Landrover oder irgendein anderer ernstzunehmender Geländewagen tiefe Kerben gegraben hatte. Das war es. Ich war vermutlich der erste Fußgänger seit Jahren dort.

    Schließlich erreichte ich Roeser, einen Ort vor Berchem, und hatte noch ganz gut Zeit übrig. Von einem Imbiss in dem nicht besonders luxuriös anmutenden Gasthof sah ich nach einem kurzen Blick auf die Speisekarte ab. Kaum ein Hauptgericht unter 60,- ... ja, Euro. Unfassbar.



    20 Minuten später erreichte ich Berchem. Fertig! Genau 150 km hatte ich in fünf Tagen zurückgelegt.

    Technische Daten: 28 km in 5h 45'.
    Keine Tiere.

    OT: Meine überaus delikate Fahrplan-Perlenschnur mit fünfmaligem Umsteigen und Umsteigezeiten von höchstens acht Minuten hielt übrigens wider eigenes Erwarten bis Berlin. Unfassbar!
    Zuletzt geändert von Pfad-Finder; 18.05.2016, 20:06.
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  • Werner Hohn
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    #2
    AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

    Ja, der Hunsrück. Wir sollten irgendwann ein Forums/Vereinstour dort machen. Immer nur bekannte Regionen oder Routen ist doch langweilig.

    ... In Hermeskeil gönnte ich mir das Hotel Jakobshof, eine gute Wahl für 41 Euro.
    Wenn ich die Verhältnisse da oben berücksichtige, die Zeit ist dort noch nicht so flott wie anderswo, könnte dass das Hotel sein, in dem ich mir vor fast 40 Jahren den ersten Vollrausch meines Lebens gegönnt habe. Wir waren auf Besuch da oben, und ich durfte mit den großen Jungs eine abendliche Runde machen. Ergebnis: siehe oben.

    Werner
    Zuletzt geändert von Werner Hohn; 09.07.2009, 10:28.
    .

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    • TimB
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      #3
      AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

      Bin dabei

      Ab nächste Woche werde ich mich auch auf den SHS begeben. Sollte eigentlich schon diese Woche passieren, musste die Tour aber leider Krankheitsbedingt verschieben.

      Schöner Bericht Pfad-Pfinder!
      newkey.de || discovery earth
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      • Wooki
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        #4
        AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

        Gut und lustig geschrieben. Danke

        Fast vor meiner Haustür...
        --

        Mal-raus...

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        • Biggi
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          • 06.09.2008
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          #5
          AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

          Adipöse Transferleistungsempfänger, soso.

          Nette Tour. Hast Du nur gepflegt übernachtet oder auch gezeltet?

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          • Pfad-Finder
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            #6
            AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

            Zitat von Biggi Beitrag anzeigen
            Nette Tour. Hast Du nur gepflegt übernachtet oder auch gezeltet?
            Gepflegt übernachtet. Natürlich nur wegen der Anheizung der Binnenkonjunktur.

            Im Ernst: Zeltgedöns kommt auf Solotouren nur mit, wenn es mir zusätzliche Freiheiten verschafft. Das ist imho im Hunsrück nicht der Fall. Eher verursacht es dort noch Stress mit Jägern o.ä.
            Außerdem hat spontane Unterkunftssuche (ich buche eigentlich nie im voraus!) auch einen ganz eigenen Erlebniswert. Und man bekommt Bodenkontakt mit den Einheimischen, woraus sich dann manchmal Honig für den Reisebericht saugen lässt.

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            • Biggi
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              • 06.09.2008
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              #7
              AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

              Ja, ich glaube Deine Meinung dazu zu kennen.

              Geht aber ganz schön auf´s Geld, oder? Und wohl dem, der immer noch eine Unterkunft findet.

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              • Pfad-Finder
                Freak

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                • 18.04.2008
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                #8
                AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

                Zitat von Biggi Beitrag anzeigen
                Geht aber ganz schön auf´s Geld, oder?
                Nagel mich nicht fest - aber es dürften so in der Summe 120-140 Euro gewesen sein. Hätte ich mit mehr Jugendherbergen auch noch auf 80 Euro drücken können. Das ist mir vier Kilo weniger Zeug zu schleppen wert.
                Übrigens: Der Schuhverschleiß auf 150 km kommt auf 35-50 Euro... (berechnet auf Basis "wie lange hält die Goretex-Membran"). Sage keiner, wir hätten ein billiges Hobby!

                Zitat von Biggi Beitrag anzeigen
                Und wohl dem, der immer noch eine Unterkunft findet.
                Ende April geht es ganz gut. Scheint irgendwie noch keiner mitbekommen zu haben, dass das Aprilwetter heutzutage eher auf den Mai fällt und umgekehrt.

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                • Gast-Avatar

                  #9
                  AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

                  guter Bericht Matthias, macht Freude zu lesen.
                  Ich muss mal wieder feststellen, dass "Reiseberichte" meine liebste Kategorie hier im forum ist!

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                  • November
                    Freak

                    Liebt das Forum
                    • 17.11.2006
                    • 11083
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

                    Pfadfinder, du bist einer meiner absoluten Lieblingsschreiber hier im Forum.

                    Dein Schreibstil sagt mir so zu, da lese ich alles mit großer Freude, sogar Berichte über den Hunsrück, von dem ich vor kurzem noch nicht einmal wußte, wo er genau liegt.
                    Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.

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                    • Pfad-Finder
                      Freak

                      Liebt das Forum
                      • 18.04.2008
                      • 11916
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

                      Zitat von november Beitrag anzeigen
                      ... Hunsrück, von dem ich vor kurzem noch nicht einmal wußte, wo er genau liegt.
                      Da bist Du ganz sicher nicht allein. Ich schätze mal, dass für 80 Prozent aller Deutschen Eifel und Pfälzerwald direkt aneinandergrenzen.

                      Ich habe mal bei Harald Schmidt eine tolle Lernbrücke gehört:

                      "Mosel, Nahe, Saar und Rhein
                      schließen rings den Hunsrück ein."

                      Besser kann man es nicht ausdrücken.

                      Pfad-Finder
                      Schutzgemeinschaft Grüne Schrankwand - "Wir nehmen nur das Nötigste mit"

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                      • stoeps
                        Dauerbesucher
                        • 03.07.2007
                        • 537

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [DE] Durch den Hunsrück nach Schengenland/April 2009

                        Schöne Tour, wunderbar launig geschrieben.

                        Danke.

                        stoeps
                        „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
                        ― John Muir

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