• EbsEls
    Erfahren
    • 23.07.2011
    • 436
    • Privat


    [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

    Tourentyp Radreise
    Breitengrad 41.656497194
    Längengrad 24.08203125
    Ich plane für den Juni auch eine Balkan-Tour, aber mit dem Rad. Voraussichtlich werde ich um den 12.6.2015 (+/- ein Tag) von Montenegro aus (Murino) hoch auf den Tschakor-Pass stampfen, oben Boofen und dann die Rugova-Schlucht hinunter nach Peje brausen und in Peje einen Ruhetag genießen. Nach Empfehlung, den Trail entgegen der Uhrzeigerrichtung zu machen, könnte sich ein Treffen ergeben? Ich werde sicher unterwegs wenigstens einmal täglich online sein. Ich starte meine Tour "Balkan-Total" am 6.6.15 in Belgrad.
    Nun bin ich schon einige Wochen wieder zu Hause. Es gibt von der Tour nichts Sensationelles zu berichten: Ich habe sogar noch die Luft aus Saalfeld in den Schläuchen des Fahrrads wieder zurückgebracht. Ich habe auch die Hinweise hier aus dem Forum und von den Einheimischen unterwegs i.d.R. befolgt. Ich bin mit der Bahn nach Belgrad gefahren, heimwärts ging es mit dem Bus von Plowdiw aus. Die Details der Route gibt es hier. Dort sind Links zu den Tracks der Tagesetappen auf Bikemap, wo ich die Route im Nachhinein zusammengeklickt habe, um die "Leistung" zu ermitteln: Nur knapp 1500 km, aber fast 22.400 Höhenmeter geleistet.

    Das Motto der Tour:

    Kopf hoch & langsam: Vorbild für den Stil des Vorankommens während der Tour.

    ... wird fortgesetzt ...
    Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 09:40.
    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
    Eberhard Elsner

  • Sternenstaub
    Alter Hase
    • 14.03.2012
    • 3583
    • Privat


    #2
    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

    das beginnt schon einmal gut. ich freue mich auf mehr!
    Two roads diverged in a wood, and I—
    I took the one less traveled by,
    And that has made all the difference (Robert Frost)

    Kommentar


    • codenascher

      Lebt im Forum
      • 30.06.2009
      • 5064
      • Privat


      #3
      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

      Ich auch

      Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

      meine Weltkarte

      Kommentar


      • Baciu
        Dauerbesucher
        • 18.07.2013
        • 967
        • Privat


        #4
        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

        Ja, da wären wir uns ja fast über den Weg gelaufen. War sicher auch ne recht sonnige Zeit dort. Bin mal gespannt.

        Kommentar


        • EbsEls
          Erfahren
          • 23.07.2011
          • 436
          • Privat


          #5
          [RS] Serbien

          6.6.2015 Die Anreise

          Es war wieder dieses tolle Wetter während der Zugfahrt von Dresden nach Budapest, wo man geneigt ist, gleich an der nächsten Station aus zu steigen und los zu pedalieren. Mich begleitete der Abt aka Alibotusch. Er ist auf dem Weg in die rumänischen Waldkarpaten. Meine Planung hatte ja eine kleine Lücke: Der Anschluss nach Belgrad im Liegewagen nimmt keine Fahrräder mit. Meine Trumpfkarte war eine internationale Radkarte bis Belgrad ausgestellt. Der ungarische Schaffner auf der letzten Stunde ab Sturovo nach Budapest bemerkte als Einzigster, dass der Geltungsbereich ab Verkaufsdatum meiner Radkarte ausgestellt und im April 2015 abgelaufen war. Damit hat er sich die ersten ca. 7 € (2000 HUV) Schmiergeld verdient. Er meinte: "Für zwei Bier". Der serbische Liegewagenschaffner im Anschlusszug deutete sofort an: "Musst Du zahlen an die Ungarn und die Serben." Mein Fahrrad konnte ich taktisch günstig am Kopf des ersten Waggons, was auch mein Liegewagen war, abstellen. Die kleine Kröte, was die ungarische Schaffnerin war, wollte 40€, ich konnte auf 30€ runterhandeln. Es bewahrheitete sich mal wieder der Spruch des Abt: Was der Teufel nicht selber kann, stellt er durch ein Weib an. Der Liegewagenschaffner bezifferte den serbischen Anteil mit 10€, wir hatten eh Freundschaft geschlossen. Im Liegewagen war die lingua franca Englisch, mein Abteil war voll belegt wie der komplette Waggon, vier Amis, ein Bosnier mit perfekten Englischkenntnissen und icke, naja. Ich unterhielt mich mit drei Jungs, die als Studenten bei Audi in Györ arbeiteten und als Ziel für eine Spritztour sich Belgrad ausgesucht hatten, Respekt!

          Nur raus aus der Stadt - Belgrad

          Heute morgen dann der Standardablauf: Waschen am Bahnhofsbrunnen, Geld also Dinare zapfen (100 Dinare = 0,83€) und dann raus aus der Stadt. Ich bin bisschen zu weit ostwärts gekommen, jetzt aber auf der Ausfallstraße nach Süden Richtung Čačak, mit extrem viel Verkehr. Bei den Temperaturen wünschte ich mir ein wenig mehr Wind.

          7.2.2015 In Divcibare

          Ich fand ca. 8 km vor Mionica eine tolle Stelle zum Zelten, schön hinter einem Strauch. Trotzdem lämpelte nachts Einer rum und murmelte ein paar serbische überrascht klingende Wörter. Ich grüßte aus dem Zelt heraus und versicherte "sawtra utro" bin ich weg. "Dobro, dobro!" Da waren die meisten meiner Krämpfe schon vorüber. Am folgenden Tag habe ich das serbische Mineralwasser noch mit Magnesium-Tabletten verstärkt.

          Mionica

          Hier bin ich im serbischen Kernland, sehr ländlich geprägt. Ich war sehr überrascht, als ich in einer Kneipe in einem Extrazimmer einige verkopftuchte Frauen plappern hörte. Nach einiger Zeit brachte der Wirt den Weibern auch noch die shisha, die Wasserpfeife. Das waren wohl Flüchtlinge aus dem Maghreb. Im Nachbardorf war mein Nachbar dann wieder ein echter Vertreter seines Landes, stolz prangte das Tschetnik-Zeichen, serbisches Wappen über zwei gekreuzten Pistolen, an seiner Lederweste. Insgesamt war dieser zweite Tag schon einer, der mir schwer fiel. Es galt 800 Höhenmeter zu überwinden über das Maljen-Gebirge nach Divcibare.

          Der Aufstieg auf das Maljen-Gebirge ist geschafft

          Den Kamm überwunden, ist man in dieser typischen Hochweidenlandschaft mit vereinzelten Kiefern. Divcibare ist ein Wintersportort für die Belgrader, oder jetzt im Sommer ein Luftkurort. Nur am Sonntagabend waren alle schon wieder abgereist, die mich auf dem Weg hochwärts überholt haben. Aber in einem nacionalni restoran gab es ein prima Gulaschgericht mit domacni syr, hausgemachten Schafskäse. Mein Zelt stand auf dem Gelände des schon lange aufgegebenen Autocamping "Bresa" auf einer wohlriechenden Kräuterwiese.

          8.6.2015 Im Himbeerland

          Der Serbe an sich ist in Teilen schon ein Frühaufsteher, aber kein großer Frühstücker. Als ich heut morgen gegen halb Acht mir einen Kaffee bestellte, muss den wohl ein Gast gezapft haben. Denn dann kam die Treppe runter der Chefkellner, knipste den Computer an und bongte erstmal die bisher vom Stammtischler ausgeschenkten Getränke.

          Da kommt Freude auf: Eine Abfahrt ins Tometino Polje

          Ersatz für das Frühstück war eine feine Abfahrt bis zu einem Banner über die Straße in Jeshevica, Reklame für ein Hotel. Es war halb Zwölf, Zeit für einen Brunch bestehend aus einem Vorsüppchen und in Schinken eingerollten cevapcici mit shopski Salat. Ich habe eine Tradition, nach dem Essen einen rakija. So auch jetzt in Guca, dem Dorf des berühmten Trompeterwettbewerbs. Die allgegenwärtigen Pommes mopst mir gerade ein kleines Mädchen vom Teller. Gott sei Dank, das gilt dann auch als aufgegessen und das gute Wetter bleibt mir hold.

          Im Himbeerland

          Hier werden überall in Weinbaumanier Himbeeren angebaut. Bei dem Wetter wird wohl in ein bis zwei Wochen eine gute Ernte eingefahren. Ich sah reichlich Daumennagel große Beeren an den Sträuchern, und zwar Daumen von Leuten, die wirklich Daumen drücken.

          Krajputaši

          Am Wegesrand fielen mir einige Steinstelen auf, offensichtlich Gedenksteine für Verstorbene. Es sind Krajputaši genannte Grabmäler, die sich durch einzigartige gemeißelte und gemalte Motive und Epitaphe auszeichnen. Eine ähnliche Tradition gibt es im Bayrischen Wald mit den Totenbrettern.
          Wenn ich die hiesigen serbischen Riesen sehe und die deftigen Fleischgerichte würdige, kann der derzeitige Weg zum Veganertum nur ein Irrweg sein und zur Degeneration führen. Gerade sind mir die riesigen gegrilltem Fleischberge für eine Gesellschaft hier im Motel ASS in Guca aufgefallen. Auch wenn ich heute schon ein Pfund vom rostilj verspachtelt habe, es sah lecker aus.

          9.6.2015 Guca ohne Trompeten

          Ich bin heute früh in Guca gestartet, der Stadt des berühmten Trompeterwettstreits, dieses Jahr vom 3.-9. August. Said Miles Davis, a Guča Festival visitor: "I didn't know you could play trumpet that way.”

          Der erste Sieger des berühmten Trompeterwettbewerbs: Desimir Perišić

          Ich sitze in einem Gasthaus kurz unterhalb des 800 m Pass zwischen Guca und Ivanjica. Neben mir ein Bernhardiner, von dem man befürchten muss, dass er den Tisch umschmeißt, sollte er sich umbetten wollen. Er grunzt und japst aber friedlich weiter, mein dritter Doppel-Dezi spricer (Weinschorle) wird wohl stehen bleiben auf dem Tischchen. Gut dass ich die Einladung unten in Kotrasha nicht eingegangen bin. Den zweiten rakija des Op's habe ich bei der Passauffahrt wohl verspürt. Er wollte mir in seinem Haus ein gutes Mahl auftischen, er rieb sich viel versprechend den Bauch. Das wäre wohl aber das Ende der heutigen Etappe gewesen.
          So aber erreichte ich nach einer großartigen Abfahrt Ivanjica. Hier gab es einen Hamburger, so wie er immer sein sollte: Ein pleskavica. Der breitgeklopfte Bratklops wiegt hier fast 300 gr, das Brot ist warm und frisch. Bei der Gourmet-Ausführung gurman pleskavica mit Schinken und Käse kann man dann wie beim Döner noch diverse Gemüse und Saucen hinzu wählen.

          Perfektes Radlerwetter

          Über allen ist das schöne Wetter, wer weiß schon wie das hier im Dauerregen abgehen würde. Aber wie entspannt die Leute hier sind, lest in dieser kleinen Beobachtung. Ich halte an einer schattigen einladenden Kneipe für einen spricer. Ein riesig langer 99'er FORD Mondeo Combi fährt fast mein Rad um beim schwungvollen Einparken. Zwei Serben beleiern beim Aussteigen gleich den jungen Kneiper, der lässt sich aber bei seiner englischen Konversation mit mir gar nicht beirren. Dann besteigt er den Mondeo, nicht abgeschlossen und der Schlüssel steckt, ist hier so üblich, und fährt ein paar pleskavica aus. Nach ein paar Minuten zurück holt er seine Angel und fährt mit Einem der Leute zum Forellen fischen: "My hobby!" Die Uhr zeigt 15 Uhr.

          Amerikanisches Versprechen

          Morgen wird es wohl ans Eingemachte gehen, ich fahre noch bis zum Ende der asphaltierte Straße nach Kumanica. Das amerikanische Versprechen durch den Mercy Corps einer Fortsetzung der Asphaltierung bis Montenegro scheint nur Makulatur zu sein. Dort erwartet mich morgen 30 km Gravelroad aufwaerts.

          10.6.2015 Golija Planina

          Es war ein schweres Stück über die Golijan Berge in das Sandžak nach Novi Pazar. Ich fand eine großartige Zeltstelle am Ende des Asphaltbelags einer Nebenstraße gleich nach Kumanica. Was ich nicht fand - ein Lädchen. Damit war das Wasser knapp, zu Essen gibt es überhaupt nix. Ich ließ mir die Möglichkeit der Umkehr.

          Aufstieg Golija Planina

          Doch welche Überraschung, nach wenigen hundert Metern gab es Asphalt und immer wenn es knapp wurde mit dem Wasser eine Quelle. So erreichte ich bei knapp 1500 Metern die Wälder des Golija-Gebirges. Irgend einer hatte die Idee auf den höchsten Berg Jankov Kamen (1833 m) eine Seilbahn zu errichten. Am Forsthaus Golijanska Reka standen überall Gondeln und anderes Material für das Projekt rum.

          Golija Planina

          Hier war dann auch die Herrlichkeit des Asphaltbelags zu Ende. Noch mal hoch auf 1650 m, und die Gegend wendete sich schlagartig, weite Wiesen- und Weideberge und eine holprige Abfahrt.

          Blick in das Sandžak, Duga Poljana

          Ich erreiche das Bosniaken-Dorf Duga Poljana. Mir fällt sofort auf, dass in den Kühlschränken der Lädchen kein Bier mehr präsentiert wird. Um die Moschee ducken sich ein Dutzend Häuschen. An der kleinsten Hütte steht dran: Obucar, der Schuster. Daneben sehe ich wie ein Op' im Schaufenster gegrillte Hammelfleischstücke immer wieder mit Sauce übergießt. Das wird mein Happerchen zum Frühstück, würzig, heiß und gut. Es ist aber schon 16 Uhr.

          Die große Moschee in Rajcinovice (Džamija u Rajčinoviću)

          Zur Übernachtung suche ich mir ein Hotel in Novi Pazar Banja. Nachdem ich mich frisch gemacht habe, will ich noch auf ein Getränk eine Treppe tiefer. Da wird mein Flur zur Moschee, in der Tat, neben meinem Zimmer #102 liegt der Gebetsraum. Am Treppenaufgang haben alle bereits die Schuhe ausgezogen, bestimmt fünzig Paar. Als ich erfolglos nach ein paar Minuten zurückkehrte, was ich für das Restaurant hielt, war jetzt der Gebetsraum der Frauen, knieten und beteten immer noch Einige vor meinem Zimmer. Das Ganze incl. Übernachtung in einem hoch feinen Dreibettzimmer kostete 20€. Ein Glück, dass ich ein paar Minuten vorher noch eine serbische Kneipe fand und ein Zajecarsko pivo kalt genießen konnte.

          11.6.2015 Der Müller

          Gut, dass ich schon gestern mein Zimmer zahlte, wie erwartet war heute früh um Sieben keiner da. Also rein nach Novi Pazar zum Frühstück. Meine Gelüste gingen in Richtung Bäckerei und türkischen Kaffee. In der Bäckerei Evropa fand ich zwei schöne Stücke und direkt am Fluss Rashka eine kafana zum Verweilen. Das Tagebuch schrieb ich zu vier türkischen Tee. Es kündigte sich ein Tag der Ruhe und Entspannung an. Es ist schön, wenn man kein Ziel anstreben muss.

          Unter der Festung in Novi Pazar

          Heute scheint Abschluss des Schuljahres zu sein, von allen Seiten streben die Kinderchen mit den Farben der Schule als Luftballons dargestellt und verfolgt von den Handys der Eltern den zentralen Platz unter der Festung an.

          Basargassen

          Novi Pazar macht seinen Namen alle Ehre, in alle Richtungen kleine Basargassen mit nullstöckigen Buden und ein Gewimmel von Autos und Leuten dazwischen. Irgendwann wurde ich als würdig befunden, mit dem persönlichen Handy abgelichtet zu werden.

          ... aber eine Lunte liegt

          Endlich beschloss ich, den Weg zurück zur Route über Tutin zu nehmen, mit der Maßgabe: Langsam, langsam, heute nur ein viertel Tag. Überall finde ich muslimische Friedhöfe, doch nach der Abzweigung nach Tutin links Kreuze auf den Gräbern. Was bedeutet das für Einen, der Bierdurst im Zeichen der Minarette hat? Die Erlösung ... und bald fand ich Niksicko pivo in der Kühlvitrine eines kleinen Lädchens am Straßenrande. Ich holte mir ein Niksicko aus dem Kühlschrank und hockte mich in die Runde. Ich landete in der Runde von vier Serben und dem Betreiber des "magazin mixt". Einer verstand ein wenig Deutsch, er arbeitete einige Zeit in Duisburg. Der Platzhirsch wollte gleich wissen, was ich als weiteres trinken mag. "Rakija", mir war noch nicht klar, was folgen sollte.

          Der Mueller, der Platzhirsch, der Geselle

          Einer in der Runde war der hiesige Müller, er betreibt eine zweihundert jährige Wassermühle. Auf meine Frage nach einer Besichtigung packte der Platzhirsch den Müller, seinen Gesellen und mich in diesen tollen Michelin-Van von Fiat (die grandiose Konstruktion eines Raumwunder) und fuhr uns die paar hundert Meter zur Mühle am Fluss Rashka.

          In der 200-jährigen Mühle


          Giltig gemacht: Mit Stempel und rakija

          kukuruz (Mais) steht auf dem Mahlzettel, den der Müller mir giltig machte. Natürlich gab es für die Runde incl. Fahrer einen rakija, trotzdem konnte er mich wieder heile zurück bringen. Dort wartete der "Duisburger" mit einer neuen Runde von Freunden und rakija. Einer der Neuen war ein besonders Pfiffiger. Er überschlug schnell den Gewinn eines Exportgeschäfts, nachdem ich ihm auf Nachfrage den Literpreis eines guten Obstlers mit 25€ in deutschen Geschäften schätzte. Darauf den nächsten rakija. Ich habe jetzt die Reißleine gezogen, bin in der tollen Anlage Motel "Ras" Pazariste eingecheckt. Das liegt am Beginn einer tollen Felsenschlucht, wo ich morgen weiter radeln werde.

          12.6.2015 Auf der Seidenstraße

          Heute galt es nun nüber zu machen nach Montenegro. Parallel zur Hauptstraße über Novi Pazar gibt es die Nebenstraße über einen kleinen Pass nach Tutin.

          Der Weg nach Tutin

          Oben wieder der Landschaftswechsel zur Waldsteppe des Peshter. Die Stadt Tutin scheint wie erst vor zwanzig Jahren erfunden und jeder durfte bauen wie er wollte. Oft war aber schnell das Geld alle, es blieb ein Rohbau stehen, der auch mal für sieben Stockwerke angelegt sein konnte. Trotzdem ein großer Trubel allenthalben, es gab Zeugnisse für die überaus zahlreiche Jugend. Da wurde von den Vätern, Vettern und Onkels gern mal ein Schein ins Zeugnis gesteckt.

          Poser in Tutin

          Ein Op' aus Ahrweiler bei Bonn erzählte mir bei einen Tee die Geschichte dieser Gegend. Vom Berliner Kongress nach den ersten Balkankriegen wurde dem Sandžak die Autonomie zugesichert. Doch geschert hat sich keiner der Herrschaften darum, gekümmert aber auch nicht. In der Kneipe hingen zwei Tito-Plakate, unter dem ging es den Leuten noch am Besten, man hatte einen Pass, der was galt und konnte ins Ausland arbeiten gehen. Er unterstrich mehrmals, dass in dieser Stadt heute jede Familie das Geld aus dem Ausland kriegt. Er war schon in den 60igern mit der gesamten Familie ins Rheinland und hat heute einen deutschen Pass.

          Die Lage von Tutin an der Seidenstraße

          Auf dem Stadtplatz haben sie eine Weltkarte mit den diversen Seidenstraßen aufgestellt, letzte Station nach Westen kurz vor Venedig: Tutin.
          Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 09:56. Grund: Bilderlinks repariert
          Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
          Eberhard Elsner

          Kommentar


          • EbsEls
            Erfahren
            • 23.07.2011
            • 436
            • Privat


            #6
            [MNE] Montenegro

            Nach dem unproblematischen Grenzübergang ins Euroland Montenegro dann die Ibar-Schlucht, eine Kopie der Ardeche-Schlucht.

            Die Schlucht des Ibar

            Genauso führte die Straße hoch über der Schlucht mit atemberaubenden Tiefblicken. Vor einigen tausend Jahren wird es wohl auch an der einen Stelle einen Ponte de Ibar gegeben haben.


            13.6.2015 Ein neuer Länderpunkt: Kosova

            Das Motel Grand am Ausgang von Rozaje Richtung Berane war großartig, Niksicko pivo, ein gutes gebackenes Schweinefleisch, eine fast heimische Kartoffelsuppe, viel Internet und ein kühles Zimmerchen - alles zusammen für sage und schreibe 25€.

            Holzernte oder Holzklau: Die Laster sah ich dann später auf dem Weg ins Kosovo

            Wie immer bin ich vor Sieben los, aber nicht weit zeigte das montenegrinische Tourismusentwicklungsbüro einen Radtrail zur Quelle des Ibar an. Da bin ich mal rein in das enge Tal, aber nach einigen Kilometern wieder umgekehrt, es sollte ja noch vor dem Aufstieg ein ordentliches Frühstück geben.

            Ideen für Rad und Wanderstiefel

            Wenn man von der Hauptstraße in Rozaje in die kleinen Gassen abbog, roch es überall lecker nach pekara, einer Bäckerei. Ich wählte eine bosniakische Bäckerei, drinnen ein leckeres Mädel, aber sonst war außer ein paar Waffeln und großen Broten nichts für mich zu happern. Ich fragte nach einer Portion burek, sie antwortete: "Mantije!" Ich konnte damit nichts anfangen und wandte mich ab, sie rief hinter mir her und zeigte mir das Blech in ihrem Ofen. Es waren lauter Tischtennisball große Buchteln aus Blätterteig gefüllt mit gehacktem Fleisch. Sie packte mir 10 Stück auf einen Teller und übergoss sie mit saurer Sahne, dazu gab es einen Becher Joghurt. Preis: 1,40€.

            Aufstieg zum Pass und zur Grenze zum Kosovo: Die Moschee in Dacići

            Nach einigen Runden durch das Städtchen und einer weiteren Portion burek startete ich den Aufstieg zum Pass hinüber ins Kosovo. Rozaje liegt auf über tausend Meter Höhe, trotzdem braucht es noch knapp 600 Höhenmeter um dann in das Amselfeld hinunter zu stürzen.

            Am Kula-Pass
            Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 10:00. Grund: Bilderlinks repariert
            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
            Eberhard Elsner

            Kommentar


            • EbsEls
              Erfahren
              • 23.07.2011
              • 436
              • Privat


              #7
              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

              Zitat von Baciu Beitrag anzeigen
              Ja, da wären wir uns ja fast über den Weg gelaufen. War sicher auch ne recht sonnige Zeit dort. Bin mal gespannt.
              In der Tat: Ich war auch zu Gast in dem schönen Hotel Ҫardak - kommt im nächsten Beitrag
              Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
              Eberhard Elsner

              Kommentar


              • Gast-Avatar


                #8
                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen
                um die "Leistung" zu ermitteln: Nur knapp 1500 km, aber fast 22.400 Höhenmeter geleistet.
                Schaffst Du da überhaupt Deine 6000km dieses Jahr? Ansonsten sehr schön.

                Kommentar


                • EbsEls
                  Erfahren
                  • 23.07.2011
                  • 436
                  • Privat


                  #9
                  [RKS] Kosovo


                  Abfahrt vom Kula-Pass ins Kosovo

                  Spektakulär, die Abfahrt! Bevor meine Reifen beginnen zu brennen vom Bremsen, steht die erste kosovarische Kneipe am Weg. Hier koste ich schon mal vor - das birra Peja, das Bier aus Pec, dem ersten Hauptziel dieser Tour. Morgen soll es in die Rugova-Schlucht gehen.
                  Das Gewitter gerade würde wohl auch den Tropen gerecht werden, Golfball große Blasen vom Regen und Blitz&Donner im Minutentakt. Ich sitze beim 3. birra Peja im Trockenen. Es ist für mich immer sehr spannend in ein neues Land zu kommen, ich bin gespannt, ob die Vorurteile stimmen, worauf kann ich mich freuen und wovor muss ich mich in Acht nehmen. Ich bin dann sehr aufmerksam und suche die Zeichen an der Wand. Meine Kneipe hier ist dekoriert mit der amerikanischen und der albanischen Flagge. Neben mir bis eben drei Aufschneider, die sich nur mit ihren neuesten iPhones unterhielten, zwei der Kerle sind gerade in einem AMG S-Klasse-Super Coupé mit Flügeltüren weg. Soweit die Bestätigung der Vorurteile. Positiv für mich ist im Gegensatz zum bosniakischen Sandszschak die größere Toleranz zum Bier. Hier kriege ich ein kriegl Bier (albanisch für aus dem Fass ausgeschenkt) aus Pec/Peje. Vergleichsweise trocken noch die wenigen Kilometer hinein nach Peje gerollert.

                  14.6.2015 Gryka Rugove: Kann ein Sonntag schöner sein

                  Die Kosovaren halten die Sonntagsruhe ein, das muss man sagen. Gegen 7 Uhr gibt es noch wenig offene Caffees. An mein Rad komme ich noch nicht, im Hotel ist niemand. Bei einem netten Mann dann der erste und der zweite Espresso, er begrüßt hier jeden wie einen alten Bekannten. Ich kann mich mit ihm auf Deutsch verständigen, dass ich mir was leckeres&heißes von der benachbarten Bäckerei hole und bei ihm frühstücke.
                  So gestärkt gehe ich die Rugova-Schlucht an. Am Ortsausgang am serbischen Kloster noch ein paar verlassene KFOR-Posten mit verrosteten "Nicht fotografieren!"-Schildern. Es ist die beeindruckendste Schlucht, die ich bisher durchfahren durfte, fantastisch.

                  unterer Teil der Schlucht


                  Beim Restaurant "Hani"

                  Es gibt eine ordentliche Infrastruktur, im Restaurant "Hani" hat gerade eine KFOR-Streife in voller Montur (Lothar würde sagen: Mit der kleinen und der großen Demokratie, die Begleiter des Südtiroler Offiziers sogar mit Sturmgewehr) die Sicherheit für eine reservierte und gedeckte Tafel gecheckt. Ich erhalte Besuch am Tisch vom Präsidenten des kosovarischen Radfahrerbunds und dreimaligen kosovarischen Meister. Er ist so alt wie ich. Er hat unten in Peja einen großen Radladen. Wir schätzen unsere jeweiligen Rahmenkonstruktionen, er fährt einen Carbon-Rahmen. Er zutscht Energie-Drink aus seiner Radlerflasche, ich trinke birra Peja.

                  Im Restaurant "Hani"

                  Ich bin bis hoch zum Abzweig zur Grenze nach Montenegro, in die Siedlung Kuqishte.

                  Kuqishtë - point of return

                  Nun die Belohnung: Die Abfahrt zurück nach Peje. In den Tunnels hänge ich mich an den Sonntagsausflugskonvoi der italienischen Carabinieri mit Horn und Blaulicht. Ich bin auf einigen derer GoPro-Videos, besonders für mein Ausbremsen des einheimischen Gegenverkehrs in einer Kehre erhalte ich Beifall.
                  Meinen Sonntagsbraten erhalte ich in einem äußerst schmucken Restaurant in Peje, zu deren Sauce würden auch die Thüringer Klöße passen. Kann ein Sonntag schöner sein?

                  15.6.2015 Der Weg nach Prizren

                  Gestern noch ein spannendes Gespräch mit den Besitzern des Hotels Çardak in Pejë gehabt, zwei Brüder. Der eine versuchte mir die widersprüchliche Geschichte des Kosovos zu erläutern. Es leben hier 30% Katholiken, 70% Moslems und Serben. Es hätte hier praktisch keine Kämpfe gegen die Deutschen im Weltkrieg II gegeben, mit den Italienern hätte es Probleme gegeben. Leider konnte ich nicht richtig folgen, die Sissi aus Stuttgart schwätzte mit dem anderen Bruder. Sie will am 16.11.2015 in Pejë dort im Restaurant ihren 55. Geburtstag feiern, ich bin eingeladen. Nach einigen Malorca-Abenteuern und vielen schwäbischen Automarken ist sie abgebrannt im Kosovo gelandet und macht jetzt mit ihrem Lebensabschnittsgefährten in Wasser. Diese Story ist reif für das reality TV in SAT1.

                  Kloster Visoki Dečani

                  Gerade konnte ich slowenische KFOR-SoldatInnen bei ihrem Dienst beobachten. Ich bin in Dečani und besuchte das serbische Amselfeld-Kloster hier, UNESCO-Weltkulturerbe. Man muss beim KFOR-Posten seinen Pass abgeben und erhält einen Besucherausweis, heute zusammen mit einer Rentnertruppe aus Japan. Am Posten und im Kloster überall Schilder zum Fotoverbot, bei der Ausrüstung der Japaner aber vergeblich. Sie waren neben den Fotokameras noch drahtlos mit ihrem Reiseführer verbunden, damit sie seine Erklärungen mit ihrem Reiseführerbuch vergleichen konnten. Alles sehr geordnet und höflich. Ich musste mir nur hinter einem KFOR-Jeep lange Hosen für den Klosterbesuch anziehen.

                  Auf dem Weg nach Prizren: Die Schneider (Terzijski)-Brücke über den Erenik bei Đakovica, Kosovo

                  Der Weg nach Prizren war arm an Schatten, windig und reich an Verkehr. Aber ich bin mir sicher, ich habe mit dieser Etappe die beiden schönsten Städte des Kosovo verbunden. Heute früh noch im Basar in Peje an einem Brunnen einen Kaffee. Einen Höhepunkt im Vorfeld von Gjiakove war ein Restaurant in einem Eichenhain mit diversen Brunnen und Bächlein zwischen den Sitzinseln, ein Muster von einem Biergarten. Nun unter der Festung von Prizren das dritte kleine Bier. Mittlerweile, jedenfalls die drei Tage bisher, hat KEDS, der hiesige Energieversorger, sein Netz im Griff. Man sieht noch ein paar Dieselgeneratoren auf den Dächern, aber sogar die Festung und die Moschee sind hier illuminiert. In Vorbereitung zur Tour hatte ich noch viel von den planmäßigen Stromabschaltungen bis 2012 im Kosovo gelesen.

                  Prizren vor dem Shar-Gebirge

                  16.6.2015 Das Shar-Gebirge


                  Prizren: Die alte Brücke über den Fluss Bistrica


                  Die Sinan-Pascha-Moschee in Prizren hatte das höchste Minarett des Balkans bis zum Ende des 20 Jhdt.


                  Die Schlucht der Bistica

                  Dafür habe ich den ganzen Tag gebraucht, von Prizren nach Prevalle auf 1500 m im Shar-Gebirge. Mit Mittagessen bei einem mächtigen Türken und später einem Nickerchen im Schatten. Unten war ich noch zu Gast bei der albanischen politischen Lokalprominenz. Mit den Serben vom Nachbardorf Sredska kämen sie gut aus. Es sind wohl nicht mehr viele im Nachbardorf. Dreie plus Wirt traf ich in der Kneipe zum Mokka und rakija.

                  Haus der Kultur in Sredska, ausgebrannt im Juni 1999

                  Als ich die Standortmarkierung der deutschen PzArtBatt KFOR fotografierte, pfiff der Polizist hinter mir her. Er wollte aber nur sein Missgeschick mit der Deutschen Bahn los werden: Auf Wochendticket von Braunschweig nach München, in Nürnberg Zug kaputt, mit ICE weiter und nochmal 64€ draufgezahlt. Solche Geschichten über unsere Bahn kriegst du mittlerweile schon im Kosovo erzählt.


                  Oberer Teil des Bistrica-Tals im Shar-Gebirge mit dem Goranen-Dorf Gornje Selo

                  Die oberen Dörfer des Tales waren Dörfer der Goranci. Das sind moslemische Slawen, Mittelpunkt des Dorfes ist die Moschee und die Frauen laufen in sehr schönen Pluderhosen und buntem Kopftuch rum.

                  17.6.2015 Der Weg nach Tetovo

                  Früh war der Pass Prevalle im Nebel. Das Wetter hat sich gewendet, es ist nicht kalt, aber feucht.

                  Im Shar-Gebirge

                  Hat die deutsche Politik hier mal was richtig gemacht? Vorhin bin ich an einem Bauschild einer Straßenbaumaßnahme vorbei gefahren. Investor: KFOR war zu lesen. Die Leute hier, soweit es Albaner sind, sind zufrieden und zuversichtlich. Auf unsere Angela lassen sie nichts kommen. "Die Deutschen haben uns am meisten geholfen!", sagt mir Einer, der hier gerade getankt hat und spendiert mir ein Bier. In den kleinen serbischen Enklaven, durch die ich bisher gekommen bin, sieht es aber anders aus. Breshovica war mal ein Wintersportort, hier steht ein Hotel wie das " Panorama" in Oberhof - tot. Der Kneiper, bei dem ich in Dinar bezahlen durfte, sprach von "Krise auf dem Balkan". Er freute sich, dass er nachher für eine wichtige Runde die Mittagstafel ausrichten konnte. Draußen döste Lisa, seine Shar-Hündin, und bewachte mein Rad. Das sind richtig große Schäferhunde, kräftig genug, um es mit den Wölfen hier aufnehmen zu können.

                  Gipfel des Shar-Gebirges

                  Ich habe mich vorhin gefragt, was die weißen Landrover mit großen Antennen ausgerüstet machen. Sie standen am Straßenrand. Im Hintergrund war noch ein Unterstand zu sehen. Auf den Fahrzeugen ist ein Signet eines "Halo Trust" zu sehen. Jetzt sind sie hier an meiner Kneipe auf dem Pass, auf dem Rücken ihrer T-Shirts steht Mine Clearence. Einer geht an Krücken und hat einen frischen Handverband. Ich sah bisher auf meiner gesamten Tour keine Warnschilder bezüglich Minen. Auf deren Webseite steht frei übersetzt zum Kosovo folgendes Statement:
                  Die UN verwaltete ein großes Räumungsprogramm im Kosovo zwischen 1999 und 2001, die in der Erklärung der UN 2001 mündete, dass Kosovo sei frei von Minen.
                  ...
                  Aktuell hat der Trust drei Teams und insgesamt 52 Mitarbeiter im Kosovo im Einsatz. Dies sei ausreichend, um mit Minen und Streumunition (Cluster munitions) in einer fristgerechten Weise umzugehen.
                  Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 10:09. Grund: bilderlinks repariert
                  Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                  Eberhard Elsner

                  Kommentar


                  • EbsEls
                    Erfahren
                    • 23.07.2011
                    • 436
                    • Privat


                    #10
                    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                    Zitat von chrischian Beitrag anzeigen
                    Schaffst Du da überhaupt Deine 6000km dieses Jahr? Ansonsten sehr schön.
                    Nicht die Menge machts, sondern die Qualität!
                    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                    Eberhard Elsner

                    Kommentar


                    • Gast-Avatar


                      #11
                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                      Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen
                      Nicht die Menge machts, sondern die Qualität!
                      Danach habe ich nicht gefragt.

                      Da traue ich mich gar nicht mehr, die anderen Fragen zu Stellen.

                      Kommentar


                      • EbsEls
                        Erfahren
                        • 23.07.2011
                        • 436
                        • Privat


                        #12
                        [MK] Mazedonien, ggf. auch FYROM genannt


                        UÇK-Heldenschrein bei Tetovo in Mazedonien

                        Der weitere Weg nach Tetovo war fast nur noch Rollern. Lange fand ich keine Unterkunft, nix. Die scheinen hier nicht viel Touristen ab zu bekommen, trotz der weltberühmten Bunten Pascha-Moschee. In einer Hamburger-Bude mit dem Namen Berlin habe ich dann endlich gefragt, der Eine wies nach rechts, von dort kam ich, der Andere wies in die entgegengesetzte Richtung, die waren keine Hilfe. Endlich die Hotel-Tankstelle Euro Petrol.

                        Tetovo: Die bunte Moschee
                        Xhamia e Pashës, was zu deutsch „Pascha-Moschee“ bedeutet

                        Es ist beeindruckend, wieviel Geschäfte hier das Erlernen der deutschen Sprache anbieten. Beim Reinrollern nach Tetove gleich am Stadtrand vier solcher Fakultäten.


                        18.6.2015 Ein Regentag

                        Ich plante bereits zu Hause für Tetovo einen Ruhetag, nun stellte sich auch noch dieser Regentag ein. Die 36€ für die zwei Übernachtungen in der Hotel-Tankstelle waren also gut angelegt. Die berühmte Bunte Moschee fand ich gestern schon, heute war ich an dem Bektashi-Kloster.

                        Tetovo: Vor der Arabati-Baba-Tekke
                        Eine Tekke ist ein Zentrum einer Sufi-Bruderschaft (Derwisch-Orden)


                        Tetovo: Hinter den Mauern der Arabati-Baba-Tekke

                        Es ist schon lange kein Derwisch-Kloster mehr, die Brandnarben und die Beflaggung zeugen vom widersprüchlichen Geschehen in den letzten Jahren.

                        Tetovo: Der Friedhof

                        Es ist hier viel schwieriger eine Kneipe mit Bierausschank zu finden als im Kosovo. Oberhalb der parallel zum Shargebirge verlaufenden Hauptstraße ist es vergeblich. In der Unterstadt ist die Wahrscheinlichkeit etwa fifty-fifty bei guter Vorrecherche. Diese besteht darin, dass ich nach einem Getränkekühlschrank von shkopsko pivo spechte. Es sind hier einige ganz unterschiedliche albanische Strömungen am Werk, hier in Tetovo sehr sunnitisch geprägt.

                        Gemüsebasar

                        Auf den Straßen am Kloster ist auch der Basar. Die verkopftuchten Hausfrauen kaufen ihr Gemüse nur beim Spezialisten, zum Beispiel die Frühlingszwiebeln. Ich kam mit einem der Händler ins Gespräch zum Woher&Wohin. Zum Schluss bekam ich drei Schlotten geschenkt. Was soll ich damit tun? Ich bin also damit zu meiner Stammkneipe hier und wollte sie dem Wirt schenken. Das ist eine eher säkulare Kneipe, geführt von Aleksandar. Es entwickelte sich ein großartiger Nachmittag. Meine Zwiebeln wurden mit Gurken, Oliven, etwas Salz und Öl dar gereicht.

                        Tetovo: Bei meinem Freund Aleksandar. Mazedonische Spezialität: Als Meze, oder Meza (kyrillisch Мезе, Меза) perfekt zum Bier

                        Dann gab es eine ganz überraschende mazedonische Spezialität: Sprotten! Ich habe nicht herausgekriegt, ob die Fischchen mal im Ohrid-See lebten. Dazu von jedem Gast einen rakija. Die albanische Runde, auch ein Schnäppschen trinkend, erhielten eine fast 1m-Durchmesser Pfanne mit gegrilltem Gemüse, dort durfte ich auch kosten.

                        Im Hof der Bunten Moschee

                        Ich bin hier im Orient, glaubt mir! Der Orientale vermag es seine Ware auch ohne aufwendige Verpackung zu präsentieren. Schon gestern verharrte ich vor dem Schaufenster einer mulleri. Das ist ein Laden für alles Kernige, ggf. wie beim Kaffee auch gemahlen, Nüsse und daraus bereitete Köstlichkeiten. Die Behältnisse mit allerhand Nüssen sind immer gleich gefüllt und der Spiegel ist zum Kunden angeschrägt, in jedem Behältnis kongruent. Was dieser Laden an Kaffeevarianten anbietet, spektakulär.

                        19.6.2015 Ramadan

                        Gestern wollte ich an der Eckkneipe, wo ich vorgestern mein Gute-Nacht-Bier getrunken habe, das wiederholen. Der gleiche Kellner, ein pfiffiger Internet-Experte, entschuldigte sich: "Ramadan". Ich habe mich schon immer gefragt, was machst Du auf Tour und es ist Ramadan.
                        „Koran (erstmals) als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist, und (die einzelnen Koranverse) als klare Beweise der Rechtleitung und der Rettung (?). Wer nun von euch während des Monats anwesend (d. h. nicht unterwegs) ist, soll in ihm fasten.“
                        – Koran: Sure 2, Vers 185
                        Also Ebs, Du bist unterwegs, sei aufmerksam und navigiere dich geschickt durch die Nationalitäten! Mein Plan war entlang des Vardar nach Shkopje zu fahren. Meine Freunde aus Tetovo beteuerten immer, dass neben der Autobahn die alte Straße verlaufen würde. Das ist der kürzeste Weg. Darin besteht aber eben die Herausforderung, ich will nicht nach Shkopje, ich will einen coolen Weg nach Shkopje finden, dann eben auch einen Umweg.

                        Derventska klisura des Vardar


                        Gemeiner Bienenkäfer (Trichodes apiarius)


                        Segelfalter (Iphiclides podalirius)

                        Die schmale Straße durch die Derventska klisura war dann auch große Klasse, führte aber direkt wieder in das Feiertagsgebiet des Ramadan im Norden von Shkopje. In einer Dorfkneipe ließ mich der Wirt meinen Schweppes nicht draußen sitzend trinken. Da war es eine gute Idee, dass mein Frühstück bei den Arbeitern der Jugochrom-Hütte in Jegunovce zu deren Freude etwas mächtiger ausfiel. Ein Pleskavica Makedonka, gefüllt mit Käse. ...und das frische Brot, gewürzt mit vegeta und Paprika. Einer befragte mich nach der Religion, zum besseren Verständnis bekreuzigte er sich. Ich antwortete: " No Ramadan!" Ich glaube, darüber hat zur Mittagspause noch die ganze Frühschicht der Chromhütte gelacht.

                        Die Matka-Schlucht

                        Eine große Sehenswürdigkeit ist die Schlucht Matka. Mit der letzten Staustufe hat sich Mazedonien so eine Art Königssee geschaffen. Weiter geht es auf einem Saumpfad, ca. 6km, oder mit dem Boot. Es besteht eine sehr gute touristische Infrastruktur, die bis zum Angebot des Gleitschirmfliegen reicht. Das muss unglaublich beeindruckend sein.

                        Auf Saumpfad oder mit Boot zu den vielen Klöstern

                        Nun habe ich Shkopje erreicht, und zwar in dem Stadtviertel, wo der Ramadan nur im Fernsehen stattfindet. Ich feiere mit einem Tikves-Wein T'ga za jug.

                        T'ga za jug

                        20.6.2015 Eine Verbindungsetappe bis Negotino

                        Heute bin den größten Fluss Mazedoniens den Vardar abwärts gefolgt. Diese Route nimmt auch der Highway Alexander von Mazedonien, wo ein Radler nix zu suchen hat.

                        An der alten Straße hoch über dem Vardar-Tal zwischen Shkopje und Veles

                        Aber es gibt ja noch die alte Straße. Es gab aber vor Veles eine Einlage, ein ordentlicher Anstieg mit zahlreichen Kurven auf einer fast zugewachsenen Straße. Ich habe sicherheitshalber zweimal geguckt, ob ich richtig bin. Die Wegweiser zeigten nur noch zu diversen Klöstern und Kirchlein.

                        Im Tal des Vardar: Kirche St. Nikolai

                        Nach Veles war dann die alte Straße neben der Autobahn in einem ordentlichen Zustand. Ich kam an einen Hügel mit einer großer mazedonischen Flagge, erst dachte ich, da auch Mauern zu sehen waren an eine Festung. Es war die antike hellenische Stadt Shtobi. Ein alter Mann bewachte aber nur ein paar Fundamente und einige zerbröckelte Säulen in einem riesigen eingezäunten Gelände.

                        Vardar bei Negotino

                        Erreicht habe ich die Stadt Negotino. Hier war ich schon mit Ralf 2006. Ich werde morgen die hier ausgewiesene Straße nach Strumiza nehmen, um nicht in alte Furchen zu geraten. Damit wird es wieder in die Berge gehen.
                        In mitten eines großen Kindergeburtstags bei einem ordentlichen Gewitter gab es gerade eines meiner balkanischen Lieblingsgerichte: Gegrillten Schafskäse, petschene siren.

                        21.6.2015 Ein regnerischer Sonntag

                        Es ist nix geworden mit dem Weg über die Berge, bin hier geblieben im "Kraichgau" Mazedoniens.

                        Weinland Tikves

                        Das ist hier das Weinanbaugebiet Tikves, also auch eine Gegend für einen relaxten Sonntag. Gegen Mittag hatte es sich ausgreregnet, jetzt gegen 17 Uhr ist es genau richtig zum Draußen sitzen und die Weine des hiesigen Gutes "Rovin" zu verkosten.

                        Frühschoppen in Negotino

                        Sie spielen hier enthusiastisch Backgammon. Dieses Spiel wurde mir 1977 in Bulgarien auch beigebracht. Durch setzen, würfeln und gegnerische Steine blockieren muss man in einem so mit Spitzen illustriertem Spielfeld als Erster die andere Seite besetzen. Es wird mit zwei Würfeln gespielt, so dass man die Augenzahl taktisch klug aufteilen muss, was für die zahlreichen Kiebitze leidenschaftlichen Gesprächsstoff ergibt.

                        22.6.2015 Strauchsteppe


                        Strauchsteppe

                        Auf den Hügeln hier im Süden Mazedoniens im Tikves wächst es nicht hoch. Es sind eine Vielzahl von blühenden Kräutern, Disteln und kratziges Gesträuch, weiter oben in günstigen Lagen ein paar Kiefern. Ich muss ja öfters halten, denn es geht wieder zünftig bergauf, ich kann mich mal ein wenig der Botanik und dem was drauf rum kräucht widmen. Größere Säugetiere wird es wohl wenig geben, in den Erosionsrinnen fließt nur Wasser nach den Regenfällen wie gestern, dann ist alles wieder weg und trocken. Es gibt hier auch viel weniger Greifvögel wie bei uns, einen Milan habe ich heute kreisen sehen. Bleiben die Kriechtiere und die Insekten. Die Eidechsen sind immer so schnell weg, die kriege ich nicht auf die Linse. Schlangen und Schildkröten habe bisher nicht gesehen, muss man wohl früh raus.

                        Vor dem Serta-Pass

                        Es war ein länger Abschnitt ohne Logistik von Negotino bis hier her nach Radovish über den Serta-Pass. Entgegen meiner sonstigen Vorgehensweise bin ich gleich beim ersten Kneiper ran, ist ein Guter, sitzen viele einheimische Gäste hier. Es ist interessant die Eigenschaften des rakija zu beobachten, von Belgrad bis hierher. Im Norden war es immer ein Obstler, dann fragten sie häufig nach: Slivovitz oder von der Traube. Bei den Muslimen war es immer ein klarer Tresterschnaps, hier in Radovish ist es ein Weinbrand, gelagert, golden. Bald bin ich in Bulgarien.

                        Verkehsgeschehen in Podaresh, bei Radovish

                        Heute habe ich meinen ersten verifizierten Hunderter geschafft, in Negotino war Strumiza mit 107km ausgeschildert. Nach Radovish habe ich noch eine Schleife auf einer Nebenstraße durch eine Gegend mit dem Stand von 1990 gefahren, mal von den Handies der Teenies abgesehen. Die Anzahl der Autos und Pferdefuhrwerke hielten sich die Waage.

                        In Podaresh

                        Deutlich ist der abgestorbene Tabakanbau, nur langsam werden die alten Darren für die Tabakpflanzen durch Foliengewächshäuser ersetzt. Das Polje zwischen Radovish und Strumiza ist sehr fruchtbar, da werden sich doch Alternativen finden lassen. Der Boden ist durch die Verwitterung der weiter vorn beschriebenen Landschaft sehr Mineralien reich. Vom Ograshden-Gebirge herunter kommende Bäche werden geschickt aufgefangen und über zahlreiche Kanäle verteilt, sehr interessant.

                        Vom Dach meines Hotels in Strumica - Die Baba Wanga (1911–1996), bulgarische Prophetin ist hier geboren

                        Jetzt hier in Strumica ist die Kluft zwichen Dorf und Stadt schon bemerkenswert. Strumica ist bei Karl May als Ostromdscha bekannt. Im Amtsgebäude des Ortsrichters Kodscha Bascha findet eine Verhandlung statt:
                        Der Hof war außerordentlich schmutzig. Nur der Teil längs des Hauses war einige Meter breit mit einer Vorrichtung versehen, welche jedenfalls ein Pflaster vorstellen sollte. Doch sah dieses Trottoir grad so aus, als ob es aufgerissen worden sei, um als Material zu einem Barrikadenbau zu dienen. Vor der Türe stand ein alter Lehnstuhl, welchen ein vorweltliches Polsterkissen zierte.
                        Heute ist das ganz anders. Das Zentrum von Strumica ist praktisch zweistöckig, unten die Autos, oben die Leute, spektakulär!

                        23.6.2015 Der Weg nach Bulgarien


                        Die Gemüsetafel Mazedoniens, im Hintergrund Strumica

                        Heute nur eine kleine Etappe von Strumiza über die Grenze nach Petritsch in Bulgarien. Ich habe versucht heraus zu bekommen, wann das mit dem nickenden Verneinen und dem zustimmenden Kopfschütteln kommt. Es muss wirklich an der Grenze liegen.

                        "Dobro slika", meinten die Einheimischen: Solche Fahnenmasten stehen an vielen zentralen Plätzen im Land
                        Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 13:33.
                        Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                        Eberhard Elsner

                        Kommentar


                        • EbsEls
                          Erfahren
                          • 23.07.2011
                          • 436
                          • Privat


                          #13
                          [BG] Bulgarien

                          Die Festung des Samuil gleich nach der Grenze zu
                          Bulgarien, wo er gegen die Byzantiner verloren hat, war nicht so spektakulär, wie auch die gesamte Etappe heute durch die Gemüsetafel Mazedoniens und Bulgariens.

                          24.6.2015 1977 - 1993 - 2015: 3mal Melnik

                          Bisher waren es immer neue Wege, wenn ich auch mal eine Route von früher gekreuzt habe (2006 mit Ralf in Mazedonien). Jetzt bin ich auf alten Wegen nach Melnik! Ein Moment der Erinnerung unter dem Motto "Früher war Alles besser!"

                          Damals und heute

                          Ich sitze in der Kneipe ganz unten in der Stadt an der alten Platane, man sagt, sie steht da seit ca. 800 Jahren. Es ist gegenüber dem Lebensmittelladen, wo Schlottek damals den Joghurt holte, der so erfrischte. Dieses Melnik war für mich damals der Inbegriff des Orient. Die heutige Zeit tut dem Karma von Melnik nicht gut. Heute könnte ich mir den Orient kaufen, ab 20.250€ verkauft hier der Entwickler des Château Melnik Apartments in einem 5*-Hotel.

                          Soll ich?

                          Ich habe mein Rad der scharfen Wirtin der Kneipe anvertraut und einen Fotospaziergang durch das heutige Melnik gemacht. Es sind die meisten Gebäude sehr gut hergerichtet. Ich kann nicht erkennen, was alte Substanz oder was nachempfundener Neubau ist. Ich steige hoch zur Ruine der größten Kirche und komme auf dem Weg zum repräsentativen Kordupulov-Haus an einem Weinkeller vorbei. Nach den zwei Dezi verkosteten Roten werde ich sentimental und verrate dem Wirt, dass ich schon 1977 hier war. Darauf stoßen wir zusammen mit seinem speziellen Hauswein an.

                          Kirche Sweta Nikola Mirlikijski
                          Sie war die älteste christliche Kirche der Stadt und wurde während der Balkankriege 1912/1913 verwüstet. Im Südwesten der Kirche wurde ein frei stehender hoher Glockenturm errichtet. Der Glockenturm war viereckig, 4 mal 4,5 Meter, mit 1 Meter dicken Wänden.


                          Fachwerk in Melnik

                          So kommt es, dass ich mich vom Wirt der mechana und Pension "Vodenizata" in Karlanovo überzeugen lasse, hier mein Lager auf zu schlagen. Petr beschreibt den Weg nach Roshen sehr einprägsam als mächtig steil. Er vergleicht es mit dem Anstieg ab Chotovo, er muss mich wohl beim Quälen vom Auto aus beobachtet haben. Dieses Roshen, mein eigentliches Ziel ist auf dem Weg zur Slavjanka mit dem Alibotusch über den Parilski pereval wohl eher eine Sackgasse für den Radler mit Gepäck. Ich werde morgen ohne Gepäck eine Runde um Roshen und zum Kloster machen und mich am Freitag der letzten Herausforderung stellen. Nach dem nahrhaften Kavarma aus Schweinefleisch habe ich mir zur gepflegten Verdauung einen rakija bestellt. Er empfahl mir seinen domaschno rakija, das ist wieder mal ein klarer Tresterschnaps, aber angenehm mild.

                          25.6.2015 Der Tunnel

                          Heute also der Knoten in die Hügel von Roshen. Der Bulgare an sich ist kein Frühaufsteher.

                          In Lyubovishte: Der Hirtenhund ruht noch, die Tiere sind noch im Pferch

                          Niemand ist gegen 8 Uhr schon auf der Straße von Karlanovo zu sehen. Nach dem kleinen Buckel hinüber nach Roshen sieht es genauso aus, nix mit einem Kaffee zum Start des Tages. Der Himmel hat sich über Nacht total bezogen.


                          Portal des Kloster Roshen

                          Zuerst schiebe ich mein Rad hoch zum Kloster. Ich bin für den Besuch des Klosters Roshenski manastir dummerweise schlecht gekleidet, kurze Hosen. Ich traue mich nicht rein. Draußen gibt es auch keine richtige Stelle, um das Rad zurück lassen zu können und einen Spaziergang zu dem Pyramidy zu machen.
                          Unten im Dorf ist immer noch nichts los. Außer zwei jungen Familien, die ein altes Haus fit machen für die Saison. Ich breche auf zum Ausflug hoch in die Sandhügel dieser Gegend nach Lyubovishte und drüber hinaus. Schnell komme ich zu dem vom Abt entdeckten Sandtunnel.

                          Der Tunnel

                          Die Straße wird aber immer buckliger, mit Gepäck werde ich diesen Weg nicht leisten können. Das wird mir nun klar.

                          Ein Wegweiser?

                          Auf dem Rückweg winken mich drei Leutchen hinein zum Camping von Lyubovishte, es gibt ein kaltes Bier und einen domaschno rakija. Sie sind stolz darauf, frisch gebrannt, über 50%. Der ist echt der Hammer, der Eine will mich locken, dass ich nach einem Zweiten umfallen würde. Es ist erst Mittag, ich habe bisher nix gegessen, vorsichtshalber lasse ich mich diesmal auf diese Wette nicht ein. Diese Zeilen schreibe ich bei Blagoj.

                          Bei Blagoj

                          Es ist die Kneipe, wo sich 2012 die Freunde nach dem Abstieg von der Pirin-Hütte wieder trafen. Hier gab es dann ein zünftiges Mahl. Blagoj macht in seiner Pracht aber auch eine gute Reklame für seine Küche. Jetzt werde ich unten in Melnik noch ein wenig elektronische Post erledigen und relaxen. Morgen muss ich stark sein, die letzte Herausforderung wartet.

                          26.6.2015 Im Banne des Alibotusch

                          Das ist sie nun, die letzte Aufgabe der BalkanTotal-Tour, die südliche Überquerung des Pirin auf dem Iron Curtain Trail. Ich hatte vom Abt einige Bilder im Kopf, er hat ja damals hier das ganze Gebiet intensiv erforscht. Kein Wunder: Damals ließ er sich noch Alibotusch nennen. Die höchste Erhebung des Slavjanka-Massivs ist der Gotsev Vrach (2212 m), oder der türkische Name Alibotusch, der Stiefel des Ali. Dieser Abschnitt ist tatsächlich Teil des EuroVelo 13, des Iron Curtain Trail. Aber der Reihe nach.

                          Karlanovo: Bei Petr (GSM 0878 70 71 09)

                          Früh bei Petr in Karlanovo los gefahren, da ging es ja erst mal runter nach Melnik, wo noch alles in der Morgenstarre war. Den Weg nach Katunzi auch gefunden, das war mit hoher Sicherheit auch unser Weg nach Kulata damals 1993 mit Mu.

                          Letzter Blick zum Pirin: Winogradi (bulg. Виногради)

                          Dann ging es los, ein längerer stetiger Aufstieg nach Petrovo. Die Leute in der Kneipe dort wunderten sich, dass ich in die Berge wollte. Sie boten mir eine Fahrt mit dem "Ökonomen" an. Petrovo liegt am Rande des Gebirges. Es ist aber alles noch eine hoffnungsvolle Asphaltstraße.

                          Im Banne des Alibotusch

                          Bald bin ich an der Hütte Isvora, es ist gegen 14 Uhr Ortszeit. Ich klinke behutsam und in der Tat, ein Frau führt die Hütte, ich bekomme ein Bier und bald stellt sie mir einen großen Teller ihrer eigenen Käsespezialitäten hin. Das ist, wenn man von einigen Plätzchen aus meinem bescheidenen Vorrat absieht, die einzigste Mahlzeit des Tages. Sie warnt mich vor meinen Plänen, noch bis nach dem Dorf Paril zu fahren. Aber hier an der Hütte bin ich ja noch nicht mal über dem Pass. Also weiter immer noch auf Asphalt. Dann erreiche ich den Pass und nach einer kurzen Abfahrt das Dorf am Ende der Welt Goleshovo.

                          Brunnen in Goleshovo

                          Hier versuche ich durch meine Anwesenheit jemanden zu veranlassen, das Geschäft zu öffnen. Es stehen nämlich drei leere Flaschen Pirinsko auf dem Tisch vor dem Laden. Das Haus, wie die meisten der Anderen, ist schon verfallen, im Erdgeschoss scheint es aber noch trocken genug für ein Lädchen zu sein.
                          Nun kommt der Abschnitt bis zum nächsten Dorf Paril auf dem EuroVelo 13, der nur ein Attribut verdient: Unfahrbar. Es sind ungefähr ein Dutzend Kilometer.

                          Parilski pereval
                          Dazwischen der Pass auf ca. 1450 m. Wer behauptet, den EuroVelo komplett gefahren zu sein, muss mir das durch das Foto des Passes beweisen können. Auch abwärts muss ich meistens schieben, zu steil, zu hulprig, mit Auswaschungen so tief, dass ich mein ganzes Rad reinstellen kann. Im Dorf Paril ist nichts, außer wohl ein paar Liebhaberobjekte für das Wochenende, aber am Dorfende beginnt eine schöne asphaltierte Rollbahn bergab. Es ist schon weit nach 20 Uhr, ich nutze den Abzweig nach Nova Lovtscha in der Hoffnung, dass hier einige Einheimische für den Freitagabend eine Kneipe haben. Dort kaufe ich mir zwei Bier, eines zum Mitnehmen.

                          Zelten am Rand des Reservats Alibotusch: Dorf Nova Lovtscha

                          Vor dem Dorf finde ich eine Stelle für das Zelt. Das größte Radabenteuer meines Lebens hat ein gutes Ende genommen.

                          27.6.2015 Der Alibotusch steckt noch in Knochen

                          Eine Nacht mit ein paar Anfällen von Krampf. Ich muss heute mal wieder mehr auf die Mg-Anteile beim Mineralwasser achten. Das Wasser aus den zahlreichen Quellen ist wohl doch arm an Mineralien und das Bier reicht nicht.
                          Zeitig bin ich los gekommen, gegen 11 Uhr war ich in Goze Deltschev, wo ich das Mittagessen, eine Polenta mit Schweinefleisch probierte. Als das scharf gebratene Schweinefleisch alle war, war der Rest des mamaliga zu trocken. Kennt man ja aus Rumänien. Hier heißt das kacamak.

                          Letzter Blick auf den Alibotusch

                          Der kleine Sattel am Morgen hat mich den gestrigen Tag spüren lassen, ich hatte sogar Muskelkater. Doch der lange Aufstieg nach Satovca hat mir gereicht. Möglicherweise geht es morgen nach Dospat großteils nur bergab. Ich hoffte inständig hier ein Hotel zu finden. Es gab Reklame für zwei Etablissements, das Erste war zu, das zweite ohne Bedienung, aber mit einer offenen Bar. Das ließ mich hoffen und ich wartete ein halbe Stunde. Als ich gerade mit der geringen Hoffnung auf eine ausschließliche 20km-Abfahrt nach Dospat weiter wollte, kam grinsend ein Mann, er ließ mich ein und gab mir ein Zimmer. Jetzt sitze ich bei seinem Bruder Quasimodo bei großartiger bulgarischen Folklore und dem zweiten Roten. Alles ist wieder gut.

                          Arbeitsplatz der Steineklopfer

                          Hier bin ich in der Gegend der Steineklopfer. Am Straßenrand wird von einem LKW frisch gebrochenes Gestein (z.b. aus einem Bruch oberhalb von Dolno Drjanevo) abgekippt. Auch von anderen Brüchen wird anders farbiges, aber immer spaltbares Material herangefahren. Das ist dann der Arbeitsplatz der Steinespalter. Sie spalten es zu Pläner (Platten) und stapeln es wie bei einer Trockenmauer fein säuberlich auf eine Holzpalette. So entstehen am Rande der Straße mitten im Wald Dutzende Arbeitsplätze. Am Baum hängt auf einem Schild die Mobilfunknummer des Unternehmers als Kontakt für den Kunden.

                          Er sei so alt wie ich

                          Eine Listung bei einem Baumarkt hat hier wohl der wenigste, teilweise stehen auf verlassenen Arbeitsplätzen Paletten mit Pläner, die schon die Patina von zwei Wintern haben. Der Preis (wenn ich es richtig verstanden habe) schwankt zwischen 100 und 200 Leva pro Palette. Bei großem Glück finden die Spalter ein versteinertes Blatt aus der Vorzeit. Einige Platten mit solchen Fossilien sind in der Vitrine im Hotel Zenit in Satovcha zu bestaunen.

                          Traditionelle Bauweise mit solchen Pläner

                          28.6.2015 Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert

                          Also das wäre gestern eine verdammte Fehleinschätzung gewesen. Dospat im Tal an einer Staumauer hinter mehr als sieben Bergen liegt auf knapp 1300 m.

                          Schöne Rastplätze allenthalben: Quelle, Dach, Grill, Schaukel ...

                          Nach dem ersten Sattel gibt es jede Menge idyllische Schutzhütten immer mit Quelle, das wäre dann die Wahl gewesen. Aber die zwei Roten und die großartige Folklore bei Quasimodo waren viel besser zum Einschlafen.

                          Lichte, lockere Landschaft

                          Das ist jetzt hier eine wunderschöne lichte Pinienwaldlandschaft mit ein paar kleinen Almen. Aber trotzdem noch anspruchsvoll hucklig.

                          Dospat

                          Dospat hat Ramadan gefeiert, jedenfalls hatten beide Gaststätten, die ich besuchte, kein Bier im Angebot. Ich bin jetzt in Borino bei einer Shkembe-Suppe (bitte nachschlagen) auf dem Weg nach Teschel, wo ich schon zu Hause mindestens einen Knoten ohne Gepäck geplant habe.

                          Die Rhodopen sind erreicht

                          Es war nur noch ein kleiner Buckel, dann ging es hinein in die grandiosen Schluchten der Rhodopen. Das Hotel Orfei bei Teschel, gefunden bei Panoramio, ist korrekt und wird mich noch drei Nächte beherbergen, bevor es den Fluss Vatscha abwärts auf den Heimweg geht. Es liegt perfekt für Ausflüge in die Schluchten der Rhodopen. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

                          29.6.2015 Trigadski Kanjon

                          Wieder ein Superlativ. Es ist die beeindruckendste Schlucht, die ich bisher durchfahren durfte, fantastisch. Ich weiß, dass ich diesen Satz neulich schon mal gebrauchte, bei der Rugova-Schlucht. Dort war es die Mächtigkeit der Wände, hier ist es die Wildheit, die Ursprünglichkeit. Die Schlucht ist nämlich noch nicht fertig: Am "Schlund des Teufels" verschwindet der Fluss Trigadski reka, um knapp Hundert Meter tiefer nach einigen steilen Serpentinen wieder zu Tage zu treten. Dieser Schlund ist begehbar, vorhin war nur kein Strom da und geschlossen. Mal sehen, wie es nachher wird. Ob schon Alles zusammengebrochen ist und die Schlucht fertig ist?

                          Im Schlund des Teufels

                          In der Tat, es ist eine mächtige, ja teuflische Kraft am Wirken, das Wasser. Ich durfte nach 5 Leva Eintritt noch einer Gruppe den Tunnel hinterher. Man kommt dann in einen großen bestimmt 50 m hohen Dom raus, wo das Arbeiten des Wassers immer zu hören war, ich aber nur an einem Punkt in ca. 10 m Tiefe den rauschenden Trigadski reka sehen konnte. Dann führte eine steile Treppe aus Betonstufen steil den Teufelsschlund hinauf. Unten wurden die Leute mit diversen Krankheiten einschließlich Höhenangst noch gewarnt. Mit mir war eine deutsche Reisegruppe in der Höhle, da ist ja immer ein Buchhalter dabei, der die Stufen zählt: 288. Nach knapper Hälfte konnte man ganz oben dann auch die ersten Löcher zum Tageslicht sehen. Beeindruckend!

                          Moschee und Baumhaus in Gjovren

                          Unten in Gjovren hat Einer eine 200 Jahre alte Mühle zu einer schönen mechana ausgebaut, mit Baumhaus und Wasserfall. Dort konnte ich mich mit einem Waldtechniker (ausgebildet am Technikum in Velingrad) unterhalten. Sein Name war Djamil, er bezeichnete sich als Türken. Hier in den Rhodopen bekennen sich wohl fast alle zur türkischen Nationalität. Gjovren 100%, Borino 80%. Es ist aber alles cool, er bestellte für uns beide vier kjoefte (bitte wieder nachschlagen, danke). Alkohol trank er keinen.

                          Er weiß schon, wie man sich zuprostet

                          Eine Spezialität hier, und überall an den Souvenirständen angeboten, ist die reichhaltige Auswahl an Kräutern. Ich konnte mehrmals Kräuterweiblein beim Sammeln treffen und nach den Wirkungen befragen.

                          Sie sammelten Rotklee ...


                          ... gegen Frauenleiden in den Wechseljahren


                          Sie sammelte Johanniskraut gegen Depressionen


                          30.6.2015 Bujnovski Kanjon

                          Heute bin ich in die zweite Schlucht aufgebrochen, wieder atemberaubend, und zwar gleich von Anfang an. Und dann weiter hoch nach Bujnovo.

                          Bujnovo

                          Hier erzählte mir der Kneiper Wladimir aus seiner Jugend. Als er noch ein Junge war, hieß es einmal, Banditen im Dorf. Die Grenzer schwärmten aus und fingen einen Ostdeutschen (istotschni). Es sind nur noch drei km auf den Bergkamm zur Grenze nach Griechenland.

                          Pause mal bei Wasser

                          Es ist ein gegnerischer und recht kalter Tag. Wieder muss ich mich untersetzen und ein Bier trinken, Zagorka retro, mein hiesiger Favorit. Der junge Wirt Kostadin hier spricht sehr gut Englisch und hat mir einiges von der spektakulären Hydrogeologie erzählt. Es ist garnicht der selbe Fluss vom Teufelsschlund, der unten im Trigadski Kanjon rauskommt. Holz, das in den Siphon unten im Teufelsschlund verschwindet, ist bisher garnicht rausgekommen, mit Farbe gekennzeichnetes Wasser nach zwanzig Tagen! Er meint, das ist hier alles sehr komplex.

                          1.7.2015 Stausee-Etappe

                          Gestern saß ich noch mit einem Paar aus Thüringen, große Wanderer vor dem Herrn. Wenn die Frau mal nach Venedig will, wird von Stadtilm aus los gelaufen. Hier sind sie von Erfurt nach Varna geflogen, mit Bus nach Asenovgrad getreidelt und von dort durch die Rhodopen marschiert. Sie haben beide jeweils einen ca. 12kg-Rucksack und sind super gut drauf.

                          Stausee des Tsankov Kamak Wasserkraftwerk der Vatscha-Kaskade

                          Für einen Wanderer oder Radler kann ein Stausee ganz schön nerven. Wer erinnert sich nicht gern an die große Heldentat des einzig lebenden Helden, als er am Cerna-Stausee jede Mitfahrgelegenheit ausschlug und vor dem magazin mixt in Cerna Sat zusammenbrach, 20 m über den Fluss wies und meinte: "Dort wird gezeltet!" Entschuldigt bitte, ich habe hier einem guten Freund ein Denkmal setzen wollen. Heute lagen drei Stauseen auf der Strecke im Vatscha-Tal nach Krichim bei Plowdiw. Gleich nach Devin ein Anstieg auf einer nagelneuen Straße. Diese führt bis auf eine Höhe von 1.080 m und beinhaltet den 880 m langen Lyaskovo-Tunnel. Dann folgte die Belohnung, eine großartige Abfahrt, die mit der Tunnel Durchfahrt oben beim Dorf Lyaskovo startete und hinter dem Tsankov Kamak Damm fast den Talboden erreichte.

                          Damm "Vacha" / Язовир "Въча"

                          Die nächsten beiden Stauseen waren ein lockeres Pedalieren durch ein faszinierendes Felsental, nach den beeindruckenden Staumauern immer mit einer tollen Abfahrt.

                          Damm "Krichim" / Язовир "Кричим"


                          Vor den Rhodopen in Krichim

                          Ich muss noch was zu den aktuellen Eigenschaften des rakija sagen. Ich habe mir einen bestellt, Peschtchera, die Nachbarortschaft und offensichtlich ein Weinanbaugebiet. Das sind die führenden Marken beim rakija: Karnobatska und eben Peschtchera. Das sind ganz feine milde Brände, goldgelb. Nur etwas ist merkwürdig, man kriegt Eiswürfel dazu. Damit's länger reicht?

                          2.7.2015 Reinrollen nach Plowdiw


                          Krichim am nächsten Morgen

                          Da es eine einfache Etappe ist mal was über das Essen. Als ich letztens die Shkembe-Suppe probierte war ich schon enttäuscht, sehr lasch. Ich habe zwar von allen Ingredenzien, die mir hingestellt worden, was rein getan. Aber zu wenig. Jetzt habe ich schon viel mehr gelernt. Der Bulgare an sich will individuell nach würzen. Das geht beim Salat los, und das gilt besonders für die Shkembe.

                          Würze für die Shkembe

                          Hauptzutat ist der mit Knoblauch-Spänen versetzte Essig. Dann noch Salz und Pfeffer. Wenn man von dem Essig ordentlich dazu tut, schmeckt es aber wie unsere saure Flecke. Nach dem heutigen Versuch also künftig abgewählt. Zum traditionellen Shkembe-Frühstück der Hiesigen gehört noch ein großes Glas Joghurt, was wirklich lecker ist. Bei dem reichlichen Fleischgenuss gehört nämlich ein Katalysator in den Verdauungsreaktor. Insgesamt darf ich schreiben, immer weiter nach Osten wird die Küche komplexer. Hier in Bulgarien gibt es für den Kartoffelfan wohlschmeckende Zubereitungen mit sirene, dem Weiskäse. Es gibt viele Pfannengerichte und scharf angebratenes Geschnetzeltes. Bestimmt wird kein Teil eines bulgarischen Huhnes nach Afrika exportiert. Ich habe heute in einer wunderbar würzigen Pfanne diverse innere Organe vom Flugvieh verspachtelt.
                          Jetzt gegen 11 Uhr abends leiste ich mir aber ein wenig Dekadenz: Ich besuche die Whisky-Library in Plowdiw und gönne mir einen Islay Single Malt 15 YO Bowmore. Morgen wieder!

                          3.7.2015 Der letzte Tag

                          Es gibt nun nicht mehr viel zu berichten. Ich bin in der alten Stadt Philippopol, heute Plowdiw.

                          Philippopol, Fundament für das heutige Plowdiw

                          Erstes Ziel war gestern der Busbahnhof "Jug" (Süden). Morgen vormittag startet dort der Bus nach Dresden.
                          Heute mehrere Stadtrundgänge in Plowdiw mit vielen wunderbaren Kostproben der bulgarischen Küche.

                          Gebackener sirene und pomaki

                          4.7.2015 Die Heimreise

                          Hervorragende Busverbindung von und nach Bulgarien mit Racic Eurobus BG. Dabei ist Fahrradtransport möglich, bestimmt auch bis zu drei Stück. Es waren vier Fahrer an Bord, es werden ausreichend Pausen gemacht ... einwandfrei und empfehlenswert. Man hat ein großes Gepäckstück frei. Ich habe mein vollbepacktes Fahrrad ins office am Busbahnhof "Jug" in Plowdiw geschoben, das galt dann als das eine Gepäckstück. Wir erreichten die Haltestelle Bayrische Straße am Hbf in Dresden nach 25 Stunden, 10 Minuten vor dem Plan.

                          Ich freue mich auf Fragen, Hinweise usw., wenn ich zu wenig Fakten und zu viel Befindlichkeiten geschrieben habe.
                          Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 11:01. Grund: Bilderlinks repariert
                          Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                          Eberhard Elsner

                          Kommentar


                          • EbsEls
                            Erfahren
                            • 23.07.2011
                            • 436
                            • Privat


                            #14
                            AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                            Zitat von chrischian Beitrag anzeigen
                            Danach habe ich nicht gefragt.

                            Da traue ich mich gar nicht mehr, die anderen Fragen zu Stellen.
                            In der Tat: Ich habe abgenommen.
                            Aber: Man sieht es nicht ... ich merk's nur am Hosenrutschen.
                            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                            Eberhard Elsner

                            Kommentar


                            • Torres
                              Freak

                              Liebt das Forum
                              • 16.08.2008
                              • 31757
                              • Privat


                              #15
                              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                              Was für ein toller Reisebericht. Ich bin schwer beeindruckt. Wie machst Du das mit den Steigungen? Ich wäre da im Leben nicht hinaufgekommen. Und wie ist es dort mit den Grenzübergängen? Ist das unproblematisch oder muss man etwas beachten? Hast Du immer in Landeswährung gezahlt und an jeder Grenze umgetauscht? Woran erkennt man die Hotels, wenn man nicht fragen würde?
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

                              Kommentar


                              • Abt
                                Lebt im Forum
                                • 26.04.2010
                                • 5726
                                • Unternehmen


                                #16
                                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                Also ,- atemberaubende Geschichte, genau wie die Landschaften durch die uns mitgenommen hast.

                                Anscheinend geht der einzig befahrbare Trail in Roshen oben zwischen der GrecoKirche und dem Kloster nach Zlatolist Richtung Süden als schmaler Saumpfad ab und geht nach ruppigen 5 km in einen Asphaltweg über.
                                Den Passweg Parilska Prochod konnte man damals 2011 mit weniger Problemen machen. Sicher auch radeln.

                                Ich sage DANKE.


                                Gruß Abt

                                Kommentar


                                • Sternenstaub
                                  Alter Hase
                                  • 14.03.2012
                                  • 3583
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                  also ich habe nix zu meckern.
                                  Eine Tour vom feinsten und der Bericht dem genau angemessen. Mir gefällt neben den gezeigten Landschaften und geschilderten Erlebnissen besonders, dass du eine Genussreise daraus gemacht. hast.

                                  ich schließe mich also dem Abt an: Danke fürs Mitnehmen!

                                  ach übrigens: Danke für den Tip mit dem Busunternehmen, das klingt gut. Nach DD komme ich ja schnell (ebenfalls mit Bus). Das klingt echt wie eine Alternative-
                                  Two roads diverged in a wood, and I—
                                  I took the one less traveled by,
                                  And that has made all the difference (Robert Frost)

                                  Kommentar


                                  • EbsEls
                                    Erfahren
                                    • 23.07.2011
                                    • 436
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                    Danke für das positive Feedback und (fast vergessen) für die Experten hier im Forum. Ohne diesem Fachwissen hätte ich vielleicht mir heute einen Rotklee-Tee gemacht

                                    @ Sternenstaub: Ich bin jetzt auch Busfan.

                                    @ Abt (aka Alibotusch): Es warten noch viele interessante Wege! Ich habe da schon Ideen auf Basis der Busverbindungen.

                                    @ Torres:
                                    Wie machst Du das mit den Steigungen?
                                    Es ist die Aussicht auf die Abfahrt - irgendwann bist Du immer oben. Nur eben bei der Stiefelspitze des Ali, als ich auch bergab schieben musste,

                                    Und wie ist es dort mit den Grenzübergängen?
                                    Völlig unproblematisch. Als Radler darf man sich vordrängeln. (Und ich weiß das noch zu würdigen Ich habe einen Ausweis, der was gilt. Ab&zu wurde ich mal nach meinem Alter gefragt.

                                    Hast Du immer in Landeswährung gezahlt und an jeder Grenze umgetauscht?
                                    Ja. Frisches Geld habe ich mir aus dem Automaten rausgeleiert. Ich konnte auch immer gleich die Restwährung in die neue Währung weiter tauschen. Musste nur dann eine Wechselstube in der nächsten größeren Stadt suchen. In Montenegro und im Kosovo gilt der €uro.

                                    Woran erkennt man die Hotels, wenn man nicht fragen würde?
                                    Na gut, das steht i.d.R. draußen dran. Nur eben nicht, ab wann die sich in eine Moschee verwandeln
                                    In kyrillisch sieht das so aus: Хотел
                                    Zuletzt geändert von EbsEls; 20.07.2015, 06:18.
                                    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                    Eberhard Elsner

                                    Kommentar


                                    • Abt
                                      Lebt im Forum
                                      • 26.04.2010
                                      • 5726
                                      • Unternehmen


                                      #19
                                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                      Nochmal gelesen und es bilden sich kleine Pfützen unter meiner Zunge.
                                      Lesenswert, dass es Länder ganz ohne eigne Währung gibt.
                                      Zuletzt geändert von Abt; 07.09.2015, 12:01.

                                      Kommentar


                                      • EbsEls
                                        Erfahren
                                        • 23.07.2011
                                        • 436
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                        Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                                        Lesenswert, dass es Länder ganz ohne eigne Währung gibt.
                                        Naja, das eine Land Kosovë/Косово, man weiß es nicht:
                                        Die Mitbewohner serbischer Nationalität sind der Meinung, dass sie schon eine eigene Währung haben, den динар.
                                        Der Wirt in Јажинце hat den динар gerne akzeptiert.
                                        Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                        Eberhard Elsner

                                        Kommentar


                                        • Baciu
                                          Dauerbesucher
                                          • 18.07.2013
                                          • 967
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                          Schöne Reise, hat Spaß gemacht zu lesen. Ja da kommt Lust auf nächstes Jahr auch mal dem Weg und Wandel des Rakijas zu folgen

                                          Kommentar


                                          • Sisterintherain
                                            Erfahren
                                            • 18.06.2013
                                            • 371
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                            Ein herrlich farbiger Bericht aus faszinierenden Gegenden, danke dafür. Vor tausend Jahren als Studentin bin ich mal mit nem Fiat Panda bis an die Grenze Montenegros gekommen, was hatte man da für Eindrücke und Begegnungen!

                                            Kommentar


                                            • Abt
                                              Lebt im Forum
                                              • 26.04.2010
                                              • 5726
                                              • Unternehmen


                                              #23
                                              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                              Nun habe ich doch noch eine Frage, wie das mit den Streunern (Hunden) unterwegs in den Orten allgemein war.
                                              Gemeint sind nicht die Hütehunde der Hirten. Radler werden jaam ehesten , zumindest aber sehr oft damit konfrontiert
                                              In Rumänien scheint das immer noch ein Thema. Aber wie ist das auf dem restlichen Gebiet des Balkan, oder ist das ein speziefisches Thema von Rumänien? (Könnte auch eine Thematik einer Dissertation sein.)

                                              Mittlerweile gibt es in den Nachbarstaaten Albaniens Mazedonien erhebliche Probleme mit der albanischen Minderheit. Kosovo hat sich schon verselbständigt. Wollen die an Albanien angeschlossen werden?
                                              Upps, das war ja zwei....
                                              Zuletzt geändert von Abt; 26.07.2015, 10:36.

                                              Kommentar


                                              • November
                                                Freak

                                                Liebt das Forum
                                                • 17.11.2006
                                                • 11108
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                Fantastisch!

                                                es ist mir ebenfalls ein Rätsel, wie du all die Aufstiege bewältigst.
                                                Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.

                                                Kommentar


                                                • EbsEls
                                                  Erfahren
                                                  • 23.07.2011
                                                  • 436
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                  Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                                                  Nun habe ich doch noch eine Frage, wie das mit den Streunern (Hunden) unterwegs in den Orten allgemein war.
                                                  Gemeint sind nicht die Hütehunde der Hirten. Radler werden jaam ehesten , zumindest aber sehr oft damit konfrontiert
                                                  In Rumänien scheint das immer noch ein Thema. Aber wie ist das auf dem restlichen Gebiet des Balkan, oder ist das ein speziefisches Thema von Rumänien? (Könnte auch eine Thematik einer Dissertation sein.)

                                                  Mittlerweile gibt es in den Nachbarstaaten Albaniens Mazedonien erhebliche Probleme mit der albanischen Minderheit. Kosovo hat sich schon verselbständigt. Wollen die an Albanien angeschlossen werden?
                                                  Upps, das war ja zwei....
                                                  zu 1.: Dieses Jahr hatte ich wenig Probleme ... kurz hinter Goleshovo Richtung Paril war so eine Farm, da bin ich abgestiegen. S.a. hier.

                                                  zu 2.: Wenn im Sandszschak (hier in Novi Pazar, RS) die Lunte liegt ...


                                                  ... in Mazedonien brennt sie schon.

                                                  Wegzeichen in der "Republik Ilirida", Dorf Radusha am Vardar, nordöstlich von Shkopje
                                                  Zuletzt geändert von EbsEls; 22.01.2019, 10:27.
                                                  Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                  Eberhard Elsner

                                                  Kommentar


                                                  • blauloke

                                                    Lebt im Forum
                                                    • 22.08.2008
                                                    • 8843
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                    Eine interessante Fahrt hast du da gemacht.

                                                    An die verkehrte Bedeutung von Kopf schütteln und Kopf nicken in Bulgarien kann ich mich auch noch gut erinnern. Gab öfters lustige Missverständnisse als ich ein paar Tage in Bulgarien, ebenfalls in der Stadt Plovdiv, war. Obwohl ich davon wusste konnte ich mich nicht so schnell umstellen.
                                                    Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                                                    Kommentar


                                                    • EbsEls
                                                      Erfahren
                                                      • 23.07.2011
                                                      • 436
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                      Es geht wieder los ...
                                                      @ Sternenstaub: Ich bin jetzt auch Busfan.
                                                      @ Abt (aka Alibotusch): Es warten noch viele interessante Wege! Ich habe da schon Ideen auf Basis der Busverbindungen.
                                                      Am Mittwoch, 20.6.2018, starte ich mit dem Racic-Bus nach Pazardshik.
                                                      Seid aufmerksam ... es wird fortgesetzt.
                                                      Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                      Eberhard Elsner

                                                      Kommentar


                                                      • Abt
                                                        Lebt im Forum
                                                        • 26.04.2010
                                                        • 5726
                                                        • Unternehmen


                                                        #28
                                                        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                        Schön, Dann mal tau.
                                                        Es warten viele neue Ziele. https://de.wikivoyage.org/wiki/Rhodopen

                                                        Als er Abschied nahm...
                                                        Zuletzt geändert von Abt; 11.07.2018, 16:29.

                                                        Kommentar


                                                        • Sternenstaub
                                                          Alter Hase
                                                          • 14.03.2012
                                                          • 3583
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                          ich freue mich jetzt schon auf den neuen Bericht!
                                                          viel Spaß und Freude auf der Tour.
                                                          Two roads diverged in a wood, and I—
                                                          I took the one less traveled by,
                                                          And that has made all the difference (Robert Frost)

                                                          Kommentar


                                                          • EbsEls
                                                            Erfahren
                                                            • 23.07.2011
                                                            • 436
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                            Ich will meine große Balkantour von 2015 in den bulgarischen Rhodopen fortsetzen.
                                                            In einer von einem Außenseiter hier im Forum angezettelten Diskussion wird Bulgarien als „Billig“-Reiseland vorbeurteilt. Das ist wohl in Teilen so, wobei das Gesetz von Angebot&Nachfrage allgemein und damit auch für Bulgarien gültig ist. An den Schwarzmeerstränden liegt mehr Potenzial faul herum als wandernd durch die Rhodopen. In der Literatur findet sich oft Bismarcks Einschätzung: „Der Bulgare ist der Preuße des Balkans“. Bulgarien hat seinen Lew 1zu1 an die DM gekoppelt, was heute noch als Wechselkurs zum € gilt. Der Preisvergleich ist für den deutschen Touristen also einfach. Schwierig wird es für 4 Fünftel der deutschen Touristen mit der kyrillischen Schrift.
                                                            Im Vergleich zu den 90er Jahren wurde mittlerweile eine gute touristische Infrastruktur entwickelt. Viele der BTS-Hütten funktionieren wieder, es sind sogenannte Eko-Trails mit wunderbaren Picknick-Stellen eingerichtet. Diese Picknick-Stellen, häufig privat gestiftet, haben eine Quelle, einen Grill oder Platz für Feuer (Място за огън), überdachte Rastplätze. Natürlich kann man da sein Zelt für eine Nacht aufstellen. Häufig versteckt (Zeichen → „тоалетна“ beachten) gibt es sogar eine Toilette.
                                                            Ich plane mit mapy.cz eine Route durch die bulgarischen Rhodopen. Auf der tschechischen Webseite werden sehr viele kleine Wege durch die Rhodopen als Radwege vorgeschlagen. Ich buche über die Racic-Webseite meine Hinfahrt nach Pazardshik, bezahlen soll ich mit einem Aufpreis von 15 € für mein Sondergepäck Fahrrad erst in Dresden zur Abfahrt beim Fahrer.

                                                            Ein Busreise nach Pazardshik, Bulgarien
                                                            Ich liebe es, wenn ein Plan aufgeht. Der Racic-Bus erreichte die internationale Haltestelle an der Bayrischen Straße hinter dem Dresdner Hauptbahnhof mit einer reichlichen Stunde Verspätung. Der Abt (aka Gert, aka Alibotusch) und ein durch den "stärksten Magneten der Welt" nach Deutschland verschlagenen Bulgaren verkürzten mir die Zeit. Der stärkste Magnet der Welt ist die Liebe, ein Sprichwort aus Raslog am Pirin, dem Heimatort des Bulgaren. Das Rad konnte im Gepäckraum des MAN-Lions-Bus gut verpackt werden und los ging's … Nach genau drei Wochen werde ich mit dieser Reisebusgesellschaft wieder 24 Stunden von Plowdiw nach Dresden zurück fahren.


                                                            In Pazardshik hatten die drei Fahrer die Verspätung wieder aufgeholt, trotz der zwei Übergänge an der EU-Außengrenze zu Serbien. Die Passagiere mussten persönlich am Grenzschalter sich vorstellen. Ich bin ja so dankbar, dass ich einen Ausweis habe, der was gilt.


                                                            Die Dulle, als höchster Trumpf des Kartenspiels Doppelkopf, auf dem Pflaster von Pazardshik nehme ich als gutes Zeichen für meine Tour in die Rhodopen.

                                                            Vom Gewitter geblockt
                                                            Vor dem Start mit dem Rad noch unbedingt notwendige Vorkehrungen für eine Tour getroffen: Lewa (Kurs zum Euro wie die alte DM) aus dem Automaten geleiert und Wasser gespeichert. Es wird bergauf gehen, anfangs moderat, aber heiß und trocken. Im Dorf Radilovo finde ich im Schatten des Dorfparks einen Kiosk für die erste große Pause. Gegenüber ist ein klitze kleiner Laden für 1000 kleine Dinge des täglichen Bedarfs. Man kommt keinen Meter in den Laden rein, dann tritt man in die Auslagen der Waren. Am Nachbartisch des Kiosks sitzen drei alte Weiber. Eine lässt sich vom Ladenbesitzer diverse Hygienepapiere zur Ansicht bringen. Ihre Freundinnen sind von den Servietten auch begeistert. Der Ladenbesitzer kann jeder was verkaufen. So muss das mal begonnen haben, die Erfindung der Tupperware-Parties.


                                                            Antike byzantinische Festung Peristera

                                                            In Peschtera lasse ich mich von einem Schild zur Festung Peristera leiten. Noch um 2000 war das ein Hügel verwachsen mit stacheligen Gebüschen. Dann kamen die Archäologen und fanden bei umfangreichen Ausgrabungen ganze Lager von Amphoren, die antiken Kühlschränke, und jede Menge Münzen aus römischer Zeit, auch Goldmünzen. Nach dem Abschluss der Grabungen hat man die Mauern der Festung nachgebaut, so dass eine beeindruckende Museumsanlage entstanden ist.
                                                            Nach einer kleinen Selektion bulgarischer panierter Käse zum Mittagsmahl in dem modernen Bar & Restaurant des Hotelkomplex „HEAT“ wurde ich von der Kellnerin zum Besuch des nächsten Museums eingeladen. Schon auf der Festung hingen zwischen den Amphoren Werbebanner für eine Ausstellung sozialistischer Automobile. Garniert sind die Autos des bulgarischen Sozialismus mit weiteren Waren aus der Zeit: Cognac "Slanchev Brjag", Zigaretten "STEWARDESS", die Marke meiner Jugendsünden und einigen Musikinstrumenten aus Klingenthal, die Triola.


                                                            Kindheitserinnerungen oder Vergangenheitsbewältigung? Dinko Kuschews privates Museum in Peschtera

                                                            Am Nachmittag habe ich dann nur noch ca. 5 km in Richtung Batak geschafft, dann kam ein mächtiges Gewitter in den Rhodopentälern. Bin zurück hier nach Peschtera geflüchtet.


                                                            Peschtera: Die alte Moschee (17. Jhdt.) und der Stundturm

                                                            Das Massaker in Batak und eine schöne Frau
                                                            Ich bin jetzt auf 1000 m.ü.d.M geklettert. Ich bin in Batak. Hier gibt es eine offensichtlich alte Kirche. Wie schon in Peschtera muss man einen Meter hinuntersteigen, um durch das Portal die Kirche zu betreten.


                                                            Die Kirche Sweta Nedelja in Batak

                                                            Erstmal sieht alles orthodox normal aus, bis mir die zwei Sarkophage auffallen, gefüllt mit Schädeln, viele mit mächtigen Löchern in der Schädeldecke. Es ist der Ort einer der größten Wunden, die die Türken der bulgarischen Nation beigebracht haben. Während der Jahrhunderte der osmanischen Besetzung konnten sich die reichen Holzhändler von Batak freikaufen, es war eine Insel des Christentums im Land der Pomaken. 1876 zur Zeit der bulgarischen Wiedergeburt dachten einige der Bürger, dass man sich endlich befreien könnte und den Tribut sparen. Nach einiger Zeit merkten die Osmanen, da stimmt was nicht. Sie schickten eine Armee aus 8000 Soldaten, dazu Freischärler, Banditen, die Başı Bozuk. Wieder handelten die Kaufleute einen Waffenstillstand aus und gaben einen Großteil ihrer Waffen ab. Das war das Zeichen für die Başı Bozuk zum Plündern, Brandschatzen und Morden. Einer der letzten Zufluchtstellen war die Kirche "Sweta Nedelja". Die Frauen gruben in der Kirche einen Brunnen auf der Suche nach Wasser.


                                                            Aus dem Bericht des amerikanischen Korrespondenten MacGahan der "Daily News"

                                                            Ein Korrespondent der englischen "Daily News" schätzte damals die Zahl der Toten auf 7000 in Batak. In der Kirche ist ein Foto zu sehen, dass die Gebeine ausgebreitet auf dem Boden der Kirche zeigt. 130 Jahre später entzündet sich in Bulgarien ein Bilderstreit - das Bild ist inszeniert.
                                                            Dann wird weiter geklettert, es werden in Summe seit Peschtera oben auf dem Pass Kapelna über 1000 Höhenmeter sein. Zweimal gab es Abschnitte mit 9% ausgezeichnet - den zweiten Abschnitt habe ich geschoben. Den Pass konnte ich schon von weiten hören, die dumpfen Bässe bulgarischer Diskomusik stampften durch den Wald. Oben gibt es eine neue Hütte mit Eko-Kamping, ein Holzzuber-Spa und eine Sauna auf der Wiese. Hier hatten sich für das Saturday-Night-Fever eine Gruppe junge Leute eingemietet. Einer der Wortführer entschuldigte sich auch gleich: "Maybe noisy!", ich könnte mein Zelt oben am anderen Ende aufstellen. Es stellte sich heraus, dass die Wirtin der Hütte, jedenfalls hat sie mir Bier gezapft und Waffeln verkauft, die bulgarische Helene Fischer war. Die hat dann am Abend playback zu Musik, gestreamt über Wifi auf ein Samsung-Phone und verstärkt durch zwei mächtige Boxen eine große Show abgezogen. Selbst mir alten Tanzbär zuckte das Twistbein. Als ich mich von der Bande mit "Лека нощ" (ausgesprochen „leke noschtch“) verabschiedet habe, hat die Künstlerin mir so tief in die Augen geschaut, dass ich die ganze Nacht im Zelt von ihr geträumt habe.



                                                            Nicht wegen der Träume, sondern wegen der Kälte habe ich schlecht geschlafen im Zelt. Trotzdem habe ich mich durch den abwechslungsreichen Wald der Rhodopen geholpert, teilweise geschoben. Es kommen Zweifel, ob ich tatsächlich den Empfehlungen der Tschechen auf mapy.cz, die das als Radweg ausgewiesen haben, folgen kann. Nach dem kleinen Stausee "Toschkov Tschark" bin ich jetzt am großen wunderschönen Stausee "Schiroka Poljana" gelandet. Hier gibt es endlich Angebote für ein Frühstück zur Mittagszeit.


                                                            Der Weg nach Toshkov chark (Тошков чарк)


                                                            Am Stausee Shiroka Poljana

                                                            Nachdem ich den "tschechischen" Radweg einige hundert Meter inspiziert habe, beschloss ich doch lieber auf die Straße #37 nach Dospat zu wechseln.


                                                            Stausee Dospat

                                                            Dort bin ich in ein kleines Familien-Hotel eingecheckt. Deren Bett war genauso hart wie letzte Nacht meine Isomatte im Zelt.

                                                            Ein Wiedersehen in der alten Mühle
                                                            Am Ortsausgang von Dospat entdecke ich eine seltsame Art von Ackerbau.


                                                            Es werden wohl Pilze angebaut: Eine Erklärung findet Ihr hier und den folgenden Posts

                                                            Nun lasse ich es doch ruhig angehen und habe den "tschechischen" rauen Weg verlassen. Auf der bequemen Straße von Dospat hierher in alte und bekannte Gefilde nach Teschel. Bestärkt in dieser Entscheidung hat mich der ständig drohende Regen und ein Forstingenieur in Zmeitsa:. "Nimm die Asphaltstraße!"


                                                            Kemera-Brücke über die Sarnena reka bei Zmeitsa - gebaut im römischen Stil im 17. Jhdt.


                                                            Ein Selfie

                                                            Ich habe mich diesmal in die neue хижа Тешел, eine Berghütte des bulgarischen Touristenverbands BTS, für drei Nächte eingemietet. Das ist ein perfektes Basislager auch für Wanderer in dieser wunderbaren Region mit den Schluchten Trigradsko und Buinovsko shdrelo.


                                                            Rasante Abfahrt von Borino in die Schluchten

                                                            Nur muss der Wanderer hoch modern gerüstet sein. Ich fand am Beginn eines Eko-Trails von Dospat nach Koschari einen Wegweiser ausschließlich mit QR-Code und einem RFID-Chip für NFC. Da nützt selbst die Kenntnis der kyrillischen Schrift nix. Man braucht den siebten Sinn eines Smartphones, um sich den GPX-Treck runterzuladen. Unterwegs wohl kaum noch Wegweiser, der moderne bulgarische Wegewart läuft den Weg einmal ab und nimmt den Treck auf. Es braucht dann keine Farbe an den Bäumen oder Wegweiser aus dem letzten Jahrtausend.


                                                            In der alten Mühle

                                                            Gerade bin ich von einer kleinen Abendausfahrt zurück. Ich besuchte die "Barbecue Melnitsata" bei Giovren, ein Dorf bulgarischer Türken. Dort war ich vor drei Jahren schon. Ich konnte mich recht ordentlich mit dem Wirt unterhalten. Er fragte mich nach den vielen Türken in Deutschland und, ob ich türkisch könnte. Ich zeigte ihm meinen Google-Übersetzer mit Türkisch. Es stellte sich heraus, dass er zwar türkisch spricht, es aber nicht schreiben kann. Die Sprache der Pomaken wird nur noch von den Müttern und Großmüttern mündlich überliefert. In der Schule lernen die Kinder seit 100 Jahren alle ausschließlich bulgarisch.

                                                            Für meinen Ausflug in das Reservat Kasanite warnte er mich vor Bären und den ca. 80 cm langen giftigen Schlangen.




                                                            Regentage
                                                            So sieht es gerade aus meinem Fenster in der хижа Тешел aus.


                                                            Wie fotografiert man Regen?

                                                            Das sind jetzt die vom Abt angekündigten Regentage. Gestern reichten die drei blauen Flecken in den Wolken für einen Radausflug hinauf nach Jagodina und bis Buinovo. Der Buinovsko Shdrelo (Buinovo Canon) ist beeindruckend. Mit dem Weitwinkelobjektiv konnte ich hoffentlich mehr Motive aus der Schlucht einfangen als vor drei Jahren.


                                                            Schlucht Buinovsko Shdrelo: Straße nach Yagodina und Blick auf den Orlovo Oko


                                                            In Jagodina: Oben am Orlovo oko braut sich Regen zusammen

                                                            Eine wesentliches touristisches Angebot für den Touristen ist eine Fahrt mit dem Jeep zum Orlovo oko, dem Auge des Adlers. Das ist ein Steg hinaus über eine Felswand über der Schlucht Buinovsko Shdrelo.
                                                            Mein sommerlich optimistisches Weltbild von Bulgarien hat mich zu einer Ausrüstung verleitet, die diesem Wetter nur sehr wenig gerecht wird. Mal sehen, was ich heute anstellen kann...
                                                            Ich bin nicht weit gekommen, nur hinauf nach Gyovren. Dort konnte ich hören, das es tatsächlich die Großmütter sind, die die türkische Sprache an die Enkel weiter geben. Ein Ömchen hat der Enkeltochter etliche Artikel aus dem Lebensmittelladen erläutert. Die Kleine war noch nicht in der Schule. So wie es der Wirt aus der Mjelnitsa erzählt hat.


                                                            Furt bei Gyovren zum Weg nach Mugla durch das Reservat "Kasanite" vor dem Regen

                                                            Am nächsten Tag ist die Furt nicht mehr ohne weiteres begehbar.


                                                            Nun ist bereits Freitag, 29. Juni.
                                                            Nach Devin nur sprungweise vorgearbeitet, sobald sich ein blaues Loch am Himmel zeigte. Ich muss wohl laut der Wetterkugel im Internet noch bis Sonntag rumgammeln, bevor es wieder auf Tour gehen kann. Dann über Smolyan zum Tal des Arda-Flusses, da sind zwei ordentliche Pässe.


                                                            Nastan unter einem blauen Loch im Himmel

                                                            In Devin
                                                            Der Letzte im Monat ist immer noch ein Regentag, wenn auch die Sonnenzeiten sich an die Stundengrenze annähern. Es hat heute Vormittag zu einem Spaziergang in eine Schlucht oberhalb von Devin gereicht. Das Hochwasser der Devinska Reka hat aber das Weiterkommen verhindert.


                                                            Schlucht der Devinska reka

                                                            Vor 10 Jahren hätte ich vielleicht die glibbrigen Steine noch für günstig angeordnet empfunden und die 50 m überwunden, wo der Kunststeig durch die Schlucht sich fortsetzte. Dieser Abschnitt der Schlucht wird “Lakate” genannt und ist bei diesem Hochwasser sehr beeindruckend. Seitwärts geht noch ein Pfad zu einem Wasserfall hoch in die Wand, doch dieser Weg schien unter diesen Umständen auch nicht begehbar zu sein.


                                                            Lakate


                                                            Also widme ich mich an diesem schaurigen Nachmittag, es drascht gerade, einer Sache, die immer geht: Der hiesigen Küche. Ich sitze in einer mechana mit viel Ethno-Musik. Natürlich dominiert der Grill - “skara”. Aber da übertreibt der bulgarische Grillmeister an sich es oft und das Fleisch ist sehr durch und tot. Die Salate sind in der Regel diverse Variationen des berühmten Schopski Salat. Aber es gibt auch tolle Überraschungen unter den Salaten, dann mit mehrheitlich Käse, eine Spezialität der Rhodopen. Persönlich liebe ich leider ja Gebackenes, auch da bin ich hier richtig. Ich habe mir schon öfters als Mezes zum Bier Parlenka po Rhodopski bestellt. Das ist eine Art Pizzateig bestreut mit weißem Käse - sirene … oder gerade eben mit Knoblauch. Tatsächlich findet sich auf den Speisekarten die Rubrik “mezeta”, also Kleinigkeiten zum Getränk. Gestern wählte ich daraus “sudshuk”. Es war eine gegrillte Wurst (ringförmig), für deren Würze sich kein Thüringer Rostbratwurst-Fleischer hätte schämen brauchen.

                                                            Wird fortgesetzt, seid neugierig ...
                                                            Zuletzt geändert von EbsEls; 04.08.2018, 19:43.
                                                            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                            Eberhard Elsner

                                                            Kommentar


                                                            • Abt
                                                              Lebt im Forum
                                                              • 26.04.2010
                                                              • 5726
                                                              • Unternehmen


                                                              #31
                                                              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                              Danke Ebs, da wollten wir uns ja irgendwo treffen...
                                                              Danach hat es in Bulgarien und in Griechenland Dauerregen und riesige Überschwemmungen gegeben. Hätte meinen Plan ja total durcheinander gebracht und gestört.

                                                              Kommentar


                                                              • EbsEls
                                                                Erfahren
                                                                • 23.07.2011
                                                                • 436
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                ... Fortsetzung

                                                                Im Tal der Arda
                                                                Wieder 1000 Höhenmeter auf dem Weg von Devin nach Smoljan geschafft. Bis Shiroka Laka war es noch ein ordentliches Pedalieren. Das Dorf konnte seine Architektur, Musikkultur, Natur und Geschichte aus der Zeit der Wiedergeburt erhalten.


                                                                In Shiroka Laka


                                                                Die Orthodoxe Kirche "Hl. Jungfrau Maria " (Православен храм “Св. Богородица”)

                                                                Einen kleinen Abstecher in das Seitental nach Gela habe ich schnell abgebrochen. Dort oben gibt es mehrere alte Burgen und Kultstätten der Thraker, zum Beispiel die Turlata. Die früheste Kultur auf dem Boden des heutigen Bulgarien waren die Thraker. Dem alten Griechen Herodot zufolge waren die Thraker ein großes Volk, das zweitgrößte nach den Indern. Die Götterwelt der Thraker ist praktisch in den griechischen Göttern aufgegangen - aus Zagareus wurde Zeus.


                                                                Blick zur Turlata, der Kegel im Mittelgrund

                                                                Der Abbruch war auch richtig, ich bin am Nachmittag zum Pass hoch viel Rad gewandert, soll heißen: Geschoben. Hier um Stoikite gibt es wieder die Waldkooperative “Borika”. König Karl Ferdinand, einer aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha, stiftete seinen Waldbesitz in den Rhodopen. Die Einwohner konnten für einen Goldleva 1ha Wald kaufen. Er brauchte wohl Bares nach den Balkankriegen. Es wurde eine Kooperative gegründet, die den Wald bis zu den Kommunisten verwaltete. Zur Wende in Bulgarien wurde das Gebiet wieder an die neu gegründete Kooperative “Borika” zurückgegeben. Es wird heute “FSC”-zertifiziert erfolgreich bewirtschaftet. Es gibt hier schon Pilze. In Stoikite zeigte Einer mir seinen Korb voller Pfifferlinge und einen weiteren gefüllt mit diversen anderen Pilzen.
                                                                Die Abfahrt vom pereval unter dem Großen Perelik hinunter nach Smoljan war spektakulär. Da freue ich mich immer wieder über meine zuverlässigen hydraulischen Felgenbremsen.
                                                                Am nächsten Tag der Weg ins Arda-Tal nach Smilyan.


                                                                Zum Pass hinüber ins Tal der Arda von Smoljan aus

                                                                Es gilt wieder, einen steilen Pass zu bewältigen, hinüber ins Arda-Tal nach Smiliyan. Bin wieder viel gewandert.
                                                                Auf dem Pass hat Vladimir Serafimov seine Gedenkstätte, der 1912 die Gegend um Smoljan im Rahmen des Ersten Balkankriegs als Befehlshaber des 21. Regiment Sredna Gora von den Osmanen eingenommen hat. Das Dorf Tschokmanovo am Pass soll heute nur noch 50 Einwohner und einen Laden haben. Vor diesem einem Laden trank ich mit einem Einwohner ein Zagora spezialno, er erzählte mir die ganze Geschichte (was ich so verstanden habe).
                                                                Auf der Abfahrt traf ich einen bulgarischen Strahler. Er rief mich heran und bot mir einen kalten Kaffee aus seinem Wohnmobil an.


                                                                Beim Strahler

                                                                Dann fielen mir seine Steine auf, zum einen zum Trockenen ausgelegt oder beim Waschen am Brunnen. Dann zeigte er mir seine in den Rhodopen im letzten Monat gefundenen Schätze. Es hat und regnet hier zur Zeit viel, so werden auch viele Kristalle frei geschwemmt.


                                                                Ein Sahnestück war ein Bergkristall, gekrönt mit einigen Stibnit-Kristallen (Antimonit-Nadeln)

                                                                Es gewittert und drascht in Smilyan, ich habe mich für die nächsten drei Nächte hier einquartiert. Es ist gegen 3 Uhr nachmittags am zweiten Tag der zweiten Hälfte des Jahres, ich mache jetzt ein Nickerchen.


                                                                In Smilyan

                                                                Der Konak des Agha Salih
                                                                Es war heute morgen nach Auflösung des Nebels ein sehr schönes Pedalieren hinauf in das obere Arda-Tal. Immer wieder finden sich Wegweiser und -tafeln zu zahlreichen Wanderwegen zu Höhlen, Canons und Festungen der Thraker. Ich habe mich mit meinem Rad an die Straße gehalten.


                                                                Thrakische Festung "Kale" (Крепост "Калето") beim Dorf Koshnitsa (Kошница)

                                                                Nach den Erfahrungen mit dem bulgarischen Strahler gestern habe ich die Ausschwemmungen der letzten Regenschauer auf Mineralien untersucht und tatsächlich einige Gänge gefunden. In Mogilitza gibt es wohl den letzten Serail in Bulgarien, das Agushevi konatsi (bulg.), Agha’s Konak. Ein Konak ist eine Residenz eines lokalen osmanischen Feudalherren. Das Konak hat der Agha Salih von 1820 bis 1840 für sich und seine drei Söhne als Sommerresidenz von drei bulgarischen Handwerksmeistern erbauen lassen. Leider konnte ich das Haus nicht besuchen, es muss richtige “Versteckecken” (secret enclosures) drinnen geben.


                                                                Der Konak des Agha Salih

                                                                Ich musste immer das Wetter im Blick haben, ich bin nach einem kleinen Spaziergang in Gorna Arda wieder zurück nach Smilyan gekehrt. Die ersten fünf dicken Tropfen trafen mich noch beim Abschließen des Rads vor meiner Stamm-mechana hier.



                                                                Entgegen der Wetterkugel: Der zweite Tag war länger schön. Erst jetzt gegen 17 Uhr gibt das Wetter in Smilyan ein mächtiges Gewitter.
                                                                Der Plan für heute sah vor, einige der Sehenswürdigkeiten im oberen Arda-Tal zu besuchen. Plan nicht erfüllt - in der Höhle Uhlovitsa und auf der Festung Kaleto war ich nicht. Die Steigen sind noch recht nass, und vor allen Dingen steil – abgewählt.


                                                                Borikovo bei Mogilitza (Могилица)

                                                                Bei Mogilitsa bin ich in ein Seitental zum Dorf Borikovo und noch darüber hinaus. Auch dort gibt es eine Höhle - Borikovska Peschtera. Hier stellte ich mein Rad in die Büsche und bin mit dem Makroobjektiv bewaffnet auf Motivsuche gegangen.


                                                                Ein Widderchen


                                                                Ein "Heupferd"

                                                                Nun konnte ich auch das Konak des Agha Salih besuchen. Es gab eine Führung in bulgarischer und englischer Sprache. Sehr interessant und spannend.


                                                                Raum zum Repräsentieren: Hier wurden hohe Besucher empfangen

                                                                Viele der Räume hätten noch originale Einrichtungen. Zum Beispiel die Schlafräume: Dort gibt es hölzerne Einbauschränke, eine der Schranktüren führt zur banja, der Dusche.


                                                                Mir haben die noch originalen Farben gefallen

                                                                Mir sind schon gestern die vielen Schornsteine (es sind 24) aufgefallen, jedes Zimmer hat einen Kamin. Am prächtigsten ist die oberste Etage ausgestattet, es ist die Etage für die Gäste des Hauses und zum Repräsentieren. In einem der Gästeschlafzimmer gab es ein als Fenster getarntes Türchen zu den Zimmern der Herrschaft.


                                                                Der Konak des Agha Salih: Haupteingang zum ersten der drei Innenhöfe

                                                                Die Führerin hat zum Schluss noch etwas zur jüngsten Geschichte erzählt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstanden habe: Bis 1949 hat die Besitzerfamilie Agushev aus Russe hier im Sommer gewohnt. Seit 10 Jahren soll das Konak wieder an die Besitzerfamilie zurückgegeben worden sein und heute im Rahmen einer Stiftung als Museum und Tagungshaus genutzt werden.

                                                                "Diese Stadt hat gebaut uns Väterchen Stalin”
                                                                Ich möchte noch auf eine Spezialität dieses Ortes Smilyan hinweisen - die Smilyaner Bohnen.


                                                                Die Smilyaner Bohne - in den Nationalfarben von Bulgarien

                                                                Diese dicken Bohnen werden in zahlreichen Zubereitungen dem Gast angeboten, als Salat zusammen mit Kartoffeln oder für mich paniert!


                                                                Jedes Smilyaner Böhnchen ein Tönchen! Panierte Tönchen.

                                                                Ich hatte von einem Herbergsgast gestern Abend noch den Tipp erhalten, den Weg nach Kardshali über Zlatograd zu wählen. Durch die vielen Stauseen konnte ich selbst das schwierige Profil des Weges im Arda-Tal vermuten. Ich folge also mal wieder dem Iron Curtain Trail. Anfangs Arda-abwärts mit schluchtartigen Abschnitten bis Rudosem.
                                                                In den Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens sind mir immer die großen Minarette der neu errichteten Moscheen aufgefallen. Im Vergleich zu den kleinen geduckten orthodoxen Kirchlein geben die Türme der Moscheen ein eher herausforderndes Bild ab. So etwas gibt es in Bulgarien nicht. Haben die Bulgaren das durch eine Bauordnung geregelt?


                                                                Ein bescheidens "Ofenrohr"-Minarett

                                                                “Diese Stadt hat gebaut uns Väterchen Stalin”, hätte am Ortseingangsschild stehen können. Zu Rudosem gehören noch etliche richtige Dörfer, aber das Zentrum rund um ein Hüttenwerk ist eine Gründung der 1950er.


                                                                “Diese Stadt hat gebaut uns Väterchen Stalin”

                                                                Der Name ist ein Kunstwort zusammengesetzt aus руда (Erz) und земя (Erde). Heute wird überall gründlich renoviert, zum Beispiel der Platz vor dem Kulturpalast. An der Kreuzung direkt im Zentrum drehen sich noch die Seilscheiben einer Schachtanlage.



                                                                Die nächste Bergbaustadt, Madan, macht da einen bedeutend moderneren und agileren Eindruck. Es ist ein altes Bergbaugebiet. Schon die Thraker sollen hier Bleierz im 4. bis 5. Jahrhundert v. Chr. abgebaut haben. Wozu haben die Blei gebraucht? Für Särge? Es war eben ein leicht zu verarbeitendes Metall.
                                                                Hier sind mir wieder etliche hochwertige PKW mit Rechtslenker aufgefallen. Der Bulgare an sich scheint auch ein Brexit-Opfer zu sein. Früher kam man als Tourist noch mit russischen Sprachkenntnissen klar, das können nur noch die Alten. Der junge Bulgare ist fit im Englischen und hat sein Glück in Britannien gemacht.


                                                                Das ist der Idealfall: Nach langer Auffahrt auf den Pass Petschinsko pereval eine Kneipe

                                                                Nach Madan ging es schon leicht aufwärts, danach die Auffahrt zum Petschinsko Pereval auf 1050 m war zünftig. Unterwegs bekam ich erfrischende Melonenstücke von einer Familie bulgarischer Türken, die auf Urlaub aus Deutschland mit ihrer gemieteten brandneuen Daimler C-Klasse hier den Maxen raushängen lässt. Der eine Sohn (ca. 16 Jahre) wollte sich unbedingt mit mir, dem Rad und in seiner Rede “meinem Auto” abfotografieren lassen.


                                                                Man beachte rechts die Bergbauhalden mit Mundlöchern und großen Felsspalten

                                                                Die Abfahrt vom Pass war spektakulär. Es gab überall Reste von Bergbaustollen und Halden zu sehen. Direkt unter dem Pass, bei Straschimir, mehrere Stolleneingänge und eine riesige Spalte im Fels … man muss eigentlich nochmal dorthin. Jetzt bin ich in Zlatograd, wo der Geraer Goldwäscher (ein Gast beim Rumänien-Treffen an der Lützsche) zum Staunen der Bulgaren mitten in der Stadt Gold gewaschen hat.

                                                                Im türkischen Thrakien
                                                                In Zlatograd gibt es ein sehr hübsches sogenanntes Ethno-Zentrum, ein ganzes Viertel von sicher kaum 10 Jahre alten Häusern im Wiedergeburtsstil. In einem dieser Häuser fand ich gestern noch Unterkunft.


                                                                Ethnographischer Komplex (Етнографски ареален комплекс „Златоград”)

                                                                Nun schon Tradition ist ein Frühstück in einer pekarna, einer Bäckerei. Es gibt einen Kaffee, Joghurt und banitsa. Das ist ein frisch gebackenes Stück aus heißen Blätterteig, für mich gefüllt mit Käse. Es ist das traditionelle Frühstück auf dem Balkan, in Serbien ab einem gewissen Alter noch ein rakija dazu. Im zivilisierten Bulgarien sieht man das gar nicht mehr.
                                                                Ich folge immer noch dem Iron Curtain Trail und es geht rauf und runter. Es gibt aber praktisch keine andere Wahl, es führen hier nur Stichstraßen hoch in die Berge zu den türkischen Dörfern. Bei Benkovski besuche ich ein thrakisches Kultgebiet. Es sind Sandsteinfelsen, ähnlich wie die Vasquez Rocks in “Star Trek”.




                                                                Thrakischer Kultplatz "Krokodil" (Тракийски комплекс Крокодила)

                                                                Nach einigen Schieben in praller Sonne (ich habe jetzt das korrekte Wetter für meine Ausrüstung) will ich im Schatten ein Päuschen machen. Hier warten einige alte Leutchen auf einen von mir nicht erforschten Service. Der Op neben mir zeigt auf sein Beutelchen, wo leere Glasgefäße klappern und sagt: “Schtschuk”. Dann kommt ein OPEL-Hundefänger und es werden die Gefäße gegen volle getauscht - kein Geld, nur voll gegen leer. Ein Ömchen wird von schwerer Arthritis geplagt, sie klettert als rechter Winkel zurück zu ihrem schattigen Plätzchen unter dem Baum. Aber sie hat ständig was ihren nur wenig jüngeren Freundinnen zu erzählen. Blitzschnelle Rede und Gegenrede, die ist fit im Kopf.


                                                                Die Berge der östlichen Rhodopen: Es geht anstrengend rauf und runter

                                                                Von meinem Nickerchen werde ich durch Gewitterdonner geweckt. Es gilt den letzten Huckel nach Dzhebel zu meistern. Ich finde das schöne moderne Bar-Café-Restaurant “Ester” in Dzhebel südlich von Kardshali und schon geht der Platzregen los. Es ist 16 Uhr, mit Internet findet sich das Hotel Royal, ich kriege ein Zimmer für 15 Lewa. Jetzt ruft der Muezzin zum Freitagsgebet.

                                                                Heimwärts gewendet
                                                                Ich bin in Momtschilgrad. Es wären bis zu dem Grab des Orpheus beim Dorf Tatul nur noch 15 km bergauf. Ich beschließe trotzdem meine kleine Rhodopen-Tour heimwärts zu wenden. Entsprechend einer Karte, die hier im Zentrum aufgestellt ist, wimmelt es hier rundherum von Nachweisen der ersten Kulturen Europas ab der Jungsteinzeit. Es wurde soviel erjagt, geerntet und erhandelt, dass sich Einige dem Esoterischen zuwenden konnten und rumorakelten. Etliche zogen ihre Orakel aus dem Wein, einer war ein großer Sänger - Orpheus. Es entstanden hier Kulte der Thraker, die mit Dionysos und Orpheus bis weit in die griechische Götterwelt hinein wirkten. Der bulgarische Namensgeber der Stadt ist übrigens derselbe, dem die Burg in Pirot (Serbien) zugeschrieben wird - der alte Wojwode und Raubritter Momtschil.
                                                                Nun nur ein Dutzend Kilometer weiter in Kardshali muss ich einige Regenschauer überstehen. Mit meinem Glück erfolgt das immer mit gastronomischer Unterstützung.
                                                                Ich muss noch einmal über die Rhodopen, wenn auch nicht mehr über die ganz hohen Pässe. Ich habe mir einen einfachen Weg über Chaskovski Mineralni Bani gewählt.


                                                                Radler, habe immer das Wetter im Auge!


                                                                Den Regenschauer gerade noch in einer Kneipe in Karamantsi (Караманци) abgewettert

                                                                Aus Kardshali geht es auf einer Hauptstraße (einstellige Nummer #5, für Fuhrwerke gesperrt) mächtig und lange bergauf. Der Verkehr auf dieser Hauptstraße war akzeptabel, es gilt wohl auch in Bulgarien ein Sonntagsfahrverbot für LKW. Als ich mit meinem Drahtesel am Polizeiposten vorbei zog, erhielt ich ein “Daumen hoch”. Mein Frühstück, diesmal in Form von zwei Baniza und zwei Bier nahm ich in einem wunderbaren schattigen Gastgarten in Chernoochene ein. Reich besucht von alten Männern zu einem Frühschoppen mit Kaffee. Sicher nur eine Einbildung, nach meinem Bier gab es dann auch etliche Bestellungen dieses alkoholischen Getränks durch die anderen Gäste. Der Oblast Kardshali ist die am stärksten muselmanisch geprägt Region Bulgariens. In den Dörfern wird exclusiv türkisch gesprochen.
                                                                Nach einem letzten Aufstieg könnte ich über weitere 800m-Rücken nach Asenovgrad abbiegen (zweistellige Straßennummer #58), aber ich möchte hinunter ins Mariza-Tal in den Kurort Chaskovski Mineralni Bani.
                                                                Nach Einschätzung der Wetterlage suche ich mir hier eine Herberge, und in der Tat, eine halbe Stunde nach dem Zimmerbezug gegen 16 Uhr geht das Gewitter mit ordentlich Regen nieder, der bis jetzt nicht aufgehört hat.


                                                                Hier kann man die Flunken tunken: Das Fußbad in Chaskovski Mineralni Bani

                                                                Ich bin gerade zurück von einem Spaziergang durch den überaus sozialen Kurpark von Mineralni Bani. Habe mich an einigen modernen Sportgeräten ausprobiert und meine Rückenmuskulatur und mein Koordinationsvermögen auf einem Kreisel trainiert. Dann habe ich die Quellen entdeckt, die ihr heilendes Wasser frei für alle Besucher spenden, als Trinkkur oder zum Wassertreten. Die Quellen haben eine Temperatur von ca. 50°C und man erntet eine Dosis Radioaktivität in Höhe von 0,04 mSv/Jahr. Eine Quelle schüttet fast armdick einfach in den Straßengraben. Natürlich habe ich meine Flunken in den Quell getunkt: Sie strahlen jetzt und müffeln nicht mehr.

                                                                Ich bin ein bekennendes Landei

                                                                Die Ayda-Berge über Mineralni Bani – goldhaltig

                                                                Gestern bin ich aus Chaskovski Mineralni Bani anfangs noch auf Nebenwegen unterwegs. Der rauhe Weg führte über einige Hügel mit lichten Eichenwäldern. Am Rande standen etliche PKW, wird hier möglicherweise nach Trüffeln gesucht?


                                                                Eiche bei Susam (Сусам)

                                                                Diese unbefestigten Wege mühen mich sehr, bei nächster Gelegenheit bin ich auf ein Asphaltstraße, die mich dann auf die Hauptstraße #8 führte. Der Verkehr war akzeptabel, ich hatte das Gefühl, dass mir mehr LKW entgegen kommen, als mich überholen. Pünktlich zum Regen in Plowdiw angekommen.


                                                                Tomaten-Giganten und die stolze Verkäuferin

                                                                Heute am Morgen die Rückfahrt am Racic-Schalter im Avtogara Jug gekauft. Meine e-Mail-Bekanntschaft Iliana aus der Vorbereitung der Reise war da, ich konnte mit ihr in deutscher Sprache alles vereinbaren.
                                                                Plowdiw ist eine der ältesten ständig besiedelten Städte der Welt. Es wurde an sieben Hügeln erbaut, die bis heute ein Wahrzeichen der Stadt sind.


                                                                Nebet Tepe (Небет Тепе) mit thrakischen Siedlungsresten. Ein Tepe ist in der Archäologie eine Erhebung, die durch wiederholte Besiedlung entstand.

                                                                Nachdem mich die Stadtpolizei auf dem Boulevard vom Rad gejagt hat, bin ich zurück ins Hotel und habe meinen Stadtspaziergang zu Fuß absolviert. Es hat sich wieder gezeigt: Ich bin ein bekennendes Landei. Es hat viel mehr Reiz nach langer Strampelei auf einen Pass einen kleinen Laden vorzufinden, als vom beeindruckenden Angebot im “Kreativviertel” Kapana (Die Falle) nach Pflastermüdigkeit eine Wahl zu treffen. Im Amphitheater war gerade Soundprobe mit dem Skyfall Theme, hat großartig geklungen.


                                                                Das antike römische Theater. Wikipedia: Die 7.000 Zuschauerplätze sind auf zwei Ränge mit jeweils 14 Reihen verteilt. Auf die Bänke eines jeden Sitzplatzbereiches wurden die Namen der Stadtteile geritzt, so dass jeder Besucher entsprechend seinem jeweiligen Wohnsitz Platz nehmen konnte.


                                                                In der bulgarischen Altstadt (Zeit der Wiedergeburt): Überall antike Reste auf dem Platz "St. Konstantin and Elena"

                                                                Mein letzter Gang des Tages in Plowdiw war zum Restaurant “Fly Garden” in der Nachbarschaft meiner Unterkunft. Gestern betafelte gerade ein Bulgare zwei Gottesdiener, er muss ganz schön gesündigt haben. Ich interessierte mich nach meinem abschließenden Rakija für das Dessert des Sünders. Ich verschob es auf heute.


                                                                Im Fly Garden

                                                                Heute hat mich das Team sehr freundlich wieder begrüßt. Zu meinem Wein stellten sie mir eine Platte mit den unschlagbaren Mezes der Bulgaren hin: Sudshuk, Lukanka und Filet Elena, ein Pastrami. Als Gruß des Teams! Das wird neben Karnobatsko Rakija meine Einkaufsliste für Morgen.
                                                                Heimfahrt planmäßig mit dem Racic-Bus nach Dresden.
                                                                Zuletzt geändert von EbsEls; 04.08.2018, 21:21.
                                                                Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                Eberhard Elsner

                                                                Kommentar


                                                                • Abt
                                                                  Lebt im Forum
                                                                  • 26.04.2010
                                                                  • 5726
                                                                  • Unternehmen


                                                                  #33
                                                                  AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                  Danke für deinen Rad-Bericht. Auch wenn etwas erschobenes dabei ist.
                                                                  Wie hast du es mit dem Rad über Nacht gemacht? gab es da einen Drahteselstall? oder hast du es mit aufs Zimmer genommen?

                                                                  Kommentar


                                                                  • blauloke

                                                                    Lebt im Forum
                                                                    • 22.08.2008
                                                                    • 8843
                                                                    • Privat


                                                                    #34
                                                                    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                    Schöner Bericht mit interessanten Details.

                                                                    Danke für die Bilder aus Plovdiv. Da war ich vor ein paar Jahren für einige Tage und es sind Erinnerungen hoch gekommen.
                                                                    Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                                                                    Kommentar


                                                                    • Abt
                                                                      Lebt im Forum
                                                                      • 26.04.2010
                                                                      • 5726
                                                                      • Unternehmen


                                                                      #35
                                                                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                      Die Letzte Grenze am Rande Europas davon erzählt Kapka Kassabova die Geschichen aus ihrer bulgarischen Heimat über Flüchtlinge früher, die versuchten Bulgarien auf abenteuerliche Art und Weise in südliche Richtung zu verlassen.
                                                                      Heute ist diese Grenze wieder Schauplatz der bewegten Ereignisse in andere Richtung. Ebsels ist nun wieder dort mit Rad unterwegs.
                                                                      Ich hab ihn am Bus getroffen um Abschied zu nehmen.
                                                                      Mit schöner Tradition kam der Bus zwei Stunden zu spät zur Abfahrt an. Diesmal verlief die Warterei bei ungemütlichen Temperaturen um die acht, neun Grad plus.
                                                                      Ich hoffe auf einen spannenden Reisebericht.
                                                                      https://www.lebensreise.com/


                                                                      Gruß Abt
                                                                      Zuletzt geändert von Abt; 13.04.2019, 00:54.

                                                                      Kommentar


                                                                      • simurgh
                                                                        Fuchs
                                                                        • 02.11.2011
                                                                        • 1846
                                                                        • Privat


                                                                        #36
                                                                        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                        Ich wünsche dem Protagonisten gutes Gelingen der Tour und in den nächsten Tagen etwas wärmere Temperaturen...
                                                                        >> Ich suchte Berge und fand Menschen <<

                                                                        Kommentar


                                                                        • EbsEls
                                                                          Erfahren
                                                                          • 23.07.2011
                                                                          • 436
                                                                          • Privat


                                                                          #37
                                                                          AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                          Eine weitere Fortsetzung der Lebensreise Balkan - eine Tour durch Thrakien.

                                                                          10. April 2019, Abfahrt des Racic-Bus in Dresden mit der üblichen zwei stündigen Verspätung, aber er kommt zuverlässig. Gert hat wieder beim Verpacken des Rades geholfen. Das ist der Start in das große Bulgarien-Jahr 2019 auf meiner Lebensreise Balkan. Es soll so laufen: Eine Fahrt durch Thrakien mit der Erforschung von etlichen Heiligtümern des einflussreichen Volkes der Thraker auf die Geschichte der Griechen. Im Juni eine Wanderung mit Freunden in die “thrakische Kernzone”, die Rhodopen. Im Herbst dann zu den Eroberern Thrakiens, nach Mazedonien.
                                                                          Inflation in Serbien: Ein Schild stellt den Umtauschkurs mit 1€ = 115,96 Dinar fest, bei einer der regelmäßigen Pausen der Busfahrt an einer Raststätte bei Subotica. Dann kommt Einer raus und wechselt die Magnetfolien: 116 + paar Zerquetschte gilt ab dieser Minute. Sie nehmen hier Euro, aber kein “metal”, keine Münzen. Die Raststätte hat auch zwei Plätze mit Ladesäulen für das “Elektrische”. Scheint aber wenig Resonanz zu haben, selbst die Polizei hält das für normale Parkplätze und parkt die Ladesäulen zu.
                                                                          Diesmal hat der Racic-Bus die Verspätung nicht aufholen können. Einer der Passagiere besaß einen diffizilen Ausweis, was die ungarische und die bulgarische EU-Grenzpolizei zu einer zeitraubenden Überprüfung veranlasste. Ich bin mir nicht sicher, ob er dann am Grenzübergang Dimtrovgrad (SRB)/Dragoman (BG) wieder in den Bus zurück stieg. Unterwegs vor Nis ist einer der Busfahrer der serbischen Polizei aufgefallen. Seine Fahrerkarte wurde kontrolliert und er musste wohl eine Strafe zahlen. Möglicherweise war da was aus Deutschland anhängig, jedenfalls fiel immer wieder das Wort “Germanija” im auswertenden Gespräch mit den Kollegen. Das war alles gestern am 10. April.


                                                                          Ausfahrt Plowdiw


                                                                          Die Festung Stanimaka bei Asenowgrad

                                                                          Heute konnte ich früh nach erholsamen Schlaf im vorgebuchten “Business Hotel” in der Nähe des Avtogara Jug in Plovdiv starten. Ein kleiner Umweg nach Asenovgrad ersparte mir die verkehrsreiche direkte Straße. Ich bin im Dorf Batschkovo und wettere den Regen ab.

                                                                          Im Gebirge der sterbenden Dörfer

                                                                          Hier befindet sich auch eines der größten Nationalheiligtümer Bulgariens, das Kloster Batschkowo. Es ist eine georgische Gründung aus dem Jahre 1083. Im Klostermuseum kann man ein Schwert, das der Legende nach Kaiser Friedrich Barbarossa bei seinem Kreuzzug hier zurückgelassen haben soll, besichtigen.


                                                                          Eingang ins Kloster Batschkowo

                                                                          Das Batschkowo Kloster beeindruckte mich mit seinen farbenreichen Fresken und einem weißbärtigen Ehrwürdigen. Er beobachtete mich streng, dass ich in seiner Kirche auch keine Bilder mache. Ich habe den Heiligen drei Kerzen gespendet, als pomana für meine Tour.


                                                                          Im Kloster Batschkowo


                                                                          Dort brennen drei Kerzen für meine Reise

                                                                          Den Ehrwürdigen wegen einer persönlichen pomana anzusprechen, traute ich mir nicht. Drumherum ums Kloster blüht der Kommerz für die Touristen. Es gibt neben viel Tinnef aber auch sehr gesunde Kräuter für Tee und Honig aus den Rhodopen.


                                                                          Honig am Straßenrand im Tal der Tschepelarska reka

                                                                          Im Tal der Tschepelarska reka verläuft eine Hauptstraße (#86) mit reichlich Verkehr, aber tolerabel. An meiner morgigen Abzweigung, die Straße #861 steht das Jugower Wirtshaus.


                                                                          Das Jugower Wirtshaus

                                                                          Der Besuch am Kamin verleitet mich schon etwas früher in der Tour von den Spezialitäten des Landes und zwar im speziellen Parlenka zu probieren und zu schwärmen. Sonst wird das Parlenka in Pizzaform serviert, hier richtig als kleiner Brotlaib, gefüllt mit Kaschkaval und mit Knoblauchcreme bestrichen. Dazu gibt es hier nalivna shiva bira - lebendes Bier vom Fass im Jugowskijat Han.
                                                                          In dem Kurbad Narechenski bani habe ich das Hotel RELAX zum Ziel der ersten Etappe erklärt. Das Abendbrot gibt es auf einer Terasse über der Tschepelarska reka wie einst der river Swat in Kalaam.


                                                                          Das Abendbrot

                                                                          Das Abendbrot besteht aus einem Salat von Smilyaner Bohnen (ähnlich wie ein Salat aus den Bohnen der Steiermark) und den drei kalten Leckerbissen zum gepflegten Kamenitsa-Bier.
                                                                          • Lukanka, eine bulgarische Salami-Spezialität
                                                                          • Pastrami, ein Schinken aus Rindfleich und
                                                                          • Филе Елена (Filet Elena), ein luftgetrocknetes und gepresstes Schweinefilet aus der Stadt Elena in Mittelbulgarien.



                                                                          Das Dorf Kosowo

                                                                          Um mich für die nun in den nächsten Tagen folgenden schweren Bergetappen zu wappnen, habe ich einen kleinen Abstecher hinauf auf ca 900m in das Dorf Kosovo gemacht. Dieses Dorf wird nur noch durch einige Enthusiasten mit Ferienhäusern am Leben erhalten.


                                                                          Traditionell gedecktes Haus

                                                                          Die schweren Pläner, mit denen hier die Häuser früher gedeckt wurden, drücken die morschen hölzernen Dachfirsten ein. Das sieht aus, als hätte das Haus einen Artillerietreffer abgekriegt. Das Haus verfällt.
                                                                          Ich bin gerade wieder im Jugower Wirtshaus, es gab “Snjeshanka”, Joghurt-Bällchen mit Zwiebeln, Knoblauch und Walnusssplittern.


                                                                          Über dem Tal des Flusses Jugow

                                                                          Das Dorf Jugovo liegt 5km vom Wirtshaus steil im Hang. Die Straße führt mit 10% Steigung hoch über einer wilden Schlucht.


                                                                          Oben im Tal zeigt sich Regen ...

                                                                          Oben im Tal zeigt sich Regen, ich muss eine trockene Stelle finden. Vorhin das Kapellchen (ein Paraklis) war offen, aber ich habe ja die Fürsprache der Heiligen und finde auf der OSM-Karte eine Schutzhütte eingezeichnet. Als ich die Hütte gegen 17 Uhr erreiche, beginnt der Regen, der die ganze Nacht über nicht ablassen wird. Kann man Glück erzwingen? Glück planen? Ja, geht, dank OSM.


                                                                          Meine Schutzhütte

                                                                          Morgen beginnt der schwerste Abschnitt der Tour, 1000 m Aufstieg, werde wohl 3...4 Tage brauchen bis ins Tal der Arda.
                                                                          Zuletzt geändert von EbsEls; 27.05.2019, 15:56.
                                                                          Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                          Eberhard Elsner

                                                                          Kommentar


                                                                          • Baciu
                                                                            Dauerbesucher
                                                                            • 18.07.2013
                                                                            • 967
                                                                            • Privat


                                                                            #38
                                                                            AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                            Na da werden ja wieder balkanische Leckerbissen präsentiert...
                                                                            Also im Herbst nach Mazedonien, vielleicht treffen wir uns ja...

                                                                            Kommentar


                                                                            • EbsEls
                                                                              Erfahren
                                                                              • 23.07.2011
                                                                              • 436
                                                                              • Privat


                                                                              #39
                                                                              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                              Fortsetzung von hier

                                                                              Ich kenne meine Grenzen

                                                                              In meiner Schutzhütte und dem dicken Schlafsack habe ich die Nacht gut überstanden. Es hat durchgeregnet, ich war im Trockenen. Für ein Frühstück einen Abstecher hoch nach Laki gemacht. Das ist eine alte Minenstadt, noch bestehenden Bergbau habe ich nicht beobachten können. Aber der alte Bergmann ist zum Sonntagmorgen immer noch durstig, weiß aber, was sich gehört und trinkt zum Frühschoppen Kaffee und raucht dafür viel. Die Kneipe war voll.


                                                                              Hundehütten vor der Kneipe

                                                                              Ich konnte dann in einem Geschäft einen Ring leckere Knackwurst und tatsächlich Schwarzbrot kaufen. Ich bin dann zurück zu den Rauchern und habe mir ein Kamenitsa-Bier bestellt. Es schien ein Signal zu sein, immer mehr Kumpels hatten eine grüne Flasche statt des Espresso vor sich.


                                                                              Die Straße #8611 im Tal der Belischska reka

                                                                              Nun sollte der schwierigste Abschnitt der Tour beginnen. Die Straße #8611 das Tal der Belischska reka aufwärts und über Planinsko und Riben dol nach Bezvodno, als Rhodopen-Radweg bei mapy.cz eingezeichnet. Der Fluss führt reichlich Wasser und presst sich durch eine zwei bis drei Meter tiefe Klamm. Ein großartiges Tal mit zwei Sehenswürdigkeiten: Eine Steinbrücke, wo der Fluss durchfließt, und ein respektabler Wasserfall.


                                                                              Skalen Most, Steinbrücke


                                                                              Wasserfall Gjumbertijata

                                                                              Auch hier finden sich in den Hängen etliche Halden, die auf Bergbaustollen hinweisen. Weiter oben finde ich im Wald einige Villen im Naturschutzgebiet “Karamusch”.


                                                                              Point of return

                                                                              Hier ist dann auch das Campieren verboten. Letztlich erzählt mir Einer am Verbotschild “Putj satvoreno!”, dass der Asphalt noch 5km anhält, der weitere Weg nach Planinsko aber nur noch Baustelle und Steine sind. Es ist sehr kalt, das Navi zeigt 900 Höhenmeter an.


                                                                              Im Naturschutzgebiet Karamusch

                                                                              Meine Grenze ist erreicht, hier komme ich nicht über die Berge ins Arda-Tal. Ich kehre um. Ich werde nachher an einem der schönen Plätze im Tal beim Dorf Belitsa zelten und morgen zum Aufwärmen ein Hotel aufsuchen und umplanen.

                                                                              Über die Rhodopen

                                                                              Es waren die erwarteten schweren Tage mit einem Aufstieg auf über 1600 m, dorthin wo noch der Winter zu Hause ist.


                                                                              Der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in die Rhodopen zurück.

                                                                              Ich fand in Belitsa einen schönen Platz zum Zelten auf der anderen Seite des Flusses auf einem Spielplatz neben der Hütte der Baba Jaga. Abends bin ich noch in die kleine Kneipe “Caffee aperitif 1 Stern” nach dem bulgarischen Standard der Gastronomie. Niedriger geht’s nicht, aber die Gastfreundschaft kennt keine Sterne in diesem Standard. Ich wählte einen weißen Wein mit einer schweren Note und im Abgang ein wenig Harz, wie beim retsina. Der größte Suffke spendierte mir gleich noch ein zweites Glas. Obwohl der Wirt selbst raucht, in seiner Kneipe verbietet er es stikt, schmeißt auch gleich mal Einen raus.
                                                                              In Laki zum Frühstück bei einem Stück Torte beschloss ich doch den Aufstieg über die Straße #861. Schon im Ort zogen die Prozente der Steigung an.
                                                                              Nach einigen Kilometer traf ich auf eine Mine, es gibt also tatsächlich noch Bergbau im Gebiet. Damit erklären sich auch die vielen schweren Dumper die graues Gestein vom Berg herunter bringen. Ich kann an einem Schacht den Aufzug des Erzes und die Beladung der LKW beobachten.


                                                                              Interessante Arbeitsschutz-Zeichen (auf's Bild clicken zum Vergrößern) sind an diesem Arbeitsplatz angebracht.

                                                                              Einer der Mineros schenkt mir einen Erzbrocken, der in vielen Farben schillert, einschließlich Gold. Dieser Schacht geht 500m abwärts. Weiter oben dann eine weitere Mine “Rudnik Drushba”. Bis hierher ist es eine normale Straße, dann ein asphaltierter einspuriger Weg. Es soll oben noch ein Dorf Shdranets mit einem Hotel geben. Meine Rettung?
                                                                              Es ist alles offen im Hotel, bis hinein zur Küche und den Kühlschränken, ein Schild heißt die Gäste “Dober doschli”, herzlich willkommen. Ich mache in den Sesseln der Lounge ein Nickerchen. Dann kommt Einer: “Hotel do not working”. “Wo kann man hier zelten?” In ca. 50 Meter einen Feldweg in einem Nebental hinauf gäbe es einen Rastplatz mit Wasser und Feuerstelle. Dort könne ich zelten. Ich gehe zu Fuß hoch und finde einen großartigen Platz zum Zelten mit Kamin, Quelle und großzügiger Hütte mit Sitzplätzen.


                                                                              Die empfohlene Stelle zum Zelten

                                                                              Die ganze Zeit kommuniziere ich mit Anne und Detlef aus Rudolstadt, die auch einen Osterausflug in Bulgarien machen. Ich lotse sie zu diesem Platz, etwas herausfordernd die Anfahrt für einen VW Caddy. Es wird ein toller Abend.


                                                                              Nacht in den Rhodopen

                                                                              Ich möchte hier mal eine Laudatio auf die Stifter solcher Raststellen einflechten. Es ist schon lange Brauch auf dem Balkan, dass Brunnen zu Ehren von Verblichenen, zum Andenken an Freunde gestiftet werden. In den Rhodopen ist das erweitert worden: Hier werden wunderbare Rastplätze rund um einen Laufbrunnen gestiftet. Immer sind Sitzplätze und Tisch vorhanden, ein Kamin mit Grill, ausgestattet mit den wichtigsten Utensilien und Zutaten. Bei größeren Anlagen findet sich immer auch ein Schild zur abseits gelegenen Toilette (Plumsklo). Es gibt häufig eine Schaukel für die Kinder. Alles ist ordentlich gepflegt, steht doch für die Nutzer auch ein Besen zur Verfügung.


                                                                              Rastplatz bei Belitsa


                                                                              Hier im Bergbaugebiet wird der Brunnen mit Mineralienstufen verziert, wie sie kaum bei der heimischen Mineralienbörse in den Saalfelder Feengrotten zu finden sind.

                                                                              Heute habe ich die letzten 15 km Aufstieg in den Winter absolviert und bin jetzt bis Banite gefahren. Hier wollen wir uns nochmal treffen.

                                                                              Über dem Tal der Arda

                                                                              Gestern noch ein schöner Abend mit den Rudolstädtern. Ich brauchte diesmal ein Hotel und fand noch oben am Ortseingang einen Hinweis zu einer mechana und Hotel “Belite Kutscha”, das Weiße Haus. Eine mechana ist ein folkloristisches Restaurant mit deftiger bulgarischer Küche und rakija. Dieses Programm haben wir mit zünftigen kavarma vom Schwein und vom Huhn und Karnobatsko rakija durchgezogen. Nur die bestellten Bratkartoffeln sind wohl in der Küche unter den Tisch gefallen. Dafür gab es dann am späten Abend auf Kosten des Hausherrn kacamak und parlenka. Das ist in der Pfanne gebratene Polenta und ein Geröstl aus dem Erdapfel. Es war Küchenschluss, es war der Rest, es war kalt - es hat trotzdem geschmeckt.


                                                                              Straßenverkehr: Die Hirtenhunde sind zahm

                                                                              Die Berge in den östlichen Rhodopen erreichen nur noch selten die tausend Meter, es geht aber trotzdem ständig knackig hoch&runter. Hier in der Nähe von Ardino gibt es die antike Teufelsbrücke über die Arda. Letztendlich besucht man diese Sehenswürdigkeit nur über eine Stichstraße, deshalb wohl eher nichts für mich. Es muss also vor zwei tausend Jahren tatsächlich Wege in den Flusstälern gegeben haben. Die modernen Straßen heute führen immer über die Berge. Gemütlich das Arda-Tal nach Kardshali hinab pedalieren ist nicht möglich, oft sind noch nicht mal Wanderpfade vorhanden und dann laufend Stauseen. Das Gebiet ist mit jeder Menge hydroenergetischen Installationen bestückt.


                                                                              Arda mit Stoyanov-Brücke

                                                                              An der Stoyanov-Brücke wird dem ersten Operateur der Turbinen im unterirdischen Kraftwerk Byali Isvor, Weiße Quelle gedacht.


                                                                              Die Wolken sind weg, früh komplett blauer Himmel, Detlefs Frontscheibe war vereist. Am Tag über auf dem Weg nach Ardino hat die Sonne aber schön meinen ausgekühlten Korpus gewärmt. So möge es bleiben.

                                                                              In Kardshali

                                                                              Der Tag in Ardino begann endlich bulgarisch korrekt: Kaffee, Banitsa und Ayran, eine Art Buttermilch. Das ist die Stärkung für die letzten Berge an der tausend Meter Grenze auf dem Weg nach Kardshali. Die Steigung beginnt sofort an der Hauptkreuzung von Ardino. Es ist heute wieder kalt und nass. Oben am Pass im Gebiet des touristischen Komplexes “An den Weißen Birken” komme ich in einen heftigen Graupelschauer.


                                                                              bei Kobiliane

                                                                              Bald ist Volksfest in Kobilane: Ringen und Grill. In der Tat, hier im Bezirk Kardshali wird überwiegend türkisch gesprochen, es ist die am stärksten islamisch geprägte Region Bulgariens. Hier erreichte die pro-türkische Partei Bewegung für Rechte und Freiheiten bis zu 70 %.

                                                                              Endlich startet die lange Abfahrt durch etliche türkische Dörfer. Die Logistik in solchen Dörfern ist meist entwicklungsfähig. In Kobiliane hat Einer in ein Handelszentrum mit Lebensmittel- und Baumarkt investiert. Nach meinem Eindruck ist er gerade in seiner ersten Renovierungsphase nach der Eröffnung vor fünf Jahren. Die Gäste des kleinen Bistros sind seine Bauleute und vorlaute Pensionäre. Am Tisch klingelt einer der Bauleute mit dem Vielfachmesser die Spannungszuleitungen und den Schalter zu einem BOSCH-Hammer aus. Die Anteilnahme seiner Kollegen am Reparaturfortschritt lassen darauf schließen, dass der Zustand dieses Werkzeugs ihre Pause verlängern wird. Dazwischen wuselt ein dünner Junge im Hoody und Basecap als Bedienung rum. Meine Frage nach etwas zu Essen nimmt er begeistert auf, holt einen Elektrogrill raus (der funktioniert) und es gibt die besten Kjöfte der Tour.
                                                                              Im nächsten Dorf spreche ich mit einem alten Kommunisten. Er erzählt von seiner Reise zu Ostzeiten nach Berlin, Potsdam und Leipzig mit dem Besuch der Georgi-Dimitroff-Gedenkstätte. Er freut sich, dass ich istotschni bin, einer aus dem Osten Deutschlands. Für die nächsten vier Nächte habe ich mich in eine Gartenhütte eingemietet.


                                                                              Bei der Höhle Utrobata - dem Genital der Mutter Erde, ein thrakisches Heiligtum

                                                                              Karfreitag: Fahrt zur Utrobata, zum Genital der Mutter Erde. Früh entdecke ich eine SMS von den Rudolstädtern, sie haben an der Höhle Utrobata genächtigt. Ich bin auch gerade auf dem Weg dahin. Ich habe mich ja so was von getäuscht, es ist keine Uferstraße entlang des Arda-Stausees, es geht mächtig hoch in die Berge. Unten in der Stadt hängen an meiner Banitsa-Frühstücks-Bäckerei Ausschreibungen für Stellen und Lehrausbildungen im Gastronomiegewerbe. An einigen der Baustellen zu einem großen Stadtpark mit noblen Wohnungsquartieren durch die Gebrüder Koch aus den USA scheint es an Bauleuten zu mangeln. Weiter oben in den Dörfern leistet sich ein Holzhändler viele billige Hände, um Holzstämme von einem alten SIL-Laster auf einen großen Sattelschlepper umzuladen. Der SIL-Laster rangiert gerade wacklig neben den Auflieger des Mercedes-Trucks. Die Holzstämme liegen ungesichert auf der platten Pritsche des SIL und werden nun durch die Hände von sechs Männern auf die platte Pritsche des Trucks umgeladen. Utensilien zur Ladungssicherung des Holzes sind weit und breit nicht zu sehen. Je billiger die Arbeitskräfte sind, desto geringer wird der Anreiz sein, die Produktivität zu erhöhen - ein Teufelskreis.


                                                                              Rufe des Muezzin hallen durch das Tal der Arda

                                                                              Die Rufe des Muezzin hallen durch das felsige Tal der Arda. Ich treffe mich zum Mittagessen am wunderbar gelegenen Hotel Borovetsa mit Anne und Detlef ganz in der Nähe der Höhle. Detlef darf ja fahren, aber Anne und ich beschließen das Mahl mit einem goldenen Rakija grosdova aus dem Hause Karnobats. Mir schwant schon, die Höhle werde ich wohl nicht erreichen. Ich stelle mein Rad unten ab, stecke Geld und Dokumente in die Hosentaschen und beginne auf einem Pfad den Aufstieg.


                                                                              Am Fußweg zur Höhle

                                                                              Als der Pfad wieder steiler wird, fällt mir ein, dass alle Schlüssel noch in der Lenkertasche sind. Ich habe einen triftigen Grund, den Aufstieg nach ca. einem Drittel des 4km-Aufstiegs abzubrechen. Abends rauscht durch Kardshali ein mächtiger Sturm, die abgerissenen Wellblechdächer aus meiner Gartensiedlung fliegen durch die Gegend. Beinahe kriege ich von so einem Ding eine neue Frisur.
                                                                              Heute gönne ich mir einen Ruhetag in der Stadt: Diesen Text schreiben, baklava kosten, den frisch gekauften “Guide to Thracian Bulgaria" studieren ...
                                                                              Zuletzt geändert von EbsEls; 29.05.2019, 16:00.
                                                                              Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                              Eberhard Elsner

                                                                              Kommentar


                                                                              • Galadriel
                                                                                Dauerbesucher
                                                                                • 03.03.2015
                                                                                • 913
                                                                                • Privat


                                                                                #40
                                                                                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                Schöne Tour und schöner Bericht, da steigt die Vorfreude auf unsere nächste Mazedonientour...
                                                                                Wandern & Flanieren
                                                                                Neues entdecken durch Langsamkeit

                                                                                Kommentar


                                                                                • Abt
                                                                                  Lebt im Forum
                                                                                  • 26.04.2010
                                                                                  • 5726
                                                                                  • Unternehmen


                                                                                  #41
                                                                                  AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                  Danke für deinen Tourenbericht, nun auch mit Bildern.
                                                                                  Im Juno werden dort die Orchideen blühen. Ich hoffe sehr, dabei zu sein

                                                                                  Bin gerad rechtzeitig aus dem Krankenhaus (El Paradiso, wunderbar) zurück und will noch mal paar Meißel anschärfen.
                                                                                  Für die Salpetergewinnung in meiner Küche

                                                                                  Kommentar


                                                                                  • EbsEls
                                                                                    Erfahren
                                                                                    • 23.07.2011
                                                                                    • 436
                                                                                    • Privat


                                                                                    #42
                                                                                    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                    Fortsetzung von hier

                                                                                    Wo Alexander zu Fuß hin ging ...

                                                                                    Der Ruhetag in Kardshali war nicht nur baklava kosten, ich habe viel mehr gekostet. Der kulinarische Höhepunkt am Abend war der Besuch des Restaurants “Vodenitsata”. Der Bulgare an sich besucht ein Restaurant mit großer Begleitung. Ein gutes Restaurant stellt große Tische für große Gesellschaften zur Verfügung. Ich suche mir einen kleinen Tisch (für vier Personen) direkt unter dem Monitor. Dort läuft als Stummfilm “24kitchen” von FOX. Ich hasse Kochshows im Fernsehen, aber diesen Kanal würde ich in meiner Küche auch gerne laufen lassen. Soviel Anregungen auch von balkanischen Sterneköchen … lecker. Besonders bemerkenswert: Das Niedertemperaturgaren (er stellte 95° ein) von vakuumierten vorher kurz auf der eingeritzten Haut angebratener Entenbrust durch einen slowenischen Koch. Die Küche der “Vodenitsata” braucht sich aber nicht verstecken, es gab vier wunderbar gegarte Schweinefilets auf pikanten Kartoffeln.


                                                                                    Ringsum Kreuzritterburgen am Arda Stausee Studene Kladenets

                                                                                    Zum Ostersonntag, dem Tag der Wunder, bin ich dorthin gegangen, wo selbst Alexander der Große zu Fuß hin ging, zum Orakel des Dionysos auf dem Felsen Perperikon.


                                                                                    Perperikon

                                                                                    Dieser Ort ist seit der Steinzeit besiedelt. Dank der reichen Erzvorkommen in den Rhodopen waren die thrakischen Stämme schon im 13. Jhdt. v.Chr. zur Verhüttung von Erzen in der Lage. Äxte, Blasebalg, die für die Verhüttung benutzt wurden, Pfeile, Schmelztiegel und Metallscharniere wurden in Perperikon gefunden. Diese Funde belegen, dass Perperikon ein Zentrum der Metallverarbeitung war.


                                                                                    Auf diesen Treppen stieg schon Alexander der Große zum Orakel

                                                                                    Vielleicht sind es diese Kenntnisse und Fertigkeiten für das Überleben der Thraker im “dunklen Zeitalter”, als zum Ende der Bronzezeit die östlichen Mittelmeerzivilisationen schlagartig untergingen. Eine solche Entwicklung der Produktionsmittel schafft Mehrwert, damit sich der Eine & die Andere diversen Kulten zu wenden konnten. Es entstand die thrakische Religion der Orphiker. Der Orphismus war ausgesprochen aristokratisch. Es war ein Kult um die Ahnen-Könige, um die Quelle der Fruchtbarkeit, um die Oberpriester und um Anthropodemonen (Tote, deren Körper nicht verfallen, eine Art „Untote“). Die Priester orakelten im Delirium des Weines, der Kult von Dionysos wird geboren.


                                                                                    Der Tempel des Lichts

                                                                                    Dem Orakel des Dionysos, was viele Experten in Perperikon verorten, werden z.B. die folgenden Prophezeiungen nachgesagt: Alexander der Große wird die Welt erobern und Rom wird ihm in der Weltherrschaft folgen. Alexander ist während seiner Jugend- und Ausbildungszeit durch Aristoteles extra hin gepilgert, um sich zu versichern. Heute sind weite Flächen des Kultkomplexes ausgegraben und an einigen Stellen Mauern restauriert.


                                                                                    Kleines Wasserbecken

                                                                                    Bei meinem Aufstieg fallen mir immer wieder die “Bäder” auf, steinerne “Sitzbadewannen” für sehr kleine Menschen. Ganz oben ist eine große Zisterne freigelegt, zwischendurch gibt es immer mal etliche Wasserspeicher. Diese Anlagen zur Wasserverteilung zeigen mir den Ingenieursgeist der Thraker. Ich wandele immer wieder über offensichtlich sehr alte Stufen.


                                                                                    Mauer mit Tor

                                                                                    Zwischen großen Steinen (Toren) finde ich rechts vom Aufstiegsweg kleine ca. Handteller große Vertiefungen, manchmal mit einer kleinen Rinne. Sind das die Angeln der Tore? Faszinierend!


                                                                                    Felsen mit den typischen thrakischen Nischen

                                                                                    Heute zum Ostermontag mache ich mich weiter ostwärts auf dem Weg nach Adrianopel. Die Route führt durch Momtschilgrad und Krumovgrad, alles Städte, die nach den Balkankriegen nach bulgarischen Helden umbenannt wurden. Tatsächlich spricht hier jeder türkisch, meine bulgarischen Sprachbrocken werden hier nur mit Mühe verstanden. In Krumovgrad ist es ein Bisschen schwierig mit der Gastfreundschaft, die zwei in GoogleMaps gelisteten Hotels weisen mich ab. Am Hotel “Dvina” prangen jede Menge booking.com-Siegel mit guten Bewertungen. Die haben aber heute in der Tat keine freien Übernachtungsplätze eingestellt. Das Hotel liegt direkt im Basarbereich, aus einer Ecke erklingt Musik einer Roma-Kapelle, quietschende Oboe, Quetschkommode und Pauke. Da muss ich hin. Sie spielen an einer kleinen Tafel, einer der Gäste kann die Oboe auch blasen. Ich schaue, was meine Kasse bietet - einen Auftritt für mich ist mir 10 Leva wert. Einer filmt mit meinem Handy das kleine Privatkonzert.

                                                                                    Im kleinen Flüsschen neben dem Basar stolziert ein Schwarzstorch. Das Hotel “Ahrida”, überkommen aus dem Sozialismus, zeigte sich gastfreundlich, die Rezeptionistin spricht deutsch. Ich drücke sie herzlich, als ich den Schlüssel erhalte.

                                                                                    Im Land der seltenen Metalle

                                                                                    Eine Banitsa-Bäckerei ist früh am Morgen in Bulgarien ein sehr flottes Geschäft. Die arbeitenden Bevölkerungskreise holen sich ihr Frühstück, die Rentner auch, bleiben aber im Laden sitzen. Der Tourist stört, wenn er keinen Plan für sein Frühstück hat, denn die Mädels fertigen in der Regel zwei Kunden gleichzeitig ab. Ich störte den Prozess, durch den Wunsch nach einem Kaffee … eine Cola wurde mir angeboten. Nun gut, eine malka Pizza und ein Becher Ayran, die Buttermilch des Orients. Für mich ist der Becher wichtig, um einen gewissen Katalysator für die vielen Fleischgerichte zu haben. Es kann hart werden! Gestern fiel mir ein moderner Industriebetrieb in Krumovgrad auf, mit solchen Hochsicherheitsdrehtüren aus Edelstahl für das Personal: DUNDEE precious metals. Neben meiner Banitsa hat das Unternehmen ein Informationszentrum mit einer “Modelleisenbahnanlage” ihrer Mine.
                                                                                    Dundee Precious Metals is a Canadian-based international mining company engaged in the acquisition, exploration, development, mining and processing of precious metal properties. Our current operations are in Namibia and Bulgaria, with exploration in Armenia, Bulgaria and Serbia.

                                                                                    Die Mine oben auf dem Berg

                                                                                    Die Steinmühlen hörte man weithin rumpeln. Wie schon die alten Thraker wussten: Das ist ein Land der seltenen Metalle. Dies zeigt sich auch auf dem stetig ansteigenden Weg auf einem langen Bergrücken. Einige Konglomeratfelsen am Anfang, dann Zeugenberge alter Vulkanaktivitäten, später Ablagerungen aus dem Thetysmeer als Kalksteinfelsen.


                                                                                    Basalt

                                                                                    Es ist eine abwechslungsreiche geologische Tour. Endlich eine schöne lange Abfahrt hinunter nach Iwajlowgrad. Ich finde über das Internet eine großartiges Ömchen mit einem kutscha sa gosti, ein Gästehaus in der Nähe der römischen Villa Amira. Leider ist die Villa bereits geschlossen, ich muss die vier Kilometer wieder bergauf. Bisher habe ich noch nichts gegessen seit der Banitsa in Krumovgrad. Ich finde eine schöne Dorfkneipe und lasse den anstrengenden Tag mit paniertem Weißkäse und einem halben Liter hiesigen Weißwein ausklingen.

                                                                                    Borderstories

                                                                                    Das Frühstück im kutzscha sa gosti war sehr gut, dazu gab es kleines Näpfchen selbst gemachte Marmelade, handbeschriftet mit der Telefonnummer des Hauses als Souvenir. Schnell war ich an dem kleinen Grenzübergang nach Griechenland.
                                                                                    Gestern habe ich ein wenig mit einem Bulgaren, Inhaber eines kleinen Ladenzentrums, geplaudert. Er war stolz, dass in Ivailovgrad nur Bulgaren wohnen würden, dazu ein paar Deutsche und Engländer. Es gäbe keine Türken, Griechen oder Schwarze. Hitler wäre ein guter Mann gewesen, bis auf die Dummheit, sich mit den Russen anzulegen. Meine Reiseroute nach Burgas über die Türkei wollte er mir ausreden. Dann im ersten größeren griechischen Dorf, in Fylakio, wieder die übliche Warnung vor dem Nachbarn durch einen Pensionär. Es wäre doch viel schöner in Griechenland, und von Igoumenitsa könne man nach “Napoli” und Rom. Die Unterhaltung führten wir in Deutsch. Der Gast forderte immer wieder den Wirt auf, mit mir doch Deutsch zu reden.


                                                                                    Eine Radelstunde durch Griechenland

                                                                                    In Ritsia fährt die deutsche Bundespolizei Streife. Mein Nachbar in der Kneipe, wo ich noch mal ein paar Bier auf Vorrat pichelte, sagte, dass sie hier drei Polizeitruppen haben: Die griechische Grenzpolizei, die deutsche Bundespolizei und die FRONTEX-Polizei. Das seien die im Tarnanzug und Militärfahrzeugen. Die Grenze kündigt sich mit Verbotsschildern zum Fotografieren an. Dann folgen rechts und links ein paar befestigte Militärstellungen. In einem Hain liegt die Kontrollstelle, die Abwicklung mit einem Ausweis, der was gilt, geht reibungslos. Man kann noch schnell einen großen Duty-Free-Shop besuchen. Dann einige hundert Meter eine schmale Stacheldrahtgasse (das ist kein LKW oder Bus-Übergang) zum türkischen Kontrollpunkt, wo alles etwas weniger martialisch aussieht. Ich werde herzlich begrüßt und bin zum ersten Mal in meinem Leben in der Türkei. Wie schon in Griechenland ist das hier eine landwirtschaftlich fruchtbare Gegend bei der Mündung der Arda in den Evros/Mariza/Meric, viel Gemüse und Obstanbau auf beiden Seiten. Dann erreiche ich bald den Vorort von Edirne mit der Thrakischen Universität. Leider ist immer noch nichts von einer Geldwechselstelle zu sehen, obwohl rechts und links es viele gastronomische Angebote gibt.


                                                                                    Die Brücken vor Edirne

                                                                                    Ich überquere den Evros/Mariza/Meric und den kleinen Nebenfluss Tunac auf zwei alten türkischen Brücken. Sie verlaufen bis zur Mitte aufwärts, es kommt der Divan, dann rollert es auf Marmorplatten abwärts. Und dann … der orientalische Alptraum, wimmelnde Basargassen. Hinter mir hupen die Autos, vor mir huscht ein Servierer mit einem Tablett mit fünf vollen Caj-Gläsern zum LED-Lampenhändler.


                                                                                    Saraçlar Caddesi

                                                                                    Ich versuche dann in einem Bankgebäude der Türkischen Staatsbank mein Glück mit Geldwechsel. Und tatsächlich, der Wärter weist mich zu einem Schalter, wo ich nach umständlichem Prozess und mehrmaligen Zählen meiner drei 50 Euro-Scheine im Automaten einige Hundert türkische Lira (Kurs ca. 1 EUR / 6 TL) erhalte.


                                                                                    Im alten Tashan-Hotel

                                                                                    Ich finde im Internet für zwei Nächte Unterkunft in einem der ältesten Hotels der Stadt, das Tashan Hotel. Hier hat wohl schon der berühmte Architekt des Sultan Selim II., Sinan Pascha übernachtet. Ich versuche über Wikipedia mehr über den Baumeister so vieler Gebäude hier in Edirne zu recherchieren. Die Wikipedia-Seiten (zumindest auf deutsch und in englisch) sind blockiert. Diesen Text schreibe ich in einem schönen Parkrestaurant beim mittlerweile vierten Tee. Neben Tee und weiteren kalten und heißen süßen Getränken kann der Mann sich die Nargileh, die Wasserpfeife bringen lassen. Es weht ein aromatischer Duft von den Tischen. Mir gegenüber sitzt ein Paar. Sie, eine rassige Orientalin, daddelt mit dem Mobile rum, ihr Mann nuckelt an der Nargileh und daddelt mit dem Mobile rum. Ein Cafe&Pub by Jön habe ich gefunden. Dort bekam ich ein in der Türkei gebrautes Tuborg. Ich durfte nur nicht mit dem Bier draußen sitzen.

                                                                                    In Hadrianopel

                                                                                    Ich sitze beim türkischen Kaffee im Ottomanischen Garten des Jahrhunderte alten Tashan Hotels in Edirne, einst die Stadt Hadrians, Sohn des Trajan, einem römischen Imperator geboren 76 A.D. Leise klingelt Musik eines orientalischen Saiteninstruments, neben mir plätschert ein Brunnen. Dazu gibt es baklava, das Honiggebäck des Morgenlandes. Die 72 Jungfrauen sind außer Haus.
                                                                                    Nun aber zu den weltlichen Dingen, dem Essen. Schon am Morgen konnte mich ein mächtiger Suppenkoch überzeugen. Freundlich ließ er mich in seine Töpfe gucken. Seine Ishkembe, eine beige Suppe, ausgekocht aus den Mägen der Rindviecher. Dazu lüftete er die Beigabe, fein geschnittener gekochter Pansen, schneeweiß. Das gehört zu den wenigen Dingen, die ich nicht esse. Im anderen Topf war eine orangefarbene Suppe. Mercimek Corbas, eine Suppe aus roten Linsen. Dazu serviert er mir knusprig frittierte scharfe Paprika-Schoten. Auf dem Tischchen steht großzügig Brot und eine umfangreiche Menagerie Gewürze. Ein wirklich leckeres Frühstück. Zum Mittag was Gesundes: Ein Sirloin-Steak und viel Gemüse. Hey, das ist kein Witz! Ja klar, nicht so saftig wie bei Mario zu Weihnachten, aber günstig und lecker. Jetzt sitze ich beim türkischen TUBORG im Kendine Has.


                                                                                    Eingang in den Hof der großen Selimiye-Moschee

                                                                                    Vielleicht bin ich etwas zu früh aufgestanden, noch nicht viel los auf den Straßen und in den Gassen. Ich besuche die große Selimiye-Moschee. Diese Moschee wurde vom Baumeister Sinan in den Jahren 1568 bis 1575 entworfen und unter seiner Leitung erbaut. Das Bauwerk bezeichnete Sinan selbst als „sein Meisterwerk“. Es ist heute Weltkulturerbe. Verbesserungspotenzial ergibt sich im Vergleich mit anderen Moscheen: Die Bunte Moschee in Tetovo stellt Schuhlöffel für die Besucher zur Verfügung. Überall finden sich in der Stadt Flächen mit vernachlässigten Ausgrabungsgebieten.


                                                                                    Der "mazedonische" Turm

                                                                                    Gleich neben meinem Hotel der mächtige “makedonische” Hadriansturm und daran angrenzend etliche römische Töpferöfen und die Fundamente einer byzantinischen Kirche aus dem 10. Jhdt. Der mazedonische Turm ist das einzige erhaltenen Gebäude aus der Stadtmauer, die vom römischen König Hadrian erbaut wurde. Durch die vielen Moschee-Besuche sind mir die Schnürsenkel gerissen. Doch der Fachhändler im Großen Basar (seit 1571) schenkte mir ein Paar neue Senkel, nach fachmännischem Blick genau passend.

                                                                                    Landpartie

                                                                                    Nach dem Ruhetag zum Eingewöhnen in die Gepflogenheiten des Morgenlandes bin ich zu einer Landpartie aufgebrochen. Früh habe ich mich noch von meinem Frühstücksuppenkoch verabschiedet und wieder seine würzige Suppe verkasematuckelt. Die frittierten Tschuschkis verschmähe ich diesmal, haben früh doch noch am Ärchlein arg gebrannt. Die Etappe soll mich nach Kirklareli unter dem Strandscha-Gebirge bringen, ca. 65 km. Es ist eine Gegend ähnlich dem Thüringer Becken. Die Straßen führen in der Regel schnur gerade quer zu den Tälern, huckelig. Ringsum mittelgroße Getreide- und Rapsfelder, zwischendurch mickrige Weiden.


                                                                                    Das Dorf Habiller

                                                                                    Im kleinen Dörfchen Habiller werde ich sehr freundlich in die Tee-Runde der Herren eingeladen. Einer ist vor ein paar Monaten nach zehn Jahren Nürnberg wieder heimgekehrt und hat sich einige Kühe und 7 Kälber gekauft. Nach Jahren auf dem Bock eines LKW, der Kartonagen durch Thüringen gefahren hat, ist er wieder Bauer geworden. Es ist schon schwer für mich, immer diese süßen Getränke, das Wasser ohne Gas. Da macht das Durstlöschen gar keinen Spaß. Aber jetzt in einem kleinen Wäldchen vor Inece gibt es ein kleines Restaurant, wo ich mein Fahrrad an TUBORG-Kästen anlehnen kann. Und in der Tat, der freundlich Köfte-Wirt hat einen großen Kühlschrank voll TUBORG. Ich erhalte eine ordentliche Portion der kleinen Köfte-Klöpse, gut gewürzt ein Leckerbissen zum liebsten Getränk des radelnden EbsEls. Dann kann ich noch helfen, ein Iglu-Zelt aufzubauen. Mein Beitrag: Die Zeltstäbe müssen gekreuzt werden. Ich habe den Muselmännern das Kreuz beigebracht. Von dieser wunderbaren Pausenstelle war es nur noch ein Katzensprung bis Kirklareli. Schnell ein Hotel gefunden, direkt neben der Kneipengasse.


                                                                                    Meine Kneipe in Kirklareli

                                                                                    Hier gibt es zur Begrüßung im Pub eine gegarte Miesmuschel mit Reis, es ist nicht mehr weit bis zum Schwarzen Meer.

                                                                                    Kleines interkulturelles Quiz zwischendurch


                                                                                    Dieser Kalender liegt auf allen Tischen einer Dorfkneipe. Was ist das für ein Kalender?


                                                                                    Schaufenster eines Herrenausstatter in Kirklareli. Für welchen Anlass sind die Kinderkostüme vorn im rechten Schaufenster?

                                                                                    Aufstieg ins Strandsha-Gebirge

                                                                                    Obwohl ich gestern noch zu etlichen Bier in den Kneipen von Kirklareli war, habe ich heute früh den Hotelportier aus seinem Nachtschichtschlaf geweckt. Für den Aufstieg habe ich mich mal wieder von mapy.cz inspierieren lassen, um die E87-Autobahn zu meiden.


                                                                                    Aufstieg ins Strandscha-Gebirge


                                                                                    Wollsack-verwitterte Granitfelsen


                                                                                    This is my way

                                                                                    Die Nebenstraße über Kuzulu führte mich in eine großartige Landschaft voller Wollsack-verwitterter Granitfelsen.


                                                                                    Das Hirtendorf Kuzulu

                                                                                    Kuzulu stellte sich als wirklich urtümliches Hirtendörfchen heraus, “Kuzu” ist das Lamm. Endlich erreichte ich nach einem steilen Aufstieg auf Makadam-Straße den Highway. Bis auf wenige hundert Meter war vom Verkehr nichts zu hören. In der Tat, wenig Verkehr, breiter Randstreifen und es rollert sogar gut bergauf. Ich werde die CZ-Radweg-Empfehlungen wieder ignorieren. Dann ein Wegweiser zu einem Restaurant links rein in die Wildnis des Strandsha. Welch eine Entdeckung: Ein rothaariger Türke aus Bulgarien wies mir sofort in Englisch einen Platz an und protzte mit der Küche aus einheimischen Fisch und Fleisch. Ich wähle eine Lammfleisch-Pfanne (gjuvetsch) und Salat. Das ist mal eine Idee für die lausigen Bosnier mit ihren kalten gegrillten überteuerten Lamm. Das gegrillte Lammfleisch ist im gjuvetsch noch mal scharf angebraten worden und siedend heiß serviert, ein Leckerbissen.


                                                                                    Auf dem Highway zur Grenze

                                                                                    Ich mache eine 3-Bier-Pause, es sind nur noch 20 km bis Bulgaristan. Jetzt sind gerade noch drei mächtige Osmanen gekommen. Hier in der Strandsha-Wildnis kriegen sie eine Flasche Yeni Raki und Bier auf den Tisch. Der Aufstieg zieht sich, es gibt immer mal wieder ein paar Abfahrten, die muss ich dann aber wieder rauf. Immer wieder sehe ich Gruppen von Flüchtlingen, die hier wohl von den Schleppern abgesetzt wurden. Einige rostige alte Kleinbusse ohne Kennzeichen, aber der Schlüssel steckt noch, stehen am Straßenrand. Die Flüchtlinge sollen sich wohl von hier aus einen Weg in die EU über die "grüne" Grenze im Strandscha suchen. Das hat in den Achtzigern in umgekehrter Richtung schon nicht geklappt. Für den türkischen Grenzübergang ist dann eine Höhe von 685 Meter ausgewiesen. Die Straßenbreite wird vor dem Grenztor auf ein Viertel minimiert. Die Abwicklung ist zügig und für mich als bisikletçiler problemlos. Noch vor der bulgarischen Passkontrolle gibt es wieder die Desinfektionswanne wie 1993. Jetzt wird das Fahrzeug aber zusätzlich besprüht, Kostenpunkt 3 EUR für einen polnischen Touristen. Die Begründung für die Desinfektionsanlage steht auch in deutsch dran: Hier wird die EU seit 2014 vor der Afrikanischen Schweinepest geschützt. Auf türkischer Seite sind mir kurz vor der Grenze Achtungsschilder vor Wildschweinen aufgefallen. Möge uns der außerordentlich hohe Grenzzaun, der sich links im Wald bei der Anfahrt zum türkischen Übergang entlang zieht, auch vor der türkischen Wildsau schützen.
                                                                                    Nun bin ich wieder zurück in Bulgarien. Die einst Geheimnis umwitterte “Große Anlage, Goljamo gradishte” ist heute auf einem Wanderweg zu erreichen, dazu weitere thrakische Kultstätten. Was einst strenger Eiserner Vorhang war, ist heute der Naturpark Strandsha, find’ ich gut. Ich bin mir noch nicht so richtig im Klaren, wie es morgen weiter geht. Auf der Hauptstraße ist es bis Burgas nur noch 85 km. Ich bin jetzt in einem Motel an der Straße nach Tsarevo (former Mitschurin). Da waren wir in den Achtzigern auf dem Campingplatz “Arapija” zum Tauchen.

                                                                                    Velikdjen - Der Hohe Tag

                                                                                    An der Kreuzung nach Malko Tarnovo wähle ich anfangs einen anderen Weg. Eine der Wandertafeln weist einen Weg zu diversen heiligen Stellen, einer Mineralquelle und einer alten Brücke. Aber bald wird der Weg mit Gepäck nicht mehr befahrbar. Interessant ist, dass hier hinten scheinbar halb wild Pferde leben. Wie Rehe beäugen sie den radelnden Störenfried, um dann in den Wald abzuhauen.


                                                                                    Das Pferdchen war besonders nervös - hat die ganze Herde in den Wald gehtzt

                                                                                    Ich wende und fahre in die Stadt hinein. Es ist der Sonntag des orthodoxen Osterfests. Die Familien streben dem zentralen Platz mit zwei Kirchen zu, einer orthodoxen und einer griechisch-katholischen. Ich kann sie nicht auseinanderhalten, es steht auf einer Infotafel zur Geschichte der Stadt Malko Tarnovo anläßlich des hundertsten Jahrestag der “Befreiung 1913 vom osmanischen Joch” - Textzitat in meiner eigenen Übersetzung.


                                                                                    Ostern in Malko Tarnovo

                                                                                    Ich setze mich mit einem Osterbier vor ein Bistro und beobachte das feierliche Treiben. Nach und nach kommen einige Damen und ein Herr in Tracht, sie werden wohl nachher ein wenig Programm tanzen. Es ist ein grün umranktes Karussell und zwei Schaukeln aufgebaut. Das Karussell wird von einem drahtigen Grauhaarigen angeschoben. Eine Karussellfahrt der Kinder wird mit einem geweihtem Ei bezahlt - oder einem halben Leva.


                                                                                    Das Eier-Karussell

                                                                                    Es hat schon immer mal geknarzt in meinem Freilauf am Fahrrad, nun ist er völlig im Arsch. Noch pedaliert es sich, ich komme über den kleinen Pass vor der langen Abfaht in das Tal des größten Flusses des Strandscha - der Veleka. Während der Abfahrt rasselt es immer wieder, unten ist alles kaputt, es hakt nicht mehr ein zum Trampeln, freier Lauf nach hinten und nach vorne, vom Fleck komme ich nicht. Mit Schieben und Rollern komme ich noch bis Grammatikovo. Hier gibt es ein tolles Jagdhotel mit großartiger Küche, wo ich mein Malheur vergessen kann. Ich schrieb mal in diesem Blog: Mit jedem Kilometer nach Osten auf dem Balkan wird der Rakija milder. Nun bin ich im Gebiet Burgas. Der Burgasko Rakija ist die Krone.
                                                                                    Die Juniorchefin kann Deutsch, mal sehen, ob ich morgen was organisieren kann. Bis Tsarevo sind es 30 km, leider nicht nur Berg ab.

                                                                                    Ich bin sie los

                                                                                    Bei meinen Versuchen, was zu organisieren, erfuhr ich erstmal, dass es hier auch einen zweiten Osterfeiertag gibt. Es wird also erst am Dienstag einen Fahrradmechaniker in seiner rabotilnizata sich meines Rades annehmen wollen. Ich bin also als Wanderer und Tretrollerfahrer die reichlich 30 km bis Tsarevo am Montag angegangen. Das Höhenprofil aus mapy.cz zeigt sich hoffnungsvoll, 345 m aufwärts, 685 m abwärts, es gibt aber auch etliche Abschnitte ohne wesentliches Gefälle. Aber es fügt sich, ich habe sogar Muße mir Bulgari, das Dorf der nestinarki, der Feuertänzer, anzuschauen.


                                                                                    Hier tanzen zum Namenstag von St. Elena & St. Konstantin die Nestinarki - die Feuertänzer

                                                                                    Endlich in Isgrev der letzte kleine Huckel, und dann kann ich mit ein paar Tretrollereinlagen bis fast ans Schwarze Meer rollern. Nervös macht mich aber, dass keine Anzeichen für Fahrradgeschäft oder -werkstatt an den von GoogleMaps ausgewiesenen Plätzen zu sehen sind. Warten wir also auf den Dienstag, einem Arbeitstag, und gehen in das schöne Familienhotel “4 Seasons”. Der zweite Osterfeiertag zeigt sich in Tsarevo sehr ruhig, so ruhig wie eine mitteldeutsche Kleinstadt gegen halb Acht abends. Ich finde nur mit Mühe eine Kneipe mit einem ordentlichen Bier. Denn jeder Bierfreund weiß, die in Hafenstädten können kein ordentliches Bier brauen, so auch das Burgasko bira.


                                                                                    Die Immobilienblase in Tsarewo ist geplatzt

                                                                                    Nun heute der Versuch eine rabotilnizata, eine Werkstatt für mein Rad zu finden. Die Adressen zeigen auch heute keinerlei Anzeichen einer Geschäftstätigkeit. TrueRiders will laut Google erst gegen 12 Uhr aufmachen, ich gehe zu Carbonbikes. Google sagt hier, dass es schon seit 8 Uhr am arbeiten ist. Ich rufe die angegebene Rufnummer an, während unseres Radebrechens auf Englisch kommt ein junger Mann mit Telefon am Ohr auf die Straße. “I’m not a professional!” Zu seiner großen Verwunderung zeige ich ihm die Google-Anzeige. Er macht seine Garage auf, dort hängen ca. 20 brandneue Räder aller Coleur, aber kein Carbonbike. Sein Vater, der Bäcker, ist gerade zu einem Radwettbewerb auf einer griechischen Insel. Der hat wohl das Carbonbike mit. Ich baue mein Hinterrad aus, er holt ordentliches Bikewerkzeug aus der Wohnung drüber. “I will fix it!”. Er wird mich zurückrufen, wenn er eine Lösung vorschlagen kann. Das dauert nur knapp 20 Minuten. "I have a solution for you!" Er schlägt mir ein komplett neues Hinterrad vor. Die Aufnahme für die Ritzelkasette ist komplett in zwei Hälften zerbrochen, die Innereien des Freilaufs liegen zermatscht auf dem Boden seiner Garage. In der Tat, da ist nichts mehr zu machen. Wir diskutieren noch einige Lösungsmöglichkeiten, deren Lösungen sich alle aber auf das 70 km entfernte Burgas konzentrieren. Wir wechseln meine Bereifung auf das Ersatzrad mit einem 6fach Ritzel. Alles wird montiert und ich mache eine kleine Proberunde, ich kann schalten. Ein Risiko bleibt, weil ich nicht mehr meine Schnellspannachse montieren kann. Für die klassischen Hutmuttern werde ich keinen Schlüssel haben, dieser Schuss muss bis Burgas sitzen. Was wird aus meiner 40Loch-Sputnik-Felge … die bin ich los. Ich lasse die Altteile alle da. Ich gebe Stojan 30 Leva für seine Arbeit.
                                                                                    Frohen Mutes, dass ich wieder pedalieren kann, gönne ich mir eine Enttäuschung - Arapija. Es war vor 37 Jahren:


                                                                                    1982: Camping Arapija, die Zeit der "Sandalen"

                                                                                    Detlef und ich kommen gerade von einem Ausflug auf dem Ropotamo-Fluss zurück, da erzählt uns Wuschel: “Der Lothar ist krank!” Er hat unsägliche Unterleibsschmerzen, wir diagnostizieren Entzündung des Blinddarms und suchen einen der DDR-Touristen, der Loth ins Krankenhaus nach Mitschurin fahren könnte. Viele Absagen, erst Dietmar Richter-Reinick aus dem Fernsehen startet sofort seinen Warti und fährt Loth ins Krankenhaus.

                                                                                    Hier standen einst unsere Zelte

                                                                                    Dietmar Richter-Reinick würde sich im Grabe rumdrehen, wenn er seinen Zeltplatz heute sehen könnte. Chaos zwischen vergammelten Wohnwagen, Betonlieferanten für eine weitere Investruine und einigen Heimwerkern, die sich an ihren Dauercamperplätzen einrichten.


                                                                                    Drehort für das "Miesmuschelmassaker" und das "Messerdrama"

                                                                                    Ich bin zur Insel runter, der Location für das “Miesmuschelmassaker” und dem “Messerdrama” in unserem ersten Unterwasserfilm. Die Kneipe, wo ich gerade mein zweites Kamenitsa verkasematuckle, steht wohl am selben Platz, wo früher das skara bira war. Dort, wo wir zum Kartenspiel jeder eine Flasche Rotwein und zusammen eine Flasche Sljantschev Brjag tranken. Dazu lief abwechselnd bulgarische Folklore und Rod Stewart, der Soundtrack unseres Filmes.



                                                                                    Zur Heimreise

                                                                                    Ich habe im Angesicht der Olivennase (Kap Maslen Nos) in Primorsko übernachtet. Damit ist die heutige Etappe nach Burgas die letzte Etappe der Tour. Ich fahre nicht die ausgebaute Küstenstraße über Sosopol, sondern die Landpartie über Jasna Poljana. Der Weg führt am Rande des Ropotamo-Naturschutzgebiets lang. Ein Verkehrszeichen warnt vor Wild auf 9 km. Hinter Jasna Poljana habe ich dann Glück.


                                                                                    Die Rotte

                                                                                    In ca. 100 m latscht ein Keiler über die Straße. Als ich absteige, sehe ich, dass die ganze Rotte neben mir im Eichenwald ist. Die Toppsau sieht den Eberhard auch dann gleich lüstern an - Angriffs lüstern. Um sie herum wimmeln etliche Überläufer und Frischlinge. Ich stelle erstmal das Rad zwischen uns, um dann die Kamera zu zücken.


                                                                                    Burgas

                                                                                    Gegen Mittag bin ich in Burgas, am Avtogara Sapad. Ich hatte vor Tagen im Internet versucht ein Busticket bei ARDA TUR nach Dresden für den Donnerstag, den 2.5. zu kriegen, doch der Bezahlprozess ist mit einem technischen Fehler abgebrochen. Am ARDA TUR-Büro kriege ich meine Fahrkarte. Morgen 8 Uhr check-in, Abfahrt 8.30 Uhr, nach voraussichtlich 30 Stunden bin ich in Dresden. Nun lasse ich Bulgarien ausklingen ...
                                                                                    Zuletzt geändert von EbsEls; 13.08.2019, 12:06.
                                                                                    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                    Eberhard Elsner

                                                                                    Kommentar


                                                                                    • Abt
                                                                                      Lebt im Forum
                                                                                      • 26.04.2010
                                                                                      • 5726
                                                                                      • Unternehmen


                                                                                      #43
                                                                                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                      Die Zeit rinnt, während ich lese, mir die Gegend ansehe,- Ich bin zu Hause, umgeben von fast 1m hohen Akeleiblumen. -Morgen ist Himmelfahrt.- Ich will dabei sein mit euch, wenn ihr wieder dort unterwegs seid, um dieses Land und Leute zu entdecken. Danke.

                                                                                      Kommentar


                                                                                      • Spartaner
                                                                                        Lebt im Forum
                                                                                        • 24.01.2011
                                                                                        • 5056
                                                                                        • Privat


                                                                                        #44
                                                                                        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                        Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen

                                                                                        Dieser Kalender liegt auf allen Tischen einer Dorfkneipe. Was ist das für ein Kalender?
                                                                                        Sofort erkannt, natürlich der Kalender mit den Betzeiten, die für jeden Ort der Welt entsprechend dem lokalen Stand der Sonne wissenschaftlich ermittelt werden. Diesen Betzeiten ist der gesamte Tagesrhythmus des braven Muselmanen untergeordnet.
                                                                                        Was mir dabei immer rätselhaft bleibt, ist, wie das in Orten nördlich des Polarkreises funktioniert (hab jetzt nicht nachgeschlagen).

                                                                                        Kommentar


                                                                                        • Spartaner
                                                                                          Lebt im Forum
                                                                                          • 24.01.2011
                                                                                          • 5056
                                                                                          • Privat


                                                                                          #45
                                                                                          AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                          Wirklich interessanter Bericht! Ich war in der Gegend, Batschkowo Kloster, Ost-Rhodopen, Kardschali, .... Arkutino Ende der 70er und in den 80er Jahren auch ab und zu unterwegs. Von den vielen Sehenswürdigkeiten wusste ich damals kaum was. In der Zeit, als die Kommunisten die türkische Volksgruppe in die Türkei expedierte, gab es mehrfach Straßensperren, wo der Bus kontrolliert wurde, und natürlich wurde immer meine Nase besonders gründlich kontrolliert, was den anderen Fahrgästen gar nicht recht gefiel. Nach einer Viertel-Stunde ging es aber immer weiter.
                                                                                          Faszinierend fand ich die verlassenen Türkendörfer, die Häuser aus Trockenmauerwerk mit unverglasten Fensternischen und kalkplattengedeckten Dächern auf knurzligen Baumstämmchen als Dachsparren. Darin hat man noch ein wenig der urtümlichen Holzwerkzeuge zB für die Getreideernte gefunden, oder sich auch mal Flöhe eingesammelt. Die Wasserfrage im trockenen Gebirge löste sich immer wieder mal an gefassten Quellen. Die türkische Grabsteine auf den verlassenen Friedhöfen waren mit arabischer Schrift versehen, für mich war das damals alles sehr exotisch, hier am Rande der Ossi-Welt (rüber in die Türkei ging ja nicht). In Kardschali haben wir öfter bei einer Busbekanntschaft übernachtet. Er hat uns auch mal zu einem Ausflug zu alten Burgruinen geführt. Sein Hobby war antike Münzen sammeln, sehr erfolgreich, wie seinen wertvollen Münzalben zeigten.
                                                                                          Die Schwarzstörche gab es damals schon, sie saßen damals zu dritt ganz offen auf einer Turmruine, so wie bei uns die Weißstörche.

                                                                                          Kommentar


                                                                                          • EbsEls
                                                                                            Erfahren
                                                                                            • 23.07.2011
                                                                                            • 436
                                                                                            • Privat


                                                                                            #46
                                                                                            AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                            Zitat von Spartaner Beitrag anzeigen
                                                                                            Sofort erkannt, natürlich der Kalender mit den Betzeiten, die für jeden Ort der Welt entsprechend dem lokalen Stand der Sonne wissenschaftlich ermittelt werden. Diesen Betzeiten ist der gesamte Tagesrhythmus des braven Muselmanen untergeordnet ...
                                                                                            Sorry, nicht die volle Punktzahl!
                                                                                            In der Tat - die Betzeiten sind auch dabei und sicher auf die geografische Breite der Türkei abgestimmt.

                                                                                            Es ist der Ramadan-Kalender 2019, die gelbe/goldene Spalte ist die Zeit des Fastenbrechens.

                                                                                            Was denkst Du zur zweiten Frage?

                                                                                            Danke für die Zusatz-Infos aus der "Sandalen"-Zeit.
                                                                                            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                            Eberhard Elsner

                                                                                            Kommentar


                                                                                            • blauloke

                                                                                              Lebt im Forum
                                                                                              • 22.08.2008
                                                                                              • 8843
                                                                                              • Privat


                                                                                              #47
                                                                                              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                              Danke für deinen ausführlichen Bericht aus einer wenig bekannten Ecke. Auf dem Balkan war ich nur mal für ein paar Tage in Plovdiv, sonst kenne ich ihn nicht.

                                                                                              Zur zweiten frage meine ich, dass es Kleidung für die Beschneidung der Buben ist.
                                                                                              Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                                                                                              Kommentar


                                                                                              • Baciu
                                                                                                Dauerbesucher
                                                                                                • 18.07.2013
                                                                                                • 967
                                                                                                • Privat


                                                                                                #48
                                                                                                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen
                                                                                                Es ist der Ramadan-Kalender 2019, die gelbe/goldene Spalte ist die Zeit des Fastenbrechens.
                                                                                                Und wofür steht die horizontale Zeile am 31. Mai?

                                                                                                Kommentar


                                                                                                • EbsEls
                                                                                                  Erfahren
                                                                                                  • 23.07.2011
                                                                                                  • 436
                                                                                                  • Privat


                                                                                                  #49
                                                                                                  AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                  Zitat von Baciu Beitrag anzeigen
                                                                                                  Und wofür steht die horizontale Zeile am 31. Mai?
                                                                                                  Möglicherweise ليلة القدر ‚ die Nacht der Bestimmung. Aber das weiß ich nicht mit Bestimmtheit. Heute ist wohl Tag der Wortspielerei.

                                                                                                  Zitat von blauloke Beitrag anzeigen
                                                                                                  Zur zweiten Frage meine ich, dass es Kleidung für die Beschneidung der Buben ist.
                                                                                                  Gratulation, die vollen Punkte!
                                                                                                  Zuletzt geändert von EbsEls; 04.06.2019, 16:00.
                                                                                                  Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                                  Eberhard Elsner

                                                                                                  Kommentar


                                                                                                  • EbsEls
                                                                                                    Erfahren
                                                                                                    • 23.07.2011
                                                                                                    • 436
                                                                                                    • Privat


                                                                                                    #50
                                                                                                    AW: [BG] Rhodopen nachgekartet

                                                                                                    Zwei Freunde & ich sind zu den Orten und Sehenswürdigkeiten spaziert, die ich mit dem Fahrrad während der letzten Touren aus diversen Gründen nicht erreichte.
                                                                                                    Im Gebiet der Trigrader und Buinover Schluchten: Die Дяволския мост – Teufelsbrücke bei Jagodina

                                                                                                    Einstieg zur Schlucht von der Straße nach Jagodina und Buinovo aus


                                                                                                    Im Aufstieg


                                                                                                    Die Teufelsbrücke

                                                                                                    Gleich am Beginn Zufahrt zur Trigrader Schlucht (mit dem "Teufelsschlund") beim Dorf Giovren kann man durch eine Furt in das Resevat Kazanite wandern.

                                                                                                    Wegweiser bei Gjovren, bis zum Dorf Mugla sind es 18 km. Das Reservat durchwandert man gleich auf ca. 8 km gleich zu Beginn.


                                                                                                    Aber erst einmal furten. Früher gab es mal eine Brücke ...


                                                                                                    ... denn es war mal eine Straße.


                                                                                                    Im Reservat: Als der Weg verschüttet war, sind wir umgekehrt.

                                                                                                    Der Wanderweg würde bis zum Dorf Mugla führen. Von dort gibt es einen Höhenweg auf ca. 1800 m Höhe zu mehreren thrakischen Festungen.

                                                                                                    Eine der geheimnisvollen Festungen befindet sich auf dem Berg Turlata.

                                                                                                    Weitere sehenswerte Orte besuchten wir im oberen Arda-Tal.

                                                                                                    Höhle und antike Festung Kaleto bei Koshnitsa im oberen Arda-Tal


                                                                                                    Der Aufstieg zur antiken Festung führt durch den Berg


                                                                                                    Auf der Festung

                                                                                                    Nur zwei, drei Kilometer weiter Fluss aufwärts befinden sich interessante Karsthöhlen. Die Höhle Uhlovitsa ist nach einem steilen Austieg begehbar. Unsere Höhlenführerin meinte, dass der Aufstieg für ihre bulgarischen Landsleute zu schwer sei.

                                                                                                    Während der Höhlenführung exclusiv für uns

                                                                                                    In der Umgebung von Kardshali gibt es eine Reihe von thrakischen Heiligtümern.

                                                                                                    Aufstieg zur Höhle Utrobata, dem Genital der Mutter Erde.
                                                                                                    Zitat aus WikiVoyage:
                                                                                                    Die Vagina-Höhle (Kultkomplex "Utroba Höhle" Тракийско светилище Пещера Утроба) befindet sich in der Nähe des Dorfes Ilinica. Die thrakische Kulthöhle für Fruchtbarkeitsriten ist wie die Öffnung einer Vagina geformt und 22 m tief, 2,5m breit. Von den feuchten Wände sickert ständig Wasser. Am Ende der Höhle symbolisiert ein geschnitzter Altar (1,3 m hoch) die Gebärmutter selbst. Am Mittag, wenn die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht, sickert das Sonnenlicht durch eine Öffnung in der Decke in die Höhle und projiziert eine gut erkennbare Darstellung eines Phallus auf den Boden. Während die Sonne weiter schreitet und das Licht durch das Innere der Höhle fällt, wird der Phallus länger und reicht dann fast bis zum Altar. Nur während der Monate des Jahres, wenn die Sonne am niedrigsten am Horizont steht, wird der Phallus lang genug, um den Altar zu erreichen und den Mutterleib symbolisch zu befruchten.
                                                                                                    Diskret, wie wir sind, haben wir das nicht beobachtet.


                                                                                                    Grab des thrakischen Sängers Orpheus bei Tatul

                                                                                                    Eines der vielen thrakischen Heiligtümer in den Ostrhodopen: Das Grab des Sängers Orpheus beim Dorf Tatul
                                                                                                    Zuletzt geändert von EbsEls; 30.08.2019, 18:17.
                                                                                                    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                                    Eberhard Elsner

                                                                                                    Kommentar


                                                                                                    • Abt
                                                                                                      Lebt im Forum
                                                                                                      • 26.04.2010
                                                                                                      • 5726
                                                                                                      • Unternehmen


                                                                                                      #51
                                                                                                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                      Juni 2019
                                                                                                      Wir, das sind drei Freunde von früher, waren im Juno für 12 Tage in Bulgarien unspektakulär unterwegs,- Ziel waren die Ostrhodopen. Unser dritter Mann ist Udo, Höhlenforscher aus Naumburg. Ebsels publiziert hier ja grad.

                                                                                                      Ebs bot sich als versierter und sicherer Fahrer an und vereinfachte so unser Vorhaben, Naturerlebnisse ohne Streß zu genießen.
                                                                                                      Wir hatten nicht weiter geplant, als uns spontan von unterwegs noch während der Fahrt irgendwo einzumieten.
                                                                                                      Das klappte hervorragend, denn 12 Tage Gesamtreisezeit von Thüringen aus nach Bulgarien und zurück sind nicht gerad viel Zeit.

                                                                                                      Schwerpunkte bildeten dabei Höhlen und Canyons sowie Naturreservate zunächst in den Westrhodopen.
                                                                                                      Möglichst nicht so überlaufene und unbekannte Objekte irgenwo in der 'Pampa'. Dazwischen gibt es eine Natur mit vielen Pflanzen und Tieren, von denen ich hier etwas zeigen will.

                                                                                                      Spontan fiel mir ein kleines Naturreservat unterwegs ein, wo ich schon immer einmal hinwollte und was ich nur von der Karte her mit Namen kannte:Stobske Pyramidi, in der Nähe von Rila. Also...Unterhalb liegt das Dorf Stob. Zu den Pyramiden führt ein Wanderweg.
                                                                                                      Es handelt sich dabei um eine intressante Löslandschaft in der Steine als Hut obenauf sitzen und den direkt darunter liegenden Lösboden vor dem Hinwegspülen schützt.



                                                                                                      Ringsherum hat sich eine steppenartige Vegetation mit seltenen Arten erhalten.

                                                                                                      Das eigentliche Reservat erreicht man über eine Straße, die an einem Parkplatz mit Kneipchen endet.


                                                                                                      Direkt daneben stand die erste Pflanze, die mein Intresse erweckte



                                                                                                      Dann wand sich der Weg über eine Kurve zu einer Anhöhe und der nächste Bewohner suchte sich einen Ort zum Ausruhen: Weißer Waldportier
                                                                                                      Von einem Reservat erwarten wir immer etwas seltenes und Besonderes, etwas was wir zu Hause nicht sehen und erleben können.






                                                                                                      https://www.freytagberndt.com/produk...odope-185-000/
                                                                                                      Zuletzt geändert von Abt; 11.10.2019, 13:20.

                                                                                                      Kommentar


                                                                                                      • EbsEls
                                                                                                        Erfahren
                                                                                                        • 23.07.2011
                                                                                                        • 436
                                                                                                        • Privat


                                                                                                        #52
                                                                                                        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                        Ich habe bereits ein Busticket nach Pazardshik, Bulgarien. Von dort werde ich aufbrechen zu einer Radtour durch die historische Landschaft Makedonia (BG, GR, MK).
                                                                                                        Schon vor langer Zeit angekündigt, hier nun der Bericht dieser Radtour durch die Gegend von Philipps Mazedonien. Philipp II. (altgriechisch Φίλιππος; * um 382 v. Chr.; † 336 v. Chr. in Aigai) war von 359 bis 336 v. Chr. König von Makedonien und der Vater Alexanders des Großen.

                                                                                                        Das Königreich Mazedonien zu Philipps Tod (Quelle)

                                                                                                        48
                                                                                                        18.9.2019
                                                                                                        Meine letzte Radtour in Bulgarien endete damit, dass, obwohl an meinem Rad ebsels geschrieben steht, es seiner Einzigartigkeit beraubt wurde. Ich musste meine 40-Loch-Nabe wegen des kaputten Freilaufs durch ein simples 6-Gang-Hinterrad mit 36 Speichen tauschen. Das war im Mai nach einer großartigen Runde durch Thrakien mit den vielfältigen Spuren dieser historischen Kulturlandschaft.
                                                                                                        Vor genau einer Woche brachte mir der Herr Nöthling aus Jena mein repariertes Reiserad nach einer 10-wöchigen Reparatur wieder zurück. Nun trägt das Reiserad wieder zurecht meinen Namen. Hinten ist ein Tandemhinterrad mit 48-Speichen montiert. Der Antrieb ist erneuert. Meine Beinkraft überträgt eine hoch belastbare e-Bike-Kette auf die 9 Ritzel, präzise schaltbar. Es ist eine Freude zu pedalieren. Es hat sich außerdem gezeigt, dass der eco-Modus, den ich meistens mit dem e-Bike inzwischen gefahren bin, mich keineswegs verpimpelt hat.

                                                                                                        Im Bus von Arda Tur in Brno

                                                                                                        So konnte ich also gestern kurz vor 14 Uhr einen Bus von Arda Tur mit dem Ziel Pazardshik besteigen. Wie immer hat mich Gert würdig verabschiedet. Nach 13 Stunden Busfahrt mit bemerkenswert kurzen Stopps an den EU-Außengrenzen startete ich sofort meine Tour durch das historische Mazedonien. Ich will über Velingrad das Mestia-Tal erreichen, dann abwärts bis an die Küste der Ägäis zum östlichen Finger von Chalkidiki an die Grenze zum Kirchenstaat Athos. Weiter über Saloniki zur Schule des Aristoteles und nach Nord-Mazedonien in die Landschaft Tikves.

                                                                                                        Vor den Rhodopen


                                                                                                        Vor den Hängen der Rhodopen in der Mariza-Niederung gibt es schöne Eichenhaine

                                                                                                        Ich bin jetzt in Varvarski Bani. Überraschenderweise habe ich ein kleines Hotel für die erste Übernachtung gefunden.

                                                                                                        20.9.2019
                                                                                                        Der Nachtschlaf in einem Bett nach der 24h-Busfahrt hat mir gut getan. Draußen hat es ordentlich gedrascht. Ich steige auf die Rhodopen nach Velingrad in dem Tal auf, wo auch die berühmte Schmalspurbahn entlang führt. Viermal täglich fährt das Bähnle zwischen Dobrinishte und Septemvri im Marizatal hin&her. Ich hoffe, dass ich in Velingrad hinauf nach Avramovo mitgenommen werde (mit Fahrradtransport).

                                                                                                        Abfahrtstafel, Bahnhof Zepina

                                                                                                        Ich habe mich im Tal des Flusses Tschepinska reka (bulg. Чепинска река) gegen 9.19 Uhr an den Straßenrand postiert, um die Rhodopen-Bahn zu fotografieren, schön in einer Kurve. Leider ist der Fahrplan nur eine grobe zeitliche Leitlinie, es kam nichts. Erst eine halbe Stunde später, der Bahndamm hatte schon 20 Höhenmeter gegenüber der Straße gewonnen, konnte ich die Bahn hören. Sie fährt also. Die Straße #84 wird bis Velingrad sehr stark befahren. Da würde ich gern den nächsten Aufstieg auf 1300 m Höhe durch das Bähnle geschenkt erhalten. Der Aufstieg hierher an den Stadtrand von Velingrad auf 850 m Höhe war schon zünftig. Als langsam fahrender Verkehrsteilnehmer ist man auch in Bulgarien nicht beliebt. In Rechtskurven war es schon manchmal unbehaglich, wenn die Trucks eng ums Eck brummten.
                                                                                                        Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Ich konnte tatsächlich nach 29 Jahren mal wieder mit der Rhodopen-Bahn fahren. Der Bahnhofsvorsteher bestätigte, dass ich mit dem Rad mitgenommen werde. Ich habe noch ein paar Schleifen gedreht, durch die Spa-Hauptstadt des Balkan, wie es die örtliche Abteilung für Tourismusmarketing der Stadt Velingrad als claim verpasst hat. Natürlich mit diversen Einkehren meinerseits.



                                                                                                        Bahnhof Welingrad

                                                                                                        Einen richtigen Gepäckwagen hat das Bähnle nicht, ich habe mein Rad an das Zugende gestellt, arretiert mittels des gebogenen Lenkers am Griff der Wagenabschlusstür.


                                                                                                        Dann ging es los, es rumpelte wie in alten Zeiten über echte Schienenstöße. Nach dem Jundola-Pass am höchsten Bahnhof der Strecke in Avramovo bin ich ausgestiegen, auf knapp 1300 m Höhe. Sofort begann die Abfahrt bei recht kalter Luft. Es dunkelt, wo kann ich schlafen? Ich fand einen schönen Platz. Aber schon 19 Uhr in den Schlafsack? Eine lange kalte Nacht würde das werden. Ich bin noch bis Jakoruda in das Hotel Helier gerollert. Hier erhielt ich eine Übernachtung mit Frühstück, Mineralwasser-Spa und Yacuzzi für 40 Lv.

                                                                                                        Es rollert ...

                                                                                                        21.9.2019
                                                                                                        Es rollert, den Fluss Mesta abwärts. Alles was ich erzählen könnte, zeichnet meine ActionCam auf.


                                                                                                        In meiner persönlichen Auffassung bin ich hier an der Grenze der antiken Landschaften Mazedonien und östlich der Mesta in den Rhodopen die Länder der Thraker. Heute ist diese Gegend von Pomaken bevölkert. In den Dörfern dominieren die Moscheen und die bunten Röcke und Kopftücher der Pomaken-Frauen.

                                                                                                        Dorf Daganovo, im Hintergrund das Rila-Gebirge

                                                                                                        Am Wege steht ein Hinweisschild zur antiken Stadt Nikopolis ad Nestum. Dort wird eine befestigte Stadt aus dem 4. bis 6. Jhdt. ausgegraben. Eine der Ausgrabungen ist ein großes Badehaus mit Säuleneingang (die liegen aber noch rum). Auf kleinen Täfelchen wird das Heizsystem des spätantiken Bades erläutert: Umkleideräume (Apodyterion), Warmbecken (Caldarium), Abkühlraum (Frigidarium) und die Warmluftheizung (Hypocaustum).

                                                                                                        Nikopolis ad Nestum: Die Ruinen des öffentlichen Bades (Thermen) im südlichen Teil des Stadtzentrums, erbaut im 3. oder 4. Jahrhundert.


                                                                                                        Auch in Bulgarien fehlen die Fachkräfte

                                                                                                        Im nächsten Dorf bietet eine Firma mittels eines Banners an der Straße 2100 Euro monatlich für Fernfahrer. Auch in Bulgarien fehlen die Fachkräfte.
                                                                                                        Jetzt schaue ich über meinen ½ l Krug mit rotem Hauswein auf den Alibotusch. Etwas nervös wegen Wetter für den nächsten Tag muss den Radler das linde Abendrot machen. Dann geht es über den Grenzübergang Ilinden nach Griechenland.
                                                                                                        Zuletzt geändert von EbsEls; 19.02.2020, 09:47.
                                                                                                        Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                                        Eberhard Elsner

                                                                                                        Kommentar


                                                                                                        • EbsEls
                                                                                                          Erfahren
                                                                                                          • 23.07.2011
                                                                                                          • 436
                                                                                                          • Privat


                                                                                                          #53
                                                                                                          AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                          ... weiter in Griechenland

                                                                                                          Ein Sonntag auf der Plaka

                                                                                                          22.9.2019
                                                                                                          Am Grenzübergang Ilinden in das Gebiet des Schengener Abkommens nach Griechenland wird noch fleißig kontrolliert. Die Grenze unterquert man in einem 500 m langen Tunnel. Der liegt auf Niemandsland zwischen den beiden GÜSt’s, der bulgarischen und der griechischen.
                                                                                                          In K. Nevrokopi wurde gerade der sonntägliche Gottesdienst per Lautsprecher im Glockenturm ins Städtchen übertragen. Ich bin mal hoch zur Kirche, mein erster Eindruck täuschte mich nicht, meist nur Frauen kamen aus der Kirche. Die Männer saßen unten in und vor den Kafenia (griechisch Καφενείο). Meine weitere Route auf Nebenstraßen ins Dorf Perithori führte mich noch einmal unter den Alibotusch, der letzte 2000er des Pirin auf der Grenze zu Bulgarien.

                                                                                                          Die südlichen Hänge des Alibotusch


                                                                                                          Hier ist gerade große Kartoffel-Kampagne. Auch Sonntags gibt es Trupps von Frauen und Männern, die die Erdäpfel einsammeln

                                                                                                          Im Dorf Kato Vrondou beginnt der Aufstieg auf die südlichen Ausläufer des Alibotusch, dieser Gebirgszug trennt das Mesta-Tal vom Struma-Tal. Ein Kaffegast zweifelte, dass ich es noch am Tag (es ist gerade 16 Uhr) bis Serres schaffen würde. Er übernahm meine Rechnung des Café Frappé und betonte die Wichtigkeit von Wasser unterwegs. Nach 10 km käme links eine Stell mit “gutem Wasser”. Dieser Mann teilt seine Rente zwischen Deutschland (Stuttgart) und seinem Dorf Kato Vrondou auf. Aber immer öfter in seinem Dorf, zwinkerte er. Der Anstieg im Dorf ist gleich der steilste Abschnitt, hier muss ich noch schieben. Doch dann wirkt mein neuer Antrieb mit dem kleinsten Blatt vorn.

                                                                                                          Aufstieg in die Vrondous-Berge; Blick nach Osten, im Hintergrund der Falakro (griechisch Φαλακρό)

                                                                                                          Mein Ziel war es, an dieser Wasserstelle eine schöne Zeltstelle zu finden. Für das Abendbrot hatte ich mein Gepäck ergänzt: Einen halben Liter Retsina und einige leckere Gebäckstangen mit Nuss und Mohn paniert. Tja Mu, damit ist die Retsina-Spur von 1993 wieder aufgenommen. Wir haben damals ja auch mit halben Litern angefangen, bis zum legendären Glasballon auf der Adria-Fähre.

                                                                                                          Auf den Vrondous-Bergen

                                                                                                          Die Wasserstelle war verbunden mit einer kleinen Kapelle. Es kam noch der Pfleger dieser heiligen Stelle vorbei, er zündete die Ewige Lampe wieder an, richtete einige Blumen und sammelte den Unrat ein. Er warnte mich vor der Kälte, wir sind noch auf knapp 1000m Höhe.

                                                                                                          23.9.2019
                                                                                                          Es war eine gute Nacht, früh war aber alles vom Tau sehr feucht. Die Straße führte lange immer auf dem Kamm lang. Die Abfahrt wurde noch von einigen Huckeln unterbrochen, bescherte aber eine grandiose Weitsicht. In Serres erhielt ich dann in einer Bäckerei ein wunderbares Frühstück: Kaffee griechisch, Aijran und zwei Burek mit Spinat und weißem Hirtenkäse. Die griechischen Vokabeln dafür werde ich wohl nicht mehr lernen.



                                                                                                          Baumwolle im Tal der Struma (Στρυμόνας Strymonas)

                                                                                                          Im unteren Struma-Tal wird auf etlichen Feldern Baumwolle angebaut. Vorhin sah ich den Landlord die Qualität prüfen. Es ist wirklich extrem feine Watte, die da an den Bein hohen Sträuchern aus Walnuss großen Knospen herausplatzt. Heute werde ich noch an den letzten Hügelkamm vor dem Meer heranfahren. Irgendwo in der Gegend eines Dorfes will ich was für die Nacht finden.

                                                                                                          Unterlauf der Struma (Στρυμόνας Strymonas)

                                                                                                          Gerade habe ich das Zelt neben einer Kneipe aufgebaut. Einer warnte, es sei ein Schlangenfeld. Macht nix, die nahe Logistik in Form einer Gaststätte zählt. Ich liebe diese griechische Tradition, dass es zum Bier was zum Knabbern gibt, die mezes.

                                                                                                          In der Ägäis gebadet

                                                                                                          24.9.2019
                                                                                                          Eine Nacht im Zelt zu dieser Jahreszeit ist lang. Ich bin gegen 20 Uhr auf die Iso-Matte. Acht Stunden später ist immer noch nachts und dunkel. Ich wälze mich hin&her. Dann beginne ich zu zählen, noch drei Autos und ich stehe auf. Es ist gegen 6 Uhr. Ich schaue aufmerksam in meine Schuhe, eine Schlange hat sich nicht rein getraut. Bald ist Alles abgebaut und am Rad verpackt. Nach 5 km erreiche ich das Dorf Mavrothalassa. Worauf ich in der Bäckerei zeige, wird leider mit Zucker&Zimt vergällt und mit einem Wiegemesser klitzeklein zerstückelt. Ich muss mir meinen Göffel aus dem Gepäck klauben.

                                                                                                          Strymonas, bei Amphipolis

                                                                                                          Mittlerweile bin ich wieder unten im Struma-Tal. Es gibt erste Hinweisschilder zu antiken Siedlungen. Dann erscheint der Löwe von Amphipolis. Es ist eine riesige Statue eines Löwen aus dem 4 Jhdt. v.C., gewidmet dem Trieren-Flotten-Admiral Laomedon aus Lesbos, einem engen Freund von Alexander dem Großen. Es ist aus Fundstücken in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts am vermutlichen Originalstandplatz wiederaufgebaut worden. Während der Balkankriege und später haben griechische und englische Soldaten bei einem Camp immer wieder Stücke des Löwens gefunden. So konnte man das Denkmal mit vielen Originalstücken rekonstruieren. Oh, jetzt kommt ein Bus, der spuckt Dutzende US-amerikanische Touristen aus. Sie wimmeln mit ihren Mobiles um den Löwen herum. Ich konnte noch in Ruhe auf den Erklärtafeln einige weitere Standorte von mazedonischen Stätten identifizieren und mache mich schnell auf einen Abstecher zum antiken Amphipolis.

                                                                                                          Der Löwe von Amphipolis

                                                                                                          Endlich sehe ich das Meer. Es mangelt heute an Sonnenlicht, es ist diesig, man kann den Horizont über dem Meer kaum erkennen. Die Straße ist gigantisch breit, parallel führt eine Autobahn, praktisch kaum Verkehr, es ist eine Lust zu Pedalieren direkt neben dem Strand. Es stehen hier viele Grundstücke zum Verkauf, mit “seafront” ausgezeichnet. In den anderen Grundstücken stehen Autos mit bulgarischen Nummerschildern.
                                                                                                          Ich bin jetzt in Stavros am Ostufer der Halbinsel Chalkidiki. Meine Vermieter eines reizenden Apartments für 35 Euro die Nacht sprechen russisch. Die Anlage heißt “Stefanides Appartments & Beach”. Nachdem ich eingecheckt habe, bin ich ins Meer gehupft, eine Wohltat.

                                                                                                          Strymonischer Golf (griechisch Στρυμονικός κόλπος)

                                                                                                          Immer mehr in das griechische Leben eintauchen

                                                                                                          25.9.2019
                                                                                                          Von Stavros aus nahm ich die Uferstraße am Strymonischen Golf auf den Finger Athos der Halbinsel Chalkidiki.

                                                                                                          Olympiada

                                                                                                          Die Retsina-Spur erhält eine Schwester. Im nächsten Dorf an der Ostküste von Chalkidiki in Olympiada war die Zeit des Frühstücks gekommen. In einer Bäckerei fand ich ein gutes würziges Burek, am Strand war ein Kaffee offen. Der Wirt hat wohl meine neu- & gierigen Augen bemerkt, als er einem würdigen Op’ sein Frühstück servierte. Er war der Einzigste aus der Runde der Pensionäre, der schon gegen 9 Uhr einen Ouzo zu seinem Gedeck erhielt. Nach dem Kaffee und dem würzigen Burek verspürte ich noch ein wenig Durst. Ich bestellte mir einen Ouzo. Der Wirt hatte viele Fragen an mich, ich beantwortete sie alle mit ja. Ich erhielt das gleiche Frühstück wie der Op’. Einen Ouzo, noch glockenklar, kaltes Wasser und einen Teller mit Leckereien: Sardinen, Oliven, Feta, Bohnen, manches davon in scharfer Tunke, eingemachte Gurken.

                                                                                                          Das wird mein künftiges Ouzo-Frühstück, großartig.

                                                                                                          Bei Nea Roda sehe ich ein Hinweisschild auf den Kanal des Xerxes. Der alte Perser und Pharao hat hier für seine Flotte im Krieg gegen die Thraker und Makedonier um 480 v.C. einen Kanal bauen lassen und damit für kurze Zeit den Isthmus der Halbinsel Athos durchbrochen. Nach seinem Feldzug verlandete der Durchbruch aber wieder.

                                                                                                          Der Hafen von Ouranoupoli (griechisch Ουρανούπολη) mit seinem Wehrturm, den Turm von Prosphorion

                                                                                                          Ich bin jetzt in Ouranoupoli auf Athos. Es ist der Versorgungshafen für die Mönchsrepublik Athos. Ich habe mir eine Ferienwohnung für 36 Euro pro Nacht für die nächsten zwei Tage gemietet. Ich komme gerade vom Abendbrot. Dort hatte ich zwei 80-jährige Tischnachbarn: Eine österreichische Pensionärin und ein (Nord)-mazedonisches Schlitzohr, der uns die Ohren fusselig gequasselt hat. Der Typ war Hans Dampf in allen europäischen Gassen und hatte zum wirklich letzten politischen Thema eine Meinung zum Kund tun. Und das alles in einer Rede ohne Pause und Übergang. Wir haben die gesamte balkanische Geschichte seit Alexander dem Großen bis zu den Jugoslawienkriegen durchgekaut. Spektakulär!

                                                                                                          Vor dem Heiligen Berg Athos

                                                                                                          26.9.2019
                                                                                                          Der Trubel hält sich in Grenzen, Ende September ist in Ouranoupoli der Tourismus praktisch abgeflaut. Das ist nämlich hier ein Paradies. Der Spruch “Zu Hause sei es doch auch schön” wirkt hier im höchsten Grade lächerlich. Ouranoupoli ist der Abgangshafen für die Mönchsrepublik am Berg Athos. Gegen 9 Uhr kommen sie alle aus ihren Hotels und Pensionen, die männlichen Pilger und etliche Ehrwürdige. Es sind in der Mehrzahl Serben, Bulgaren, Russen und Rumänen. Unter den Rumänen gibt es besonders viele junge Ehrwürdige. Die Russen bilden da eher zivile Himmelfahrtsausflüge.

                                                                                                          Das Pilgerschiff

                                                                                                          Die Fähre mit dem Kreuz über der griechischen Flagge verlässt in dreißig Minuten den Hafen. Ich habe genau hingeschaut, beim Checkin verlässt sich die Polizei darauf, dass bereits bei der Visaerteilung für die Mönchsrepublik das Geschlecht der Pilger geprüft wurde.
                                                                                                          Ich nehme am Frauenprogramm teil und kaufe mir für 20 Euro ein Ticket für eine drei stündige Kreuzfahrt vor dem Heiligen Berg. Es ist eine ähnlich gute Entscheidung, wie damals die Fahrt nach Helgoland. Man kriegt in vielen Sprachen Europas die Geschichte von Athos und die der Klöster, die vom Boot aus gerade zu sehen sind, erläutert.

                                                                                                          Moni Simonos Petras (griechisch Ιερά Μονή Σίμωνος Πέτρας Ierá, deutsch ‚Heiliges Kloster des Felsen Hl. Simons‘

                                                                                                          Die Mönchsrepublik entstand praktisch als Ergebnis der 3. und 4. Kreuzzüge, als die fränkischen Ritter das christliche Konstantinopel erobert haben. Einige der Reliquien konnten vor den Plünderungen auf die Mönchsrepublik gerettet werden. Zum Beispiel das größte Stück des Kreuzes weltweit, woran der Jesus angenagelt wurde. Heute befindet sich diese mit Diamanten besetzte Kostbarkeit in einem der Klöster.

                                                                                                          Das Kloster des Hl. Pantaleon (griechisch Άγιος Παντελεήμων, Aghios Panteleimon, bekannter als Ρωσσικόν, Rossikon).

                                                                                                          Oder das Kloster des Hl. Pantaleon (griechisch Άγιος Παντελεήμων, Aghios Panteleimon, bekannter als Ρωσσικόν, Rossikon). Es ist das jüngste und heute größte Kloster am Berg Athos.
                                                                                                          Als der russische Admiral Fjodor Uschakow nach dem 1774 für Russland siegreich beendeten Russisch-Osmanischen Krieg (5. Russischer Türkenkrieg) von 1776 bis 1779 mit seiner Fregatte im östlichen Mittelmeer kreuzte, stellte er das Kloster unter seinen Schutz. Zarin Katharina II. approbierte diesen Schritt, indem sie das Rossikon unter ihre Schirmherrschaft nahm. Die Mönche, die das alte, in den Bergen gelegene Kloster (Palaiomonastir oder Staryj Russik genannt) 1765 verlassen hatten, übersiedelten in das neue Kloster, das unmittelbar an die Meeresküste errichtet wurde. (Wikipedia)
                                                                                                          Folglich pilgerte 2005 auch Putin dorthin. Solche Geheimnisse werden dem Touristen per Lautsprecher verraten, wenn er an dieser Kreuzfahrt teilnimmt.

                                                                                                          Immer wieder begleiten Delphine unser Schiff. Dann geht der Kapitän auf Schleichfahrt, um genügend Bilder und Videos zu ermöglichen.

                                                                                                          27.9.2019
                                                                                                          Heute bin ich zu einer Radrunde gestartet, um mal an die Grenze der Republik heranzukommen. Es gibt einen Landweg parallel zur Grenze über die Halbinsel. Leider ist auf mapy.cz die Grenze nicht eingezeichnet.

                                                                                                          Metóchion Chourmítsa (Μετόχιον Χουρμίτσης); im Hintergrund der Gipfel des Berg Athos

                                                                                                          Hinterher auf OSMAND konnte ich erkennen, dass ich selbst auf meinen Abwegen nie näher als 1 km an die Grenze herangekommen bin. Trotzdem war diese Route durch die Reste der Pinienwälder ein Erlebnis.

                                                                                                          Strand bei Nea Roda

                                                                                                          Drüben in Nea Roda habe ich dann den Mazedonier diesmal mit seiner richtigen deutschen Freundin wieder getroffen. Ich konnte ihm leider nicht mit seinem aus diversen Leitungen tropfenden Automobil helfen. Er scheint nicht nur die Weiber, sondern auch die Probleme aufzusammeln.

                                                                                                          Chalkidiki

                                                                                                          28.9.2019
                                                                                                          Die von booking.com haben jetzt auch so eine Art Messaging-System. Am Vorabend dem Vermieter eine kurze Nachricht wegen der Abrechnung geschickt, fünf Minuten später kam er auf seinem Moped angesägt. Alles freundlich und problemlos abgewickelt. So konnte ich kurz nach dem Sonnenaufgang starten. In Ierissos gab es ein kleines Ouzo-Frühstück. Der Mann der Wirtin des Καφενείο, gegürtet mit jeder Menge Patronen, kam gerade von der Jagd. Stolz wurde mir ein Feldhase mit blutigem Kopf im Plastikbeutel präsentiert. Der Hase machte große Augen.

                                                                                                          Der Singitische Golf (griechisch Σιγγιτικός κόλπος, Singitikós Kólpos) zwischen dem mittleren und dem östlichen Finger von Chalkidiki


                                                                                                          Durch die Pinienwälder der Chalkidiki: Aleppo-Kiefer (Pinus halepensis)

                                                                                                          An diesem Tag sind es nicht viele Kilometer geworden. Die Route nach Polygyros stellte sich als ausgesprochen hügelig heraus. Immer wieder sind Ketten mit ca. 300 Höhenmeter zu überwinden, mehr hoch als danach runter. Es gibt auch sehr wenig Dörfer mit Versorgung, eigentlich nur das Dorf Gomati. In den Hügeln ist gerade die Olivenernte im Gange, die großen Grünen.

                                                                                                          29.9.2019
                                                                                                          Beim Dorf Keli fand ich einen tollen Platz zum Zelten, ein kleiner Pavillon gab Sitzgelegenheit, nur 5 Meter hin in einem Pinienhain kriegte ich sogar die Häringe für das Zelt in den Boden.

                                                                                                          Der Morgen über dem Berg Athos, Luftlinie 67 km

                                                                                                          Der Morgen weckte mich mit einem unfassbaren Licht, orange-golden kündigte sich am östlichen Horizont über dem Berg Athos der Sonnenaufgang an. Endlich mal eine Bofstelle nach den Regeln des Karpatenwilli, eine Stelle mit Weitsicht. Aber die Straße führte trotzdem weiter aufwärts. Im Dorf Vrastama auf gut 500 m Seehöhe wurde eine asphaltierte Straße nach Ormylia angezeigt. Laut mapy.cz geht es dorthin 11 km bergab und es gibt eine Verbindung zur Küstenstraße. Die angezeigte Größe von Ormylia verspricht auch eine Versorgung für ein Frühstück am Sonntag. Ich habe diesen kleinen Umweg gewählt, den landwirtschaftlichen Teil von Chalkidiki verlassen und mich im touristischen Teil an der Küste in Kalyves Polygorou mit Bier, Gyros und Feta-Salat verwöhnen lassen. Ich werde erst morgen Thessaloniki erreichen.
                                                                                                          Ich bin in Nea Kallikratia.

                                                                                                          PAOK Thessaloniki (Panthessalonikischer Sportklub der Konstantinopler) spielt gerade

                                                                                                          Der geneigte Leser dieses kleinen Reiseberichts hat sich sicher schon gewundert: Er hat noch nix zum Essen geschrieben. Nun, ich möchte mich überraschen lassen und ein großer Teller voller Gyros ist in Griechenland keine Überraschung, nichts desto trotz eine leckere Delikatesse. Gestern fuhr ich an einer Ziegenkäserei vorbei, die sich mit einem Weltrekord rühmte. Der größte Ziegenkäse der Welt wurde von der Guinness-Weltrekord-Kommission mit knapp einer Tonne vermessen. Es galt also mal einen Ziegenkäse aus der Chalkidiki zu kosten. Hier im Restaurant “Ela Do Kollas” wird ein Talagani in der Karte angeboten. Ein Ziegenkäse an einer hausgemachten Zwiebelmarmelade. Dazu bestellte ich mir πιπεριές, scharfe Paprikaschoten. Der Ziegenkäse kam auf einem Teller, so übersichtlich und grafisch drapiert wie in einem x-Sterne-Restaurant. Es war keine Zwiebelmarmelade, eher eine Konfitüre, tatsächlich süß wie eine Konfitüre mit Zwiebel. Das passte natürlich gut zu den scharfen Paprika. Der Käse war köstlich mit all den Tunken aus Marmelade, Olivenöl und Paprika. Mir scheint, ich habe im Lokal eine gewisse Aufmerksamkeit mit dieser Wahl und dem Schreiben auf mich gelenkt. Alles zu einem Retsina Limited Edition Κεχριμπαρι.

                                                                                                          Thessaloniki

                                                                                                          30.9.2019
                                                                                                          Die Anfahrt war hügelig und in platter Sonne, aber doch leicht. Es waren nur knappe 50 km, bis zu meiner vorher reservierten “Premium Suite”. Da konnte ich viele Pausen machen und mich mit Bernd, dem Flugsimulator-Pilot, über den Start am Flughafen Thessaloniki telefonisch austauschen. Die Flieger starten mir auf meiner schönen Restaurant-Terrasse genau in die Augen, bevor sie eine Linkskurve über den Thermaischen Golf fliegen, vorbei am Olymp.

                                                                                                          Anflug auf Thessaloniki

                                                                                                          Die “Premium Suite” im 5. Stock mitten in der Stadt ist ganz mein Stil: Man kriegt per Messenger zwei Zahlencodes für die Haus- und die Wohnungstür gesendet, man trifft keinen und muss mit keinem Menschen reden.

                                                                                                          Thessaloniki

                                                                                                          1.10.2019
                                                                                                          Ein Tag Großstadt. Diese Stadt hat eine abwechslungsreiche Geschichte. Einige der Spuren dieser Geschichte findet man in Löchern im Häusermeer. In der Tat, immer wieder gibt es Stellen zwischen den Häusern, wo man 2 bis 3 Meter hinab auf die gemauerten Spuren dieser Geschichte schaut.

                                                                                                          Galeriusbogen: Durch die Längsseite des Bogens führte die Hauptstraße, die Via Egnatia, welche Italien mit den östlichen Provinzen verband


                                                                                                          Die Rotunde (griechisch Ροτόντα Rotónda) des Galerius

                                                                                                          Der markante Galerius-Bogen als Teil der alten römischen Stadtmauer ragt natürlich weit heraus. Genauso wie die Rotunde, eine Art Engelsburg, wohl auch ein römisches Grabmal.


                                                                                                          Der Weiße Turm (griechisch Λευκός Πύργος, Lefkos Pyrgos), erbaut unter Leitung von Baumeister Sinān

                                                                                                          Den Weißen Turm direkt am Kolpos Thermaikos hat der türkische Baumeister Sinan gebaut, ja genau der in Edirne mein Hotel baute.


                                                                                                          Die Menschenfänger: Die Mädels begrüßen die männlichen Gäste, die Kerle locken die Frauen. In einer Stunde wird es keinen freien Platz mehr geben - an einem gewöhnlichen Dienstagabend

                                                                                                          Jetzt gilt es noch die Ouzo-Spur zu erhalten. Ich befinde mich in einem Hinterhof, wo ein orientalisches Lokal ins andere übergeht. Es ist ein Strudel von Musik und Lampen und wunderschönen Frauen.

                                                                                                          Die Schule des Aristoteles

                                                                                                          2.10.2019
                                                                                                          Die Ouzo-Spur ist abgebrochen und wird wohl nicht mehr aufgenommen. Die 400 ml aus dem wundersamen Hinterhof in Thessaloniki hatten mir den Mund am nächsten Morgen mit Filz ausgelegt. Aber das nur nebenbei.

                                                                                                          Das Ende der Ouzo-Spur

                                                                                                          Gestern war ich im Großen Tumulus in Vergina. Es ist wohl das Grabmal von Philipp II., Vater von Alexander dem Großen. Dieses Königsgrab konnte 1977 in großen Teilen unversehrt ausgegraben werden. Das Hügelgrab besteht aus vier Grabkammern, von denen die Grabkammern II und III bis zur Ausgrabung intakt waren, Grabkammer I war schon in der Antike geplündert worden. Weiterhin befinden sich im Grabhügel die Überreste eines Tempels, das heroon. Die zwei unversehrten Gräber sind die einer Frau, eventuell die Thrakerin Meda, und die eines Mannes, eines Königs, wohl Philipp II., König von Makedonien. Man betritt das Hügelgrab durch einen Gang, nachempfunden den Grabeingängen makedonischer Gräber. Drinnen ist es dunkel, nur die Vitrinen leuchten. Und natürlich die Zugänge zu den Grabkammern. Blitzlichtaufnahmen oder Videos sind verboten. Eine faszinierende museale Installation.

                                                                                                          Der Große Tumulus in Vergina


                                                                                                          Das Persephone-Grab


                                                                                                          Das sogenannte Philipp-Grab

                                                                                                          Die Gräber geben wichtige kulturgeschichtliche Hinweise auf die Selbstverständnis der makedonischen Königsdynastie der Argeaden. Gegen die damals in Athen oft vertretene Meinung, Makedonien liege außerhalb des griechischen Kulturkreises, präsentiert sich die Königsfamilie in den Grabmälern als Griechen: Grabbeigaben zeigen Jagd- und Kriegsszenen sowie Symposien als Teil des griechischen Lebens des Königs; Waffen und sogar Gebrauchsgegenstände wie Weinmischer (der beweisen sollte, dass auch die makedonische Dynastie wie die Griechen den Wein nicht pur trank) sind als Reminiszenzen an das klassische Griechenland, Kremierung und Beisetzung der Asche an die Vorbilder der homerischen Epen zu werten.
                                                                                                          Alexander war sich des Erbes von Philipp bewusst: Laut Arrian von Nikomedien motivierte er seine Truppen mit folgender Rede.
                                                                                                          Philipp übernahm euch als Stromer und Arme; viele von euch weideten, in Felle gekleidet, ihre wenigen Schafe in den Bergen und kämpften ohne viel Erfolg gegen die Illyrer, Triballer und ihre Nachbarn, die Thraker. Er hat euch anstatt der Felle Mäntel gegeben, euch aus den rauhen Bergen in die Ebenen hinabgeführt, hat euch den benachbarten Barbaren im Kampf ebenbürtig gemacht, so daß ihr auf die Festigkeit von Forts nicht mehr vertrautet als auf eure eigene Tapferkeit und euch behaupten konntet. Er hat euch zu Bauherrn von Städten gemacht und euch gute Gesetze und Sitten gebracht.
                                                                                                          3.10.2019
                                                                                                          Diese Ebenen Makedoniens ist noch heute eine reiche Schatzkammer. Ich weiß jetzt, wie Kiwis angebaut werden.

                                                                                                          Kiwi-Anbau

                                                                                                          In dieser Gegend gibt es noch weitere viele Stätten des Königreichs von Makedoniens, wie Mieza. Bekannt ist die Stadt für ihr Nymphäum sowie dafür, dass Aristoteles hier von 343/342 bis 340/339 den späteren makedonischen König Alexander den Großen unterrichtete.

                                                                                                          Das Nymphäum von Mieza (altgr. Μίεζα): Aristoteles hat hier von 343/342 bis 340/339 den späteren makedonischen König Alexander den Großen unterrichtetet.
                                                                                                          Aristoteles setzt sich erschöpft auf seine Säule im Nymphäum. Die Nymphen und der noch kleine Alexander sind zur Hofpause. Hoffentlich kommt der nicht gleich wieder mit seinem Knoten aus Gordien. Der alte Lehrer will seine Ruhe haben. Aristoteles hat ihm schon mehrfach erläutert, dass er das anders lösen muss. Die ewige Knubbelei an diesem Knoten führt zu nix. Und die Nymphen mit ihren neumodischen Scherben in der Hand, besonders diese Meda. Naja, dieser Schlampe hat er das Ding jetzt weggenommen. Philipp, der König, hat ihr das wohl geschenkt. Auch egal. Er nimmt die Scherbe in die Hand, in Gedanken verloren. Er hält es hoch, es klackt: Aristoteles hat ein Selfie in seiner Schule gemacht.


                                                                                                          Aristoteles macht ein Selfie

                                                                                                          Pella

                                                                                                          4.10.2019
                                                                                                          Ich besuchte in den letzten drei Tagen die großen makedonischen Königsorte: Aigai, der Hof des Phillipp II. mit dem Theater, dem Ort seiner Ermordung durch seinen Leibwächter und seinem Grab, Mieza, der Ort der Bildung des Alexander und Pella, Philipps und Alexanders Hof. Oder besser ein Hof seiner Vertreter, der künftigen Diadochen. Er war ja unterwegs, um mit seiner Bande, die orientalische Welt zu erkunden und auszubeuten.

                                                                                                          In Pella: Das Haus des "Dionysos"

                                                                                                          Mit dem Geld konnte eine große Hauptstadt nahe am Meer und den wichtigsten Handelsstraßen erbaut werden. Die Agora in Pella war wohl eine der größten der hellenischen Welt. Pella, als eine der best erforschten antiken Stätten, und das zugehörige Museum war zu groß für die Auffassungsgabe des radelnden Ebs. Ich muss zu Hause noch einiges nachlesen. Das Museum ist nach Lebensaspekten gegliedert und jeder Aspekt überaus reichhaltig mit Artefakten ausgestattet. Ein interessantes Feld war der Rolle der Frauen gewidmet, die sich stark der Religion und dem Hexentum zugewandt haben. Dort gab es ein beschriftetes Artefakt (die Beschreibung des Materials habe ich nicht verstanden), wo Eine ihre Gedanken in einem nordgriechischen Dialekt nieder gekritzelt hat. Sozusagen ein Tweet. Diese Bildung und die Kenntnisse bedeuteten natürlich dann auch viel Respekt in der Gesellschaft, denn welcher hellenische Held wollte es sich mit einer Hexe des Dionysos verscherzen. “Die hat Dinge gekannt!”

                                                                                                          Die Agora (Markt) von Pella

                                                                                                          Keine Rolle in der Beschreibung im Museum spielten die Sklaven. Fast muss man glauben, dass es hier nur den Rat der Stadt am nördlichen Rand der Agora, die Handwerker und die Hexen gab. Aber vielleicht war es mit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen schon damals in der Antike etwas komplexer.

                                                                                                          5.10.2019

                                                                                                          Der Fluss Axiós (der Vardar) bei Polykastro
                                                                                                          Zuletzt geändert von EbsEls; 17.01.2021, 16:19.
                                                                                                          Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                                          Eberhard Elsner

                                                                                                          Kommentar


                                                                                                          • EbsEls
                                                                                                            Erfahren
                                                                                                            • 23.07.2011
                                                                                                            • 436
                                                                                                            • Privat


                                                                                                            #54
                                                                                                            AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                            ... weiter in Nordmazedonien

                                                                                                            Ich bin im Grenzort Gevgelija, Nordmazedonien. Die Nordmazedonier haben politisch korrekt die Kennzeichnungen am Grenzübergang sauber überklebt, während unten in Griechenland noch in kleinen Nebenschildern “FYROM” angegeben ist. Gevgelija ist so einer Art Reno des Balkans, für Las Vegas fehlt das Spektakuläre. Mir gegenüber läuft an einem Casino der Jackpot-Zähler: 1.625.144. Die Maßeinheit ist nicht angegeben. Der Kurs des Mazedonischen Denar zum Euro steht bei knapp über 60:1.

                                                                                                            Im Tal des Vardar


                                                                                                            Das Eiserne Tor von Mazedonien

                                                                                                            Gestern noch durch das Mazedonische Eiserne Tor zu Alex, dem Bergsteiger (Khan Tengri im Tienshan) und Campbetreiber (“Rocklandcamp”) in einem Wettlauf mit der Sonne bis nach Demir Kapija gekommen. Den Wettlauf verlor ich. Das Zelt baute ich bei Sichelmondenschein auf, wodurch ich die Hundescheiße übersah. Sie klebte dann selbst an den Zeltstäben.
                                                                                                            Demir Kapija ist ein Bergsteigerzentrum. Es gibt zu beiden Seiten des Vardar-Durchbruchs Schluchten und Wände. Dazwischen klemmt sich die alte Bagdad-Bahn von Wilhelm II., die neue Autobahn der Firma AKTOR (wohl ein großer Player hier auf dem Balkan, die bauen auch die Tunnel bei Pirot) und die alte Fernverkehrsstraße, die so zu einem prächtigen Radweg geworden ist. Der Highway heißt jetzt "Freundschaft", und nicht wie früher “Alexander Der Große”. So sehen die politischen Kompromisse aus, die Mazedonien - FYROM - Nordmazedonien für eine internationale Anerkennung und EU-Beitrittsaussichten laut Prespa-Abkommen eingehen muss.

                                                                                                            6.10.2019
                                                                                                            Heute ging es schwer gegen Wind weiter den Vardar aufwärts. Die alte Landstraße nach Veles parallel zum Autoput lässt trotzdem ein lockeres Pedalieren zu. Ich komme an der Ausgrabungsstätte Stobi vorbei. Hier war die Hauptstadt von Paionien, das Philipp um 350 v.C. eroberte, um seine Nordgrenzen vor den "Barbaren" zu sichern.

                                                                                                            Es ist eine karge und trockene Landschaft

                                                                                                            In den Pausen kristallisiert sich das Zlaten DAB als mein makedonischer Favorit unter den Bieren heraus. Es ist ein Bier aus der Brauerei in Prilep. Die Dortmunder Aktienbrauerei hat hier wohl noch einen guten Namen mit der Marke DAB. Geht das Alles mit (Marken)rechten Dingen zu? Ich kann mich aus 2015 garnicht an den mazedonischen Rakija erinnern. Am Nachbartisch in Gradsko feierten einige echte mazedonische Helden. Der dicke Wirt ließ immer wieder die 1l-Rakija-Flasche kreisen. Ich bin hier in dem traditionellen Weinanbaugebiet, dem Tikves. Also muss ich doch mal den bernsteinfarbenen Stoff probieren. Daumen hoch!

                                                                                                            Die letzte Etappe von Veles nach Skopje

                                                                                                            7.10.2019
                                                                                                            Heute galt es nun die Heimreise zu organisieren. Zwischen Veles verlieren sich die beiden Fahrstreifen des Highways “Freundschaft”, former Alexander Der Große auf gut 50 km. Die Spur nach Süden führt zusammen mit der Eisenbahn unten im Vardar-Tal lang, das hier fast eine Schlucht ist. Der Fahrstreifen nach Skopje geht über einen gut 500 m hohen Bergrücken. Dazwischen wurstelt sich die alte Straße über diese mit Sträuchern bewachsenen Hügel.

                                                                                                            Oberhalb des Sees der Jugend

                                                                                                            In Veles wird nur bis zum See der Jugend ausgeschildert, dann muss sich der Radler auf sein Gefühl oder eine OSM-Karte verlassen. Ich bin vor vier Jahren in Gegenrichtung schon an diesem Feldweg verzweifelt. Trotzdem kamen mir auf diesem Weg ein Tandempäärchen wohl aus England auf dem Weg nach Istanbul entgegen. Gegen Mittag habe ich dann den Vorort von Skopje Goze Deltschev erreicht. Der Plan zur Organisation der Heimreise geht wohl auf.
                                                                                                            Es tut mittlerweile an etlichen Stellen des Körpers weh. Da ist das Monstrum von blauem Zeh rechts, eine Muskelzerrung links, die mich ganz schön humpeln lässt und das linke Knie, was wohl mit der Zerrung zusammen hängt. Beim Radeln stört das alles nicht, nur beim Laufen sehe ich noch älter aus als ich bin. Mal sehen, was ich morgen mache. Diese Zeilen schreibe ich im alten Basar von Skopje unter Minaretten, was jetzt als gewaltige “Fressgasse” genutzt wird. Überall dubelt der Kebab-Grill. Das Skopsko-Pivo wird vom Fass ausgeschenkt. Jetzt steige ich auf Wein um, T’ga za Jug.

                                                                                                            Abfahrt ins Skopsko polje

                                                                                                            Im Internet war nicht viel zu Busfahrten von Skopje aus nach Dresden oder Nürnberg zu erfahren. Ich setze meine Hoffnung auf den Busbahnhof in Skopje, eine weitere Option ist am Dienstag ca. 70 km weiter nach Preshovo in Serbien zu radeln. Dort gibt es am Mittwoch zwei Busse nach Fürth. Wie erwartet, gibt es an der Busstation Angebote in die Türkei, ganz ehemals Jugoslawien und Westeuropa, einschließlich Westdeutschland. Ich erhalte eine Fahrkarte für 80 Euro nach München, wo sie mir auch mein Fahrrad mitnehmen. Am Mittwoch 10.30 Uhr ist Abfahrt, es geht heim.

                                                                                                            Ein freier Tag in Skopje

                                                                                                            8.10.2019
                                                                                                            Ich erreichte gestern Skopje früh genug, dass ich meine Heimfahrt noch gestern organisieren konnte. Ich benötige den heutigen Tag also nicht, um rüber nach Serbien ins Presevo-Tal zu machen. Ich werde einige Schleifen durch die Hauptstadt Nordmazedoniens ziehen.

                                                                                                            Besuch in einer Garagenfirma: Schnapsbrennerei


                                                                                                            Die Mazedonischen Revolutionäre von 1893

                                                                                                            Skopje hat in den letzten Jahrzehnten ein bewegte Geschichte. Im Juli 1963 wurde durch ein Erdbeben große Teile der Stadt zerstört, über 1000 Menschen starben. Die Uhr am alten durch das Beben zerstörten Bahnhofsgebäude zeigt noch immer die Uhrzeit der ersten Schockwellen an: 5:17 Uhr. Ich kann mich noch erinnern, dass in der Schule (3. Klasse bei mir) zu Spenden aufgerufen wurde. In Skopje leben verschiedene Ethnien. Da sind die slawischen Mazedonier, die Albaner sowie etliche weitere Völkerschaften, wie die Aromunen (in Skopje immerhin 1,6%). In der Regel miteinander, immer mal wieder auch gegeneinander. Auslöser für ein Gegeneinander sind nationale Spalter, wie die Nachfahren der Inneren Mazedonischen Revolutionäre (IMRO) um Goze Deltschew.

                                                                                                            Zentrum von Skopje 2014 mit dem Denkmal des Alexander der Große

                                                                                                            Mit einer Reihe von monumentalen Bauten, Denkmälern und Kreuzen im Rahmen von „Skopje 2014“ sollte eine mazedonische Identität gestiftet werden.

                                                                                                            Die Porta Macedonia

                                                                                                            Andererseits wurden aber die Albaner und Muslime damit ausgegrenzt. Das Projekt „Skopje 2014“ war ein Prestigeobjekt der damals regierenden nationalistischen IMRO. Ich habe niemals zuvor so viele Denkmäler von Helden mit Löwen und Pferden in einer Stadt gesehen.
                                                                                                            Die aktuellen politischen Diskussionen ergeben sich aus dem sogenannten Prespa-Abkommen, was unter anderen die Umbenennung in Nord-Mazedonien beinhaltet.

                                                                                                            Meinungsäußerung am Denkmal der Mazedonischen Revolutionäre
                                                                                                            NEIN!
                                                                                                            Nein zu Prespa
                                                                                                            Nein zur NATO
                                                                                                            Nein zur EU
                                                                                                            Stop dem Faschismus

                                                                                                            9.10.2019
                                                                                                            Heimfahrt mit dem Busunternehmen "Македонија Сообраќај" nach München ohne Probleme. Sehr lange hat die Kontrolle der Serben auf der GÜST bei Preshovo gedauert. Alle mussten aussteigen, das Gepäck raus und der Bus wurde geröntgt.
                                                                                                            Zuletzt geändert von EbsEls; 19.02.2020, 15:06.
                                                                                                            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                                            Eberhard Elsner

                                                                                                            Kommentar


                                                                                                            • blauloke

                                                                                                              Lebt im Forum
                                                                                                              • 22.08.2008
                                                                                                              • 8843
                                                                                                              • Privat


                                                                                                              #55
                                                                                                              AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                              Danke für den Bericht.
                                                                                                              Mit deinen Fahrten zeigst du immer wieder wie vielgestaltig der Balkan ist.
                                                                                                              Zählt Nordgriechenland eigentlich noch zum Balkan?
                                                                                                              Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                                                                                                              Kommentar


                                                                                                              • Galadriel
                                                                                                                Dauerbesucher
                                                                                                                • 03.03.2015
                                                                                                                • 913
                                                                                                                • Privat


                                                                                                                #56
                                                                                                                AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                                Sehr schön, eine Ecke, in der wir noch nicht waren...aber auf jeden Fall noch kennenlernen möchten...
                                                                                                                Wandern & Flanieren
                                                                                                                Neues entdecken durch Langsamkeit

                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                • Baciu
                                                                                                                  Dauerbesucher
                                                                                                                  • 18.07.2013
                                                                                                                  • 967
                                                                                                                  • Privat


                                                                                                                  #57
                                                                                                                  AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                                  Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen
                                                                                                                  Jetzt steige ich auf Wein um, T’ga za Jug.
                                                                                                                  Na da kommt doch sicher Sehnsucht nach dem Süden auf...

                                                                                                                  Tolle Tour. Das Weingebiet im Osten Nordmazedoniens müssen wir auch mal besuchen...

                                                                                                                  Kommentar


                                                                                                                  • Fernwanderer
                                                                                                                    Alter Hase
                                                                                                                    • 11.12.2003
                                                                                                                    • 3885
                                                                                                                    • Privat


                                                                                                                    #58
                                                                                                                    AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                                    Zitat von EbsEls Beitrag anzeigen
                                                                                                                    Moni Simonos Petras (griechisch Ιερά Μονή Σίμωνος Πέτρας Ierá, deutsch ‚Heiliges Kloster des Felsen Hl. Simons‘
                                                                                                                    Du erlaubst ein wenig Klugscheißerei?
                                                                                                                    Die Übersetzung scheint bei Wikipedia zitiert zu sein. Was wenig daran ändert, daß die Übersetzung schön schief ist, denn gemeint ist doch wohl "Heiliges Kloster des Heiligen Simon Petrus".

                                                                                                                    Ansonsten wieder ein sehr inspirierender Bericht, der auch Erinnerungen weckt.

                                                                                                                    Und eigentlich wären wir genau jetzt in Bulgarien, schluchz.

                                                                                                                    Grüße
                                                                                                                    Fernwanderer
                                                                                                                    In der Ruhe liegt die Kraft

                                                                                                                    Kommentar


                                                                                                                    • Ljungdalen

                                                                                                                      Alter Hase
                                                                                                                      • 28.08.2017
                                                                                                                      • 3014
                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                      #59
                                                                                                                      AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                                      Zitat von Fernwanderer Beitrag anzeigen
                                                                                                                      Du erlaubst ein wenig Klugscheißerei?
                                                                                                                      Die Übersetzung scheint bei Wikipedia zitiert zu sein. Was wenig daran ändert, daß die Übersetzung schön schief ist, denn gemeint ist doch wohl "Heiliges Kloster des Heiligen Simon Petrus".
                                                                                                                      Nein, offenbar nicht. Gemeint ist "Simon der Athonit", der legendäre Gründer des Klosters aus dem 13. Jh., nicht der Apostel. Sagt nicht nur die deutsche Wikipedia.

                                                                                                                      Zitat von Fernwanderer Beitrag anzeigen
                                                                                                                      Ansonsten wieder ein sehr inspirierender Bericht, der auch Erinnerungen weckt.
                                                                                                                      +1, sehr interessante Tour.

                                                                                                                      Kommentar


                                                                                                                      • EbsEls
                                                                                                                        Erfahren
                                                                                                                        • 23.07.2011
                                                                                                                        • 436
                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                        #60
                                                                                                                        AW: [RS, MNE, RKS, MK, BG] Über die Berge und durch die Schluchten des Balkan

                                                                                                                        Danke für Eure Hinweise.
                                                                                                                        Im Lautsprecher des Ausflugsschiff wurde der Klostername mit "Simon auf dem Felsen" verbunden. Drum lass ich das mal so stehen.

                                                                                                                        Allgemeine Ergänzung zum Thema Balkan: Ich habe ein Magazin des 13. Jahrgangs des Elitestudiengangs Osteuropastudien der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Regensburg "Grenzen im Fluss" (meine Fresse ... so nennen die es tatsächlich) als PDF zugeschickt bekommen. Höggscht interessant. Das Magazin gibt es auch als Webseite.
                                                                                                                        Zuletzt geändert von EbsEls; 17.06.2020, 20:10.
                                                                                                                        Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                                                                                                                        Eberhard Elsner

                                                                                                                        Kommentar