[FI/NO] Kilpisjärvi zu Ostern

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  • wesen
    Fuchs
    • 16.02.2005
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    • Meine Reisen

    [FI/NO] Kilpisjärvi zu Ostern

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Land: Finnland/Norwegen
    Reisezeit: Anfang April
    Region/Kontinent: Nordeuropa


    Sonntag, 1. April 2007: Anreise I
    Essen – Düsseldorf – Kopenhagen - Helsinki


    Der Mac ist bereits gestern Abend angereist, d. h. wir können halbwegs ausschlafen, bevor wir unsere Riesen-Rucksäcke (meiner fasst 130 l) mit der voluminösen Winterausrüstung zu Ende packen. Immerhin habe ich keine Skiausrüstung zu schleppen, nachdem ich nach dem Kauf eines Winterschlafsackes, eines VBL, einer dicken Daunenjacke, von Schneehäringen und diversen anderen „Kleinigkeiten“ beschlossen habe, mir die Skier erst mal nur auszuleihen.
    Der Rucksack sieht einfach nur monströs aus, als ich ihn aufsetze, wiegt aber „nur“ etwa 20 kg. Ich erwarte mitleidige Blicke auf den Flughäfen – sieht ja keiner, dass Macs (etwas kleinerer) Rucksack ein wenig schwerer ist.
    Mein Wagen ist ein launischer Franzose und verweigert bei miesem Wetter schon mal den Dienst. Vor ein paar Monaten habe ich im Elsass Hunderte von Höhenmetern gebraucht, um den Motor dazu zu bewegen, nicht mehr auszugehen. Sicherheitshalber nehmen wir Macs Wagen, um zum Flughafen zu kommen – der erste Tag unserer Reise ist also wenig abenteuerlich, zum Flug nach Kopenhagen gibt es ebenso wenig zu berichten, wie zum Anschlussflug nach Helsinki. Da gucken wir beim Abendessen zu, wie der Flughafen sich leert und die Geschäfte eins nach dem anderen schließen und suchen uns dann in der Technikidylle ein Plätzchen, um auf den Flug nach Rovaniemi zu warten, der erst am frühen Morgen losgeht. Was Ruhiges zu finden, ist kein Problem, aber es ist kühl und zieht wie Hechtsuppe. Ohne Liegematten und Schlafsäcke ist die Nacht nicht wirklich gemütlich, Mac vertreibt sich schon mal die Zeit mit seinem neuen Spielzeug, einer Kamera.




    Montag, 2. April 2007: Anreise II
    Helsinki – Rovaniemi – Kilpisjärvi Retkeilykeskus


    Früh um halb 7 landen wir in Rovaniemi und nehmen den Bus zum Busbahnhof. Da kaufen wir die Tickets für den Bus nach Kilpisjärvi. Mac geht zum Bahnhof rüber und ersteht Schlafwagenkarten für den Nachtzug Rovaniemi – Helsinki, mit dem wir auf dem Rückweg eine weitere Übernachtung auf einem zugigen Flughafen vermeiden wollen, während ich mit dem Gepäck im Busbahnhof bleibe.
    Um halb 9 fährt der Bus nach Kilpisjärvi ab und wir richten uns auf den vorderen Plätzen für die achtstündige Fahrt ein. Obwohl wir in der vergangenen Nacht kaum geschlafen haben, sind wir viel zu beschäftigt damit, dem Busfahrer beim Verteilen der mitgeführten Post und den Bäumen beim kleiner und weniger werden zuzugucken, als dass einer von uns auf den Gedanken an Schlaf käme. Außerdem machen wir uns Sorgen um die Schneelage: Im Internet stand zwar, dass in Kilpisjärvi etwa ein Meter liegen soll, aber am Straßenrand gibt es so gut wie keine Schneeberge.
    An der Endstation können wir uns endlich versichern, dass ein Meter Schnee ganz sicher nicht übertrieben ist (die Straßen scheinen auf Dämmen gebaut zu sein) und mieten wir uns für zwei Nächte im Retkeilykeskus (das ist eins der beiden finnischen Worte, die ich bei dieser Reise gelernt habe) ein. Die Saunas sind an und damit steht fest, wie wir die nächste Stunde verbringen. Dann noch ein Abendessen in der Gaststube: Wir können uns nicht verkneifen, die teuerste Alternative, das Buffet, zu nehmen. Besonders der Fisch ist lecker. Und dann fallen wir endlich in die Betten.


    Dienstag, 3. April 2007: Vorbereitungen vor Ort
    Kilpisjärvi Retkeilykeskus – Kilpisjärvi Hauptort – Kilpisjärvi Retkeilykeskus


    Nach dem Ausschlafen und einem ausgiebigen Frühstück leihen wir uns im Retkeilykeskus eine Skiausrüstung für mich aus. Der Betreiber kommt mit einem Paar schmaler Skier aus dem Lager und fragt mich dann, ob ich Erfahrung habe. Ich antworte strahlend „Klar! Vor gut 20 Jahren hab’ ich schon mal auf Langlaufskiern gestanden.“ Und er tauscht die extrem schnittigen Skier gegen ein Paar Madshus aus. Pah! Nicht, dass ich was gegen Madshus habe, aber die Situation war schon witzig.
    Danach werfen wir uns in unsere – größtenteils selbstgebastelten – Powershieldklamotten. Meine Hose ist mindestens eine Nummer zu groß, weil ich so wenig Lust aufs Nähen hatte, dass ich zu faul zum Anprobieren war. Egal! Wozu gibt’s Gürtel?
    Und dann machen wir uns – ich die Skier erst mal in der Hand – bei strahlendem Sonnenschein auf zum See, um nach Kilpisjärvi zu fahren und Brennstoff zu kaufen. Das Abenteuer beginnt für mich schon mit der Bindung. Das ist so 'ne moderne, bei der man sich nicht mehr bücken muss, sondern die man mit der Stockspitze öffnet. Ich brauche (zumindest in meiner Erinnerung) mindestens 'ne halbe Stunde, um meine Schuhe festzukriegen, weil ich verkante, weil Schnee die Bindung verstopft oder weil ich schlicht zu blöd bin. Mac hat Glück, dass das Wetter so gut ist, sonst wäre er in der Wartezeit sicher festgefroren.
    Auf dem See ist eine supergut präparierte Loipe; eigentlich sind es sogar zwei Loipen mit einer Fläche zum Skaten dazwischen. Und meine Skier passen rein. Schon mal nicht schlecht für mich als Anfängerin.



    Ich find’ ja, dass ich das gar nicht so schlecht mache – aber Mac hat auszusetzen, dass ich zu wenig „gleite“. „Gleiten“ find ich aber viel zu anstrengend und ziehe es weiter vor, meine Füße ein Stück weit anzuheben.
    Nach ein paar km auf dem See klärt sich auf, warum ich nicht „gleiten“ mag: Unter meinen Wachsskiern sind etwa 10 cm Schnee, die durch den festen Schnee zu ziehen mir zu anstrengend ist. Inzwischen klebt auch unter Macs Schuppenskiern Schnee und wir bemühen uns alle paar hundert Meter darum, das Zeug wieder abzukriegen. Mit nur sehr kurzfristigem Erfolg. Es ist wohl einfach zu warm.
    Heldenhaft schaffen wir trotzdem die 5 km bis Kilpisjärvi und stapfen in den Supermarkt. Gereinigtes Benzin gibt’s keins, aber wir kaufen leckeres getrocknetes Rentierfleisch, eine Fruchtgrütze (fürs Abendessen, wir wollen Milchreis kochen) und konkurrenzlos leichte (3 g) Holzlöffel. Benzin tanken wir an der Zapfsäule, als sich gerade mal eine Lücke zwischen den vielen Schneescootern, die hier überall rumknattern, ergibt. Und dann müssen wir natürlich das Café „besichtigen“.
    Der Rückweg gestaltet sich wie der Hinweg; die Sonne strahlt, der Schnee klebt nach wie vor unter den Skiern, ab und zu begegnet uns ein anderer Skifahrer, in Norwegen siehts nach Schlechtwetter aus und in der Ferne knattern die Schneescooter. Und ich falle auch mit Rucksack kein einziges Mal (so hab’ ich’s jedenfalls in Erinnerung) hin.



    Wir bestellen beim Betreiber des Retkeilykeskus für den nächsten Tag „die größte Pulka, die Sie haben“, tauschen die Skistöcke gegen längere aus und und monieren, dass meine Skier unpassend und nur noch fleckenhaft gewachst sind. Er empfiehlt Wachs in „Klebestreifenform“ („Das hält die Tour über.“) und bringt es auch auf. Den Rest packen wir in unser Tourgepäck. Dann bittet er uns darum, uns vor unserer Abreise ins Tourenbuch einzutragen und meint noch, dass das Wetter gut zu bleiben verspricht. Ach ja: Wir bekommen übrigens eine der einheitlich großen (bzw. kleinen) etwas beschädigten Pulken.
    Danach Sauna, Abendessen (natürlich wieder das Buffet) und Bett.


    Mittwoch, 4. April 2007: Aufbruch
    Kilpisjärvi Retkeilykeskus – Kilpisjärvi Hauptort – irgendwo im Schnee nördlich des Sees Másetjávri


    Nach ausgiebigem Frühstück – wir werden ja unglaubliche acht Tage auf diesen Luxus verzichten müssen - tragen wir ins Tourenbuch ein, dass wir heute „in Richtung Halti“ aufbrechen und am 12. April zurück kommen werden.
    Die Tour auf den höchsten Berg Finnlands, der immerhin den höchsten Berg Norddeutschlands, den Brocken, um etliche Meter schlägt, ist mir von einer Mitarbeiterin der Touristeninformation vorgeschlagen worden, als ich telefonisch nach Routen in der Gegend gefragt habe. Sie sagte, die Strecke sei nicht markiert und eine gute Winterausrüstung Voraussetzung. Mac und ich sind uns allerdings noch immer nicht sicher, ob wir wirklich auf den Halti wollen. Auf der Karte gibt’s auch andere Strecken, die uns reizen und wir haben die Befürchtung, dass Ostern für viele Finnen der ideale Termin für eine Besteigung des nationalen Höhepunktes ist. Faul, wie wir sind, brechen wir erst mal in Richtung Halti auf und vertagen die Entscheidung über die endgültige Route auf später.
    Dann werfen wir uns in Schale, packen Pulka und Rucksack, stopfen den Rest unserer Habe – einschließlich der Fruchtgrütze - in einen der Riesenrucksäcke, die wir für die Anreise verwendet haben, und deponieren den Kram im Lager der Herberge. Der „Herbergsvater“ bietet uns an, dass er die Saunas extra für uns schon am Mittag aufheizt, wenn wir vor 15 Uhr zurückkommen; wir müssen nur vorher anrufen und Bescheid sagen. Wenn wir allerdings am eingetragenen Rückkehrtermin nicht auftauchen, wird er die Bergwacht alarmieren. Nach einigen Tagen im Schnee ist Sauna sicher toll – wir sind sehr erfreut ob des großzügigen Angebots.
    Als wir draußen unsere Skier unter den Arm klemmen und los wollen, macht er noch ein Photo von uns und ich komme mir wie ein Polarforscher beim Aufbruch ins große Ungewisse vor – aber eigentlich wollen wir ja nur einen kleinen Ausflug in die Umgebung machen. Oder ist das hier doch etwas mehr? Ich bin wirr.
    Mac schnallt sich die Pulka an, ich setze mir den Rucksack auf und wir machen uns auf den Weg. Die 45 l sind angenehm zu tragen und ich bin froh darüber, dass nicht ich die Pulka ziehen muss. Der Himmel ist heute nicht so blau wie gestern, es schneit leicht. Auf dem See sind weniger Leute unterwegs und die Loipe ist nicht erneuert worden, aber wir kommen auch mit Gepäck ganz gut voran. Immerhin pappt der Schnee heute nicht so fies wie gestern an den Skiern. Im Hauptort kann ich den Mac mit dem Argument, dass wir im Café unsere dummerweise leer mitgenommenen Wasserflaschen mit heißem Wasser füllen könnten, davon überzeugen, noch einen Zwischenstopp einzulegen. Und dann biegen wir in die „Berge“ ab. Von „nicht markiert“ kann allerdings keine Rede sein: Alle 50 m steckt ein Stab im Schnee – und neben den Stäben ist eine ausgeprägte Scooterspur. Ab und zu kommt uns auch eins dieser Gefährte entgegen oder überholt uns, aber außer akustischer Belästigung bringt das keine Nachteile, die Fahrer nehmen Rücksicht auf uns und machen einen Bogen.
    An einem See gabelt sich die Spur und ich wäre wohl in meiner Freude darüber, endlich keine Steigung mehr bewältigen zu müssen, meinem Impuls, die ausgeprägtere zu wählen, einfach gefolgt, wenn nicht Mac Karte und Kompass gezückt und nachgesehen hätte. So aber folgen wir der unauffälligeren Spur und begegnen nur noch sehr selten einem dieser stinkenden, lärmenden Monster.
    Ohne Spur ist Skifahren aber doch ein wenig anstrengender, lerne ich heute. Außerdem geht’s nach dem See wieder bergauf. Schnee weht uns um die Ohren, die Sicht wird schlechter – und irgendwie will das Dröhnen der Scootermotoren nicht weniger werden. Die Elite der Scooterfahrer scheint sich in einer entfernten Ecke des Sees getroffen zu haben, um da einen Wettbewerb „Wer kann das Standgas am lautesten aufheulen lassen?“ abzuhalten.



    Die Bäume werden spärlicher und ich plädiere dafür, möglichst noch in deren Bereich das Zelt aufzustellen. Aber schlussendlich gewinnt Mac die Diskussion mit dem Argument, dass etwas höher das Aufheulen der Motoren nicht ganz so nervig laut ist und wir stellen unser Zelt trotz des stürmischen Windes oberhalb der Baumgrenze auf. Die Stangen gleiten wegen der Kälte nicht sonderlich gut in die Kanäle und die Gummis sind mal wieder viel zu labberig und lang, aber Mac hat inzwischen Routine und es dauert nicht lange, bis unsere Behausung steht. Dann entläd Mac die Pulka, schaufelt Schnee auf die Snowflaps und stellt hinter dem Zelt den Kocher auf, während ich im angenehm windstillen Zelt die Downmats aufpumpe, die Daunenmonster auspacke und die restlichen Sachen gleichmäßig verteile. Das Schnee schmelzen dauert seine Zeit. Wir vertrödeln sie warm eingepackt im Zelt und nur ab und zu pellt sich einer aus der warmen Hülle, um Schnee nach- und Wasser umzufüllen bzw. das Fertigfutter ins heiße Wasser zu schütten. So lange ich meine Füße nicht in die eigens gekauften Nordisk-Daunenstiefel stecke, habe ich nicht mal Probleme mit kalten Füßen. Die Innensohle der Dinger find’ ich unerträglich kalt und sie werden für den Rest der Tour den „umsonst mitgeschleppt-Sachen“ zugeordnet.
    Die romantische Vorstellung, im Schnee sitzend fern ab der Zivilisation den Sternenhimmel zu bewundern, begraben wir wegen des Schneefalls für heute, aber irgendwie vergeht der Abend auch mit so banalen Dingen wie „Fertignudeln aus dem Topf löffeln“ und der Frage „Was treibt einen dazu, den Motor seines Snowscooters mit anderen um die Wette aufheulen zu lassen?“ durchaus angenehm.

    (Die Fortsetzung steht weiter unten.)
    Zuletzt geändert von Sandmanfive; 04.11.2011, 22:25.

  • Werner Hohn
    Freak
    Liebt das Forum
    • 05.08.2005
    • 10870
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    Du hast nicht zufällig eine (legale) Karte die du dem Bericht hinzufügen kannst? Kann ja Mac machen. Sonst muss ich mir doch noch 'ne anständige Skandinavien-Karte zulegen. Bei den Touren im Hohen Norden bekomme ich immer Orientierungsprobleme.

    Werner
    .

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    • derMac
      Freak
      Liebt das Forum
      • 08.12.2004
      • 11888
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
      Kann ja Mac machen.
      Ich befürchte, das gibt Minuspunkte.
      Hier mal eine Karte, auf der man grob sieht (roter Kringel), wo der Bericht spielt.



      Für eine Detailkarte hab ich noch keine sinnvolle Idee, da ich keine Koordinaten der Route aufgezeichnet habe.

      Mac

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      • Laiseka
        Erfahren
        • 14.02.2005
        • 114

        • Meine Reisen

        #4
        Zitat von wesen Beitrag anzeigen
        (Fortsetzung kommt, wenn ich wieder Lust zum Schreiben habe.)
        Fortsetzung muss kommen! Kilpisjärvi, Halti und Umgebung ist mein absolutes Traumgebiet - wenn ihr da nicht mehr Text und mehr Bilder reinstellt - ihr wisst ja wie kleine Kinder auf nicht fertig erzählte Geschichten reagieren (heul).
        Also: Bitte, bitte, bitte, bitte!!!!

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        • marcus
          Alter Hase
          • 01.12.2004
          • 3324
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          bis hierher sehr nett, "mami aller experten"

          danke für den schönen bericht....
          \"wir haben gelernt wie vögel zu fliegen, wie fische zu schwimmen, aber wir haben verlernt wie menschen zu leben\"

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          • derPentax
            Anfänger im Forum
            • 02.04.2006
            • 38

            • Meine Reisen

            #6
            Na ich hoffe doch mal, dass wir auf den Rest der Tour keine drei Monate warten müssen
            Bis hierhin sehr interessant...
            Hier könnte Ihre Signatur stehen

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            • Christine M

              Alter Hase
              • 20.12.2004
              • 4084

              • Meine Reisen

              #7
              Ui, fein, gerade erst entdeckt. Und warte schon gespannt auf die Fortsetzung.

              Christine

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              • wesen
                Fuchs
                • 16.02.2005
                • 2155
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                Schön, dass der Bericht euch gefällt, Kinder

                Und die Fortsetzung kommt sicher nicht erst in 3 Monaten... *festvornehm* ;)

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                • Fjaellraev
                  Freak
                  Liebt das Forum
                  • 21.12.2003
                  • 13981
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  Ich warte auch schon gespannt auf die Fortsetzung, aber Vorfreude ist auch eine schöne Freude
                  Wer sich die Wartezeit verkürzen will, kann ja schonmal in der Forumsgalerie die Bilder von Mac anschauen

                  Gruss
                  Henning
                  Es gibt kein schlechtes Wetter,
                  nur unpassende Kleidung.

                  Kommentar


                  • wesen
                    Fuchs
                    • 16.02.2005
                    • 2155
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    Fünfter Tag

                    Donnerstag, 5. April 2007: Grenzerfahrung
                    Irgendwo im Schnee nördlich des Sees Másetjávri - Hütte Saarijärvi


                    Am Morgen ist wunderbarstes Winterwetter und wir tun erst mal das, was wir richtig gut können: Trödeln und genießen. Unsere Stimmung entspricht dem Wetter und der gleißenden Landschaft. Schnee schmelzen, Frühstücken, Photographieren und Packen dauern entsprechend lange.







                    Eine Weile geht es noch bergan, dann kommt ein gemächliches hügelauf, hügelab. Unsere Umgebung ist jetzt fast ausschließlich weiß, Bäume gibt es hier nicht mehr und nur selten ragen Felsen aus dem Schnee. Für zwei Kilometer betreten wir norwegisches Terrain, ohne dass eine Grenzmarkierung zu sehen ist oder die Wegmarkierungen sich ändern. Wir fragen uns, ob hier ab und zu Grenzposten unterwegs sind – und ob wir unsere Ausweise eingepackt haben.
                    An einem Hang im Nordosten sind Rentiere zu sehen, die einem in Richtung Westen fahrenden Snowscooter ein Stück weit folgen, ehe der Fahrer ein Gatter hinter sich schließt – sicher ein Hirte.
                    Die Hütte Saarijärvi, unser heutiges Ziel, besteht aus eigentlich drei Hütten: Dem „Haupthaus, das aus einem Vorraum mit Tisch und Stühlen besteht, von dem aus es links in den frei zugänglichen Bereich mit Holzofen, Gasherd und Lager für etwa 10 Personen und rechts in den nur mit Schlüssel zugänglichen Bereich für ebenfalls 10 Personen geht, einem zugewehten Schuppen mit Brennholz und dem „Klohäuschen“ – mit nach Geschlechtern getrennten Plumpsklos.
                    Vor der Hüte stehen Scooter und als wir den Innenraum betreten, kriegen wir die Antwort auf unsere Frage nach den Grenzposten: In der Hütte sitzen zwei finnische und ein norwegischer Grenzer, die freudlich grüßen, sich aber ansonsten nicht weiter für uns oder unsere Ausweise interessieren und – auf finnisch, unsere Bewunderung gilt dem Norweger – einen Plausch halten. Sie verabschieden sich nach kurzer Zeit.
                    Links auf dem Lager liegen Ausrüstungsteile, wir richten uns also rechts häuslich ein. Der Ofen ist phänomenal und die Hütte schnell angenehm warm. Schnee müssen wir nicht schmelzen, weil auf dem Ofen ein Topf mit Wasser steht und im nahen See ein Wasserloch ist, aus dem man schöpfen kann (Okay, eigentlich ist’s eine brüchige Schneeschicht auf dem Wasser und Wasserholen eine waghalsige Angelegenheit.) und nicht mal zum Kochen müssen wir eigenen Brennstoff nehmen, weil es einen zweiflammigen Gasherd gibt. Danke, Finnland!
                    Die zu dem Ausrüstungsteilen gehörenden Finninnen tauchen auf und erzählen, dass sie eigentlich auf den Halti wollten, wegen des stürmischen Wetters aber vorgezogen haben in der Hütte zu bleiben und Tagestouren zu unternehmen. Als dann noch vier Wanderer (zwei Deutsche, ein Slowake und ein Australier) auftauchen - die als Ziel natürlich ebenfalls den Halti haben – ist die Hütte gut belegt.
                    Die Vierergruppe und wir beide kochen auf dem Gasherd unser Fertigfutter und die Finninnen machen („Weil das so stinkt.“) ihre Pfannkuchen im Vorraum. Da bleiben sie allerdings auch nicht lange allein, weil noch zwei weitere Wanderer auftauchen, die dann auch gleich im Vorraum schlafen. Im „abgeschlossenen Teil“ herrscht ähnlich buntes Treiben wie bei uns auf den „billigen Plätzen“, aber da entgleitet uns der Überblick.
                    Trotz des Gewusels ist der Abend sehr schön, wir unterhalten uns gut.

                    (Die Fortsetzung steht weiter unten.)
                    Zuletzt geändert von wesen; 23.08.2007, 21:46. Grund: Hinweis auf Fortsetzung

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                    • schnuffiwuffi
                      Erfahren
                      • 12.06.2006
                      • 450

                      • Meine Reisen

                      #11
                      Wunderbarst geschrieben! Ich schließe mich der hungrigen, auf Fortsetzung wartenden Meute an

                      Schnuffiwuffi
                      Regnet kommer, regnet går - og bak ligger alltid solen

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                      • Werner Hohn
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                        Liebt das Forum
                        • 05.08.2005
                        • 10870
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        Ihr habt es geschafft: Ich bin stolzer Besitzer eines Skandinavien-Atlas. Vom mir aus kann es jetzt weitergehen mit dem Bericht.

                        Werner *schwer gebeugt unter der Last der Minuspunkte*
                        .

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                        • derMac
                          Freak
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                          • 08.12.2004
                          • 11888
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                          Ihr habt es geschafft: Ich bin stolzer Besitzer eines Skandinavien-Atlas. Vom mir aus kann es jetzt weitergehen mit dem Bericht.
                          Da ist ja mal lobenswerter Einsatz. Jetzt fühl ich mich ja fast genötigt, ne Spanien-Karte zu kaufen.

                          Was hat der Atlas denn für ne Auflösung? Bei Google Eart kann man leider in der wesentlichen Gegend fast überhaupt nix erkennen und bei Google Map gibts auch kaum Details. Deshalb immer noch keine Detailkarte von mir.

                          Mac

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                          • Werner Hohn
                            Freak
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                            • 05.08.2005
                            • 10870
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            ...dreck, beinahe hätte ich mich an den Kabeln der Kopfhörer erdrosselt!

                            Nordfinnland 1:400.000, Südfinnland 1:300.000. Das ist der Skandinavien Atlas von freytag & berndt. NOR; SWE, DK und FIN. Es sind sogar einige große Wanderrouten drin. Kungsleden und so.

                            Werner
                            .

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                            • Tarvandyr
                              Erfahren
                              • 24.10.2004
                              • 244
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              Sehr schöner Bericht und schöne Bilder. Da bekommt man richit Lust, selbst loszuziehen.

                              Noch drei Wochen und dann bin ich auch in Kilpisjärvi.

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                              • derMac
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                                Liebt das Forum
                                • 08.12.2004
                                • 11888
                                • Privat

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                                #16
                                Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                Nordfinnland 1:400.000
                                Naja, zumindest solltest du da Kilpisjärvi und den Halti finden. Dazwischen bewegen wir uns, ohne größere Strecken zurückzulegen.

                                Mac

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                                • pl24.de
                                  Erfahren
                                  • 01.07.2005
                                  • 202
                                  • Privat

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                                  #17
                                  Schön zu lesen (bei über 20° auf der Terrasse ).

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                                  • derMac
                                    Freak
                                    Liebt das Forum
                                    • 08.12.2004
                                    • 11888
                                    • Privat

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                                    #18
                                    Zitat von pl24.de Beitrag anzeigen
                                    Schön zu lesen (bei über 20° auf der Terrasse ).
                                    Pah, hatten wir am letzten Tag in der Sonne auch.

                                    Mac

                                    (Mist, jetzt hab ich ja das Ende verraten)

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                                    • Markus K.
                                      Lebt im Forum
                                      • 21.02.2005
                                      • 7452
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      Hey Ihr Beiden!
                                      Über den Bericht kann ich nichts sagen, den habe ich noch nicht durchgelesen.
                                      Das hole ich aber noch nach...
                                      Aber die Bilder sind sehr schön von Euch.

                                      Gruss Markus
                                      "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur das falsche Fell!"

                                      -Samson und Beowulf- Als Hunde sind sie eine Katastrophe, aber als Menschen unersetzbar.

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                                      • wesen
                                        Fuchs
                                        • 16.02.2005
                                        • 2155
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        Freitag, 6. April 2007: Entscheidung
                                        Hütte Saarijärvi – Hütte Kuonjarjoki - Irgendwo beim See Jápmajávri


                                        Wir tragen ins Hüttenbuch ein, dass wir „in Richtung Halti“ unterwegs sind und folgen bei mittelprächtigem Wetter weiter der markierten und durch Schneemobilspuren gut befahrbaren Spur nach Norden. Es geht zunächst stetig bergauf, aber es ist nicht sonderlich steil. Allerdings kommt Wind auf und Mac und ich vermummen unsere Gesichter und kramen die dickeren Handschuhe raus. Ich ziehe sogar meine leichte Regenjacke über, um der beißenden Kälte zu entgehen. So lange wir in Bewegung sind, ist die Temperatur trotz Windchill gut zu ertragen, aber der Wind nimmt weiter zu, unsere Müsliriegelpause fällt entsprechend kurz aus. Bald können wir den jeweils nächsten Markierungspunkt vor lauter wirbelnden Flocken kaum noch erkennen, wir sehen vorne und hinten, links und rechts, oben und unten nichts als weiß.



                                        Der Weg zur Hütte Kuonjarjoki ist nicht steil, zwischenzeitlich geht es sogar eine Weile sanft bergab, aber der „white out“ strengt an, der Wind drückt uns dauernd aus der Spur. Ein Schneemobil mit etlichen Passagieren im Anhänger kommt uns entgegen und der Fahrer scheint uns, durch extrem niedrige Geschwindigkeit, wortlos zu fragen, ob wir einsteigen wollen. Weder Mac noch ich haben das Gefühl, dass wir am Ende unserer Kräfte sind oder dass die Situation bedrohlich ist und nicken ihm durch den Schneesturm nur einen Gruß zu. Aber die Strecke zieht sich, es geht wieder bergauf und ich lasse, da ich mich unbeobachtet fühle, meinem Unmut gerade freien Lauf (vulgo: ich fluche), als zwei schnelle Langläufer mich einholen. Mein Verhalten ist mir ziemlich peinlich, zumal das Paar es dahingehend zu interpretieren scheint, dass wir Probleme haben könnten. Jedenfalls fragen sie, ob wir Hilfe brauchen. Das verstärkt in mir das gute Gefühl, dass hier in Notsituationen üblich ist, einander zu helfen, aber wir verneinen wahrheitsgemäß. Ich bin ja nur mittlerweile ziemlich genervt, aber nicht k.o. – und bin mir ziemlich sicher, das es Mac nach stundenlangem Kampf gegen Wind, Kälte und verwirrende Sichtverhältnisse nicht anders geht. Die beiden trösten uns damit, dass es bis zur Hütte nur noch ein oder zwei Kilometer sind und laufen dann zügig weiter.
                                        Als ich realisiere, dass die Hütte auf einem Hügel steht, ist Mac mit der Pulka bereits halb oben. Beim Versuch, den vereisten Anstieg vorwärts mit den Skiern zu nehmen, finde ich keinen Halt und rutsche immer wieder zurück. Seitwärtige Schritte enden mit einem Sturz und ich rapple mich mühsam (sch... Rucksack!) wieder auf. Was soll’s? Die paar Meter kann ich auch zu Fuß gehen! Ich drücke auf die rechte Bindung – aber sie löst sich nicht. Ich drücke auf die linke, ruckle mit dem Fuß – und falle wieder hin. Fluchend komme ich wieder auf die Beine und versuche es noch mal: keine Chance, die Dinger sind vereist. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich den Hang doch – ekelhaft langsam - seitwärts raufzuquälen. Mac stellt seine Solidarität unter Beweis, indem er nicht in die Hütte geht, sondern frierend im Wind steht und ewig auf mich wartet. Als ich endlich oben bin, will er mich in eine – vor dem Wind schützende – Senke locken, aber ich entscheide mich gegen einen weiteren Sturz. Trotzdem hat er Mitleid und befreit er mich mit Hilfe von Enteisungsspray endlich von den behindernden Latten.
                                        Das finnische Paar sitzt wahrscheinlich schon seit geraumer Zeit in der Hütte, jedenfalls ist es drinnen bereits angenehm warm. Die Frau erzählt, dass sie mit ihrer Bindung schon das gleiche Problem gehabt habe, sie habe dann Skier samt Stiefeln ganz einfach zum Auftauen mit in die Hütte genommen. Die beiden brechen bald auf zu einer privaten Hütte auf.
                                        Wir machen uns einen Tee, essen eine Kleinigkeit und breiten die Karte aus. Die meisten Leute, denen wir begegnet sind, wollen zum Halti oder scheinen vom Halti zu kommen und in uns keimt der Verdacht, dass alle 5 Millionen Finnen mindestens einmal im Leben – bevorzugt zu Ostern – den höchsten Gipfel der Nation besteigen. Wir sind aber keine Finnen und sind eigentlich hergekommen, um auch mal einen nicht markierten Weg einzuschlagen. Entsprechend schnell einigen wir uns auf die Hütte Jogasjärvi als Etappenziel, die Hütte fasst nur vier Personen, die Lage an einer Seenkette scheint recht idyllisch – und abseits von markierten Wegen - zu sein und die Querfeldeinstrecke von hier nach dort weist laut Karte keine größeren Hindernisse auf.
                                        Ein Blick aus dem Fenster zeigt uns, dass der Sturm sich gelegt hat, ein Blick auf die Uhr, dass der Tag noch lang ist. Schon jetzt, zwei Wochen nach der Tag- und Nachtgleiche geht die Sonne hier erst gegen 21 Uhr unter und es ist bis etwa 22 Uhr hell genug, um Ski zu laufen. Was liegt also näher, als gleich aufzubrechen?



                                        Wir folgen der Strecke in Richtung Halti noch für ein paar Kilometer, biegen dann aber weglos nach Osten ab und ich bin erstmals in einem Terrain unterwegs, in dem es keinerlei Markierungen oder Spuren gibt. Ein wunderschönes, befreiendes Gefühl von Weite für mich – aber auch die Erfahrung, dass es mehr Aufmerksamkeit erfordert, auf gefrorener Oberfläche zu laufen.
                                        Der Sturm hatte nur eine kleine Erfrischungspause eingelegt, der Wind frischt spürbar wieder auf, so dass die Sicht wieder schlecht und eine Orientierung mit Kompass fast unmöglich wird. Macht aber nichts: Wir zweifeln nicht daran, dass wir in der richtigen Richtung unterwegs sind. Nach einigen halbwegs ebenen Kilometern wird das Gelände hügeliger, überall ragen Felsen aus dem Schnee, dessen Oberfläche so hart ist, dass die Skier auch nicht einen Millimeter einsinken. Ich hab’ Probleme damit, die Skier in die Richtung zu dirigieren, die mir vorschwebt und kriege langsam Angst davor, mal nicht rechtzeitig die Kurve zu kriegen. Außerdem fürchte ich, dass ich das Handy im Wandererheim habe liegen lassen. Kurzum: Mir wird die Lage zu gefährlich. Der Versuch, ohne Skier weiterzukommen, scheitert daran, dass ich bei jedem zweiten Schritt knietief einbreche. Mac würde gerne noch etwas weiterlaufen, um eine windgeschützte Stelle zu finden, aber ich will das Zelt jetzt und hier aufbauen und zerstreue seine Bedenken hinsichtlich des Aufbaus im Sturm mit meinen Island-Orkanerfahrungen. Alles eine Frage der Technik... Na ja... Okay... Vielleicht hat er auch schlicht Mitleid.
                                        Weil ihm durch die ewige Warterei auf mich inzwischen wieder mal kalt ist, übernehme diesmal ich die Außenarbeiten, während er sich mit dem Interieur befasst. Wasser schmelzen wir diesmal wegen des Sturms trotz Benzinkochers im Zelt. Mir ist zwar unwohl dabei, aber draußen hätten wir absolut keine Chance. Immerhin dauert die Schmelze- und Kocherei in der nahezu windstillen Umgebung nicht so lange und am Ende springt für mich noch eine Wärmflasche heraus.
                                        Wir fühlen uns in unseren dicken Schlafsäcken und dem schützenden Zelt wohl und geborgen und verbringen den Abend mit dem Essen diverser Leckereien, während draußen der Sturm tobt. Lediglich das Pinkeln gehen kostet zumindest mich einige Überwindung; die innovative Falttrichter-Schlauch-Kombination kommt für diese Reise leider zu spät.

                                        P. S.: Das Handy finde ich übrigens am Abend in der Erste-Hilfe-Tüte.

                                        (Fortsetzung kommt, wenn ich Zeit und Lust zum Schreiben habe.)
                                        Zuletzt geändert von wesen; 23.08.2007, 23:35. Grund: Grammatik ;), Nachsatz

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