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  • Flachlandtiroler
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    [CH] Berner Oberland

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Region/Kontinent: Mitteleuropa

    Mit der Muße zwischen den Jahren hier mal ein nicht mehr ganz aktueller Bericht...

    Berner Oberland
    Nachdem der Juli 2006 zwar sonnig aber jedes Wochenende mit Terminen gepflastert war sowie der August eher winterliches Bergwetter bot, sollte es im September nochmal hoch hinaus gehen.
    Also holte ich CD am Karlsruher Bahnhof ab und wir trafen am Nachmittag Nicht übertreiben und Gwenny (die bereits in den Alpen weilten) am Grimselpaß. Ziel: Finsteraarhorn.
    Mittwoch
    Die Einbahnstraße zum Oberaarsee ist nur zur vollen Stunde zehn Minuten lang befahrbar. So fangen wir am Paß schon mal an zu packen, nehmen dann die nächste Bergfahrt und räumen am Stausee die noch fehlenden Sachen dazu. Um vier Uhr nachmittags ist Abmarsch, das Wetter ist so eben noch trocken und ziemlich windig. Statt irgendwelcher Sperenzchen machen wir uns schon mal ein Stück auf Richtung Finsterhütte, denn der Weg ist unter guten Bedingungen 6-8h lang und wir haben ja großes Gepäck. Als wir am See vorbei sind fällt Thorben ein, ein wesentliches Teil seines Dosenkochers liegt noch im Auto. Also geht er nochmal um und wir suchen entsprechend wenig weiter oben ein ebenes, windgeschütztes Stück Gletscher und stellen die beiden Zelte (meinen Helsport-Tunnel und eine Sierra Leone Kuppel) auf. Wir verziehen uns gleich in den Windschutz, Thorben ist auch recht fix wieder da und so können wir „gemütlich“ zu viert in meiner Hütte kochen – bis das Risotto auf dem Spirituskocher gar ist haben Christoph und ich bereits zwei Fuhren Asianudeln intus. Dazu wird ein untemperierter Navarra kredenzt und um neun Uhr geht es ins „Bett“. Ein paar Regentropfen trommeln gegen das Dach, der apere Gletscher als Boden ist mittels Thermarest-Matte aber gut zu ertragen; nur der Wind fegt manchmal seitlich in die Zeltbahn.

    Zelten auf dem Oberaargletscher
    Zuletzt geändert von Flachlandtiroler; 30.07.2013, 15:46. Grund: Geotag richtiggestellt (Hugisattel = Umkehrpunkt...)
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  • Flachlandtiroler
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    #2
    Donnerstag
    Die Wolken sind noch etwas tiefer hinabgekommen, es ist naß-kalt und riecht förmlich nach der angesagten Kaltfront . Auf sechs haben wir die Wecker gestellt und kurz vor acht sind wir unterwegs. Die Gratulation zu Christophs 25. Geburtstag fällt kurz aus, mit Glück können wir das am Abend gebührender gestalten. Erst ab 2950m liegt Firn. Beim Aufrödeln von Seil, Gurt und Eisen holen wir uns alle bereits taube, klamme Finger so kalt ist es. Eine Dreierpartie begegnet uns. Das Oberaarjoch erweist sich als die reinste Winddüse, der Westwind preßt in diese schmale, 400 Hm tiefe Kerbe. Der Schlußanstieg sorgt mit dem Gepäck und der ungewöhnten Höhe zusammen für kurzzeitige Spitzenpulse, aber sonst habe ich keinerlei Höhenbeschwerden. Wir gehen durch und lassen die Hütte rechts oben liegen; das Schneetreiben lädt nicht zu Pausen ein. Auf dem Galmigletscher ist es dann etwas ruhiger, eine zweite Dreierseilschaft kommt uns entgegen – wir ahnen nicht das dies die letzten Menschen sind, die wir in diesen Tagen zu sehen bekommen. Die Truppe passiert uns östlich und verleitet uns so – wider mein besseres Wissen – direkt Richtung Rotloch abzusteigen. Wir drehen dann irgendwann in schönstem Bruch um und gehen fortan das linke Ufer des Galmigletschers aus. An der Einmündung in den Fieschergletscher rasten wir, legen das Seil ab und spazieren bis unter die Finsteraarhornhütte; der „Killerhang“ ist mit Hilfe der Trekkingstöcke kein Problem; ich erreiche 13 Uhr 50 die Hütte und bin nur verblüfft, das sich die Basementtür der schönen, neuen Finsteraarhornhütte nicht aufklinken läßt. Die Sonnenterrasse ist leer, bei dem Wetter allerdings nicht erstaunlich. Eine Treppe höher: Hochgestellte Stühle hinter verschlossenen Fenstern und Türen; dabei ist die Hütte offiziell bis Ende September bewartet. Um so besser, wir haben schließlich alles dabei! Mein nächster Gedanke gilt der alten Hütte, außer der Saison Winterraum – die ist tatsächlich offen, wir stürmen hinein in das vielleicht 15 Quadratmeter große Holzhüttchen von anno 1926. Ruckzuck ist der Raum mit eigentlich 12 Plätzen völlig voll, Jacken hängen an improvisierten Leinen und Rucksacke blockieren jeden Weg durch das Chaos. Der Ofen knistert und zieht sofort; das Holzlager und WC ist per Torxschraube „gesichert“, aber oben im Sanitärblock der Hütte stapelt sich noch ein halber Festmeter. Draußen zieht es jetzt völlig zu und hagelt bzw. schneit, wir igeln uns also ein und es gibt Engadiner Nußtorte und Pferfferminztee bis zum Abwinken. Abends besteht das Menü aus Asianudeln (die Tüten haben sich gut aufgebläht), Süß-Sauer-Nudeln und Chili-Schokolade. Halb zehn sind wir in den kuscheligen Betten, weder die Bettwäsche noch unsere Schlafsäcke sind bei der Bullenhitze drinnen (+25°C) adäquat; wir lassen den Ofen frühzeitig runterbrennen und das Fenster auf Kippe...

    (Ur-)alte und neue Finsteraarhütte, anno 1926 und 2003 [edit: Bild ist vom Samstag, damit auch was zu sehen ist ;)]

    CDs Geburtstagstorte (nach dem ersten Heuschreckenbefall...)
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    • Flachlandtiroler
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      #3
      Freitag
      Ich schlafe sehr gut, um fünf Uhr ist das Wetter leider unverändert schlecht. Frühstück ist daher von acht bis zehn, danach lesen, lesen, lesen... draußen regnet, hagelt und schneit es abwechselnd; die Sicht ist meist Null aber es weht recht kräftig ums Gebälk. Nach einer Mittags-Brotzeit hellt es sich gegen drei Uhr etwas auf. Chris und ich spuren spuren zum Gletscherrand und genießen die frische Luft. Chris kämpft mit dem „Riß“ zwischen dem alten Hüttenstandort und dem Felskopf. Der alte Platz hätte für unsere beiden Zelte nur knapp gereicht... Die Wolken steigen sogar auf 3600m, es bleibt sehr windig und mit dem Anstieg wächst die Schneedecke auf über zehn Zentimeter; in den Kuhlen natürlich erheblich mehr.

      Der allererste Hüttenplatz, für zwei Zelte schon zu knapp

      Bildschirmhintergrund ;)
      Abends kochen wir Spinatnudeln, Risotto und „heißen Apfelstrudel“ (fertig aus der Tüte). Wir genießen es, in dieser kleinen, abgeschiedenen Hütte zu sein. Als letzte Aufgabe warten noch die Rucksäcke für morgen auf uns; um neun ist Hüttenruhe. Draußen blitzt es einige Male, scheint aber vom Aletsch her zu kommen.
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      • Flachlandtiroler
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        #4
        Samstag
        Zwischen kurz vor und kurz nach vier Uhr piepsen drei Wecker. Draußen weht es heftig, aber heute sind keine Ausreden gestattet. Damit es vorwärts geht kocht der Tee auf meinem Gastrangia, dazu Müsli mit heißer Instantmilch und Knäckekäsebrot. Draußen gucken sogar einige Sterne zu, aber unsere Spuren von gestern sind verweht sowie mit weiteren zehn Zentimetern Neuschnee unkennlich gemacht. Es schneit immer mal wieder. Die paar Felsstufen bis zum Gletscher hinauf gestalten sich ganz lustig, schon hier unten ist alles eisverkrustet. Am Gletscherrand ist es noch finster; Thorben spurt, wir gehen nach Kompaß... einen großen Bogen oben um den Gletscher herum. Chris’ GPS muß schließlich den „Früstücksplatz“ finden. Alles ist weiß; das es schon Tag sein müßte hat sich noch nicht herumgesprochen, unsere Lampen malen Kegel in weißblauen Nebel. Ein zweites „Frühstück“ gibt’s nicht, denn Stehenbleiben kühlt sofort aus. Also weiter Kurs Nord, um die Brüche herum und dann stetig hinauf zum Hugisattel. Unterwegs werden noch Steigeisen nachgerüstet wobei mir fast die Finger anfrieren. Kurz vor dem Sattel übersteigen wir die Wolken und ein über und über verschneites Finsteraarhorn wird frei.

        Im Hugisattel
        Nach Osten fällt der Hugisattel mit locker siebzig Grad Neigung fast tausend Meter bis zum Finsteraargletscher ab. Der Nordostpfeiler schaut beeindruckend auf uns hinab, zu ihm empor windet sich der Gipfelgrat. Die ganzen Ostalpen liegen unter uns, dicht in Watte gepackt. Sehr imposant Schreck- und Lauteraarhorn, von den meisten Oberländer Gipfeln schaut nur die Spitze heraus. Es ist halb zehn, wir rasten; selbst hier hat mein Handy keinen Empfang.
        Dann stellen wir uns der Tatsache, daß wir ja eigentlich auf den Gipfel wollen. Thorben spurt wieder voran, alles liegt unter tiefem Schnee und Eis. Felsen zum dran sichern muß man erst ausgraben oder zumindest vom Eise befreien, die Kälte klebt einem das Metall an die Handschuhe. Zögerlich folgen die anderen nach. Zu viert würde das endlos dauern, bis zum Gipfel sind es rund zweihundert Höhenmeter mit etlichen Ausweichstrecken durch die Flanke. Nach einer Stunde mit vielleicht vierzig Höhenmetern Gewinn auf dem südwärts ansteigenden Grat drehen wir um.

        Thorben am höchsten erreichten Punkt

        Die letzten Meter in den Hugisattel seilen wir ab
        Der Abstieg durch angesulzten Schnee ist allen unbehaglich. Den allerersten, „biestigen“ Buckel gleich am Sattel seilen wir dann ab, mit einem Bein in der Nordostwand.

        Blick auf Schreck- und Lauteraarhorn

        Zum Runterladen -- Blick auf den Unteraargletscher:

        Sonne und Nebel veranstalten ein Schauspiel wie an einem Himalayariesen im Monsun. Nach einer weiteren, halbstündigen Rast düsen wir zu Tal, und bald tauchen wir wieder in die Wolken ein. Knapp unter dem Frühstücksplatz hat uns dann endgültig die Sonne, dafür dürfen wir dann im sulzigen Gletscher nach Spalten suchen; diese reichen bis zum Einstig hinab, kaum zu glauben wo wir heute früh drübermarschiert sind...

        Da hängt noch ein Sack dran: Finsteraarhorn

        Zwanzig nach drei erreichen wir die Hütte und nehmen erstmal ein Sonnenbad. Grün- und Fiescherhörner schauen auf uns nieder und im Tal liegt friedlich der Fieschergletscher.

        Der Fieschergletscher:
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        • Flachlandtiroler
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          #5
          Sonntag
          Wieder heult der Wind morgens; trotzdem ich früh wach bin kann ich mich nicht überwinden aufzustehen – es hat wieder zugezogen, eigentlich kein Grund noch groß herumzutrödeln.
          Mit Steigeisen aber ohne Seil wandern wir das kurze Stück ins Rotloch hinunter, das Wetter wechselt zwischen Schnee und sanftem Regen. Dann müssen wir bergauf, in wachsendem Neuschnee. Beim Anseilen lege ich dann auch gleich die Steigeisen ab, welche übel anstollen in dem frischen Schnee. Christoph spurt und nachdem sein Linksdrall korrigiert ist lotst er uns prima und ohne nennenswerte Einbrüche zum Oberaarjoch.

          Die Sicht reicht meist einige hundert Meter, so daß wir keine Probleme mit der Wegfindung haben. Trotzdem ist bei all dem Sondieren bereits mittag durch, bevor es nun endgültig „nur noch“ hinab geht. Am Donnerstag nie dagewesene Querspalten zwingen uns aber zu bizarrem Zickzack auf dem Oberaargletscher, wo doch der Herweg fast schnurgerade emporführte – man sieht in dem Neuschnee einfach nicht, wie breit die Querspalten wohl sein werden. Mehrfach wechselt unser Vierer-Bandwurm die Richtung, an einem Einbruch verzweifeln wir fast; ich bin mir recht sicher, daß der Herweg diesen gerade gequert hatte und Thorben stochert schließlich am strammen Seil hinüber. Bald ist es dann nur noch eine weite Latscherei über zuletzt aperes Eis. An den untersten Ausläufern schauen wir auf die Uhr, und um die halbstündigen Fahrzeiten abzupassen forcieren Chris und ich das Tempo nochmal. Die Abfahrzeiten reichen immer von halb bis zehn nach halb aber mit forscher Fahrweise erreicht man den Grimselpaß auch später noch vor der vollen Stunde. So sind wir gegen kurz vor fünf dann anfahrbereit; der Abstieg hat fast neun Stunden gedauert.
          Im weiteren fahren wir nur noch durch eine Unterwasserwelt, das Wetter in der Nordschweiz ist endgültig gekippt. Chris lenkt die zweite Etappe von der Schweizer Grenze bis zum Karlsruher Bahnhof. Wir sind beide etwa um halb eins daheim.

          P.S.: Von Donnerstag mittag bis Sonntag Nachmittag haben wir keinerlei Menschen gesehen, und das in diesem normal überlaufenen Tourengebiet (die Finsteraarhütte verzeichnet AFAIR mit die höchsten Übernachtungszahlen überhaupt unter allen SAC-Hütten!) mitten im Herzen Europas...
          P.P.S.: Mehr Fotos (von grimmigen Gesichtern ) gibt es noch auf Gwennys Seite.
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          • Werner Hohn
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            • 05.08.2005
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            #6
            Schöne Bilder, besonders die in 3000er Spurbreite. Ja wirklich, grimmige Gesichter. Könnte die Ursache in der Schlemmerküche zu finden sein? :wink:

            Werner
            .

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            • cd
              Alter Hase
              • 18.01.2005
              • 2983
              • Privat

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              #7
              Wow, Danke Martin für den tollen Bericht!

              Ja, auch ohne Gipfel war das ne geniale Tour, hat echt Spass gemacht. Und was will man am Geburtstag mehr als mit netten Leuten auf der schönen Tour zu sein, wo man nicht ständig von zehntausend Leuten angequatscht wird "alles Gute zum Geburtstag..." .

              Die Tour hat sich richtig gelohnt. Und das Finsteraarhorn läuft ja nicht weg. Es soll ja auch Sommer geben, die den Namen verdienen und die nicht soooo viel Schnee mit sich bringen

              chris

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