[GR] Kreta - Die Insel des Zeus

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • bjoernsson
    Fuchs
    • 06.06.2011
    • 1863
    • Privat

    • Meine Reisen

    [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Auch wenn mein Urlaub auf Kreta auf Grund der Verkettung unglücklicher Umstände kein reiner Outdoorurlaub war, so möchte ich doch einen Bericht zu diesem Schreiben - war "Outdoor" doch trotzdem ein wichtiger Bestandteil des Urlaub. Und Kreta ist, wenn auch mit ein paar Einschränkungen, eine wunderschöne "Outdoorinsel", die hier noch viel zu wenig vertreten ist. Deshalb:

    Land: Griechenland
    Reisezeit: Oktober 2005
    Region/Kontinent: Südosteuropa/Mittelmeer

    Dienstag, 4. Oktober 2005

    Eigentlich wollten wir doch in diesem Urlaub etwas gegen unsere Vorurteile tun. Nach langem Hin und her hatten wir uns dieses Reiseziel als Mischung aus Natur und Kultur ausgesucht. Nachdem mir in „endlosen“ Stunden, die ich mit einer griechischen Kollegin verbracht habe, Griechenland als Reiseziel schmackhaft gemacht wurde („unberührte Natur“ und „ein interessantes kulturelles Erbe“ wurden mir „versprochen“), begann in mir tatsächlich die Idee zu wachsen, das Land per Rad zu entdecken. Interessante Naturreiseziele entdecke ich tatsächlich, auch viele der kulturellen Sehenswürdigkeiten locken mich zu meiner eigenen Überraschung. Und die Mythologie ist, wie ich feststelle, auch ein spannender Aspekt bei einer Reise durch Griechenland. Doch dann kam die erste Einschränkung meiner Kollegin: „Dafür solltest du aber Griechisch können – oder dir ein Ziel aussuchen, das touristisch erschlossen ist!“ Also weiter recherchiert: Welches Ziel ist touristisch so gut erschlossen, dass ich mich ohne Griechischkenntnisse verständigen kann – trotzdem groß genug, um es mit dem Rad nicht zu schnell vollkommen entdeckt zu haben und bietet neben Kultur (die es in Griechenland ja wirklich überall zu geben scheint) auch noch genug Naturerlebnisse? So komme ich auf Kreta: Laut Reiseführer eine wilde Bergwelt und traumhafte Strände, eine interessante Geologie, mit den Minoern die älteste Hochkultur Europas (deren Untergang von vielen Historikern als der Untergang des sagenumwobenen Atlantis interpretiert wird), viele weitere historisch interessante Stätte, dazu als Geburtsinsel des Göttervaters Zeus mit einer herausragenden Rolle in der griechischen Mythologie.

    „Kreta ist aber ganz schön bergig“, wendet Maike, mit der ich den Urlaub gemeinsam plane, ein. „Zu bergig, um es mit dem Rad zu erkunden!“, ergänzt sie noch.

    Beim Wälzen der Literatur über Kreta habe ich aber noch einen Fernwanderweg, den E 4, entdeckt, den ich als Trumpf ausspiele. Für mich zwar nur zweite Wahl – Fernwandern in Griechenland kann ich mir als Skandinavienfan gar nicht vorstellen – aber Maike gefällt der Gedanke. Und so buchen wir unsere Flüge. Von Elafonisi im Westen der Insel wollen wir ostwärts wandern, so weit wir kommen.

    Wenige Tage vor dem Abflug beginne ich zu zweifeln. Meine mündliche Diplomprüfung muss wegen einer Erkrankung des Prüfers kurzfristig verlegt werden – wir finden einen Termin kurz nach dem Urlaub. Soll ich wirklich die dicken Bücher über den E 4 schleppen? Die Frage beantwortet sich dann ganz kurzfristig von alleine: Nein. Maike verletzt sich beim letzten Tanztraining vor dem Abflug an der Leiste, ein Tragen des schweren Rucksacks ist unmöglich, selbst beim Gehen hat sie manchmal Schmerzen. Also organisieren wir uns einen Mietwagen, wir wollen (oder besser gesagt: müssen...) Kreta nun mit dem Auto bereisen. Ganz glücklich sind wir beide darüber nicht – aber wir wollen es mit Tageswanderungen versuchen, und auch das Zelt bleibt im Gepäck. Wir trösten uns: „Dank“ Auto haben wir die Chance, mehr von Kreta zu sehen – und auch die Chance, zu den bedeutenden Kultursehenswürdigkeiten zu kommen, die nicht direkt am E 4 liegen.

    Also besteigen wir früh morgens um kurz vor 6:00 Uhr in Frankfurt das Flugzeug mit gemischten Gefühlen. Diese schlagen noch weiter in Richtung „Dieser Urlaub war eine einzige Fehlentscheidung“ um, als ich mich umgucke: Rund um uns herum sitzen typische „Pauschalurlauber“. Diese passen so gar nicht zu dem, was wir uns von einem Urlaub erwarten. Stattdessen wird mein doch stark von Vorurteilen geprägtes Bild von Kreta als Urlaubsziel für „Strandlieger“ und „Alte-Steine-Gucker“ (das „Alte“ hat dabei durchaus doppelte Bedeutung...) bedient.

    Ein wenig Erleichterung am Flughafen, als wir doch noch ein junges Paar entdecken, dass mit uns aus dem Flugzeug steigt. Und nicht nur das: Sie tragen Wanderstiefel. Ein kurzes Gespräch am Gepäckband bestätigt unsere Vermutung: Die beiden wollen auf dem E 4 wandern. Sie haben im letzten Jahr damit begonnen und fanden den Weg so schön, dass sie ihn nun fortsetzen möchten. Als die zwei ihre Rucksäcke vom Gepäckband nehmen, überkommt mich dann doch ein wenig Neid!

    Wenig später halten wir die Schlüssel zu unserem Mietwagen in den Händen – und wir stürzen uns in den Trubel des kretischen Straßenverkehrs. In Hania herrscht das reinste Verkehrschaos. Zweispurige Straßen werden drei- bis vierspurig befahren, die Ampeln haben keine Bedeutung. Ich lasse mich auf das Spiel ein, in der Hoffnung, das alles gut geht. Und schnell stelle ich fest: Nur so haben wir eine Chance, vorwärts zu kommen. Trotzdem sind wir froh, als die Stadt hinter uns liegt und die Straße frei wird.

    Doch hier eröffnet sich ein anderes Problem – die Ortsnamen auf den Ausschilderungen. Teilweise nur in griechischen Buchstaben, und da, wo uns bekannte Zeichen zu erkennen sind (was meistens der Fall ist), unterscheidet sich die Schreibweise der meisten Orte doch von der, wie wir sie in unserer Karte vorfinden – und hier unterscheidet sich die Schreibweise wieder von der in unseren Reiseführern, die auch nicht einheitlich ist... Ein wenig Fantasie gehört also zur Orientierung dazu. Aber, na gut, so bekommen wir wenigstens ein bisschen Abenteuer. Und Maike meistert ihre Aufgabe des Kartenlesens mit Bravour – in zwei Wochen verfahren wir uns nur ein mal kurz hinter Hania (also heute).

    Wir fahren immer nach Süden, in die Levka Ori, die Weißen Berge. Wie diese zu ihrem Namen kommen, ist umstritten. In manchen Reiseführern liest man, dass dies mit der bis in den Frühsommer hinein anhaltenden Schneebedeckung der höchsten Gipfel zu tun hat. Andere verweisen auf das Kalkgestein, das in der Sonne weiß schimmert. Uns ist es egal wie es zu dem Namen kam – Schnee liegt keiner mehr, und ein „weißes Schimmern“ des Kalkgesteins können wir nicht registrieren.

    Auf dem Weg in die Levka Ori queren wir kurz einen schönen Kiefernwald – ansonsten sieht die Vegetation sehr „strapaziert“ aus. So auch in der stark landwirtschaftlich genutzten Oropedio Omalou, der Omalos-Hochebene, auf rund 1.100 Metern Höhe. Das die Hochebene von 1669 bis 1898 die Hochburg des kretischen Widerstands gegen die türkische Besetzung war (und nie von den Türken erobert werden konnte – also irgendwie ein „kleines gallisches Dorf“ auf Kreta war), sieht man ihr heute nicht mehr an. Geologisch betrachtet ist diese Hochebene jedoch sehr interessant. Die Levka Ori bauen sich aus verschiedenen Kalkschichten, sogenannten Serien, auf. Zwischen der Plattenkalk- und der Tripolitza-Serie (beides sind sehr leicht verwitternde Serien, die auf Grund chemischer Lösungsprozesse verkarsten, was zu einem schnellen Versickern der Niederschlags- und Schmelzwasser führt), liegt ein dünnes Band aus wasserundurchlässigem Kalkschiefer. Dieses dient als Quellhorizont: Nahezu das gesamte Wasser, das oberhalb im Kalkgestein versickert, tritt hier wieder ans Tageslicht. Dieses austretende Quellwasser dichtet durch tonige und sandige Sedimente den verkarsteten Untergrund ab, die dabei entstehenden Ebenen werden als Poljen bezeichnet. Nur an wenigen Stellen kann das Wasser in feinen Klüften, sogenannten Ponoren, ablaufen. Die Oropedio Omalou, die größte Polje in den Levka Ori, entwässert nach Süden, wo sich die beeindruckende, tief eingeschnittene Faragi Samarias, die Samaria-Schlucht, gebildet hat. Diese wollen wir in den nächsten Tagen besuchen.


    Blick in die Oropedio Omalou.

    Der Vorteil an so frühen Flügen ist ja, dass man am Urlaubsort angekommen noch fast einen ganzen Urlaubstag genießen kann. Und so möchten wir heute zunächst von der Oropedio Omalou aus auf dem E 4 in Richtung Osten wandern. Wir parken unseren Mietwagen daher am Eingang in die Faragi Samarias, Xiloskalo – und müssen erschreckt feststellen, dass die Schlucht „zur Zeit geschlossen“ ist. Na ja, das soll uns heute erst einmal nicht bekümmern.

    Auf einem schmalen Pfad wandern wir, zunächst kurz an der Grenze des Samarias-Nationalparks entlang, zum E 4. Auf der Nationalparkgrenze verläuft ein Zaun – der dringend nötig zu sein scheint. Auf unserer Seite des Zauns wachsen kaum grüne Pflanzen, den Büschen fehlen die Blätter (die „Übeltäter“ sind schnell ausgemacht: Ziegen), jenseits des Zauns hingegen scheint die Vegetation intakt.


    Colchicum cretense - eine auf Kreta endemische Zeitlose.

    Der E 4 erweist sich in diesem Teilstück als breiter „Wirtschaftsweg“, der sich ziemlich langweilig durch eine wenig spektakuläre Gebirgslandschaft zieht. Ursprünglich wollte man hier eine Straße bauen, die Hora Sfakion, einen kleinen Fischerort an der Südküste, mit Oropedio Omalou verbindet. Die Proteste von Naturschützern konnten dies nicht verhindern, erst die explodierenden Baukosten setzten dem Projekt ein Ende. Was bleibt, ist eine ziemlich unansehnliche Schneise durch die Einsamkeit der Levka Ori.

    Erst ab der vom griechischen Bergsteigerverband EOS betrieben Kallergi-Hütte, die, wie wir später feststellen, wie ein Adlernest auf einem steilen Felssporn thront, wird der Weg abwechslungsreicher. Wir nähern uns wieder – am Zaun erkennbar – der Nationalparkgrenze und können spektakuläre Tiefblicke in die Schlucht genießen. An einer Stelle befindet sich ein Plumpsklo. Und hier plumpst es wirklich, wie wir bei einem Blick durch die „Schüssel“ in die Tiefen der Samaria-Schlucht feststellen.


    Die Kallergi-Hütte über der Faragi Samarias.


    Der Gingolos erhebt sich über den fast senkrechten Felswänden der Faragi Samarias.


    Blick in die Faragi Samaris.

    Als wir die Schäferhütten von Bouria erreicht haben, können wir den breiten „Wirtschaftsweg“, der sich noch weiter durch die Levka Ori gen Osten zieht, verlassen. Wir wandern nun auf einem schmalen Pfad, der zum Gipfel des 1.810 Meter hohen Psari ansteigt. Maike bricht den Aufstieg auf Grund ihrer Verletzung, die ihr auf diesem Stück zu schaffen macht, relativ bald ab. Sie sucht sich im Schatten einer vom Wind geformten Zeder einen Platz mit Blick in die Samria-Schlucht, während ich weiter aufsteige. Vom Gipfel des Psari genieße ich dann einen herrlichen Blick über die Faragi Samarias auf die Gipfel von Gingilos (2.080 Meter) und Volakias (2.116 Meter), die die Schlucht im Westen überragen. Im Osten fallen mir die Felsbänder des Mavri, 1.828 Meter hoch, ins Auge. Eigentlich sollte dieser Gipfel unser Tagesziel sein, und mich „juckt“ es auch in den Füßen, weiter aufzusteigen. Mir hat der Pfad ab Bouria sehr gut gefallen (schmal, gut markiert – unser Reiseführer verrät uns, dass dies dem aus Österreich stammenden Wirt der Kallergi-Hütte zu verdanken ist) – und die weiteren Meter sehen auch sehr verlockend aus. Doch mit Rücksicht auf Maike – und dem Wissen, dass auf dem Gipfel des Mavri mit der Verlockung weiter zu wandern nicht Schluss sein würde – zerstreue ich diese Gedanken schnell wieder und begebe mich stattdessen auf den Rückweg.


    Kalkfelsen am Aufstieg zum Psari.


    Vom Wind geformte Zeder am Aufstieg zum Psari.


    Blick vom Psari auf den Mavri.

    Auf einer serpentinenreichen Straße setzen wir unsere Fahrt nach Paleochora, einem gemütlichen Ort an der Südküste Kretas, fort. Dort steuern wir umgehend den Campingplatz an – doch sind wir deutlich vor Öffnung der Rezeption dort. So spazieren wir über die wenig befahrene Straße zurück in den Ort, um dort einen Supermarkt zu suchen – und zu finden. Unsere Vorräte haben wir schnell zusammen. Doch was ist mit Spiritus, den wir für unseren Kocher brauchen? Meine Kollegin hat mir das Wort zwar aufgeschrieben, aber weder gesprochen noch (leider nur in lateinischen Schriftzeichen) aufgeschrieben verstehen die VerkäuferInnen, was wir suchen...

    Wir entschließen uns, dies zunächst einmal so hinzunehmen. Irgendwie werden wir schon an Spiritus kommen! Und tatsächlich: Zurück am Campingplatz, immer noch viel zu früh, wird die Rezeption für uns geöffnet und wir werden freundlich begrüßt. Der Campingplatzbesitzer stellt sich als deutscher Auswanderer, „Camping-Peter“, vor. Wir schildern ihm unser Spiritusproblem. „Wartet, ich habe da noch eine angebrochene Flasche. Die haben neulich Camper hier zurückgelassen, weil sie den Spiritus im Flugzeug nicht transportieren dürfen. Mit der solltet ihr zumindest noch ein paar Tage hinkommen.“ Und tatsächlich, für zwei bis drei Tage dürfte der Spiritus noch reichen. Als wir mit der Flasche am nächsten Tag wieder im Supermarkt stehen, weiß man auch sofort, was wir suchen – und man holt uns eine Flasche aus dem „Hinterzimmer“.

    Müde schlagen wir unser Zelt zwischen alten Ölbäumen auf, dann genießen wir die Wärme der Sonne. Schnell sind wir uns einig, dass wir heute keine Lust mehr zum Kochen haben. Stattdessen setzen wir uns auf die Terrasse des kleinen Restaurants, das zum Campingplatz gehört. Das Essen ist gut, doch die anderen Gäste – alles deutsche Auswanderer – stören uns ein wenig. So bleiben wir nicht lange sitzen, sondern verabschieden uns früh in unser Zelt.
    Zuletzt geändert von bjoernsson; 15.07.2012, 19:28.

  • SavinKuk
    Erfahren
    • 13.06.2012
    • 211
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

    Landschaftlich sicher sehr beeindruckend. Allerdings mag ich diese kargen Mittelmeerlandschaften von meinen Reisen auf dem Balkan und Korsika ohnehin sehr gerne.

    Kommentar


    • Abt
      Lebt im Forum
      • 26.04.2010
      • 5726
      • Unternehmen

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

      Griechenland mit seinen unbekannten Gebirgen verschließt sich mir leider auch durch ähnliche Probleme mit Schrift und Sprache. Daher ist es interessant, hier in deinem Bericht etwas aus dieser Region zu erfahren.
      Du hast m.E. sehr gut diese geologische Formation beschrieben. Ich will jedoch hier deinen Ausführungen nichts vorwegnehmen und verfolge deinen Bericht weiter...

      Kommentar


      • bjoernsson
        Fuchs
        • 06.06.2011
        • 1863
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

        @ SavinKuk: Der Vergleich zu Korsika (ist meines Wissens nach aber bewaldeter als Kreta) und dem Balkan fehlt mir bislang leider. Persönlich habe ich allerdings ein wenig mehr Wälder (wie wir sie später noch erlebt haben) allerdings vermisst. Irgendwie sieht man der Landschaft an, dass da mehr möglich wäre...

        @ Alibotusch: Das Problem mit Schrift und Sprache hat sich - zumindest auf Kreta - nicht als so problematisch erwiesen, wie ich es befürchtet hatte. Das dürfte aber durchaus daran liegen, dass Kreta sehr touristisch ist. Auf der anderen Seite haben wir selbst in entlegenen Bergdörfern oft Kreter getroffen, die sehr gut Deutsch sprachen, da sie eine Zeit lang in Deutschland gelebt hatten oder Verwandschaft in Deutschland haben. Generell war die Verständigung mit Deutsch deutlich einfacher als mit Englisch (oder einer anderen der der drei Sprachen, mit denen wir es hätten versuchen können). Und bis auf ganz wenige Ausnahmen zeigten sich die Kreter auch alle sehr hilfsbereit und freundlich - was mir durchaus das Gefühl gegeben hat, dass ein individueller Outdoor-Urlaub auch in anderen Teilen des Landes möglich sein müsste.

        Kommentar


        • bjoernsson
          Fuchs
          • 06.06.2011
          • 1863
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

          Mittwoch, 5. Oktober 2005

          Als hätte uns das frühe Aufstehen gestern nicht gereicht, brechen wir heute schon vor Tagesanbruch auf. Wir wollen durch die Samaria-Schlucht wandern (beim Einchecken auf dem Campingplatz hatten wir „Camping-Peter“ gestern noch gefragt, ob die Schlucht heute wieder geöffnet wäre – was er vermutete), der Bus fährt bereits um sechs Uhr morgens. Doch als wir in einer (für die Uhrzeit schon erschrocken verrauchten) Mischung aus Kiosk und Taverne die Fahrkarten kaufen wollen, erklärt uns der Verkäufer in gebrochenem Englisch, dass heute kein Bus fahren würde (obwohl dieser schon vor der Tür steht). Ein weiterer Kreter, der ein wenig Deutsch spricht, kommt hinzu und klärt uns auf: Die Faragi Samarias ist nach einem Steinschlag, in dessen Folge sich der durch die Schlucht fließende Bach auf voller Breite zwischen den Felswänden aufgestaut hat, gesperrt. Wir sollten morgen wiederkommen – dann sei man mit den Arbeiten zur Wiederherstellung des Weges fertig.

          Wir bedanken uns für die Information – müssen nun aber eine Alternative für den Tag finden. Auf dem Rückweg zum Campingplatz sprechen wir einige Ideen durch – und entscheiden uns schließlich, den Aufstieg auf den 2.080 Meter hohen Gingilos zu wagen. Der Sage nach stellte Zeus seinen Thron auf diesem Gipfel auf, wenn er den Streitereien der anderen Götter am Olymp überdrüssig wurde. Der Aufstieg beginnt bei Xiloskalo (dem Eingang in die Samaria-Schlucht) auf 1.227 Metern. Also setzen wir uns ins Auto und fahren die zahlreichen Serpentinen hinauf in die Levka Ori.


          Sonnenaufgang über der Faragi Samarias.

          Kurz nach Sonnenaufgang kommen wir bei Xiloskalo an. Die Luft ist angenehm kühl (fast schon kalt), als wir den Aufstieg beginnen. Zunächst geht es über die Terrasse des „Hotel Xenia“ (das, da im Nationalpark liegend, keine Übernachtungen mehr anbieten darf), von der aus sich ein schöner Blick auf unser Tagesziel, das jetzt noch von schönstem Morgenlicht angestrahlt wird, bietet. Direkt danach geht es auf einem schmalen Pfad meist aufwärts. Maike geht den Anstieg sehr langsam an, ich habe unser gesamtes Gepäck auf dem Rücken. So werden wir zwar von zahlreichen Wanderern (oft in geführten Gruppen) überholt – aber wir schaffen es bis auf den Gipfel. Zunächst wandern wir durch eine Landschaft aus Felsen und bizarr von Wind, Schnee und Steinschlägen geformten Zedern, immer wieder bietet sich ein schöner Blick in die Faragi Samarias und auf die östlich gelegenen Berge der Levka Ori. Wir passieren ein Felsentor, Spilion tou Xepitira, das mich ein wenig an den Arches National Park in den USA erinnert. Schließlich verliert sich der zuvor deutlich erkennbare Pfad im Fels, in leichter Kletterei durch schroffes Kalkgestein folgen wir den gut sichtbaren Markierungen weiter aufwärts. Direkt am Weg liegt ein 150 Meter senkrecht in die Tiefe fallender Höhlenschacht, der nach einem tödlich verlaufenen Unfall 1997 mit einem ziemlich wackeligen und alles andere als Vertrauen weckenden Zaun abgesichert wurde.


          Im Aufstieg zum Gingilos.

          Als wir den Gipfel erreicht haben, möchte sich Maike zunächst ausruhen (die Leistenverletzung hat ihr im Aufstieg doch mehr zu schaffen gemacht, als sie sich selbst eingestehen wollte), während ich mich ein wenig umschaue. Ich bin begeistert von einer großen Einsturdoline im Gipfelbereich, die zum Klettern zwischen mächtigen Felsblöcken einlädt. Eine Doline ist eine durch chemische Lösungsprozesse im Kalkstein entstandene Hohlform. Bei einer Einsturzdoline fand dieser Lösungsprozess unterirdisch statt. Schließlich stürzte das über dem Hohlraum liegende Gestein ein – eine Einsturzdoline hat sich gebildet.


          Tiefblick in die Faragi Samarias.


          Wolkenstau an den Levka Ori.


          Ein Wolkenmeer hinter der Oropedio Omalou.

          Auch den Ausblick kann ich genießen. Vor mir geht es steil hinunter in die Faragi Samarias. Im Norden breitet sich unter uns ein Wolkenmeer aus. Etwas weiter im Südosten lockt der noch einmal 36 Meter höhere Gipfel des Volokias. Zurück bei Maike überlegen wir, ob wir diesen noch „mitnehmen“ sollen – doch Maike möchte sich nur noch den Gipfelbereich des Gingolos anschauen und danach wieder absteigen. Ich akzeptiere schweren Herzens ihren Wunsch, bleibe in der Zwischenzeit bei unserem Rucksack sitzen. Immer wieder treffen neue Wandergruppen, selten auch Einzelwanderer, auf dem Gipfelplateau ein. Als Maike zurück ist, begeben wir uns an den Abstieg.


          Abstieg vom Gingilos.


          Abstieg vom Gingilos mit Blick in die Faragi Samarias.

          So sind wir schon am frühen Nachmittag wieder am Auto. Schon nach wenigen Metern umgibt uns dichter Nebel – wir befinden uns im Wolkenmeer, dass wir vom Gingilos aus sehen konnten. Doch die Levka Ori erweisen sich als gute Barriere – zurück in Paleochora lacht die Sonne von einem strahlend blauen Himmel.

          Wir nutzen den Rest des Tages zum Einkaufen und für einen kleinen Stadtbummel, bevor wir uns auf den Campingplatz zurückziehen, wo wir mit dem frisch erstandenen Spiritus unser erstes selbstgekochtes Abendessen auf Kreta zubereiten. Den Tag lassen wir dann gemütlich vor dem Zelt liegend ausklingen.
          Zuletzt geändert von bjoernsson; 15.07.2012, 19:28.

          Kommentar


          • SavinKuk
            Erfahren
            • 13.06.2012
            • 211
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

            Zitat von bjoernsson Beitrag anzeigen
            @ SavinKuk: Der Vergleich zu Korsika (ist meines Wissens nach aber bewaldeter als Kreta) und dem Balkan fehlt mir bislang leider. Persönlich habe ich allerdings ein wenig mehr Wälder (wie wir sie später noch erlebt haben) allerdings vermisst. Irgendwie sieht man der Landschaft an, dass da mehr möglich wäre...
            .
            Ja, durchaus möglich. Insbesondere auf dem vorletzten Bild sieht es schon sehr nach Wüste aus. Allerdings hat auch eine solche Landschaft ihren Reiz.

            Kommentar


            • bjoernsson
              Fuchs
              • 06.06.2011
              • 1863
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

              Zitat von SavinKuk Beitrag anzeigen
              Ja, durchaus möglich. Insbesondere auf dem vorletzten Bild sieht es schon sehr nach Wüste aus. Allerdings hat auch eine solche Landschaft ihren Reiz.
              Damit hast du durchaus Recht. Das ist für mich auch okay, wenn ich mich jenseits der Baumgrenze befinde. Wenn man aber - und jetzt übertreibe ich ein wenig! - aber schon auf Meereshöhe nach Bäumen suchen muss, ist das einfach schade. Allerdings muss ich der Fairness halber durchaus zugeben, dass man sich auf Kreta zumindest in einigen Regionen bemüht, die Wälder wieder aufzuforsten. In wie weit das von Erfolg gekrönt ist, ist mir allerdings nicht bekannt.

              Kommentar


              • bjoernsson
                Fuchs
                • 06.06.2011
                • 1863
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                Donnerstag, 6. Oktober 2005

                Und wieder stehen wir um kurz vor 6:00 Uhr in dem verrauchten Tavernen-Kiosk. Und tatsächlich: Heute verkauft man uns eine Fahrkarte zur Samaria-Schlucht, die auch wieder geöffnet sein soll. Wir vertrauen dem Verkäufer und setzen uns in den überraschend sauberen und bequemen Bus. Pünktlich um 6:00 Uhr schließt der Fahrer die Türen und braust (mit einem „Affenzahn“) los. Welch ein Glück, dass es noch dunkel ist – so sieht man nicht, welche Abgründe sich rechts von der Straße öffnen. Mitten im Niemandsland, nach einer knappen halben Stunde, fährt der Bus dann auf eine ebene Fläche. Der Busfahrer stellt den Motor aus und verlässt, ohne ein Wort zu sagen, sein Gefährt. Wir Fahrgäste schauen uns fragend an.

                Irgendwann gesellt sich ein zweiter Bus dazu, „spuckt“ ein paar Fahrgäste aus, die bei uns einsteigen, und fährt weiter. „Na gut, hier ist ein Umsteigeplatz“, denken wir uns und rechnen damit, dass es nun weiter geht. Aber da haben wir uns geirrt. Der Bus bleibt stehen. Und bleibt stehen. Und bleibt stehen.

                Nach einer guten halben Stunde steigt der Busfahrer wieder ein – und setzt die rasante Fahrt (nun bei Tageslicht) fort. Als wir Xiloskalo erreichen, ist dort schon einiges los. Obwohl etwa eine halbe Stunde früher als gestern aufgebrochen, sind wir fast eine Stunde später angekommen...

                Hier stehen wir nun also am Eingang in die Samaria-Schlucht, „das“ Highlight auf Kreta, das wohl „jeder“ Urlauber auf der Insel einmal besucht haben „muss“ (zumindest wenn man sich zwischen Anfang Mai und Mitte Oktober auf der Insel befindet – den Rest des Jahres ist diese geschlossen). Bis zu 3.000 Wanderer täglich begeben sich auf die fast 17 Kilometer lange Tour durch die mit 14.300 Metern angeblich längste Schlucht Europas. Passt das zu den Gerüchten, die wir im Vorfeld gehört haben? „Um das letzte Schiff zurück zu erreichen, dürft ihr keine Pause machen!“

                Maike hat zwar nach unserer gestrigen Tour noch immer Leistenschmerzen. Doch wir hoffen, dass die heutige Wanderung, die eigentlich nur bergab führt, für sie machbar ist. So entrichten wir unsere Eintrittsgebühr und begeben uns – wie mindestens tausend anderer Wanderer an diesem Tag auch (von denen einige wenige nur ein paar Meter in die Schlucht absteigen, dann wieder umdrehen und uns keuchend entgegen kommen) – über den Xiloskalo („Holzleiter“) genannten Weg an den Abstieg durch die Faragi Samarias ans Mittelmeer. Der Name Xiloskalo stammt aus der Zeit der türkischen Besatzung, als kretische Partisanen die Oropedio Omalou über die nur schwer zugängliche Faragi Samarias versorgten. Die letzten Höhenmeter wurden dabei auf Holzleitern zurückgelegt. Mittlerweile ist der Weg jedoch breit und mit Stufen versehen, viele Wanderer (teilweise in Badesandalen) verhindern das Gefühl, das normalerweise in uns aufkommt, wenn wir ein großartiges Naturschauspiel (das die Faragi Samarias zweifelsohne ist) erleben. Dies soll sich leider bis zum Ende der Wanderung fortsetzen, was unsere Stimmung und gute Laune an diesem Tag auch ein wenig trüben wird. Hier ist für unser beider Geschmack einfach zu viel los!

                Ich versuche, die Menschenmassen auszublenden und die Wanderung sowie die Natur um mich herum zu genießen (was leider nicht immer gelingt): den Duft von Kiefernharz im Sonnenlicht, der Blick auf unser gestriges Gipfelziel, den Gingilos, der sich mit scheinbar senkrechten Felswänden über der Faragi Samarias erhebt, die Kühle und das Gluckern eines kleinen Baches, den wir überqueren.


                Ein Felsmuster am Wegesrand.


                Eine schattige "Oase" in der oberen Faragi Samarias.


                Der Kiefernwald gibt den Blick auf die Felswände der Faragi Samarias frei.


                In der Faragi Samarias.

                Dann erreichen wir die Kapelle Agios Nikolaos. Hier, an einem Rastplatz, steht der erste Parkwächter, ausgerüstet mit einem Erste Hilfe-Set, und ermahnt die Wanderer, den Weg nicht zu verlassen. Das er selber trotz Rauchverbots im gesamten Nationalpark eine glühende Zigarette im Mundwinkel hängen hat, erscheint dabei schon etwas inkonsequent. Dafür entdecken wir unweit der Kapelle eine der seltenen Kretischen Wildziegen (auch als Agrimi oder Kri-Kri bezeichnet). Dabei handelt es sich um eine Unterart der in Asien beheimateten Bezoarziege. Die Bezoarziege ist die Stammform der vor etwa 10.000 Jahren domestizierten Hausziege. Die Kretische Wildziege wurde von den Minoern vor etwa 4.000 Jahren auf Kreta eingeführt und ging aus verwilderten Hausziegen hervor. Auf dem kretischen „Festland“ kommt die Kretische Wildziege nur noch in der Faragi Samarias vor (außerhalb wird sie illegaler Weise bejagt), wo sie jedoch durch Vermischung mit Hausziegen bedroht ist. Deshalb hat die griechische Forstverwaltung auf drei kleinen Inseln vor der kretischen Küste „Wildziegenreservate“ eingerichtet, wodurch der Bestand, der auf maximal 2.000 Tiere geschätzt wird, gesichert scheint.


                Kretische Wildziege.

                Der Wanderweg flacht nun deutlich ab, und die Wanderung in dem weiten Tal auf einem breiten, gut ausgetretenen Pfad ist fast etwas langweilig. Schließlich erreichen wir das ehemalige Dorf Samaria, das der Schlucht und dem Nationalpark seinen Namen gab. Bis zur Ausweisung des Nationalparks 1962 war das Dorf bewohnt. In der Abgeschiedenheit lebten die Bewohner angeblich mit eigenen Gesetzen, zu denen unter anderem die Blutrache gezählt haben soll, wodurch die Faragi Samarias auch als „Tal der Gesetzlosen“ galt. Mit der Unterschutzstellung der Schlucht wurden die Bewohner des Dorfes nach Agia Roumeli am Ausgang der Schlucht umgesiedelt.


                Ölbaumterrassen in der Nähe der verlassenen Ortschaft Samarias.

                Das Dorf Samarias dient heute als Stützpunkt der Nationalparkverwaltung, hier trifft man auf Parkwächter und Sanitäter. Es gibt Toiletten (was dazu führt, dass der Wanderweg von nun an auf weiten Strecken von einem Abwasserrohr „begleitet“ wird), mehrere Rastplätze und Mülleimer. An den Mülleimern entdecken wir weitere Kretische Wildziegen, die diese auf für sie wohl wenig geeignete Nahrung durchsuchen.

                Uns hält es daher nicht lange im Ort und wir wandern schnell weiter, vorbei an der verschlossenen Kapelle Christos am rechten Wegesrand. Ein Abstecher führt zur Kapelle Ossia Maria, die auf der anderen Seite des durch die Schlucht fließenden Flusses liegt. Obwohl dieser an dieser Stelle kein Wasser führt, finde ich keine Möglichkeit, das tief eingeschnittene Flussbett zu queren. Die Kapelle Ossia Maria stammt aus dem Jahr 1379 und ist einer aus Ägypten stammenden Heiligen namens Maria gewidmet. Die Kapelle kam zunächst dem Dorf, schließlich der Schlucht und letztendlich dem Nationalpark seinen Namen.


                In der unteren Faragi Samarias.

                Nun verengt sich die Schlucht nach und nach, der Weg wird, obwohl immer flacher, etwas anspruchsvoller. Immer wieder überqueren wir Geröllhalden, die von vergangenen Steinschlägen und Bergstürzen erzählen. Der jüngste, der, wie wir ja bereits gestern erfahren hatten, zu einer mehrtägigen Sperrung der Schlucht geführt hat, hat den Fluss tatsächlich auf der gesamten Breite und beachtlich tief aufgestaut. Auf einer hölzernen Stegkonstruktion an der rechten Schluchtwand überqueren wir dieses Hindernis.


                Auf einem hölzernen Steg überquert man das durch einen Felssturz entstandene natürliche Staubecken.

                Wenig später erreichen wir die engste Stelle der Faragi Samarias, die Sideroportes („Eiserne Pforte“). Die Schlucht ist hier nur noch drei Meter breit, dafür ragen mehrere hundert Meter hohe Felswände fast senkrecht, teilweise überhängend, scheinbar bis in den Himmel.


                Sideroportes - die engste Stelle der Faragi Samarias.

                Kurz darauf sind wir am Ausgang der Schlucht. Hier endet der Nationalpark, stattdessen durchwandert man das durch ein Hochwasser 1952 teilweise zerstörte und dann verlassene Dort Agia Roumeli. Die Ruinen sind unschön eingezäunt, was wohl ein Herumstreifen der Touristen in den Häusern verhindern soll. Die Bewohner bauten Agia Roumeli direkt am Meer neu auf. Hier begrüßt uns dann der „ganz normale Touristenwahnsinn“: Kioske, Imbisse, Restaurants, fliegende Händler. Wir setzen uns an den Strand und warten dort auf die Personenfähre, die uns entlang der eindrucksvollen Steilküste zurück nach Paleochora bringt.

                Nachdem wir uns geduscht haben, spazieren wir noch einmal in den Ort. Dieser wird abends für den motorisierten Verkehr gesperrt. Direkt auf der Hauptstraße warten nun Tische und Stühle auf hungrige Gäste. Wir sind zwei davon und suchen uns eine urige Taverne aus, in der wir hervorragend speisen und trinken. Erst lange nach Einbruch der Dunkelheit schlendern wir mit einem schönen Blick auf einen von Sternen übersäten Himmel zurück zum Zelt.
                Zuletzt geändert von bjoernsson; 15.07.2012, 19:30.

                Kommentar


                • vinne90
                  Gerne im Forum
                  • 26.04.2010
                  • 82
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                  Hi,

                  ein sehr schöner Bericht, der einem ein hier kaum bekanntes Gebiet abbildet. Auch wenn's kein reiner Outdoorurlaub war, kann man schon das Potential der Gegend erkennen. Das macht Lust auf mehr!

                  Deine geologischen Ausführungen sind sehr gut untergebracht -es ist doch immer schön, wenn nicht nur von Steinen die Rede ist.

                  Gruß,
                  Vincent
                  vinne90-Blog&Bilder

                  Kommentar


                  • bjoernsson
                    Fuchs
                    • 06.06.2011
                    • 1863
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                    Freitag, 7. Oktober 2005

                    Wir beginnen den Tag wie gefühlte 99 Prozent aller Kretaurlauber: Wir schlafen aus. Doch anders als für diese gefühlten 99 Prozent sitzen wir schon um 7:00 Uhr vor dem Zelt und frühstücken. Dabei überlegen wir, wie wir den heutigen Tag gestalten.

                    Ich reiche zwei Vorschläge ein. Zum Einen hat der Blick auf die Küste gestern in mir den Wunsch aufkommen lassen, zumindest eine Tageswanderung über die Küstenvariante des E 4 zu machen. Dafür würde es sich anbieten, mit dem Schiff nach Sougia zu fahren und von dort nach Paleochora zurückzulaufen. Zum Anderen locken mich die Schluchten – es gibt etwa 20 große – in den Levka Ori, die im Schatten der Faragi Samarias „Einsamkeit“ versprechen. Einige Historiker verorten das Labyrinth des Minotaurus in den Schluchten der Levka Ori. Und damit befänden wir uns wieder mittendrin in der griechischen Mythologie:

                    Zeus zeugte mit seiner Gattin Europa unter anderem einen Sohn, Minos, dem er die Kunst des Regierens lehrte. Minos wird daraufhin Alleinherrscher über Kreta. Von seinem Onkel Poseidon wünscht er sich einen weißen Stier aus dem Meer, den er zum Dank opfern möchte. Doch der Stier gefällt ihm so gut, dass er ihn heimlich in einer Rinderherde versteckt und stattdessen einen gewöhnlichen Stier opfert. Als Poseidon der Schwindel auffällt, rächt er sich an Minos: Er lässt Minos’ Gattin, Pasiphae, sich in den Stier verlieben. Dädalos, ein Alleskönner, baut Pasiphae ein Gestell, über das er eine Kuhhaut spannt. Dieses stellt er auf die Weide, auf der der Stier weidet. Als dieser die vermeintliche Kuh erblickt, begattet er diese. Daraus geht Minotaurus, ein Junge mit einem riesigen Stierkopf, hervor. Minos, der den Betrug errät, lässt Minotaurus auf Wunsch seiner Tochter Ariadne am Leben, sperrt ihn jedoch in ein riesiges, von Dädalos entworfenes Labyrinth. Währenddessen kommt es auf dem griechischen Festland zu einer Bluttat. Herakles, ein weiterer Sohn von Zeus, tötet seine Kinder. Zur Wiedergutmachung trägt ihm das Orakel von Delphi zehn Heldentaten, unter anderem das Einfangen des kretischen Stiers, auf. Dies gelingt ihm, er bringt das Tier auf die bei Athen liegende Halbinsel Peloponnes. Dort entflieht der Stier, es wird eine Hetzjagd auf ihn eröffnet. Dabei wir Androgeos, ein Sohn von Minos, getötet, was zum Krieg zwischen Kreta und Athen führt. Minos kann diesen Krieg gewinnen und verlangt von nun an, dass alle neun Jahre sieben Athener Jünglinge und sieben Athener Jungfrauen Minotaurus geopfert werden sollen. Bei der dritten Fahrt geht Theseus, der Minotaurus töten möchte, mit an Bord. Bei der Ankunft auf Kreta verliebt sich jedoch Minos’ Tochter Ariadne in Theseus. Dädalos gibt ihr den Tipp, Theseus einen langen Bindfaden, der ihn aus dem Labyrinth herauslotsen soll, sowie Pillen aus Pech und Haaren, die Minotaurus kampfunfähig machen, mitzugeben. So schafft es Theseus tatsächlich, Minotaurus zu töten. Er flieht gemeinsam mit Ariadne von Kreta. Minos erfährt von Dädalos’ Verrat. Daher lässt er ihn, zusammen mit dessen Sohn Ikarus, in das Labyrinth werfen. Dort sammelt Dädalos Vogelfedern, aus denen er Ikarus und sich mit Hilfe von Wachs Flügel bastelt. Mit diesen gelingt beiden die Flucht aus dem Labyrinth. Während Ikarus der Sonne zu nahe kommt und dadurch ins Meer stürzt, landet Dädalos auf Sizilien (wo er schließlich von Minos gefunden wird, der jedoch bei dem Versuch, Dädalos zu töten, auf Sizilien selber ums Leben kommt).

                    Doch Maike kann ich zu keinem der beiden Vorschläge überreden. Ihre Leiste schmerzt nach den Wanderungen der letzten beiden Tage. Daher entschließen wir uns, unser Zelt in Paleochora abzubauen und uns auf den Weg in Richtung Osten zu machen. Ein Entschluss, den wir in den nächsten Tagen noch ein paar Mal bereuen werden. Denn, soviel so vorweg genommen: Nirgendwo gefällt uns Kreta so gut wie in den Levka Ori (auch wenn dies dem Umstand geschuldet sein mag, dass wir die ein oder andere Wanderung, die wir im Osten noch gerne gemacht hätten, auf Grund von Maikes Verletzung ausfallen lassen).

                    Wir verlassen Paleochora und fahren auf bekanntem Weg in die Levka Ori, zur Oropedio Omalou. Kurz vor Erreichen der Hochebene überholen wir zwei Radfahrer, die schwer mit Gepäck beladen sind und in Schlangenlinien den steilen Anstieg aufwärts „schnaufen“. Ich werde ein bisschen neidisch, Maike in ihrer Ablehnung gegen Fahrradurlaub auf Kreta bestätigt. Kurze Zeit später, im kleinen Weiler Omalos, bin dann auch ich froh, dass wir nicht auf Fahrrädern sitzen, als ein Hund aus der Hofeinfahrt herausschießt und unserem Auto hinterher wetzt.

                    Und damit sind wir beim Kapitel „Hunde“ – einem traurigen Kapitel! An diesem Punkt sollte ich vielleicht vorweg erwähnen, dass ich kein besonders gutes Verhältnis zu Hunden habe: Sie mögen mich nicht – und ich mag sie nicht (wahrscheinlich bedingt das eine das andere und umgekehrt...). Aber auf Kreta habe selbst ich Mitleid mit den dort lebenden Hunden bekommen. Der „freilaufende Hofhund“ stellt die Ausnahme unter den Hunden dar, denen wir in diesem Urlaub begegnen. Die Mehrzahl sind entweder sehr ängstliche Streuner (die teilweise zu einem echten Problem werden – darauf werde ich später noch zurückkommen), oder aber fristen ein erbärmliches Dasein an kurzen Ketten, oft in ihrem eigenen Dreck. Besonders berührt mich heute, später am Tag, ein Hund, der an einem Feldweg, weit ab von jeder Besiedlung, mit einer vielleicht einen Meter langen rostigen Kette an ein Betonrohr „gefesselt“ ist. Er lebt in seinem eigenen Dreck (an dieser Stelle stinkt es so extrem, dass der Geruch in unserem vorbeifahrenden Auto bei geöffneten Fenstern in der Nase und den Augen beißt), an vielen Stellen ist er wund, hat offene Wunden. Zahlreiche Tierschutzvereine importieren daher Hunde von Kreta nach Deutschland, wo diese Tiere dann an neue Besitzer vermittelt werden. Auch wenn man damit der einzelnen Kreatur natürlich einen Gefallen tut – ich weiß nicht, ob dies wirklich zur Lösung des eigentlichen Problems beiträgt (und auch Umweltschützer, mit denen wir uns auf Kreta über dieses Thema unterhalten haben, sind nicht wirklich glücklich über diese Praxis) ...


                    Blick aus den östlichen Levka Ori (oberhalb von Hora Sfakion) auf die Südküste.

                    Unsere weitere Fahrt ist zunächst einmal unspektakulär. Bei Hania stoßen wir auf die autobahnartige E 75, auf der wir uns auf den Weg Richtung Osten machen. Bei Vrysses verlassen wir diese wieder, um durch die östlichen Ausläufer der Levka Ori zurück an die Südküste zu fahren. Mehr oder weniger parallel zu dieser setzen wir die Reise nach Plakias fort. Unser Zelt auf dem dortigen Campingplatz ist schnell aufgebaut. Kurz überlegen wir, ob wir den Nachmittag am Strand ausklingen lassen sollen – doch wir sind uns schnell einig, dass sich ein kleiner Ausflug noch anbieten würde, denn wir möchten uns gerne den nahegelegenen „Wald“ aus Kretischen Dattelpalmen am Strand von Preveli anschauen – und das ganze mit der Besichtigung des Klosters Piso Moni Preveli sowie einer kurzen Wanderung verbinden.

                    Auf der Anfahrt passieren wir die Ruinen des Klosters Moni Timiou Prodromou, heute als Kato Moni Preveli ("altes Preveli-Kloster") bekannt. Das Kloster wurde Anfang des 19. Jahrhunderts im Zuge des Widerstands gegen die türkische Besatzung von den Türken niedergebrannt. Wir halten kurz an, müssen aber leider feststellen, dass der gesamte Komplex von einem hohen Zaun umgeben ist (wie wir später erfahren ist der Zaun als Schutz vor Hippies errichtet worden, die sich in den sechziger und siebziger Jahren in den Ruinen des Klosters niederließen), so dass ein Betreten leider unmöglich ist.


                    Kato Moni Preveli.

                    Das Kato Moni Preveli war ein Nebenkloster des eigentlichen Preveli-Klosters, dem Piso Moni Preveli, unserem nächsten Ziel. Das Kloster, in dem nur noch zwei Mönchen leben (weshalb ich der Bitte, nicht zu fotografieren, auch gerne nachkomme), liegt eindrucksvoll an der Steilküste. Es spielt in der Geschichte Kretas eine wichtige Rolle für den Widerstand gegen die türkische und deutsche Besatzung. Im 18. und 19. Jahrhundert war das Kloster, das Ende des 17. Jahrhunderts erstmals erwähnt wurde, eine wichtige Basis für die kretischen Partisanen im Widerstand gegen die türkische Besatzung (1669 bis 1898). In einem Geheimraum wurden die Widerstandskämpfer von den Mönchen mit Lebensmitteln, Waffen, Munition und Nachrichten versorgt. Die Türken verwüsteten und plünderten das Kloster daher mehrmals, zuletzt 1867, als die Mönche mehreren von den Türken verfolgten Kretern bei der Flucht auf das griechische Festland halfen. Im Zweiten Weltkrieg versteckten die Mönche dann mehrere alliierte Soldaten vor den deutschen Besatzern. Die Soldaten wurden dann mit U-Booten vom Palmenstrand von Preveli aus nach Ägypten evakuiert.

                    Eigentlich wollen wir den Weg, den die Mönche mit den Soldaten damals gegangen sind, erwandern, um dann gegebenenfalls durch das Tal des Megalopotamos und über die Straße zurück zum Auto zu gelangen. Doch in anbetracht der Zeit – die Besichtigung des Piso Moni Preveli hat doch länger gedauert, als wir gedacht hätten – entschließen wir uns, direkt mit dem Auto zum Strand zu fahren. Auf einer abenteuerlichen Schotterpiste geht es steil zum Meer hinunter, wir sind froh, dass wir keinen Gegenverkehr haben.

                    Vom Auto sind es dann nur wenige Meter bis an den Palmenstrand von Preveli. Der Strand selbst lockt zum Baden. Wir haben aber leider keine Badesachen dabei (und sind leider auch nicht alleine...) – und so konzentrieren wir uns auf den Palmenbestand, der an beiden Ufern des Megalopotamos („großer Fluss“), der aus einer beeindruckenden Schlucht herausfließt, wächst. Die Bucht wirkt unter europäischen Gesichtspunkten sehr exotisch, wir fühlen uns wie nach Afrika versetzt.


                    Kretische Dattelpalmen am Megalopotamos.

                    Schließlich kehren wir nach Plakias zurück, wo wir den Abend vor dem Zelt sitzend ausklingen lassen.

                    Kommentar


                    • ronaldo
                      Freak
                      Moderator
                      Liebt das Forum
                      • 24.01.2011
                      • 11960
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                      Hi,

                      schöner Bericht, auch mit a weng Zeit für Mythologie und Hunde... das gefällt mir.
                      Übrigens gibt es dort außer den Streunern und Hofhunden ausgesprochen teure, rare und stammesgeschichtlich sehr ursprüngliche Jagdhunde, denen man eine Verwandschaft zu den ägyptischen nachsagt.

                      Nach Kreta sollte man auch mal...

                      Grüße, Ronald

                      Kommentar


                      • bjoernsson
                        Fuchs
                        • 06.06.2011
                        • 1863
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                        Zitat von ronaldo Beitrag anzeigen
                        Übrigens gibt es dort außer den Streunern und Hofhunden ausgesprochen teure, rare und stammesgeschichtlich sehr ursprüngliche Jagdhunde, denen man eine Verwandschaft zu den ägyptischen nachsagt.
                        Das war mir unbekannt - wir haben davon jedenfalls keine gesehen... Deshalb: Danke für die Ergänzung!

                        Kommentar


                        • ThorstenSchneider80
                          Erfahren
                          • 04.10.2011
                          • 142
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                          Sieht gut aus, aber Kanada wär schöner...
                          Der Weg ist das Ziel!

                          Kommentar


                          • bjoernsson
                            Fuchs
                            • 06.06.2011
                            • 1863
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                            Samstag, 8. Oktober 2005

                            Wie mittlerweile jeden Morgen ist auch heute die erste bange Frage, wie es Maikes Leiste geht. Der gestrige Tag hat ihr gut getan, doch die Schmerzen sind weiterhin zu spüren. Daher entscheiden wir, einen weiteren ruhigen Tag anzuhängen, den wir ganz der Kultur widmen wollen.

                            Unser erstes Ziel ist Festos, der zweitgrößte minoische Palast Kretas. Die Minoer besiedelten Kreta vor etwa 5.000 Jahren, ihre Herkunft lag wahrscheinlich in den älteren kleinasiatischen Hochkulturen. Selber bauten sie auf Kreta eine eigene Hochkultur, die älteste Europas, auf und herrschten fast über das gesamte östliche Mittelmeer. Die minoische Kultur wird in drei Phasen unterteilt, die Vorpalastzeit (ca. 2600 bis 2000 v. Chr., vor allem durch Seehandel mit anderen, höher entwickelten Kulturen im Mittelmeerraum geprägt), die Ältere Palastzeit (ca. 2000 bis 1700 v. Chr., die Minoer herrschten über das östliche Mittelmeer und bauten die großen Paläste) sowie die Jüngere Palastzeit (ca. 1700 bis 1450 v. Chr., die Paläste wurden zu mehrstöckigen Gebäuden ausgebaut). Das Ende der Minoer kam dann plötzlich: Zwischen 1450 und 1400 v. Chr. wurde die Hochkultur durch eine bis heute unbekannte „Katastrophe“ ausgelöscht. Viele Historiker bringen den Vulkanausbruch von Santorini, der sich um diese Zeit ereignet haben muss, mit dem Ende der minoischen Hochkultur, die oft als das sagenumwobene Atlantis interpretiert wird, in Verbindung. Dafür könnte sprechen, dass viele Ruinen Brandspuren aufweisen, weshalb ein Erdbeben eher ausgeschlossen wird. Doch vielleicht wurde Kreta auch von Feinden erobert? Ab 1400 v. Chr. beginnt jedenfalls die Nachpalastzeit, in der die Mykener die Macht auf Kreta besaßen – die minoische Kultur spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Immerhin waren die minoischen Paläste grundsätzlich unbefestigt, während die benachbarten Völker dieser Zeit massive Wehranlagen bauten – ein Indiz auf die lange vorherrschende Macht, aber auch die „Verletzlichkeit“ der Minoer?


                            Blick von Festos auf die Mesara-Ebene.

                            Festos, das nach dem typischen Muster der minoischen Paläste aufgebaut ist (der Palast, der einen Zentralhof umgibt, wird über den großen Westhof betreten), liegt auf einem Hügel mit Blick in die landwirtschaftlich genutzte Mesara-Ebene, die im Norden vom Psiloritis-Gebirgszug (in dem sich mit dem 2.456 Meter hohen Timios Stavros der höchste Berg Kretas befindet) überragt und im Süden vom Asteroussia-Gebirgszug (der höchste Gipfel ist hier der 1.231 Meter hohe Kofinas) vom Meer getrennt wird. Doch vielmehr als der schöne Ausblick interessiert uns heute die Geschichte des Palastes, der um 1900 v. Chr. als größter und wahrscheinlich wichtigster Palast erbaut, aber schon 200 Jahre später durch ein Erdbeben wieder zerstört wurde. Um 1600 v. Chr. begannen die Minoer dann mit einem Neubau, der prächtiger als der alte Palast werden sollte. Doch wie die anderen minoischen Paläste, so wurde auch Festos 1450 v. Chr., noch vor seiner Fertigstellung, zerstört.


                            Festos.


                            Impression aus Festos.

                            Beeindruckt von der Größe des Palastes spazieren wir zwischen den Mauerresten umher. Die Ausgrabungen begannen hier 1900. Da man im zerstörten Neubau bislang weder wertvolle Stücke finden noch irgendwelche Fresken nachweisen konnte, geht man davon aus, dass die minoischen Herrscher der Jüngeren Palastzeit den in der Nähe liegenden Palast von Agia Triada, unserem nächsten Ziel, gerade einmal drei Kilometer von Festos entfernt, als Residenz nutzten.

                            Agia Triada, benannt nach einer naheliegenden Kirche, da der minoische Name nicht bekannt ist, wurde um 1550 v. Chr. errichtet. Der Palast ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Zum einen ist es der einzige aus zwei im rechten Winkel zueinander stehenden Flügeln erbaute minoische Palast, zum anderen findet sich in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Palast, der zahlreiche Handwerker und Kaufleute anzog, das einzig bekannte Beispiel eines minoischen Marktdorfes. Es gibt gut erhaltene Wasserleitungen zu sehen, die älteste Agora, dies ist ein Fest- und Marktplatz, in Griechenland sowie – das allerdings deutlich nachminoisch – eine byzantinische Kapelle aus dem 14. Jahrhundert, Agios Georgios Galatas. Trotzdem sind wir hier im Gegensatz zu Festos, wo zahlreiche Busreisegruppen einen Halt einlegten, fast alleine.


                            Impression aus Agia Triada.

                            Der Tag ist noch jung, als wir mit der Besichtigung von Agia Triada fertig sind, und so suchen wir uns ein weiteres archäologisches Ziel: Gortis. Und damit machen wir einen Zeitsprung über vier und mehr Jahrhunderte hinweg.

                            Gortis ist eine antike Stadt, deren Wurzeln wahrscheinlich bereits in minoischer Zeit liegen. Doch erst während der Dorischen Epoche (ca. 1100 – 480 v. Chr.) entwickelet sich Gortis zu einer wichtigen Stadt. Die Dorer erreichten Kreta um das Jahr 1100 v. Chr. Sie verknechteten die einheimische Bevölkerung – erstmals ist aus dieser Zeit ein Widerstand der Kreter gegen eine Besatzungsmacht überliefert – und ernannten sich selbst zur Oberschicht. Typisch für diese Epoche ist die Wiederbelebung ehemaliger minoischer, in der Nachpalastzeit verlassener Städte. Eine davon ist eben Gortis, das im 5. Jahrhundert vor Christus das erste Stadtrecht Europas erhielt. 67 v. Chr. eroberten dann die Römer Kreta, die Gortis zur Hauptstadt ihrer Provinz Kreta und Kyrenaika (dem heutigen Libyen) machten. Die Gesetzestafeln der Dorer nutzen sie zur Dekoration des Amphitheaters. Im Jahr 824 eroberten dann die Araber Kreta, Gortis wurde aufgegeben und zerfiel.


                            Das Odeion in Gortis.

                            Obwohl seit 1884 in Gortis gegraben wird, liegt heute nur ein Teil der römischen Stadt wieder am Tageslicht, andere werden wohl unter dem heutigen Ort Agii Deka, dessen Häuser teilweise mit den Steinen von Gortis erbaut wurden, verborgen bleiben.

                            Neben dem Amphitheater aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, dem Odeion, ragt besonders die Ruine der Basilika Agios Titos aus dem 6. Jahrhundert nach Christus hervor.


                            Die Ruine der Basilika Agios Titos.


                            Taube in einem Fenster der Basilika Agios Titos.

                            Glaubt man der griechischen Mythologie, so hat Zeus unter einer Platane, die noch heute in Gortis steht, in der Nacht nach der Entführung von Europa mit dieser drei Kinder gezeugt, darunter Minos. Europa, die Zeus zuvor vom Gipfel des Timios Stavros aus gesehen hatte, wurde vom griechischen Göttervater, als Stier verwandelt, aus dem Libanon nach Kreta entführt. In Matala soll Zeus mit Europa an Land gegangen sein und sich vom Stier zurück in Zeus verwandelt haben. Matala war auch einer von zwei zu Gortis gehörenden Häfen in dorischer Zeit. Und Matala soll auch unser letztes Ziel des Tages werden.

                            Matala ist vor allem bekannt für seinen Sandstrand sowie die aus der Jungsteinzeit stammenden Höhlenwohnungen, die in die Felsen aus Lehmsandstein, die die Bucht im Norden begrenzen (im Süden steht eine Reihe wenig attraktiver Hotels und Tavernen), gegraben wurden. Diese Höhlen, die Spilaio, dienten den ersten Christen auf Kreta als Friedhof, in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bildete sich dort eine Hippie-Kolonie, die dann von zahlreichen Rucksacktouristen, die die Höhlen als kostenlose Übernachtungsmöglichkeit nutzten, abgelöst wurden. Mittlerweile stehen die Höhlen unter Denkmalschutz, das Übernachten dort ist verboten, ein Zaun trennt Badestrand von Höhlen. Stattdessen scheinen diese heute den Badegästen als Toilette zu dienen, vor allem in den leicht erreichbaren Höhlen stinkt es bestialisch nach Urin. Schafft man es jedoch diesen Geruch auszublenden, bietet sich aus den Höhlen heraus ein schöner Blick auf die Bucht und den Strand von Matala.


                            Die Spilaio über dem Strand von Matala.

                            Zur Hauptsaison zwischen Juni und September wollen jedoch nicht nur Badegäste den Sandstrand von Matala nutzen. Der Strand ist während der Sommermonate – also ausgerechnet während der touristischen Hautsaison – einer von drei Eiablageplätzen der Unechten Karettschildkröte auf Kreta. Die Schildkröten schwimmen nachts an den Strand, wo sie ihre Eier, im Durchschnitt 120 Stück, in etwa einen halben Meter tiefe, selbstgegrabene Sandgruben ablegen. Nach etwa sieben Wochen schlüpfen die Jungtiere und machen sich auf den Weg ins Meer, wobei sie sich am in den Wellen brechenden Mondlicht orientieren. So ist die nächtliche Beleuchtung des Touristenortes eine große Gefahr für die Tiere, sorgt sie doch dafür, dass diese ihre Orientierung verlieren. Um die Nester vor der Zerstörung durch Badegäste zu schützen, markieren Mitglieder der „Griechischen Gesellschaft zum Schutz der Meeresschildkröten“ die Nistplätze und zäunen diese ein. Doch, so werden wir an einem leider kaum beachteten Infostand aufgeklärt, immer wieder werden trächtige Meeresschildkröten von nächtlichen Strandspaziergängern bei der Eiablage gestört, was zu einer Flucht der Tiere ins Meer und dem Abbruch der Eiablage führt. Die gegrabenen Nester bleiben offen und kühlen aus, die Brut stirbt ab. Vor allem sind aber auch streunende Hunde und Katzen ein großes Problem für die jungen Meeresschildkröten und teilweise auch für die Nester.

                            Kommentar


                            • bjoernsson
                              Fuchs
                              • 06.06.2011
                              • 1863
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                              Sonntag, 9. Oktober 2005

                              Gestern Abend haben wir den Entschluss gefasst, dass wir endlich wieder in die Berge wollen, als Ziel haben wir uns den 1.779 Meter hohen Giristi ausgesucht. Die Wanderung mit Start in Ano Zaros führt vorbei an den Klostern Moni Agios Nikolaos und Agia Ioannis sowie durch die Faragi Ruwas, die Ruwas-Schlucht.

                              Beim Blick in die Karte habe ich gestern Abend dann noch eine schön verlaufende Nebenstraße entdeckt, auf der wir uns heute auf den Weg in Richtung Osten, nach Ano Zanos, machen. Diese sieht auf der Karte zwar deutlich kürzer aus als die Variante auf der Hauptstraße 97 – die Straße ist aber so klein, die Ortsdurchfahrten so verwinkelt („Was ist jetzt Straße und was Hofeinfahrt?“ – einmal vertuen wir uns sogar tatsächlich), dass sich die Anfahrt extrem in die Länge zieht. So genießen wir zwar einen schönen Ausblick auf das Psiloritis-Massiv, kommen aber trotz frühem Aufstehen sehr viel später als geplant in Ano Zanos an.

                              Ano Zanos zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen auf Kreta. Der Grund dafür sind zahlreiche Quellen, die oberhalb der Stadt in den Bergen, den südlichen Ausläufern des Psiloritis-Massivs, entspringen. Das Wasser wird im Limni Botomou, dem Vanamos-See, gesammelt. Von diesem See aus werden Fischteiche gespeist, in denen, wohl ziemlich einmalig im Mittelmeerraum, Forellen gezüchtet werden! Mehrere Tavernen – alle sehr touristisch – bieten Forellengerichte an. Auch wir wollen uns dies nicht entgehen lassen (aber erst nach der Wanderung).


                              In der unteren Faragi Ruwas.

                              Wir beginnen die Wanderung – wohl wissend, dass wir es auf Grund unserer Verspätung nicht mehr bis auf den Giristi schaffen werden. Aber immerhin bis zum Kloster Agia Ioannis wollen wir kommen. Die ersten Meter der Wanderung führen durch einen im Jahr 1994 verbrannten Wald. Anders als in anderen mir bekannten Waldbrandgebieten scheint sich die Natur hier nicht zu erholen – wahrscheinlich ist der Verbiss durch Schafe und Ziegen, denen wir überall begegnen, zu stark. Das setzt sich auch im unteren Teil der Schlucht fort, in der es an einigen Stellen trotz Nieselregen bestialisch nach „Schafscheiße“ stinkt. Schade, das haben wir uns anders vorgestellt ...


                              Schafbock.


                              Ziege.

                              Wir steigen auf dem überwiegend sehr gut ausgebauten Wanderweg weiter durch die Faragi Ruwas auf. Nur einmal kommen wir vom Weg ab und folgen dem trockengefallenen Bachbett. Erst an einer senkrechten Felswand, an der auf Grund der feuchten Steine und den Dank „Schafscheiße“ fehlenden Griffen Ende ist. Bevor wir unseren Fehler bemerken, ärgern wir uns über das abrupte und unschöne Ende des Wanderwegs. Wir sind beide enttäuscht. Dann, auf dem Rückweg aus der Sackgasse, entdeckt Maike doch noch den richtigen Weg und wir setzen unseren Aufstieg fort.


                              Felswand der Faragi Ruwas.

                              Weiter oberhalb, nach einem Gatter, verdichtet sich plötzlich der Wald, der hier aus Kermes-Eichen besteht. Wir wandern am ausgetrockneten Bachbett entlang zwischen Steineichen, genießen den Blick auf die bis zu 300 Meter hohen Felswände, die die Schlucht einrahmen und nach und nach immer niedriger werden. Als es zu regnen beginnt, ist unsere Motivation jedoch ganz hinüber – vor allem, da ich heute Morgen ohne meine Regenjacke in Plakias aufgebrochen bin. Und so begeben wir uns vor Erreichen des Klosters Agios Ioannis an den Abstieg.


                              In der oberen Faragi Ruwas.

                              Zurück in Ano Zanos, mittlerweile scheint wieder die Sonne, lassen wir den Nachmittag am Limni Botomou ausklingen, indem wir die Forellen im See beobachten. Danach suchen wir nach der am wenigsten touristisch wirkenden Taverne und werden halbwegs fündig. Wir sitzen im Garten, über uns hängen bunte Lämpchen. Der Fisch selbst ist vom Geschmack her nicht so ganz meins (Forellen brauchen halt doch kaltes Wasser, um richtig zu schmecken!), allerdings gefällt mir die sanfte Olivenholzrauchnote, die das Essen doch noch zu etwas Besonderem macht.

                              Als wir in Ano Zanos aufbrechen, ist es stockdunkel. Natürlich entschließen wir uns nun für die schnelle Variante zurück nach Plakias. Doch selbst auf der Hauptstraße warten in „stockfinsterer Nacht“ noch böse Überraschungen auf uns: Beim Ausweichen vor einem nahezu unbeleuchteten Auto, das uns in einer Kurve halb auf unserer Fahrbahn entgegen kommt, schrammen wir am Hang entlang, der die rechte Fahrbahnseite begrenzt (die Schrammen werden uns zum Glück bei der Rückgabe des Mietwagens nicht angekreidet), wenig später weiche ich mit Glück einem tiefen Schlagloch aus, dass sich plötzlich und ohne Vorwarnung vor mir auftut (hier werden wir morgen wieder vorbei fahren – und sehen können, dass das Schlagloch etwa 30, vielleicht sogar 40 Zentimeter tief ist).

                              So sind wir froh, als wir nach unserer Rückkehr im Zelt liegen.

                              Kommentar


                              • bjoernsson
                                Fuchs
                                • 06.06.2011
                                • 1863
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                                Montag, 10. Oktober 2005
                                Auch beim Aufstehen sind wir noch enttäuscht von der gestrigen Wanderung. So entschließen wir uns, in aller Ruhe unsere Sachen zu packen und weiter zu fahren – wir hoffen, im Osten von Kreta noch ein paar schöne Wandergebiete zu finden.

                                Vor uns liegt der langweiligste Tag des Urlaubs. Die Fahrt durch die Mesara-Ebene zieht sich dahin. Viele Felder, Gewächshäuser, wenig einladende, schmutzige Dörfer, Müll am Straßenrand, viel Verkehr. Den Blick auf die Berge links und rechts (das Wort Mesara leitet sich übrigens von „mesa oroi“ ab, also „zwischen den Bergen“) können wir gar nicht genießen. Jetzt bin auch ich froh, dass wir nicht mit dem Fahrrad unterwegs sind!

                                Unsere Mittagspause machen wir im Schatten einiger Ölbäume. Ich bin neugierig und will wissen, wie die Oliven direkt vom Baum schmecken (einladend sehen sie ja aus) – und muss feststellen, dass sie einfach ungenießbar sind (der „Ölbauer“, oder wie heißen die Leute, die Olivenöl produzieren?, den wir auf unserer Südfrankreich-Exkursion besucht hatten, hatte also doch Recht ...).



                                Oliven.

                                Nach einem lang(weilig)en Tag im Auto erreichen wir schließlich Ierapetra. Jetzt sind es nur noch etwa zehn Kilometer nach Osten, dann erreichen wir den Campingplatz. Anders als im Reiseführer beschrieben, macht dieser einen sehr sauberen Eindruck. Allerdings sind die Stellplätze etwas gewöhnungsbedürftig: Auf drei Seiten von Holzwänden umgeben unter einem Schilfdach steht man zwar schön schattig, dafür aber auch nicht wirklich attraktiv. Der Kiesboden ist steinhart (wahrscheinlich durch unzählige Wohnmobile hart gefahren), wir haben Probleme, die Heringe in den Boden zu bekommen.

                                Zum Abschluss des Tages gehen wir zum nahegelegenen Kiesstrand, der in der recht starken Brandung interessant rasselt. Wind und Brandung halten uns vom Schwimmen ab, stattdessen spazieren wir am fast menschenleeren Strand, lediglich ein paar Hundebesitzer führen ihre Hunde aus, einige Jugendliche spielen in einem Hotel Beachvolleyball, auf und ab.

                                Kommentar


                                • bjoernsson
                                  Fuchs
                                  • 06.06.2011
                                  • 1863
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                                  Nachdem ich in den letzten Monaten nicht dazu gekommen bin, den Bericht weiterzuschreiben, habe ich mich gestern endlich mal wieder drangesetzt und auch ein paar Bilder neu eingescannt. Deshalb kann es wieder einen Tag weiter gehen:

                                  Dienstag, 11. Oktober 2005

                                  Der Tag beginnt recht ungemütlich (obwohl wir unter dem schützenden Dach unseres Stellplatzes nichts davon mitbekommen): Es regnet leicht, es ist frisch. Trotzdem wollen wir heute wieder wandern. Nach mehreren Blicken in die Wanderkarte und unsere Reiseliteratur während des Frühstücks steht unser Ziel fest: Von Kavousi aus wollen wir den Afendis Stavromenos, mit 1.476 Metern der höchste Berg der Orno Thriptis, des Thripti-Gebirges, besteigen, von dessen Gipfel wir uns einen schönen Überblick auf den Osten von Kreta erhoffen.

                                  Die Anreise über den nur zwölf Kilometer breiten Isthmus von Kreta, zwischen Ierapetra und Pachia Ammos, geht schnell. Und so sind wir schon recht früh in Kavousi. Dort sitzen bereits – im Sonnenschein – die ersten Rentner vor der Taverne. Wir parken unser Auto vor ihren Augen und schnüren unter ihren kritischen Blicken – die Kommentare verstehen wir leider nicht – unsere Wanderstiefel. Noch ahnen wir nicht, dass wir für die nächste Stunde zu ihre Unterhaltung beitragen werden ...

                                  Wir wandern, wie im Wanderführer beschrieben, los. Doch leider fehlen die Straßenschilder in Kavousi (beziehungsweise sind diese nicht mehr lesbar), die Gassen sind so verwinkelt, dass die Beschreibung nicht immer eindeutig ist. Trotzdem finden wir die kleine Kapelle Agios Georgios – nur den Weg, der dahinter abbiegen soll finden wir nicht. Also noch mal zurück, vielleicht ist es die falsche Kapelle (es gibt insgesamt sechs in Kavousi). Das Spiel wiederholt sich ein paar mal – dann kommt Bewegung in die Gruppe alter Männer. Einer läuft weg, kommt kurz danach mit einem zweiten älteren Herrn zurück. Dieser spricht fließend Deutsch und zeigt uns den richtigen Einstieg in die Wanderung. Unterwegs erzählt er uns, dass er lange in Deutschland gelebt hat und vor einigen Jahren nach Kreta zurückgekehrt sei. Mit Ausnahme seiner Frau lebt seine ganze Familie noch immer im Ruhrgebiet, auf Kreta gäbe es für junge Leute leider keine Arbeit. Ich frage, woher die Männer wussten, dass wir aus Deutschland kommen? „Wenn hier jemand wandern will, dann sind das immer Deutsche. Vor ein paar Jahren kam eine ganze Gruppe Deutscher und hat die Wege hier markiert. Jetzt sieht man davon nichts mehr. Wir Griechen verstehen nicht, dass wir damit richtig Geld verdienen könnten.“ Aus seiner Erzählung hört man eine Menge Hoffnungslosigkeit heraus.

                                  Wir verabschieden uns schließlich herzlich von dem älteren Herrn, der jedes Dankeschön ablehnt. „Es freut mich, dass ich mal wieder Deutsch reden konnte. Ich habe Heimweh nach Deutschland“, sind seine letzten Worten, als wir uns trennen.

                                  Der Anstieg erfolgt nun auf einem alten Maultierpfad, teilweise parallel zu einer alten Wasserleitung, am Hang einer Schlucht entlang. In Dorfnähe sieht man noch einige bewirtschaftete Felder, doch nach wenigen Minuten wandern wir nur noch über aufgegebene, von stacheligen Pflanzen übersäte Terrassen. Wir grübeln, wie viel Mühe Generationen lang in den Bau und den Unterhalt dieser geflossen sind. Zu unserer mittlerweile leicht melancholischen Stimmung zieht sich der Himmel zu, ein leichter Nieselregen setzt ein.


                                  Der Wanderweg verläuft eine ganze Zeit lang parallel zu einer alten Wasserleitung.


                                  Auf einem alten Maultierpfad wandern wir aufwärts.


                                  Aufgegebene Terrassen oberhalb von Kavousi.


                                  Überall neben dem Weg mahnen dornige Pflanzen, diesen nicht zu verlassen.

                                  Bald darauf haben wir den ersten Blick auf den Afendis Stavromenos, der Gipfel in Wolken verhüllt. Mit scheinbar senkrechten Wänden scheint er sich über das übrige Gebirge zu erheben. Dieser Anblick lässt unsere Stimmung wieder ansteigen.


                                  Der erste Blick auf den Afendis Stavromenos.

                                  Schließlich erreichen wir einen relativ neuen Forstweg, der in den Hang gesprengt ist. Laut Karte sollte dieser erst später beginnen. Wir wandern auf dem Weg ein Stück weiter, um eine Kurve herum. Vor uns liegt der Afendis Stavromenos. Die Pfade, über die wir laut Wanderkarte bald wieder hätten wandern dürfen, lassen sich nicht entdecken; stattdessen weitere frisch in den Fels gesprengte Straßen. Auf dem Gipfel des Afendis Stavromenos machen wir eine Funkantenne aus. Ein Lastwagen rumpelt an uns vorbei, kurz darauf ein Bagger. Alle Lust am Weiterwandern ist verschwunden. Wir suchen uns einen Platz mit wenigen stechenden Pflanzen am Straßenrand, beginnen unsere verspätete Mittagspause. Wir müssen es nicht aussprechen – ein Blick reicht: Beide wollen wir nicht weiter. Und so beginnen wir kurz darauf den Abstieg. Zurück am Auto, noch immer im leichten Nieselregen, sind auch die Männer an der Taverne verschwunden ...


                                  Dieser Blick auf die frisch in den Berg gesprengten "Straßen" unterhalb des Afendis Stavromenis raubten uns jede Lust weiterzuwandern.

                                  Kommentar


                                  • Alex79
                                    Dauerbesucher
                                    • 05.06.2007
                                    • 740
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                                    Sehr schön das es weiter geht! Würde mich freuen, wenn Du den Bericht bis September fertig hast Dann würde ich nämlich gerne mal die Südküste Kretas entlangwandern und Dein Bericht ist eine sehr gute Einstimmung!
                                    Kommen die versprochenen Hundeabenteuer noch?

                                    Kommentar


                                    • bjoernsson
                                      Fuchs
                                      • 06.06.2011
                                      • 1863
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                                      Zitat von Alex79 Beitrag anzeigen
                                      Würde mich freuen, wenn Du den Bericht bis September fertig hast
                                      Das hoffe ich auch - und das sollte ich eigentlich auch schaffen!

                                      Kommen die versprochenen Hundeabenteuer noch?
                                      Die wichtigsten "Hundeabenteuer" habe ich angesprochen. Du meinst meine Ankündigung bezüglich der Probleme, oder? Hier hatte ich an die Schildkröten gedacht. Aber ein "Hundeabenteuer" stand uns schon noch bevor - darauf gehe ich dann auch noch ein.

                                      Kommentar


                                      • bjoernsson
                                        Fuchs
                                        • 06.06.2011
                                        • 1863
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

                                        Und wieder habe ich viel länger gebraucht, als ich mir vorgenommen hatte ...

                                        Mittwoch, 12. Oktober 2005

                                        Heute steht eine Wanderung auf dem Programm, auf die ich mich schon lange im Voraus gefreut habe. Ganz im Osten von Kreta liegt die Farangi Nekron, unter Deutschen Urlaubern als das „Tal der Toten“ bekannt. Den Namen erhielt sie, da die Minoer in den zahlreichen teilweise nur schwer zugänglichen Höhlen, die in den senkrechten Schluchtwände versteckt liegen, ihre Toten beisetzten. Allerdings blieb nur ein Grab, das fünf Frauenleichname enthielt, unversehrt – alle anderen wurden geplündert.

                                        Um die Streckenwanderung zu einer Rundwanderung auszubauen, parken wir unser Auto im am Mittelmeer gelegenen Kato Zakros, einer kleinen Ortschaft, die ein beliebtes Ausflugsziel auf Kreta darstellt. Entsprechend sieht der Ort – vor allem am schönen Kiesstrand – aus. Von den Ausflugslokalen zieht schon morgens ein „Duft“ nach heißem Öl durch den Ort.

                                        Über die alte Straße zwischen Zakros und Kato Zakros wandern wir oberhalb der Farangi Nekron zurück ins Landesinnere. Es ist total ruhig, die Blicke streifen über die Weite, kein Baum oder Haus versperrt die Sicht. Die Pflanzen rechts und links des Schotterweges sind knöchel-, maximal kniehoch.


                                        Blick über die Farangi Nekron auf die Ostküste Kretas.

                                        Nach etwa einer Stunde stößt die alte auf die neue, asphaltierte Straße. Uns stellt sich hier nun die Frage, ob wir auf dieser noch eine weitere Stunde auf dieser bis Zakros weiterlaufen, oder ob wir bereits hier auf dem schmalen, steilen Pfad in die Schlucht absteigen. Wir sind uns einig, denn auf „Asphaltlatscherei“ haben wir beide keine Lust. Und der imposanteste Teil der Schlucht liegt nun sowieso Richtung Meer.


                                        Ein erster Blick in die Farangi Nekron.

                                        In der Farangi Nekron führt ein sandiger Pfad, ein Teil des E 4, mehr oder weniger parallel zum Bett des kleinen Baches, der, zusammen mit den Büschen, die ihn säumen, eine angenehme Kühle verbreitet. Hin und wieder führt der Weg direkt durch den Bach – wir sind froh, dass dieser jetzt, im Herbst, nur wenig Wasser führt. Auf der anderen Seite ist es so warm, dass nasse Füße auch kein wirkliches Unglück darstellen würden. Hin und wieder verlieren wir den Fußweg und folgen stattdessen schmalen Ziegenpfaden, aber ein Verlaufen ist hier ausgeschlossen.


                                        Ein Blick auf die farbigen Felswände der Farangi Nekron.


                                        Drei der Höhlen, in denen die Minoer ihre Toten bestatteten.

                                        Nachdem wir die Farangi Nekron etwa zur Hälfte durchquert haben, zweigt nach links ein schmaler Pfad zu den Ruinen eines minoischen Palastes, Castelas, ab. Zwar locken uns diese nicht unbedingt, doch der Warnhinweis „For experienced hikers only“ weckt dann doch unsere Abenteuerlust. Und tatsächlich: Auf den ersten fünf Metern könnte man wirklich davon sprechen, dass man einen Hauch Trittsicherheit und Schwindelfreiheit braucht. Doch dann flacht der Wegverlauf ab, man spaziert quasi auf einem schmalen, manchmal fast unkenntlichen Pfad zu den Palastruinen.


                                        Die ersten Meter des Aufstiegs nach Castelas.

                                        Wir erreichen die Ruinen von Castelas und sind positiv überrascht: Die Mauerreste laden zum Entdecken ein, die Lage vermittelt einen Hauch von Weite und Freiheit. Wir entschließen uns, hier unsere Mittagspause zu verbringen.

                                        Zurück in der Schlucht erreichen wir bald den Punkt, an dem sich diese weitet. Hier trennt ein Zaun die landwirtschaftlich genutzten Flächen, die zum Meer hin liegen, von den Ziegenweiden in der Schlucht. Hier durchschreiten wir ein Tor, das die erste wirklich deutlich sichtbare E4-Markierung trägt, die wir in diesem Urlaub entdecken können. Von hier aus sind es nur noch wenige Minuten zum Strand von Kato Zakros. Wir stellen uns vor, welches Gefühl einen hier überwältigt, wenn man dieses Tor nach einer West-Ost-Durchquerung von Kreta auf dem E4 durchschreitet, das Rauschen des Meeres vernimmt und weiß, dass man gleich am Ziel angekommen ist. Irgendwie beneiden wir jeden, der dies erleben darf!


                                        Am Ende des E4.

                                        Dann stehen wir am Strand – und da wir noch früh am Nachmittag haben ist der Entschluss schnell gefasst: Jetzt wird erst einmal gebadet! Wir haben den Strand fast für uns alleine und genießen die Ruhe.

                                        Kommentar

                                        Lädt...
                                        X