• Goldi
    Erfahren
    • 11.09.2022
    • 214
    • Privat


    [GB] West Highland Way im Mai 2022 – Schottland, wie man es sich vorstellt

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 55.9414831
    Längengrad -4.3177396
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    Freitag, 20.5.2022


    Die Anreise von Frankfurt nach Glasgow war unspektakulär, bis auf dass das Flugzeug eine Reifenpanne hatte (kein Witz) und das Rad gewechselt werden musste, was den Start um eineinhalb Stunden verzögerte.

    In Glasgow bringt mich der rosa Shuttlebus ins Stadtzentrum und dort checke ich erstmal in meinem Hotel ein. Das „Alexander Thomson“ liegt sehr zentral und ich ziehe gleich los um Gas zu kaufen. Erst beim dritten Outdoorladen („Tiso“ auf der Buchanan Street) werde ich fündig. Dafür belohne ich mich mit Fish&Chips und zwei Tennets, dem Glasgower Lokalbier.


    Samstag, 21.5.2022 – erster Tag

    Der Zug zum Startpunkt des WHW geht von Queen Station aus. Dort gebe ich das Gepäck auf, das ich nicht mitschleppen will. Obwohl der Bahnhof an sich supermodern ist, scheint in der dunklen Höhle der Gepäckaufbewahrung im Untergeschoss die Zeit stehen geblieben zu sein. Ein kauziger alter Schotte mit vollkommen unverständlicher Aussprache füllt unendlich langsam von Hand einen Zettel aus, hängt ihn an meinen Trolley und verschwindet damit im Halbdunkel der Regalreihen. Dann stellt er mir von Hand einen Abholschein aus und knöpft mir für fünf Tage 20 Pfund ab, natürlich in bar.

    Endlich sitze ich im Zug und fahre nach Milngavie, dem Vorort von Glasgow, wo der offizielle Startpunkt des WHW liegt. Der Ort ist morgens noch ziemlich verschlafen, aber am Tor in der Fußgängerzone und dem Obelisken, der den Anfang markiert, herrscht schon reges Kommen und Gehen. Immer neue Gruppen von Wanderern sammeln sich, machen Selfies und ziehen los. Mir wird einmal mehr klar, dass das ab jetzt keine einsame Veranstaltung in der menschenleeren Wildnis wird.

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    Tatsächlich fühlt es sich auf den ersten Kilometern an wie Völkerwanderung. Ein leichter Sprühregen setzt ein, aber es ist warm und fast windstill.

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    Ich schließe zu Angus, Alistair und Tom auf, drei jungen Engländern mit riesigen Rucksäcken, die fast mein Tempo laufen. Wir gehen ein wenig zusammen und unterhalten uns. Sie sind sehr begeistert, dass ich als Deutscher extra für den WHW hierher gekommen bin. Ich werde sie noch ein paar mal in den nächsten Tagen treffen.

    Nach Meile 6 führt der Weg an der Glengoyne Distillery vorbei. Obwohl ich nicht reserviert hatte, kann ich mich einer Führung anschließen, die gerade losgeht. Ich lerne alles über die Bedeutung von Kupferkesseln, über europäisches und amerikanisches Eichenholz, Sherryfässer, den Angles´ Share und die Farbveränderung nach 30 Jahren Reifezeit.
    Beim Whisky-Tasting mache ich eine Ausnahme von meinem Vorsatz, mich vollständig selbst zu verpflegen. Der 12-Jährige ist etwas kratzig und sauer (Whisky-Kenner mögen mir diese unfachmännische Ausdrucksweise verzeihen), aber der 18-Jährige ist unfassbar lecker. Mit jedem Schluck rollt ein warmes Zimt-Schokolade-Weihnachts-Aroma die Kehle hinunter, unfassbar gut. Leider kostet die Flasche 125 Pfund, ganz abgesehen davon, dass ich sie nicht die nächsten 90 Meilen schleppen möchte.

    Aber zurück zu meinem Vorsatz. Er lautet sinngemäß: Nichts kaufen, nichts zurücklassen, keinen Wasserhahn anfassen, keinen Campingplatz mit Dusche ansteuern etc. Eben so tun, als wäre ich in der Wildnis und auf mich allein gestellt. Ich schleppe also am Anfang gut 3 kg Proviant mit mir und hole Wasser nur aus Bächen und Quellen. Dabei achte ich natürlich darauf, dass ich meine Flaschen nicht gerade unterhalb einer vollen Schafweide fülle. Trotzdem macht mich das braun-lila Torfwasser, das auch immer ein bisschen schäumt und an der Oberfläche schillert, skeptisch. So werfe ich zur Sicherheit immer noch eine Micropur-Tablette rein und nehme den Schwimmbadgeschmack in Kauf.
    Nach der Distillery führt der Weg durch flaches Weideland mit einem Viehgatter nach dem anderen. Es fühlt sich so gar nicht nach Highlands an. Ab und zu geht es sogar ein Stück am Straßenrand entlang und obwohl ich schon selbst mehrfach in UK mit dem Auto unterwegs war, fühlt es sich auch als Fußgänger seltsam an, wenn die Autos zur „falschen“ Seite hin ausweichen.

    Ich bin froh, als der Weg in den Wald führt, auch wenn es ein langweiliger breiter Forstweg ist. Die Menge der Wanderer hat sich zum Glück verdünnt. Das Wetter bleibt ganz okay, einzelne leichte Schauer aber auch viele sonnige Abschnitte und insgesamt mild.

    Nach dem Wald geht es durch hügeliges Weideland, dass von den typischen Natursteinmauern durchzogen ist. Es ist bereits fortgeschrittener Nachmittag und ich sehe die ersten Zelte am Wegrand. Langsam sollte ich mir auch einen Platz für die Nacht suchen. Mein Plan ist, in der Nähe des Conic Hill bei Meile 17 zu übernachten, also noch vor Loch Lomond.
    Ich muss eine Weile suchen, bevor ich gegen sechs Uhr einen geeigneten Platz finde. Die trockenen Weidewiesen liegen jetzt nämlich schon eine Weile hinter mir und hier ist es überall morastig und nass. Viel Farn und dicke Grasbüschel, zwischen denen das Wasser fließt. Endlich sehe ich etwas abseits vom Weg einen guten Platz direkt unterhalb des Conic Hill. Es ist etwas mühsam, dorthin zu kommen, immer von Grasbüschel zu Grasbüschel, um nicht in das dazwischen fließende Wasser zu treten. Aber der Platz ist tatsächlich nicht abschüssig, eben und vor allem trocken und fest. Zudem hat er einen tollen Blick auf den Loch Lomond

    Ich breite gerade das Groundsheet aus, da sehe ich auf dem Weg die drei jungen Engländer von heute Morgen vorbeilaufen und ganz neidisch zu mir herüberschauen. Als ich sie am nächsten Tag wiedertreffe, erzählen sie mir von ihrem nicht so guten Zeltplatz („… rocky ground … terrible night…no sleep…“).

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    Da es nicht regnet, baue ich ganz entspannt das Zelt auf und genieße die Aussicht beim Abendessen vor dem Zelt.


    Sonntag, 22.5.2022 – zweiter Tag

    Ich hatte mich früh schlafen gelegt und so bin ich mit der Morgendämmerung ausgeschlafen und stehe auf, also gegen 4:30 Uhr. Ich muss ein Stück hinabsteigen, um zu einem Fluss zu kommen, an dem ich mich waschen kann. Dicke Wolken verhängen die Berge und verheißen viel Wasser von oben. Aber noch ist es trocken und ich frühstücke vor dem Zelt.

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    Dann mache ich mich auf. Ich will auf den Conic Hill steigen, dem Punkt mit dem besten Blick auf Loch Lomond. Leider ist der Gipfel voll in den Wolken mit null Sicht. Außerdem fängt es auch an, ordentlich zu regnen und ich bin froh, Regenjacke und -hose dabei zu haben. Ich steige also wieder ab und unterhalb der Wolken habe ich dann doch noch eine schöne Aussicht auf den See mit seinen Inseln.

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    In Balmaha komme ich am Ufer heraus und sehe zu, dass ich den Ort schnell hinter mir lasse. Es geht zunächst über einen geschotterten Fahrweg und wieder an einer Straße entlang. Dann zweigt der Weg zum Glück ab und wird interessanter.


    Die Route führt fast am ganzen Ostufer Loch Lomond entlang. Anfangs geht es durch eine Art Regenwald. Es ist feucht und schwül, fast tropisch. Überall Farne und Moose.

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    Zum Glück hat die Midges-Season jetzt im Mai noch nicht begonnen. Ein Schotte, der mit Frau und Kind am See Urlaub macht, erzählt mir zwar von seiner Wandererfahrung, dass es mit den Midges in den Highlands umso schlimmer wird, je höher man kommt, aber das bestätigt sich in den nächsten Tagen zum Glück nicht. Auf der gesamten Tour bleibe ich bis auf wenige Ausnahmen von den Biestern verschont.

    Es hat aufgehört zu regnen und sogar die Sonne kommt immer wieder durch. Im Wald laufe ich an einer sehr netten „Honesty Box“ vorbei. Natürlich kaufe ich nichts (Vorsatz, siehe oben), aber es ist wieder einmal so ein typisch britischer Moment. Etwas spleenig, aber sehr warmherzig und liebenswert.

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    Dann geht es wieder ans Seeufer und der Weg wird felsig und steigt permanent auf und ab. Es wird echt anstrengend und meine Pace verringert sich von drei Meilen pro Stunde auf nur noch zwei. Auf der Karte ist jede Meile des WHW markiert, so dass ich auch ohne Komoot oder eine andere Tracking-App genau sehe, wie weit ich gekommen bin. Die Karte ist übrigens auch sonst sehr gut, große Empfehlung („The West Highland Way“, Footprint Verlag, ISBN 978 1 871149 93 7).

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    Bei Meile 35 sollte eigentlich Rob Roy´s Cave sein, aber obwohl sie „next to the path“ liegen sollte, kann ich sie nirgendwo entdecken. Ich will mich aber nicht lange mit Suchen aufhalten, denn der Tag neigt sich langsam dem Ende entgegen und ich bin auch schon ganz schön platt.

    Ich erreiche das nördliche Ende des Sees und finde eine echt schöne Stelle zum Zelten direkt am Ufer – und das völlig legal, denn die „Wild Camping Exclusion Zone“ liegt zwischen den Meilen 18 und 28,5 und ich bin jetzt bei 37. Als ich gerade anfange, das Zelt aufzubauen, fängt es an, heftig zu regnen. Schnell Regenjacke an, den Rucksack abdecken, das Außenzelt über die Stangen ziehen und dann rein und das Innenzelt einhängen. Dummerweise habe ich die Regenhose nicht angezogen, und so sitze ich danach mit nasser Hose an im Zelt und warte, bis sie trocknet (denn ich finde, es gibt nicht viele Sachen, die so unangenehm sind, wie morgens im Zelt die vom Vortag nassen, kalten Klamotten anziehen zu müssen).

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    Insgesamt waren es heute gut 21 Meilen oder 34 km und das bei ständigem auf und ab am steilen Seeufer. Insgesamt die anstrengendste Etappe. Noch schnell ein Tütenessen aufgegossen, ein bisschen Tagebuch geschrieben und dann in den Schlafsack. Die Hose ist mittlerweile auch trocken.



    Montag, 23.5.2022 - dritter Tag

    Am frühen Morgen eine knappe Wäsche am See. Bei besserem Wetter wäre ich gestern vielleicht eine Runde geschwommen, aber heute ist mir zu kalt dafür und ich will lieber schnell meinen heißen Instant-Kaffee in den Händen halten. Es fängt wieder an, stark zu regnen, also Frühstück im Zelt. Dann alles wasserdicht verstauen, Regenzeug anziehen und das klitschnasse Zelt einpacken.

    Ich marschiere wieder früh los und verlasse den Loch Lomond. Der Weg führt durch matschiges Grasland und ist durch den Regen ziemlich aufgeweicht.

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    Ich treffe Angus, Alistair und Tom wieder. Sie haben in einem Bothy übernachtet, um dem Regen zu entkommen. Gestern hatten sie mir noch gesagt, dass sie bis nach Inverarnan wollen, um dort ein Hotelzimmer zu nehmen. Wegen des Wetters haben sie sich dann doch umentschieden und die Etappe vorzeitig beendet. Ich sehe sie auf der weiteren Tour nicht wieder. Vielleich haben sie einen Tag Auszeit genommen oder sie haben abgebrochen.


    Nochmal einen Blick zurück auf den Loch Lomond.

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    Der Regen hört allmählich auf. Dafür versperren mir diese zwei Kollegen den Weg.

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    Ich rufe ihnen laut zu und widerwillig machen sie Platz, nicht ohne mir grimmige Blicke hinterher zu werfen.


    Aus dem Glen Falloch geht es hinaus in offenes Hügelland. Der Weg ist wie immer gut markiert mit dem Distel-Symbol. Man kann auf dem gesamten WHW nicht verloren gehen. Es gibt nur zwei Richtungen: Nord-Süd oder Süd-Nord. Außerdem ist der Weg meistens geschottert und fest angelegt und an quasi jeder Weggabelung ist eine Markierung.

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    Der Regen hört auf, aber meistens schwimmt der ganze Weg und ist mit einigen Zentimetern Wasser bedeckt.

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    Ich versuche, neben dem Weg zu gehen oder von Stein zu Stein zu treten. Trotzdem patsche ich immer wieder ins Wasser. Meine Schuhe bis jetzt trocken und werden es auch bis zum Ende bleiben. Goretex hin oder her, ich liebe meine gut eingefetteten Lederstiefel.

    Dann geht es durch einen urigen Bergwald, der allerdings zum Teil vollkommen abgeholzt ist. Das scheint die britische Methode der Waldbewirtschaftung zu sein, denn ich habe es so schon öfters gesehen. Es sieht aus wie in einem Katastrophengebiet.

    Wieder im Tal kommt Fillians Priory, eine verfallene Kapelle aus dem Mittelalter und ein Friedhof mit noch älteren keltischen Gräbern. Sehr spooky.

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    In dem Ort, durch den ich danach komme, Tyndrum, weist der einzige Laden energisch darauf hin, sich nochmal einzudecken. Ich habe immer noch einen guten Proviantvorrat und gehe weiter.

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    Wieder scheint es, dass sich das gesamte Wasser auf dem Weg sammelt, aber das Wetter ist ganz okay.

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    Der Weg trifft die Bahnstrecke, die sich durch die Landschaft schlängelt. Wurden hier nicht die Außenaufnahmen vom Hogwarts-Express gedreht? Die Brücken und Kurven sind jedenfalls sehr malerisch. Züge fahren zum Glück nur selten und wenn, dann mit gefühlt Schrittgeschwindigkeit. Mir wird klar, warum der Zug, der mich am Schluss von Fort Williams wieder zurück nach Glasgow bringt, einen guten halben Tag dafür braucht.

    Nach einer Weile geht es von der Bahnstrecke fort und einen Fluss entlang. Ich finde einen schönen Platz und schlage mein Zelt auf. Dann erstmal essen.

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    Ich befinde mich knapp hinter Meile 56, ich habe also 19 Meilen geschafft und bin voll auf Plan. Zufrieden liege ich im Schlafsack und höre beim Einschlafen dem Glucksen der Bäche zu, die neben dem Zelt fließen.


    Dienstag, 24.5.2022 – vierter Tag

    Das laute Blöken der Schafe weckt mich. Sie klingen ganz schön aggro, aber zum Glück ist ein Zaun zwischen uns. Heute ist der Himmel strahlend klar und die Sonne geht langsam zwischen den Bergen auf. Es ist 6°C laut Wetter-App. Ein Thermometer habe ich leider nicht dabei, aber ich glaube es gerne und ziehe alles an, was ich dabei habe. Zum Glück habe ich eine Fleecemütze mitgenommen, von der ich eigentlich dachte, dass ich sie ganz bestimmt nicht brauchen werde. Einen Kaffee und zwei Nutellabrote später bin ich startklar und verlasse schweren Herzens diesen super Lagerplatz.

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    Es geht weiter dem Fluss entlang und auch die Bahnlinie ist zurück. Dann führt der Weg über die Bridge of Orchy, um Loch Tulla herum und hoch ins Ranoch Moor.

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    Das ist heute der beste Streckenabschnitt. Menschenleere Hügel aus Gras und Fels soweit man schauen kann. So stellt man sich die Highlands vor.

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    Der Weg folgt einer alten Handelsstraße, die aus einer Art grobem Kopfsteinpflaster besteht. Unangenehm, darauf zu laufen. Die Trampelpfade daneben zeigen, dass es den meisten Wanderern so geht.

    Dann geht es ins Glencoe hinunter, am - ich glaube einzigen – britischen Skigebiet vorbei und schließlich den Anstieg „Devil´s Staircase“ hinauf. Was hatte ich nicht alles Schlimmes darüber gelesen in der Vorbereitung auf diese Tour. „… schwieriger Weg … sehr steil … ausgesetzt … immer Sturm und Regen …“ und so weiter. Da mache ich lieber nochmal Rast und fülle meine Wasserflaschen.

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    Wie ich dann so gehe und ich mich frage, wann der schlimme Teil endlich kommt, bin ich auch schon oben. Es sind ja auch nur 250 Höhenmeter. Die Aussicht zurück ins Glencoe ist dann wirklich traumhaft.

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    Ich gehe über das Joch und noch ein bisschen weiter, um einen guten Zeltplatz zu finden.

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    Es ist trotz der dramatischen Wolken so warm und sonnig, dass ich im T-Shirt im Gras sitze, Tagebuch schreibe und in die Landschaft schaue. Sobald die Sonne dann aber hinter den Bergen und Wolken verschwunden ist, wird es schnell kalt und ich ziehe Schicht um Schicht an, bis ich schließlich ins Zelt gehe und mich in den Schlafsack rolle.


    Mittwoch, 25.5.2022 – fünfter und letzter Tag

    Das Prasseln auf das Zelt verheißt einen ziemlichen Kontrast zu gestern. Ich ziehe mein Regenzeug an für den „Spatengang“, versuche vergeblich, das Klopapier trocken zu halten und krieche danach wieder ins Zelt zum Frühstücken. Waschen fällt heute aus.

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    Der Regen hört nicht auf und so baue ich das Zelt von innen nach außen ab und breche auf. Es regnet praktisch den ganzen Vormittag. Der Weg führt entlang von dicken Wasserrohren, die ein Kraftwerk speisen, hinunter nach Kinlochleven und auf der anderen Seite wieder hoch und über den Lairigmor-Pass. Hier peitscht der Wind mir und den anderen Wanderern den Regen frontal entgegen. Kein Baum oder so als Windschutz. Es ist saukalt und so kann ich keine Pause machen. Ich gehe eher noch schneller, um einigermaßen warm zu bleiben. Leider sind die Mütze und die wattierte Jacke im Rucksack und ich habe absolut keine Lust stehen zu bleiben und mich umzuziehen. Die Mittagsration bleibt auch im Rucksack und ich esse nur, was ich als zwischendurch-Snack in der Jackentasche habe.

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    Ab und zu darf man auch mal ein Selfie machen...

    Endlich ist die Passhöhe überwunden und es geht hin zum Glen Nevis. Der Wind ist schlagartig vorbei. Jetzt zieht sich der Weg doch ein wenig und ich gehe nicht mehr ganz so frisch. Es hat auch aufgehört zu regnen und mit jedem Schritt bergab wird es wärmer.

    Vom Ben Nevis ist leider nur die untere Hälfte zu sehen, der Gipfel ist in Wolken gehüllt.

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    Die letzten zwei Meilen geht es an einer Straße entlang. Die Bebauung wird dichter und dann bin ich in Fort Williams. Es kommt mir vor, als würden alle Leute voller Bewunderung auf mich schauen und mir auf ehrfürchtig Platz machen, aber das ist natürlich Wunschdenken. Trotzdem ist die Fußgängerzone meine Zielgerade und ich genieße jeden Schritt. Dann kommt der Platz mit dem Standbild vom müden Wanderer und die Tafel, die das offizielle Ende des WHW markiert.

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    Ich mache Selfies, lasse mich fotografieren, fotografiere andere, sitze einfach nur da und genieße es, angekommen zu sein. Immer wieder kommen Wanderer, denen es genauso geht. Selfies, Glückwünsche, hinsetzen, genießen.
    Endlich gehe ich in mein Hotel und dusche ausgiebig. Ich glaube, so lange habe ich noch nie unter einer heißen Dusche gestanden.

    Am nächsten Morgen fahre ich nach einem sehr guten „Big Scottish Breakfast“ im Bahnhofs-Cafe mit dem unfassbar langsamen Zug fast 6h zurück nach Glasgow. Dort hole ich mein restliches Gepäck vom Bahnhof ab (der kauzige Left-Luggage-Verwalter scheint frei zu haben, sein jüngerer Kollege ist längst nicht so „schottisch“). Ich gönne mir noch einen Tag Glasgow-Sightseeing, dann geht mein Flug zurück nach Deutschland.
    Zuletzt geändert von Goldi; 26.09.2022, 20:43.

  • codenascher

    Lebt im Forum
    • 30.06.2009
    • 5064
    • Privat


    #2
    Schöner Bericht, danke fürs teilen! Hast nen ordentliches Tempo drauf, Respekt. Ich habe es seinerzeit auf dem WHW langsamer angehen lassen.

    Neben dem Skigebiet im Glencoe, gibt es noch weitere in den Cairngorms.

    Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

    meine Weltkarte

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    • Pylyr

      Alter Hase
      • 12.08.2007
      • 2705
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      #3
      Schönet Ding, Danke fürs Teilen.
      Wenn dir etwas gefällt, analysiere es nicht, sondern tanze dazu.
      Tex Rubinowitz

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      • lina
        Freak

        Vorstand
        Liebt das Forum
        • 12.07.2008
        • 43828
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        #4
        … und auch für die sehr schönen Bilder :-)

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        • zilka

          Erfahren
          • 29.06.2017
          • 385
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          #5
          Macht wirklich Spaß, zu lesen und schöne Bilder! Danke für den Bericht! In Schottland war ich noch nie, aber vielleicht sollte ich das mal tun...
          zilka

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          • Ljungdalen

            Alter Hase
            • 28.08.2017
            • 3014
            • Privat


            #6
            Jo, danke für den Bericht.

            Zitat von codenascher Beitrag anzeigen
            Neben dem Skigebiet im Glencoe, gibt es noch weitere in den Cairngorms.
            Genau, mindestens Cairngorm (an der Nordseite, von Aviemore aus), Glenshee (südlich von Braemar; das ist, glaube ich, nach Pistenlänge sogar das größte in UK) und "The Lecht" bei Tomintoul.

            Im Westen noch "Nevis Range", an der Nordseite des Ben Nevis.

            Vereinzelte Skilifts auch in Nordengland (Lake District Ski Club/Helvellyn, Carlisle Ski Club/Yad Moss, Weardale...)

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            • Hunter9000
              Dauerbesucher
              • 02.06.2012
              • 678
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              #7
              Endlich mal wieder WHW!
              Danke für's Mitnehmen - weckt alte Erinnerungen an meine zwei Touren auf der schönsten Wanderautobahn Schottlands.

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              • NorThor
                Anfänger im Forum
                • 25.10.2022
                • 17
                • Privat


                #8
                Kann mich hunter9000 nur anschließen. Ich war 2017 mit meinem Bruder dort. Das Stück entlang des Loch Lomond fand ich mit Abstand am anstrengensten. Und wie du geschrieben hast die Devils Staircase nicht der Rede wert. Danke, dass du mich noch mal nach in Gedanken mitgenommen hast 😀

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                • Belge
                  Dauerbesucher
                  • 23.02.2021
                  • 524
                  • Privat


                  #9
                  Vielen Dank für den Bericht. Es ist gut, auch immer mal wieder von den etablierten Routen zu lesen.

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