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Mitreisende | |
Land: Finnland/Norwegen
Reisezeit: Anfang April
Region/Kontinent: Nordeuropa
Sonntag, 1. April 2007: Anreise I
Essen – Düsseldorf – Kopenhagen - Helsinki
Der Mac ist bereits gestern Abend angereist, d. h. wir können halbwegs ausschlafen, bevor wir unsere Riesen-Rucksäcke (meiner fasst 130 l) mit der voluminösen Winterausrüstung zu Ende packen. Immerhin habe ich keine Skiausrüstung zu schleppen, nachdem ich nach dem Kauf eines Winterschlafsackes, eines VBL, einer dicken Daunenjacke, von Schneehäringen und diversen anderen „Kleinigkeiten“ beschlossen habe, mir die Skier erst mal nur auszuleihen.
Der Rucksack sieht einfach nur monströs aus, als ich ihn aufsetze, wiegt aber „nur“ etwa 20 kg. Ich erwarte mitleidige Blicke auf den Flughäfen – sieht ja keiner, dass Macs (etwas kleinerer) Rucksack ein wenig schwerer ist.
Mein Wagen ist ein launischer Franzose und verweigert bei miesem Wetter schon mal den Dienst. Vor ein paar Monaten habe ich im Elsass Hunderte von Höhenmetern gebraucht, um den Motor dazu zu bewegen, nicht mehr auszugehen. Sicherheitshalber nehmen wir Macs Wagen, um zum Flughafen zu kommen – der erste Tag unserer Reise ist also wenig abenteuerlich, zum Flug nach Kopenhagen gibt es ebenso wenig zu berichten, wie zum Anschlussflug nach Helsinki. Da gucken wir beim Abendessen zu, wie der Flughafen sich leert und die Geschäfte eins nach dem anderen schließen und suchen uns dann in der Technikidylle ein Plätzchen, um auf den Flug nach Rovaniemi zu warten, der erst am frühen Morgen losgeht. Was Ruhiges zu finden, ist kein Problem, aber es ist kühl und zieht wie Hechtsuppe. Ohne Liegematten und Schlafsäcke ist die Nacht nicht wirklich gemütlich, Mac vertreibt sich schon mal die Zeit mit seinem neuen Spielzeug, einer Kamera.
Montag, 2. April 2007: Anreise II
Helsinki – Rovaniemi – Kilpisjärvi Retkeilykeskus
Früh um halb 7 landen wir in Rovaniemi und nehmen den Bus zum Busbahnhof. Da kaufen wir die Tickets für den Bus nach Kilpisjärvi. Mac geht zum Bahnhof rüber und ersteht Schlafwagenkarten für den Nachtzug Rovaniemi – Helsinki, mit dem wir auf dem Rückweg eine weitere Übernachtung auf einem zugigen Flughafen vermeiden wollen, während ich mit dem Gepäck im Busbahnhof bleibe.
Um halb 9 fährt der Bus nach Kilpisjärvi ab und wir richten uns auf den vorderen Plätzen für die achtstündige Fahrt ein. Obwohl wir in der vergangenen Nacht kaum geschlafen haben, sind wir viel zu beschäftigt damit, dem Busfahrer beim Verteilen der mitgeführten Post und den Bäumen beim kleiner und weniger werden zuzugucken, als dass einer von uns auf den Gedanken an Schlaf käme. Außerdem machen wir uns Sorgen um die Schneelage: Im Internet stand zwar, dass in Kilpisjärvi etwa ein Meter liegen soll, aber am Straßenrand gibt es so gut wie keine Schneeberge.
An der Endstation können wir uns endlich versichern, dass ein Meter Schnee ganz sicher nicht übertrieben ist (die Straßen scheinen auf Dämmen gebaut zu sein) und mieten wir uns für zwei Nächte im Retkeilykeskus (das ist eins der beiden finnischen Worte, die ich bei dieser Reise gelernt habe) ein. Die Saunas sind an und damit steht fest, wie wir die nächste Stunde verbringen. Dann noch ein Abendessen in der Gaststube: Wir können uns nicht verkneifen, die teuerste Alternative, das Buffet, zu nehmen. Besonders der Fisch ist lecker. Und dann fallen wir endlich in die Betten.
Dienstag, 3. April 2007: Vorbereitungen vor Ort
Kilpisjärvi Retkeilykeskus – Kilpisjärvi Hauptort – Kilpisjärvi Retkeilykeskus
Nach dem Ausschlafen und einem ausgiebigen Frühstück leihen wir uns im Retkeilykeskus eine Skiausrüstung für mich aus. Der Betreiber kommt mit einem Paar schmaler Skier aus dem Lager und fragt mich dann, ob ich Erfahrung habe. Ich antworte strahlend „Klar! Vor gut 20 Jahren hab’ ich schon mal auf Langlaufskiern gestanden.“ Und er tauscht die extrem schnittigen Skier gegen ein Paar Madshus aus. Pah! Nicht, dass ich was gegen Madshus habe, aber die Situation war schon witzig.
Danach werfen wir uns in unsere – größtenteils selbstgebastelten – Powershieldklamotten. Meine Hose ist mindestens eine Nummer zu groß, weil ich so wenig Lust aufs Nähen hatte, dass ich zu faul zum Anprobieren war. Egal! Wozu gibt’s Gürtel?
Und dann machen wir uns – ich die Skier erst mal in der Hand – bei strahlendem Sonnenschein auf zum See, um nach Kilpisjärvi zu fahren und Brennstoff zu kaufen. Das Abenteuer beginnt für mich schon mit der Bindung. Das ist so 'ne moderne, bei der man sich nicht mehr bücken muss, sondern die man mit der Stockspitze öffnet. Ich brauche (zumindest in meiner Erinnerung) mindestens 'ne halbe Stunde, um meine Schuhe festzukriegen, weil ich verkante, weil Schnee die Bindung verstopft oder weil ich schlicht zu blöd bin. Mac hat Glück, dass das Wetter so gut ist, sonst wäre er in der Wartezeit sicher festgefroren.
Auf dem See ist eine supergut präparierte Loipe; eigentlich sind es sogar zwei Loipen mit einer Fläche zum Skaten dazwischen. Und meine Skier passen rein. Schon mal nicht schlecht für mich als Anfängerin.
Ich find’ ja, dass ich das gar nicht so schlecht mache – aber Mac hat auszusetzen, dass ich zu wenig „gleite“. „Gleiten“ find ich aber viel zu anstrengend und ziehe es weiter vor, meine Füße ein Stück weit anzuheben.
Nach ein paar km auf dem See klärt sich auf, warum ich nicht „gleiten“ mag: Unter meinen Wachsskiern sind etwa 10 cm Schnee, die durch den festen Schnee zu ziehen mir zu anstrengend ist. Inzwischen klebt auch unter Macs Schuppenskiern Schnee und wir bemühen uns alle paar hundert Meter darum, das Zeug wieder abzukriegen. Mit nur sehr kurzfristigem Erfolg. Es ist wohl einfach zu warm.
Heldenhaft schaffen wir trotzdem die 5 km bis Kilpisjärvi und stapfen in den Supermarkt. Gereinigtes Benzin gibt’s keins, aber wir kaufen leckeres getrocknetes Rentierfleisch, eine Fruchtgrütze (fürs Abendessen, wir wollen Milchreis kochen) und konkurrenzlos leichte (3 g) Holzlöffel. Benzin tanken wir an der Zapfsäule, als sich gerade mal eine Lücke zwischen den vielen Schneescootern, die hier überall rumknattern, ergibt. Und dann müssen wir natürlich das Café „besichtigen“.
Der Rückweg gestaltet sich wie der Hinweg; die Sonne strahlt, der Schnee klebt nach wie vor unter den Skiern, ab und zu begegnet uns ein anderer Skifahrer, in Norwegen siehts nach Schlechtwetter aus und in der Ferne knattern die Schneescooter. Und ich falle auch mit Rucksack kein einziges Mal (so hab’ ich’s jedenfalls in Erinnerung) hin.
Wir bestellen beim Betreiber des Retkeilykeskus für den nächsten Tag „die größte Pulka, die Sie haben“, tauschen die Skistöcke gegen längere aus und und monieren, dass meine Skier unpassend und nur noch fleckenhaft gewachst sind. Er empfiehlt Wachs in „Klebestreifenform“ („Das hält die Tour über.“) und bringt es auch auf. Den Rest packen wir in unser Tourgepäck. Dann bittet er uns darum, uns vor unserer Abreise ins Tourenbuch einzutragen und meint noch, dass das Wetter gut zu bleiben verspricht. Ach ja: Wir bekommen übrigens eine der einheitlich großen (bzw. kleinen) etwas beschädigten Pulken.
Danach Sauna, Abendessen (natürlich wieder das Buffet) und Bett.
Mittwoch, 4. April 2007: Aufbruch
Kilpisjärvi Retkeilykeskus – Kilpisjärvi Hauptort – irgendwo im Schnee nördlich des Sees Másetjávri
Nach ausgiebigem Frühstück – wir werden ja unglaubliche acht Tage auf diesen Luxus verzichten müssen - tragen wir ins Tourenbuch ein, dass wir heute „in Richtung Halti“ aufbrechen und am 12. April zurück kommen werden.
Die Tour auf den höchsten Berg Finnlands, der immerhin den höchsten Berg Norddeutschlands, den Brocken, um etliche Meter schlägt, ist mir von einer Mitarbeiterin der Touristeninformation vorgeschlagen worden, als ich telefonisch nach Routen in der Gegend gefragt habe. Sie sagte, die Strecke sei nicht markiert und eine gute Winterausrüstung Voraussetzung. Mac und ich sind uns allerdings noch immer nicht sicher, ob wir wirklich auf den Halti wollen. Auf der Karte gibt’s auch andere Strecken, die uns reizen und wir haben die Befürchtung, dass Ostern für viele Finnen der ideale Termin für eine Besteigung des nationalen Höhepunktes ist. Faul, wie wir sind, brechen wir erst mal in Richtung Halti auf und vertagen die Entscheidung über die endgültige Route auf später.
Dann werfen wir uns in Schale, packen Pulka und Rucksack, stopfen den Rest unserer Habe – einschließlich der Fruchtgrütze - in einen der Riesenrucksäcke, die wir für die Anreise verwendet haben, und deponieren den Kram im Lager der Herberge. Der „Herbergsvater“ bietet uns an, dass er die Saunas extra für uns schon am Mittag aufheizt, wenn wir vor 15 Uhr zurückkommen; wir müssen nur vorher anrufen und Bescheid sagen. Wenn wir allerdings am eingetragenen Rückkehrtermin nicht auftauchen, wird er die Bergwacht alarmieren. Nach einigen Tagen im Schnee ist Sauna sicher toll – wir sind sehr erfreut ob des großzügigen Angebots.
Als wir draußen unsere Skier unter den Arm klemmen und los wollen, macht er noch ein Photo von uns und ich komme mir wie ein Polarforscher beim Aufbruch ins große Ungewisse vor – aber eigentlich wollen wir ja nur einen kleinen Ausflug in die Umgebung machen. Oder ist das hier doch etwas mehr? Ich bin wirr.
Mac schnallt sich die Pulka an, ich setze mir den Rucksack auf und wir machen uns auf den Weg. Die 45 l sind angenehm zu tragen und ich bin froh darüber, dass nicht ich die Pulka ziehen muss. Der Himmel ist heute nicht so blau wie gestern, es schneit leicht. Auf dem See sind weniger Leute unterwegs und die Loipe ist nicht erneuert worden, aber wir kommen auch mit Gepäck ganz gut voran. Immerhin pappt der Schnee heute nicht so fies wie gestern an den Skiern. Im Hauptort kann ich den Mac mit dem Argument, dass wir im Café unsere dummerweise leer mitgenommenen Wasserflaschen mit heißem Wasser füllen könnten, davon überzeugen, noch einen Zwischenstopp einzulegen. Und dann biegen wir in die „Berge“ ab. Von „nicht markiert“ kann allerdings keine Rede sein: Alle 50 m steckt ein Stab im Schnee – und neben den Stäben ist eine ausgeprägte Scooterspur. Ab und zu kommt uns auch eins dieser Gefährte entgegen oder überholt uns, aber außer akustischer Belästigung bringt das keine Nachteile, die Fahrer nehmen Rücksicht auf uns und machen einen Bogen.
An einem See gabelt sich die Spur und ich wäre wohl in meiner Freude darüber, endlich keine Steigung mehr bewältigen zu müssen, meinem Impuls, die ausgeprägtere zu wählen, einfach gefolgt, wenn nicht Mac Karte und Kompass gezückt und nachgesehen hätte. So aber folgen wir der unauffälligeren Spur und begegnen nur noch sehr selten einem dieser stinkenden, lärmenden Monster.
Ohne Spur ist Skifahren aber doch ein wenig anstrengender, lerne ich heute. Außerdem geht’s nach dem See wieder bergauf. Schnee weht uns um die Ohren, die Sicht wird schlechter – und irgendwie will das Dröhnen der Scootermotoren nicht weniger werden. Die Elite der Scooterfahrer scheint sich in einer entfernten Ecke des Sees getroffen zu haben, um da einen Wettbewerb „Wer kann das Standgas am lautesten aufheulen lassen?“ abzuhalten.
Die Bäume werden spärlicher und ich plädiere dafür, möglichst noch in deren Bereich das Zelt aufzustellen. Aber schlussendlich gewinnt Mac die Diskussion mit dem Argument, dass etwas höher das Aufheulen der Motoren nicht ganz so nervig laut ist und wir stellen unser Zelt trotz des stürmischen Windes oberhalb der Baumgrenze auf. Die Stangen gleiten wegen der Kälte nicht sonderlich gut in die Kanäle und die Gummis sind mal wieder viel zu labberig und lang, aber Mac hat inzwischen Routine und es dauert nicht lange, bis unsere Behausung steht. Dann entläd Mac die Pulka, schaufelt Schnee auf die Snowflaps und stellt hinter dem Zelt den Kocher auf, während ich im angenehm windstillen Zelt die Downmats aufpumpe, die Daunenmonster auspacke und die restlichen Sachen gleichmäßig verteile. Das Schnee schmelzen dauert seine Zeit. Wir vertrödeln sie warm eingepackt im Zelt und nur ab und zu pellt sich einer aus der warmen Hülle, um Schnee nach- und Wasser umzufüllen bzw. das Fertigfutter ins heiße Wasser zu schütten. So lange ich meine Füße nicht in die eigens gekauften Nordisk-Daunenstiefel stecke, habe ich nicht mal Probleme mit kalten Füßen. Die Innensohle der Dinger find’ ich unerträglich kalt und sie werden für den Rest der Tour den „umsonst mitgeschleppt-Sachen“ zugeordnet.
Die romantische Vorstellung, im Schnee sitzend fern ab der Zivilisation den Sternenhimmel zu bewundern, begraben wir wegen des Schneefalls für heute, aber irgendwie vergeht der Abend auch mit so banalen Dingen wie „Fertignudeln aus dem Topf löffeln“ und der Frage „Was treibt einen dazu, den Motor seines Snowscooters mit anderen um die Wette aufheulen zu lassen?“ durchaus angenehm.
(Die Fortsetzung steht weiter unten.)
Reisezeit: Anfang April
Region/Kontinent: Nordeuropa
Sonntag, 1. April 2007: Anreise I
Essen – Düsseldorf – Kopenhagen - Helsinki
Der Mac ist bereits gestern Abend angereist, d. h. wir können halbwegs ausschlafen, bevor wir unsere Riesen-Rucksäcke (meiner fasst 130 l) mit der voluminösen Winterausrüstung zu Ende packen. Immerhin habe ich keine Skiausrüstung zu schleppen, nachdem ich nach dem Kauf eines Winterschlafsackes, eines VBL, einer dicken Daunenjacke, von Schneehäringen und diversen anderen „Kleinigkeiten“ beschlossen habe, mir die Skier erst mal nur auszuleihen.
Der Rucksack sieht einfach nur monströs aus, als ich ihn aufsetze, wiegt aber „nur“ etwa 20 kg. Ich erwarte mitleidige Blicke auf den Flughäfen – sieht ja keiner, dass Macs (etwas kleinerer) Rucksack ein wenig schwerer ist.
Mein Wagen ist ein launischer Franzose und verweigert bei miesem Wetter schon mal den Dienst. Vor ein paar Monaten habe ich im Elsass Hunderte von Höhenmetern gebraucht, um den Motor dazu zu bewegen, nicht mehr auszugehen. Sicherheitshalber nehmen wir Macs Wagen, um zum Flughafen zu kommen – der erste Tag unserer Reise ist also wenig abenteuerlich, zum Flug nach Kopenhagen gibt es ebenso wenig zu berichten, wie zum Anschlussflug nach Helsinki. Da gucken wir beim Abendessen zu, wie der Flughafen sich leert und die Geschäfte eins nach dem anderen schließen und suchen uns dann in der Technikidylle ein Plätzchen, um auf den Flug nach Rovaniemi zu warten, der erst am frühen Morgen losgeht. Was Ruhiges zu finden, ist kein Problem, aber es ist kühl und zieht wie Hechtsuppe. Ohne Liegematten und Schlafsäcke ist die Nacht nicht wirklich gemütlich, Mac vertreibt sich schon mal die Zeit mit seinem neuen Spielzeug, einer Kamera.
Montag, 2. April 2007: Anreise II
Helsinki – Rovaniemi – Kilpisjärvi Retkeilykeskus
Früh um halb 7 landen wir in Rovaniemi und nehmen den Bus zum Busbahnhof. Da kaufen wir die Tickets für den Bus nach Kilpisjärvi. Mac geht zum Bahnhof rüber und ersteht Schlafwagenkarten für den Nachtzug Rovaniemi – Helsinki, mit dem wir auf dem Rückweg eine weitere Übernachtung auf einem zugigen Flughafen vermeiden wollen, während ich mit dem Gepäck im Busbahnhof bleibe.
Um halb 9 fährt der Bus nach Kilpisjärvi ab und wir richten uns auf den vorderen Plätzen für die achtstündige Fahrt ein. Obwohl wir in der vergangenen Nacht kaum geschlafen haben, sind wir viel zu beschäftigt damit, dem Busfahrer beim Verteilen der mitgeführten Post und den Bäumen beim kleiner und weniger werden zuzugucken, als dass einer von uns auf den Gedanken an Schlaf käme. Außerdem machen wir uns Sorgen um die Schneelage: Im Internet stand zwar, dass in Kilpisjärvi etwa ein Meter liegen soll, aber am Straßenrand gibt es so gut wie keine Schneeberge.
An der Endstation können wir uns endlich versichern, dass ein Meter Schnee ganz sicher nicht übertrieben ist (die Straßen scheinen auf Dämmen gebaut zu sein) und mieten wir uns für zwei Nächte im Retkeilykeskus (das ist eins der beiden finnischen Worte, die ich bei dieser Reise gelernt habe) ein. Die Saunas sind an und damit steht fest, wie wir die nächste Stunde verbringen. Dann noch ein Abendessen in der Gaststube: Wir können uns nicht verkneifen, die teuerste Alternative, das Buffet, zu nehmen. Besonders der Fisch ist lecker. Und dann fallen wir endlich in die Betten.
Dienstag, 3. April 2007: Vorbereitungen vor Ort
Kilpisjärvi Retkeilykeskus – Kilpisjärvi Hauptort – Kilpisjärvi Retkeilykeskus
Nach dem Ausschlafen und einem ausgiebigen Frühstück leihen wir uns im Retkeilykeskus eine Skiausrüstung für mich aus. Der Betreiber kommt mit einem Paar schmaler Skier aus dem Lager und fragt mich dann, ob ich Erfahrung habe. Ich antworte strahlend „Klar! Vor gut 20 Jahren hab’ ich schon mal auf Langlaufskiern gestanden.“ Und er tauscht die extrem schnittigen Skier gegen ein Paar Madshus aus. Pah! Nicht, dass ich was gegen Madshus habe, aber die Situation war schon witzig.
Danach werfen wir uns in unsere – größtenteils selbstgebastelten – Powershieldklamotten. Meine Hose ist mindestens eine Nummer zu groß, weil ich so wenig Lust aufs Nähen hatte, dass ich zu faul zum Anprobieren war. Egal! Wozu gibt’s Gürtel?
Und dann machen wir uns – ich die Skier erst mal in der Hand – bei strahlendem Sonnenschein auf zum See, um nach Kilpisjärvi zu fahren und Brennstoff zu kaufen. Das Abenteuer beginnt für mich schon mit der Bindung. Das ist so 'ne moderne, bei der man sich nicht mehr bücken muss, sondern die man mit der Stockspitze öffnet. Ich brauche (zumindest in meiner Erinnerung) mindestens 'ne halbe Stunde, um meine Schuhe festzukriegen, weil ich verkante, weil Schnee die Bindung verstopft oder weil ich schlicht zu blöd bin. Mac hat Glück, dass das Wetter so gut ist, sonst wäre er in der Wartezeit sicher festgefroren.
Auf dem See ist eine supergut präparierte Loipe; eigentlich sind es sogar zwei Loipen mit einer Fläche zum Skaten dazwischen. Und meine Skier passen rein. Schon mal nicht schlecht für mich als Anfängerin.
Ich find’ ja, dass ich das gar nicht so schlecht mache – aber Mac hat auszusetzen, dass ich zu wenig „gleite“. „Gleiten“ find ich aber viel zu anstrengend und ziehe es weiter vor, meine Füße ein Stück weit anzuheben.
Nach ein paar km auf dem See klärt sich auf, warum ich nicht „gleiten“ mag: Unter meinen Wachsskiern sind etwa 10 cm Schnee, die durch den festen Schnee zu ziehen mir zu anstrengend ist. Inzwischen klebt auch unter Macs Schuppenskiern Schnee und wir bemühen uns alle paar hundert Meter darum, das Zeug wieder abzukriegen. Mit nur sehr kurzfristigem Erfolg. Es ist wohl einfach zu warm.
Heldenhaft schaffen wir trotzdem die 5 km bis Kilpisjärvi und stapfen in den Supermarkt. Gereinigtes Benzin gibt’s keins, aber wir kaufen leckeres getrocknetes Rentierfleisch, eine Fruchtgrütze (fürs Abendessen, wir wollen Milchreis kochen) und konkurrenzlos leichte (3 g) Holzlöffel. Benzin tanken wir an der Zapfsäule, als sich gerade mal eine Lücke zwischen den vielen Schneescootern, die hier überall rumknattern, ergibt. Und dann müssen wir natürlich das Café „besichtigen“.
Der Rückweg gestaltet sich wie der Hinweg; die Sonne strahlt, der Schnee klebt nach wie vor unter den Skiern, ab und zu begegnet uns ein anderer Skifahrer, in Norwegen siehts nach Schlechtwetter aus und in der Ferne knattern die Schneescooter. Und ich falle auch mit Rucksack kein einziges Mal (so hab’ ich’s jedenfalls in Erinnerung) hin.
Wir bestellen beim Betreiber des Retkeilykeskus für den nächsten Tag „die größte Pulka, die Sie haben“, tauschen die Skistöcke gegen längere aus und und monieren, dass meine Skier unpassend und nur noch fleckenhaft gewachst sind. Er empfiehlt Wachs in „Klebestreifenform“ („Das hält die Tour über.“) und bringt es auch auf. Den Rest packen wir in unser Tourgepäck. Dann bittet er uns darum, uns vor unserer Abreise ins Tourenbuch einzutragen und meint noch, dass das Wetter gut zu bleiben verspricht. Ach ja: Wir bekommen übrigens eine der einheitlich großen (bzw. kleinen) etwas beschädigten Pulken.
Danach Sauna, Abendessen (natürlich wieder das Buffet) und Bett.
Mittwoch, 4. April 2007: Aufbruch
Kilpisjärvi Retkeilykeskus – Kilpisjärvi Hauptort – irgendwo im Schnee nördlich des Sees Másetjávri
Nach ausgiebigem Frühstück – wir werden ja unglaubliche acht Tage auf diesen Luxus verzichten müssen - tragen wir ins Tourenbuch ein, dass wir heute „in Richtung Halti“ aufbrechen und am 12. April zurück kommen werden.
Die Tour auf den höchsten Berg Finnlands, der immerhin den höchsten Berg Norddeutschlands, den Brocken, um etliche Meter schlägt, ist mir von einer Mitarbeiterin der Touristeninformation vorgeschlagen worden, als ich telefonisch nach Routen in der Gegend gefragt habe. Sie sagte, die Strecke sei nicht markiert und eine gute Winterausrüstung Voraussetzung. Mac und ich sind uns allerdings noch immer nicht sicher, ob wir wirklich auf den Halti wollen. Auf der Karte gibt’s auch andere Strecken, die uns reizen und wir haben die Befürchtung, dass Ostern für viele Finnen der ideale Termin für eine Besteigung des nationalen Höhepunktes ist. Faul, wie wir sind, brechen wir erst mal in Richtung Halti auf und vertagen die Entscheidung über die endgültige Route auf später.
Dann werfen wir uns in Schale, packen Pulka und Rucksack, stopfen den Rest unserer Habe – einschließlich der Fruchtgrütze - in einen der Riesenrucksäcke, die wir für die Anreise verwendet haben, und deponieren den Kram im Lager der Herberge. Der „Herbergsvater“ bietet uns an, dass er die Saunas extra für uns schon am Mittag aufheizt, wenn wir vor 15 Uhr zurückkommen; wir müssen nur vorher anrufen und Bescheid sagen. Wenn wir allerdings am eingetragenen Rückkehrtermin nicht auftauchen, wird er die Bergwacht alarmieren. Nach einigen Tagen im Schnee ist Sauna sicher toll – wir sind sehr erfreut ob des großzügigen Angebots.
Als wir draußen unsere Skier unter den Arm klemmen und los wollen, macht er noch ein Photo von uns und ich komme mir wie ein Polarforscher beim Aufbruch ins große Ungewisse vor – aber eigentlich wollen wir ja nur einen kleinen Ausflug in die Umgebung machen. Oder ist das hier doch etwas mehr? Ich bin wirr.
Mac schnallt sich die Pulka an, ich setze mir den Rucksack auf und wir machen uns auf den Weg. Die 45 l sind angenehm zu tragen und ich bin froh darüber, dass nicht ich die Pulka ziehen muss. Der Himmel ist heute nicht so blau wie gestern, es schneit leicht. Auf dem See sind weniger Leute unterwegs und die Loipe ist nicht erneuert worden, aber wir kommen auch mit Gepäck ganz gut voran. Immerhin pappt der Schnee heute nicht so fies wie gestern an den Skiern. Im Hauptort kann ich den Mac mit dem Argument, dass wir im Café unsere dummerweise leer mitgenommenen Wasserflaschen mit heißem Wasser füllen könnten, davon überzeugen, noch einen Zwischenstopp einzulegen. Und dann biegen wir in die „Berge“ ab. Von „nicht markiert“ kann allerdings keine Rede sein: Alle 50 m steckt ein Stab im Schnee – und neben den Stäben ist eine ausgeprägte Scooterspur. Ab und zu kommt uns auch eins dieser Gefährte entgegen oder überholt uns, aber außer akustischer Belästigung bringt das keine Nachteile, die Fahrer nehmen Rücksicht auf uns und machen einen Bogen.
An einem See gabelt sich die Spur und ich wäre wohl in meiner Freude darüber, endlich keine Steigung mehr bewältigen zu müssen, meinem Impuls, die ausgeprägtere zu wählen, einfach gefolgt, wenn nicht Mac Karte und Kompass gezückt und nachgesehen hätte. So aber folgen wir der unauffälligeren Spur und begegnen nur noch sehr selten einem dieser stinkenden, lärmenden Monster.
Ohne Spur ist Skifahren aber doch ein wenig anstrengender, lerne ich heute. Außerdem geht’s nach dem See wieder bergauf. Schnee weht uns um die Ohren, die Sicht wird schlechter – und irgendwie will das Dröhnen der Scootermotoren nicht weniger werden. Die Elite der Scooterfahrer scheint sich in einer entfernten Ecke des Sees getroffen zu haben, um da einen Wettbewerb „Wer kann das Standgas am lautesten aufheulen lassen?“ abzuhalten.
Die Bäume werden spärlicher und ich plädiere dafür, möglichst noch in deren Bereich das Zelt aufzustellen. Aber schlussendlich gewinnt Mac die Diskussion mit dem Argument, dass etwas höher das Aufheulen der Motoren nicht ganz so nervig laut ist und wir stellen unser Zelt trotz des stürmischen Windes oberhalb der Baumgrenze auf. Die Stangen gleiten wegen der Kälte nicht sonderlich gut in die Kanäle und die Gummis sind mal wieder viel zu labberig und lang, aber Mac hat inzwischen Routine und es dauert nicht lange, bis unsere Behausung steht. Dann entläd Mac die Pulka, schaufelt Schnee auf die Snowflaps und stellt hinter dem Zelt den Kocher auf, während ich im angenehm windstillen Zelt die Downmats aufpumpe, die Daunenmonster auspacke und die restlichen Sachen gleichmäßig verteile. Das Schnee schmelzen dauert seine Zeit. Wir vertrödeln sie warm eingepackt im Zelt und nur ab und zu pellt sich einer aus der warmen Hülle, um Schnee nach- und Wasser umzufüllen bzw. das Fertigfutter ins heiße Wasser zu schütten. So lange ich meine Füße nicht in die eigens gekauften Nordisk-Daunenstiefel stecke, habe ich nicht mal Probleme mit kalten Füßen. Die Innensohle der Dinger find’ ich unerträglich kalt und sie werden für den Rest der Tour den „umsonst mitgeschleppt-Sachen“ zugeordnet.
Die romantische Vorstellung, im Schnee sitzend fern ab der Zivilisation den Sternenhimmel zu bewundern, begraben wir wegen des Schneefalls für heute, aber irgendwie vergeht der Abend auch mit so banalen Dingen wie „Fertignudeln aus dem Topf löffeln“ und der Frage „Was treibt einen dazu, den Motor seines Snowscooters mit anderen um die Wette aufheulen zu lassen?“ durchaus angenehm.
(Die Fortsetzung steht weiter unten.)
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