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Reisezeit: 11.-13.06.2011 (Pfingsten)
Land, Region: (Nord)Deutschland, Wesergebirge/Süntel
Etappen:
1. Porta Westfalica - Steinbergen
2. Steinbergen - Hohenstein
3. Hohenstein - Bad Münder (Deisterbahnhof)
Vorrede
Obwohl ich hier im Forum bereits mit dem Titel „erfahren“ versehen bin – was auf der Stückzahl meiner Beiträge basiert – bin ich hinsichtlich der geradezu klassischen Outdoor-Form „mehrtägiges Wandern mit draußen übernachten“ völlig unerfahren.
Meine Draußen-Kenntnisse liegen vor allem im Bereich „Radtour von Campingplatz zu Campingplatz“ und fußen auf einer gewissen Kenntnis der Ausrüstungsmöglichkeiten, da ich mal in einem Ausrüstungsladen aka Outdoor-Shop gearbeitet habe. Und nicht zu letzt habe ich hier im Forum (und bei den Kollegen von TUL, sowie einigen Blogs) zig Reiseberichte gelesen und Packlisten-Diskussionen verfolgt.
Ein, zwei mehr oder weniger erhellende Testwanderungen habe ich in den letzten beiden Jahren absolviert; der Höhepunkt war eine Tour mit meiner Tochter auf dem Hexenstieg, die wir leider nach drei Tage abgebrochen haben (wg. Fußproblemen bei ihr), die aber sonst sehr vielversprechend war.
Die Planung
Auslöser für die hier zu schildernde Tour war eine Mail meiner etwas überarbeiteten Freundin H. mit dem Wunsch, wandern zu gehen: zwei, drei Tage, keinen Stress, minimaler Aufwand (auch finanziell), schöne Pausen, draußen sein. Der Blick ins Touren-Wiki ergab: Wesergebirgsweg von Porta Westfalica nach Hameln (wir gingen allerdings nach Bad Münder); 52 km, für norddeutsche Maßstäbe sogar einige Höhenmeter, laut Karte viele Hütten (in denen wir nächtigen wollen), An- und Abreise (fast) im Bereich meiner hannoverschen Monatskarte ... ganz einfach also.
Am Freitag trafen wir uns im Café, um zu planen. Wir waren noch nie gemeinsam unterwegs und H. sollte einige Ausrüstungsteile von mir bekommen. Vor allem aber wollten wir die mitzunehmenden Nahrungsmittel absprechen. Letzteres ist uns nur beinahe gelungen
Erster Tag: Porta Westfalica - Steinbergen
Um kurz nach neun geht der Regionalexpress nach Porta Westfalica. Schon auf dem Bahnsteig stellen wir einen Philosophie-Unterschied fest: obenrum sieht sie ‚schräg‘ aus (Wandern im Kleid) und ich ‚klassisch‘ - an den Füßen ist’s umgekehrt:

In Porta angekommen, sehen wir gleich am Bahnhof das hübsch altmodische Schild, welches ich schon aus dem Wiki kenne, und latschen los. Auf meiner Karte ist der Bahnhof von Porta knapp nicht drauf, also hole ich sie noch nicht raus. Ich hatte mir aus dem Text gemerkt, dass man am Anfang dem E11 folgen muss, damit man über die Portakanzel kommt, und die können wir vom Bahnhof aus schon sehen - meinen wir.
Das berühmte Ding, welches wir anstreben, ist allerdings gar nicht die Portakanzel, sondern das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Dass wir in die falsche Richtung unterwegs sind, merken wir zum Glück noch am Fuß des Berges. Über die ungemütliche Bundesstraßenbrücke sind wir allerdings schon rüber und dürfen sie nun noch einmal genießen ...
Wir gehen bis zum Bahnhof zurück, finden allerdings auf dieser Seite der Weser weder Wegweiser zum E11, noch XW, noch zur Portakanzel. Letztlich nehmen wir die Treppe genau gegenüber des Bahnhofs. Etwas oberhalb treffen wir dann auch auf die ersten Markierungen.
Für alle, die genauso unwissend sind wie ich, hier die Auflösung: Die Portakanzel ist eine Aussichtsplattform an einer Abbruchkante, von der man einen schönen Blick ins Wesertal hat:

Schon bei den letzten Schritten hier rauf, sage ich: „Guck mal ein großer Rucksack!“ Mit diesem etwas kindlichen Satz, drücke ich mein Erstaunen aus, noch einen Gepäck-Wanderer zu treffen. Ich nenne ihn mal B., weil seine Ausrüstung blau ist und wir uns zwar angeregt unterhalten haben, aber nicht unsere Namen gesagt. Wir kommen sofort ins Gespräch; zunächst auf der Bank sitzend, dann gemeinsam wandernd. Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Vor allem die, dass B. bisher auch eher Radtouren gemacht hat. Dies ist seine erste große Solowanderung. Er ist seit gut zwei Wochen unterwegs und hat auch meist draußen genächtigt. Seine Schilderungen dieser Übernachtungen machen uns Mut; schließlich ist es für uns Neuland, so zu übernachten.

Unsere Wege trennen sich, als er nach Bückeburg abbiegt. Ich habe ihm von diesem Forum erzählt, er ist sehr interessiert und er hat sich meinen Nickname notiert. Mal sehen, ob er das hier liest - und vielleicht antwortet.
Das Foto oben täuscht: Die Straße ist die Zufahrt zu Fernsehturm, die man nach einem kurzen Stück wieder verlässt. Die Wege sind sonst ganz schön, der Wald sowieso.
Gleich nachdem wir die Straße nach Kleinenbremen überquert haben lockt uns ein Schild zum „Haus Waltraut“ (oder war es ein anderer Frauenname?
). Kaffee, Kuchen, eine Toilette und Gelegenheit, Wasser aufzufüllen sind gute Gründe, etwas vom offiziellen Weg abzuweichen. Nachdem wir die A2 unterquert haben bieten sich zum ersten Mal Ausblicke ins Wesertal. Ein Genuss, den wir vor allem am zweiten Tag noch oft haben werden.

Am Beginn dieses ersten Tages haben wir uns ja nur fast verlaufen, das übertreffen wir nun gegen Ende der Etappe. Für die Nacht haben wir drei Hütten avisiert: zwei vor, eine hinter Steinbergen. Man weiß ja nie, wie die Dinger so aussehen. Die erste liegt an einer großen Wegkreuzung und verspricht noch bis in den späten Abend grüßende Passanten - also weiter. Für die nächste lassen wir den XW links liegen, als dieser zur Luhdener Klippe aufsteigt. Wir müssen weiter geradeaus, denken wir.
Irgendwann meckert H., dass die Autobahn echt einen tierischen Lärm mache. Autobahn?
Die Autobahn haben wir die ganze Zeit nicht gehört und sollten uns ihr auch nicht wieder nähern. Ich hole mal den Kompass raus; ein Ausrüstungsteil für das man in einem deutschen Mittelgebirge schon mal belächelt wird. Wir sollten nach Osten unterwegs sein, gehen aber gerade nach Norden.
Es stellt sich heraus, dass „geradeaus“ bedeutet hätte, einmal rechts abzubiegen, da der Weg eine große Linkskurve beschreibt - zu langgezogen, als dass wir sie bemerkt hätten. Und die Abbiegestelle ist auf einem Knick meiner Landkarte
Beim Versuch, wieder auf unseren Weg zu finden, irren wir etwas herum, schaffen es aber schließlich doch noch.
Die Hütte ist vom Typ „Bushäuschen“ und fast direkt am letzten Grundstück des Ortes, aber nicht einsehbar. Außerdem ist sie ziemlich verstaubt und es wimmelt von alten, staubigen Spinnweben, was wir beide nicht soo toll finden. Aber als wir mit ein paar Laubzweigen als Besenersatz sauber gemacht haben und dabei sehen, dass es keine Spinnen gibt, sind wir beruhigt. So richtig zur Dschungel-Fraktion gehören wir nicht.
Wir kochen Miraculi (IMMER am ersten Abend auf Tour
), rauchen (es gibt zwar keine Mücken, aber dass es sie vertreibt, ist doch eine tolle Begründung
) und trinken Rotwein. Dass ich den noch in eine PET-Flasche umgefüllt habe, machte die Flasche zwar leichter - aber nicht hübscher

Apropos leichter: Wir stellen schnell fest, dass wir viel zu viel Lebensmittel mit haben. Jeder hat zu Hause trotz der Absprachen „zur Sicherheit etwas mehr“ eingepackt. Wir schätzen, dass wir locker eine Woche ohne einzukaufen unterwegs sein könnten. Nur die Flasche Wein für den zweiten Abend hat H. vergessen
Zweiter Tag: Steinbergen - Hohenstein
Unsere luxuriöse Bevorratung beschert uns am nächsten Morgen eine geradezu klassische Brotzeit als Frühstück:

Der Beginn dieser zweiten Etappe ist ein Kulturschock-Wechselbad. Eben noch zünftig gefrühstückt treffen wir schon nach wenigen Metern im Ort auf eine Bundesstraße mit sehr „romantischem“ Kiosk-Café. Die Kombinationsmöglichkeit „Toilette-Wasser-noch’n Kaffee-noch eine rauchen“ lässt uns dennoch hier kurz verweilen.

Kaum haben wir etwas später die Bundesstraßenkreuzung gekreuzt und sind einmal abgebogen, sieht die Welt aus, wie in Mittelgebirgs-Wanderers Traum:

Bild in groß
Nicht so sehr Wanderers Traum ist, dass wir beide Blasen haben. H. an der Ferse, ich unter dem Ballen. Ich hatte noch nie eine Blase und konnte das ihre Entstehung ankündigende Gefühl deswegen auch nicht zuordnen. Unabhängig davon war es natürlich idiotisch, barfuß in den Sandalen zu wandern. Das mache ich sonst auch nicht, aber in diesen „klassischen“ Tevas finde ich Socken immer ein bisschen unbequem, weil ich das Gefühl habe, sie verrutschen. Meine Lieblings-Wander-Sandalen (Teva Omnium) sind leider kaputt gegangen; ich beschließe, mir wieder solche zu kaufen.
Aber auch wenn wir ein bisschen fußlahm sind, genießen wir schöne Wege ...

... schöne Aussichten (Wesertal mit Schaumburg) ...

... schöne Pflanzen ...

... noch mehr schöne Wege ...

.. und schöne Pausen mit schönen Aussichten (nicht die Füße
):

Die Pause ist bei Rohdental. Hier holen uns mental unsere Versorgungswidersprüche ein: Wir haben zu viel zu Essen, aber zu wenig zu trinken! Ich habe zwar Gerät zur Wasseraufbereitung mit (Steripen), aber wir haben bisher eigentlich kein Oberflächenwasser gesehen (es kommen allerdings noch zwei Bäche). Wenn man so in der „Wildnis“ übernachtet braucht man aber am Schlafplatz ziemlich viel Wasser zum Kochen des Abendessens und für Café am nächsten Morgen. Außerdem wird uns mit näher kommendem Abend die nicht vorhandene Flasche Wein immer bewusster
Also fragen wir bei einem im Garten sitzenden, netten, älteren Paar nach Wasser und einer Tankstelle (es ist Sonntag!). Wasser bekommen wir reichlich und ich schleppe nun ein paar Kilo mehr herum. Aber Einkaufsmöglichkeiten gibt es nur in Auto-Entfernungen
Der Weg wartet nun auch mit einigen Überraschungen auf. Ja, da geht’s lang: einen halben Kilometer führt der Wesergebirgsweg (und der Niederlande-Harz) auf einer von sportlichen Motorradfahrern frequentierten Straße ohne Fußweg.

Die heutigen Kraftfahrzeugführer sind Wanderer auf Landstraßen wohl nicht mehr gewöhnt und versuchen erst gar nicht, Abstand zu halten
Man kann aber ihre Reflexe ansprechen, indem man etwas zur Fahrbahnmitte zieht, wenn sie auf einen zukommen 
Die nächste Herausforderung ist der Anstieg von „Baxmanns Baude“ (welche leider nur bis 17:00 geöffnet ist, also schon zu hat) zum Hohenstein: auf 1 km Strecke überwindet man 160 Höhenmeter - in große Teile der Strecke sind denn auch Stufen eingebaut:

Für diese Plackerei am Ende des Tages werden wir aber auch mit diesem tollen Ausblick belohnt:

Bild in groß
Auf dieser Steinkarte sieht man, was man sieht:

(Anmerkung: Die Karte/Steinplatte ist rechteckig; um sie mit meinem Uralt-iPhone auf's Bild zu bekommen, habe ich ein Panorama-App benutzt, dass auf so kurze Distanzen natürlich für Verzeichnungen sorgt.)
Es ist so schön, dass wir beschließen, hier zu übernachten. Um die Ecke ist eine Hütte, in die wir, falls es regnen sollte, flüchten können.

Nebenbetrachtung 1:
Es gab einen feststellbaren Unterschied im morgendlichen Handeln: H. setzt ihren Vorsatz, ganz entspannt zu sein, von Tagesbeginn an um und frühstückt, ohne wirklich aufzustehen. Mir hingegen merkt man wohl an, dass ich im Urlaub jahrelang morgens eine komplette Zeltausrüstung für einen Erwachsenen und zwei Kinder abbauen und auf Räder verladen musste

Nebenbetrachtung 2:
Von unserer nicht ganz perfekten Verpfelgungsplanung habe ich oben schon erzählt. Nun, das sind die Vorräte, die wir am letzten Tag immer noch besitzen. Das rechte Beutelchen ist meins und ich habe es (wieder zu Hause) gewogen: 900 g. Das linke ist schwerer

Dritter Tag: Hohenstein - Bad Münder (Deisterbahnhof)
Wir kommen heute früh los und sind deswegen schon um 10 Uhr am Süntelturm. Die Wege dorthin sind zwar meist eher breit und eintönig, aber der Wald ist ein schöner Laubwald (wie auch gestern schon) und die Vögel veranstalten ein regelrechtes Festkonzert. Ganz am Anfang der Etappe sehen wir sogar eine Bache mit ihren Jungen im Unterholz nach Nahrung suchen und dann (erfreulicherweise von uns weg) davonstieben; etwas später erhaschen wir flüchtig den Blick auf ein Rotwild.
Die Bäume gucken uns auch an ...

... und am Weg stehen immer wieder alte Markierungssteine:

Ich mag diese Dinger irgendwie.
Kurz vor dem Süntelturm kommt dann auch mal wieder ein schöner, wenn auch steiler Pfad. Später begehen wir noch einen sehr ähnlich aussehenden Weg. Die sehen so idealtypisch nicht-befestigt aus, dass wir uns fragen, ob sie wohl angelegt wurden - wegen Premium-Wanderweg oder so ...

Hinter dem Süntelturm werden wir übrigens den Wesergebirgsweg verlassen. Wir haben keine Lust, am Ende durch eine relativ große Stadt (Hameln) zum Bahnhof zu gehen. Der Bahnhof von Bad Münder ist aus dem Süntel über Feldwege zu erreichen, ohne das man die Stadt selbst berührt.
Am Süntelturm gibt es das übliche gastronomische Programm dieser Tour: Café, Toilette, Zigarette und Wasser. Letzteres brauchen wir, um etwas später eine ausgedehnte Pause zu machen.

Ich probiere Müsli mit warmem Wasser - von dem ich dachte, dass es auf späteren Touren das Frühstück sein könnte - und stelle fest, dass ich es nicht mag. H. probiert „Süßer Moment Grießbrei“ - von dem sie dachte, dass sie es bestimmt nicht mag - und stellt fest, dass sie es lecker findet. Während ich ersteres esse und letzteres zubereite, liest H. mir ein paar Seiten aus „Also sprach Zarathustra“ vor, was der Situation etwas surreales verleiht. Dann trinken wir noch einen Café ... und schlafen erstmal noch ein halbes Stündchen.
Im weiteren Verlauf werden wir möglicherweise Opfer der neu angelegten Wege und unserer nicht mehr so ganz neuen Karte (von 1997), als wir an einer Kreuzung stehen, die es laut Karte gar nicht gibt
Wir fragen einen ortskundigen und folgen seiner Beschreibung, in diesem Fall muss man sagen: leider. Denn er hat zwar recht, dass sein Vorschlag weniger Höhenmeter bedeutet; aber leider bedeutet er auch mehr Forstautobahn:

Es kommen nun Erschöpfung, öder Weg und leichtes Endspurtverhalten zusammen und lassen die letzten Kilometer im Süntel zu den unangenehmsten der Tour werden. Als wir es merken, nehmen wir das Tempo etwas raus. Beim Übergang zur offenen Landschaft bieten sich auch wieder andere Reize ...

... und kurz vorm Bahnhof findet H. noch nachträglich das Symbol für unsere gelungene Premiere einer „Mehrtageswanderung mit draußen schlafen“
Land, Region: (Nord)Deutschland, Wesergebirge/Süntel
Etappen:
1. Porta Westfalica - Steinbergen
2. Steinbergen - Hohenstein
3. Hohenstein - Bad Münder (Deisterbahnhof)
Vorrede
Obwohl ich hier im Forum bereits mit dem Titel „erfahren“ versehen bin – was auf der Stückzahl meiner Beiträge basiert – bin ich hinsichtlich der geradezu klassischen Outdoor-Form „mehrtägiges Wandern mit draußen übernachten“ völlig unerfahren.
Meine Draußen-Kenntnisse liegen vor allem im Bereich „Radtour von Campingplatz zu Campingplatz“ und fußen auf einer gewissen Kenntnis der Ausrüstungsmöglichkeiten, da ich mal in einem Ausrüstungsladen aka Outdoor-Shop gearbeitet habe. Und nicht zu letzt habe ich hier im Forum (und bei den Kollegen von TUL, sowie einigen Blogs) zig Reiseberichte gelesen und Packlisten-Diskussionen verfolgt.
Ein, zwei mehr oder weniger erhellende Testwanderungen habe ich in den letzten beiden Jahren absolviert; der Höhepunkt war eine Tour mit meiner Tochter auf dem Hexenstieg, die wir leider nach drei Tage abgebrochen haben (wg. Fußproblemen bei ihr), die aber sonst sehr vielversprechend war.
Die Planung
Auslöser für die hier zu schildernde Tour war eine Mail meiner etwas überarbeiteten Freundin H. mit dem Wunsch, wandern zu gehen: zwei, drei Tage, keinen Stress, minimaler Aufwand (auch finanziell), schöne Pausen, draußen sein. Der Blick ins Touren-Wiki ergab: Wesergebirgsweg von Porta Westfalica nach Hameln (wir gingen allerdings nach Bad Münder); 52 km, für norddeutsche Maßstäbe sogar einige Höhenmeter, laut Karte viele Hütten (in denen wir nächtigen wollen), An- und Abreise (fast) im Bereich meiner hannoverschen Monatskarte ... ganz einfach also.
Am Freitag trafen wir uns im Café, um zu planen. Wir waren noch nie gemeinsam unterwegs und H. sollte einige Ausrüstungsteile von mir bekommen. Vor allem aber wollten wir die mitzunehmenden Nahrungsmittel absprechen. Letzteres ist uns nur beinahe gelungen

Erster Tag: Porta Westfalica - Steinbergen
Um kurz nach neun geht der Regionalexpress nach Porta Westfalica. Schon auf dem Bahnsteig stellen wir einen Philosophie-Unterschied fest: obenrum sieht sie ‚schräg‘ aus (Wandern im Kleid) und ich ‚klassisch‘ - an den Füßen ist’s umgekehrt:

In Porta angekommen, sehen wir gleich am Bahnhof das hübsch altmodische Schild, welches ich schon aus dem Wiki kenne, und latschen los. Auf meiner Karte ist der Bahnhof von Porta knapp nicht drauf, also hole ich sie noch nicht raus. Ich hatte mir aus dem Text gemerkt, dass man am Anfang dem E11 folgen muss, damit man über die Portakanzel kommt, und die können wir vom Bahnhof aus schon sehen - meinen wir.
Das berühmte Ding, welches wir anstreben, ist allerdings gar nicht die Portakanzel, sondern das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Dass wir in die falsche Richtung unterwegs sind, merken wir zum Glück noch am Fuß des Berges. Über die ungemütliche Bundesstraßenbrücke sind wir allerdings schon rüber und dürfen sie nun noch einmal genießen ...
Wir gehen bis zum Bahnhof zurück, finden allerdings auf dieser Seite der Weser weder Wegweiser zum E11, noch XW, noch zur Portakanzel. Letztlich nehmen wir die Treppe genau gegenüber des Bahnhofs. Etwas oberhalb treffen wir dann auch auf die ersten Markierungen.
Für alle, die genauso unwissend sind wie ich, hier die Auflösung: Die Portakanzel ist eine Aussichtsplattform an einer Abbruchkante, von der man einen schönen Blick ins Wesertal hat:

Schon bei den letzten Schritten hier rauf, sage ich: „Guck mal ein großer Rucksack!“ Mit diesem etwas kindlichen Satz, drücke ich mein Erstaunen aus, noch einen Gepäck-Wanderer zu treffen. Ich nenne ihn mal B., weil seine Ausrüstung blau ist und wir uns zwar angeregt unterhalten haben, aber nicht unsere Namen gesagt. Wir kommen sofort ins Gespräch; zunächst auf der Bank sitzend, dann gemeinsam wandernd. Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Vor allem die, dass B. bisher auch eher Radtouren gemacht hat. Dies ist seine erste große Solowanderung. Er ist seit gut zwei Wochen unterwegs und hat auch meist draußen genächtigt. Seine Schilderungen dieser Übernachtungen machen uns Mut; schließlich ist es für uns Neuland, so zu übernachten.

Unsere Wege trennen sich, als er nach Bückeburg abbiegt. Ich habe ihm von diesem Forum erzählt, er ist sehr interessiert und er hat sich meinen Nickname notiert. Mal sehen, ob er das hier liest - und vielleicht antwortet.
Das Foto oben täuscht: Die Straße ist die Zufahrt zu Fernsehturm, die man nach einem kurzen Stück wieder verlässt. Die Wege sind sonst ganz schön, der Wald sowieso.
Gleich nachdem wir die Straße nach Kleinenbremen überquert haben lockt uns ein Schild zum „Haus Waltraut“ (oder war es ein anderer Frauenname?


Am Beginn dieses ersten Tages haben wir uns ja nur fast verlaufen, das übertreffen wir nun gegen Ende der Etappe. Für die Nacht haben wir drei Hütten avisiert: zwei vor, eine hinter Steinbergen. Man weiß ja nie, wie die Dinger so aussehen. Die erste liegt an einer großen Wegkreuzung und verspricht noch bis in den späten Abend grüßende Passanten - also weiter. Für die nächste lassen wir den XW links liegen, als dieser zur Luhdener Klippe aufsteigt. Wir müssen weiter geradeaus, denken wir.
Irgendwann meckert H., dass die Autobahn echt einen tierischen Lärm mache. Autobahn?

Es stellt sich heraus, dass „geradeaus“ bedeutet hätte, einmal rechts abzubiegen, da der Weg eine große Linkskurve beschreibt - zu langgezogen, als dass wir sie bemerkt hätten. Und die Abbiegestelle ist auf einem Knick meiner Landkarte

Beim Versuch, wieder auf unseren Weg zu finden, irren wir etwas herum, schaffen es aber schließlich doch noch.
Die Hütte ist vom Typ „Bushäuschen“ und fast direkt am letzten Grundstück des Ortes, aber nicht einsehbar. Außerdem ist sie ziemlich verstaubt und es wimmelt von alten, staubigen Spinnweben, was wir beide nicht soo toll finden. Aber als wir mit ein paar Laubzweigen als Besenersatz sauber gemacht haben und dabei sehen, dass es keine Spinnen gibt, sind wir beruhigt. So richtig zur Dschungel-Fraktion gehören wir nicht.
Wir kochen Miraculi (IMMER am ersten Abend auf Tour



Apropos leichter: Wir stellen schnell fest, dass wir viel zu viel Lebensmittel mit haben. Jeder hat zu Hause trotz der Absprachen „zur Sicherheit etwas mehr“ eingepackt. Wir schätzen, dass wir locker eine Woche ohne einzukaufen unterwegs sein könnten. Nur die Flasche Wein für den zweiten Abend hat H. vergessen

Zweiter Tag: Steinbergen - Hohenstein
Unsere luxuriöse Bevorratung beschert uns am nächsten Morgen eine geradezu klassische Brotzeit als Frühstück:

Der Beginn dieser zweiten Etappe ist ein Kulturschock-Wechselbad. Eben noch zünftig gefrühstückt treffen wir schon nach wenigen Metern im Ort auf eine Bundesstraße mit sehr „romantischem“ Kiosk-Café. Die Kombinationsmöglichkeit „Toilette-Wasser-noch’n Kaffee-noch eine rauchen“ lässt uns dennoch hier kurz verweilen.

Kaum haben wir etwas später die Bundesstraßenkreuzung gekreuzt und sind einmal abgebogen, sieht die Welt aus, wie in Mittelgebirgs-Wanderers Traum:

Bild in groß
Nicht so sehr Wanderers Traum ist, dass wir beide Blasen haben. H. an der Ferse, ich unter dem Ballen. Ich hatte noch nie eine Blase und konnte das ihre Entstehung ankündigende Gefühl deswegen auch nicht zuordnen. Unabhängig davon war es natürlich idiotisch, barfuß in den Sandalen zu wandern. Das mache ich sonst auch nicht, aber in diesen „klassischen“ Tevas finde ich Socken immer ein bisschen unbequem, weil ich das Gefühl habe, sie verrutschen. Meine Lieblings-Wander-Sandalen (Teva Omnium) sind leider kaputt gegangen; ich beschließe, mir wieder solche zu kaufen.
Aber auch wenn wir ein bisschen fußlahm sind, genießen wir schöne Wege ...

... schöne Aussichten (Wesertal mit Schaumburg) ...

... schöne Pflanzen ...

... noch mehr schöne Wege ...

.. und schöne Pausen mit schönen Aussichten (nicht die Füße


Die Pause ist bei Rohdental. Hier holen uns mental unsere Versorgungswidersprüche ein: Wir haben zu viel zu Essen, aber zu wenig zu trinken! Ich habe zwar Gerät zur Wasseraufbereitung mit (Steripen), aber wir haben bisher eigentlich kein Oberflächenwasser gesehen (es kommen allerdings noch zwei Bäche). Wenn man so in der „Wildnis“ übernachtet braucht man aber am Schlafplatz ziemlich viel Wasser zum Kochen des Abendessens und für Café am nächsten Morgen. Außerdem wird uns mit näher kommendem Abend die nicht vorhandene Flasche Wein immer bewusster

Also fragen wir bei einem im Garten sitzenden, netten, älteren Paar nach Wasser und einer Tankstelle (es ist Sonntag!). Wasser bekommen wir reichlich und ich schleppe nun ein paar Kilo mehr herum. Aber Einkaufsmöglichkeiten gibt es nur in Auto-Entfernungen

Der Weg wartet nun auch mit einigen Überraschungen auf. Ja, da geht’s lang: einen halben Kilometer führt der Wesergebirgsweg (und der Niederlande-Harz) auf einer von sportlichen Motorradfahrern frequentierten Straße ohne Fußweg.

Die heutigen Kraftfahrzeugführer sind Wanderer auf Landstraßen wohl nicht mehr gewöhnt und versuchen erst gar nicht, Abstand zu halten


Die nächste Herausforderung ist der Anstieg von „Baxmanns Baude“ (welche leider nur bis 17:00 geöffnet ist, also schon zu hat) zum Hohenstein: auf 1 km Strecke überwindet man 160 Höhenmeter - in große Teile der Strecke sind denn auch Stufen eingebaut:

Für diese Plackerei am Ende des Tages werden wir aber auch mit diesem tollen Ausblick belohnt:

Bild in groß
Auf dieser Steinkarte sieht man, was man sieht:

(Anmerkung: Die Karte/Steinplatte ist rechteckig; um sie mit meinem Uralt-iPhone auf's Bild zu bekommen, habe ich ein Panorama-App benutzt, dass auf so kurze Distanzen natürlich für Verzeichnungen sorgt.)
Es ist so schön, dass wir beschließen, hier zu übernachten. Um die Ecke ist eine Hütte, in die wir, falls es regnen sollte, flüchten können.

Nebenbetrachtung 1:
Es gab einen feststellbaren Unterschied im morgendlichen Handeln: H. setzt ihren Vorsatz, ganz entspannt zu sein, von Tagesbeginn an um und frühstückt, ohne wirklich aufzustehen. Mir hingegen merkt man wohl an, dass ich im Urlaub jahrelang morgens eine komplette Zeltausrüstung für einen Erwachsenen und zwei Kinder abbauen und auf Räder verladen musste


Nebenbetrachtung 2:
Von unserer nicht ganz perfekten Verpfelgungsplanung habe ich oben schon erzählt. Nun, das sind die Vorräte, die wir am letzten Tag immer noch besitzen. Das rechte Beutelchen ist meins und ich habe es (wieder zu Hause) gewogen: 900 g. Das linke ist schwerer


Dritter Tag: Hohenstein - Bad Münder (Deisterbahnhof)
Wir kommen heute früh los und sind deswegen schon um 10 Uhr am Süntelturm. Die Wege dorthin sind zwar meist eher breit und eintönig, aber der Wald ist ein schöner Laubwald (wie auch gestern schon) und die Vögel veranstalten ein regelrechtes Festkonzert. Ganz am Anfang der Etappe sehen wir sogar eine Bache mit ihren Jungen im Unterholz nach Nahrung suchen und dann (erfreulicherweise von uns weg) davonstieben; etwas später erhaschen wir flüchtig den Blick auf ein Rotwild.
Die Bäume gucken uns auch an ...

... und am Weg stehen immer wieder alte Markierungssteine:

Ich mag diese Dinger irgendwie.
Kurz vor dem Süntelturm kommt dann auch mal wieder ein schöner, wenn auch steiler Pfad. Später begehen wir noch einen sehr ähnlich aussehenden Weg. Die sehen so idealtypisch nicht-befestigt aus, dass wir uns fragen, ob sie wohl angelegt wurden - wegen Premium-Wanderweg oder so ...

Hinter dem Süntelturm werden wir übrigens den Wesergebirgsweg verlassen. Wir haben keine Lust, am Ende durch eine relativ große Stadt (Hameln) zum Bahnhof zu gehen. Der Bahnhof von Bad Münder ist aus dem Süntel über Feldwege zu erreichen, ohne das man die Stadt selbst berührt.
Am Süntelturm gibt es das übliche gastronomische Programm dieser Tour: Café, Toilette, Zigarette und Wasser. Letzteres brauchen wir, um etwas später eine ausgedehnte Pause zu machen.

Ich probiere Müsli mit warmem Wasser - von dem ich dachte, dass es auf späteren Touren das Frühstück sein könnte - und stelle fest, dass ich es nicht mag. H. probiert „Süßer Moment Grießbrei“ - von dem sie dachte, dass sie es bestimmt nicht mag - und stellt fest, dass sie es lecker findet. Während ich ersteres esse und letzteres zubereite, liest H. mir ein paar Seiten aus „Also sprach Zarathustra“ vor, was der Situation etwas surreales verleiht. Dann trinken wir noch einen Café ... und schlafen erstmal noch ein halbes Stündchen.
Im weiteren Verlauf werden wir möglicherweise Opfer der neu angelegten Wege und unserer nicht mehr so ganz neuen Karte (von 1997), als wir an einer Kreuzung stehen, die es laut Karte gar nicht gibt


Es kommen nun Erschöpfung, öder Weg und leichtes Endspurtverhalten zusammen und lassen die letzten Kilometer im Süntel zu den unangenehmsten der Tour werden. Als wir es merken, nehmen wir das Tempo etwas raus. Beim Übergang zur offenen Landschaft bieten sich auch wieder andere Reize ...

... und kurz vorm Bahnhof findet H. noch nachträglich das Symbol für unsere gelungene Premiere einer „Mehrtageswanderung mit draußen schlafen“

Kommentar